Erinnerungskultur und Geschichtspolitik in Linz

Die Stadt Linz nimmt für sich in Anspruch in Sache Aufarbeitung des Nationalsozialismus führend zu sein unter den österreichischen und deutschen Städten. Und tatsächlich kann die Stadt auf eine Reihe von Publikationen und Aktivitäten in diesem Bereich verweisen.
Dennoch wird die Aufarbeitung der NS-Zeit nicht als abgeschlossenes Projekt betrachtet. Wo steht die ehemalige „Patenstadt des Führers“ die oftmals auch fälschlich als Heimatstadt von Adolf Hitler bezeichnet wird heute? Wie sehen Erinnerungskultur und Geschichtspolitik in der Stadt an der Donau derzeit aus? Und wie ist Linz zu diesem Vorzeige-Beispiel kommunaler NS-Aufarbeitung geworden?
Diese und eine Reihe anderer Fragen waren Thema eines Gespräches zu dem Radio FRO den Leiter des Archives der Stadt Linz, Walter Schuster, den Historiker Michael John und den Gedenkstättenpädagogen Axel Schacht geladen hat. Das Gespräch führte Andi Wahl. Aufarbeitung des Nationalsozialismus in Linz

Der Mut der Resi Pesendorfer

Resi Pesendorfer würde man heute vielleicht als „taffe“ Frau bezeichnen. Nicht nur wegen ihrer unermütlichen Risiken und wegen des Einsatzes den sie als Widerstandskämpferin auf sich genommen hat, sondern auch, weil sie ihre Geschichte zeitlebens selbstbewußt erzählt hat. Viele andere Mitstreiterinnen im Wierstand, haben rückblickend ihre Partisanen-Biografien kleingeredet, wie diese auch von den Männern oftmals unerwähnt blieben. Im Vergleich mit weiblichen Widerstandskämpferinnen, deren Heldentaten im Zuge der ersten Aufarbeitungen in den Hintergrund gerieten und erst spät von jungen Historikerinnen erhellt wurden, war Resi Pesendorfer, sicher eine Ausnahmeerscheinung.

Dr. Martina Gugglberger portraitiert die Biografie der Resi Pesendorfer, einer Widerstandskämpferin im Salzkammergut.

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„Weg von hier …“ – Ein Beispiel kindgerechter Vermittlung von Zeitgeschichte

Ilse wurde im November 1928 in Linz geboren. Sie war oft krank, führte aber ein behütetes Leben. Am liebsten spielte sie im Volksgarten, ging mit ihren Eltern am Freinberg spazieren oder aß in einer Linzer Konditorei leckere Mehlspeisen. Erdbeerschiffchen und Indianerkrapfen waren ihre absoluten Lieblinge.
Mit dem Einmarsch Hitlers in seine „Heimatstadt“ änderte sich schlagartig sehr viel für das damals neunjährige Mädchen. Plötzlich durfte ihre beste Freundin nicht mehr mit ihr spielen, ein fremder Mann kam und nahm sich einfach ein wertvolles Bild von der Wand, die Eltern verloren Geschäft und Wohnung und der Vater wurde ins Konzentrationslager Dachau gebracht.

„Weg von hier …“

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Karl Theodor Demant, der träumende Architekt

Die Autorin Verena Wagner erzählt von Ihren Recherchen über den Architekten Karl Theodor Demant, der 1938 mit seiner Familie schließlich aus Österreich fliehen musste und nicht wieder zurückkehren sollte.

In der Zwischenkriegszeit reagierte der Kosmopolit und Intellektuelle Demant auf die extreme Armut in Linz rasch und kreativ. Er entwickelte mit Kollegen, basierend auf einer Art Selbsthilfekonzept, einen Siedlungstyp, der es arbeitslosen Arbeitern erlaubte, ihre Häuser selbst zu bauen. 1934 beginnt man in Linz diesen Siedlungsbau an drei Standorten, um die Situation von Arbeitslosen zu verbessern. Doch bereits 1938 wird auch das Haus des jüdischen Architekten „arisiert“ und alle Siedlungen geschliffen. Ein Jahr später, 1939, werden dort – wo eine der Demant-Siedlungen zerstört wurde -, die Hermann-Göhring-Werke (Spatenstich: Mai 1939) erbaut.

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Lebensläufe im Schatten: Gertrude und Theodor Grill

Vielleicht war es die nur einjährige Episode als Bürgermeister der Stadt Linz im Leben des Theodor Grill, dass sich die Allgemeinheit heute kaum an ihn erinnert. Nochvielmehr trifft dies auf Grills Ehefrau – Gertrude Grill zu, obwohl auch Sie politisch aktiv war und sogar nach dem 2. Weltkrieg nach Linz zurückkehrte.

Wir versuchen Licht ins Dunkel der Biographien von Gertrude und Theodor Grill zu bringen. Im Gespräch mit der Historikerin vom Archiv der Stadt Linz, Dr.in Cathrin Hermann.

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Verrat steht im Raum

Georg Jungwirth, wird von Peter Weidner vom Freiheitskämpferbüro OÖ, als Intellektueller und Humanist, bezeichnet.

Der Fall: Dr. Jungwirth warnt, als das Nazi-Regime erstarkt, seinen Bruder Wolfgang in einem Brief vor den Folgen.

Die Frage, die Weidner, wie Historiker nun beschäftigt, ist: hatte der Bruder Wolfgang die Nazi-Schergen besagten Brief absichtlich finden lassen? Erst nach vielen Versuchen gelang es dem Historiker Peter Weidner, der sich selbst als Autodidakt bezeichnet, Dr. Georg Jungwirth persönlich zu treffen. Zu verdanken war dies Weidners Achtsamkeit.

Letztlich zeigte sich, dass das Rätsel um den Verrat der Bruder Wolfgang Jungwirth mit ins Grab nehmen sollte. Es bleiben Fragen offen, auf die auch Dr. Georg Jungwirth vor seinem Tod keine Antwort finden konnte.

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Es spricht Peter Weidner vom Freiheitskämpferbüro OÖ.

Anwalt, Sozialdemokrat und Jude: Dr. Hermann Schneeweiss

Dr. Hermann Schneeweiss, Anwalt, Sozialdemokrat und Jude. Seine Anwaltskanzlei hatte Dr. Schneeweiss in der Linzer Bischofstrasse, in der auch Adolf Eichmann eine Zeit lang gelebt hatte. Nach dem Anschluss wurde Schneeweiss deportiert und sollte schliesslich 1939 mit seiner Familie nach Austrialien emigrieren, erzählt Dr. Schuster vom Archiv der Stadt Linz.

Dr. Hermann Schneeweiss verstarb schliesslich sehr bald und kurz nach der Ankunft in der neuen Heimat, und zwar war das bereits 1946 – in Syndey. Der Bruder des Dr. Schneeweiss, Rudolf Schneeweiss, der eine sehr ähnliche Biographie wie sein Bruder vorweisen konnte, sollte auch das gleiche Schicksal ereilen. Er konnte mit seiner Frau letztlich in England Asyl finden.

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Die Isolation des Dr. Bloch

Der jüdische Arzt und Humanist Dr. Eduard Bloch gerät durch die Nazis in Isolation, trotzdem oder weil die Nationalsozialisten ihn durch Anweisung Hitlers vor dem Schlimmsten verschonen.

Dr. Schuster, Leiter des Archivs der Stadt Linz, erzählt die Geschichte des Dr. Bloch, der auch als Armenarzt tätig war. Und hier kommt Hitler ins Spiel, der – als seine Mutter erkrankt – die für Dr. Bloch so schicksalhafte Bekanntschaft mit ihm machen sollte.

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Es spricht Dr. Walter Schuster / Archiv der Stadt Linz

Habseligkeiten verlieren. Grenzen überschreiten.

Ein Schicksal, das auch den jungen Mann George Wozasek ereilte. Dennoch hatte er, wie er selbst erzählte, Glück. Eine Odyssee von Amstetten nach Wien, Paris und New York führte ihn schließlich nach Linz, wo er ab 1951 lebte und arbeitete. Heute ist Wozasek Präsident der kleinen aber lebendigen isrealitischen Kultusgemeinde Linz.

Dr. Birgit Kirchmayr, die im Moment das Buch mit dem Titel „George Wozasek. Eine biografische Spurensuche“ verfasst, wird dieses im Herbst im Wagner Verlag publizieren. Im Beitrag erzählt sie über seine Flucht aus Österreich.

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Unfreiwillig im Exil: Anna und Edith Wilensky

Ein kulturelles Leben vor der Zeit des Nationalsozialismus in Linz? Schwer zu sagen. Und es gab es doch. Die Wilensky’s waren eine solche Künstlerfamilie. Der Vater, seines Zeichens Operntenor am Linzer Landestheater, Julian Wilensky und die Mutter Anna Wilensky arbeitete vor dem Krieg als Journalistin. Deren Tochter Edith war dem modernen Ausdruckstanz verschrieben und leitete bald eine eigene Tanzschule.

In jungen Jahren – das hat die historische Forschung belegt – entdeckte der junge Adolf Hitler eben am Linzer Landestheater seine Leidenschaft für Wagner Opern. Der Interpret war ausgerechnet der polnische Jud‘ (O-Ton: Anna Wilsenky) Julius Wilensky.

Die Absurdität bleibt. Die Geschichte der Familie nimmt während des Krieges eine dramatische Wendung.

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Sprecherin: Dr. Birgit Kirchmayr/Johannes Kepler Universität Linz.