Auf der Fährte des …

> Sendung: Perlentaucher Nachtfahrt vom Freitag, 8. März – Und wieder einmal verbinden wir zweierlei. Unsere gemeinsame Fahrt auf der Fährte des Lebens und das, was wir neuerdings unter unendlichen Möglichkeitsformen als interessante Spuren erschnuppern. Es gibt eine neue Ausstellung inmitten all der bekannten, oft schon verblassten und im “Wind Of Change” verwehten Fundstücke vergangener Expeditionen. “Nein, zurück wollen wir reisen zum Ursprung der Sprache, zu den Quellen der Musik und den Wurzeln der Bilder und Träume.” Machen wir uns also auf den Weg – zu uns selbst und zu dem, was uns Menschen verbindet. Wir zeigen euch, was uns auf dieser Reise begegnet und was wir für lebenswertvoll erachten. Wir stellen unsere Eindrücke als dreistündigen Hörfilm in eure Seelenlandschaft

Auf der Fährte des ...Einige der Entdeckungen, die wir unterwegs gemacht haben, wollen wir euch zur näheren Betrachtung anempfehlen, zumal sie auch in uns so einiges an Denk-, Gefühls- und Wahrnehmungserweiterung über uns selbst und die Welt, in der wir leben, zum Vorschein bringen. Hier sei zuallererst ein Lied von Robert Herbe mit dem Titel “Das Festival ist abgesagt” erwähnt. Haben wir überhaupt auch nur ansatzweise verstanden, was die Zeit der Lähmung während der Corona-Pandemie in unseren Leben angerichtet hat – und wie sehr uns ihre psychischen Spätfolgen immer noch beeinträchtigen? Die unmittelbare Darstellung des Kultur-Lockdowns aus der Sicht des engagierten Lichtbildners erreicht uns heute wie in einer Zeitkapsel konserviert und ermöglicht so eine nachträgliche Neuberechnung unserer tatsächlichen Position. Chapeau! Wir leben und bewegen uns einerseits in uns selbst, entwickeln uns dabei hoffentlich weiter, befinden uns andererseits aber im Austausch mit der Außenwelt.

Auf der Fährte des ...Eine Annäherung an all das, was “da draußen vor sich geht” (und was sich eben auch in den Menschen abspielt) bietet “Agries Meres” von Yannis Paxevanis, mit dem der mannigfach ausgezeichnete Dokumentarfilm AGORA II von Yorgos Avgeropoulos beginnt, hier auf Deutsch (in der ARD-Mediathek):

Wenn die Lüge zur schönen Wahrheit wird
Wenn die Farben in Schwarz versinken
Wenn der Frühling sich wie Winter anfühlt
Wenn das Feuer nicht mehr wärmt

Hart sind die Zeiten

Weitere Annäherungen daran, wie die inneren Bewegungen mit den Zuständen um uns her in Verbindung stehen, stellen noch andere (mehr als nur) Musikprojekte vor: Sampling the World von Arthur Henry, ein ambitionierter Versuch, mit Bildern und Sounds das Gemeinsame von Menschen mit dem Lebensgefühl in ihren jeweiligen Heimatorten einzufangen – und wiederzugeben. Unlängst erschien ein Video mit dem Titel “I remix the people of KYIV” und versetzte uns auf die Fährte seiner Arbeiten, die bezeugen, dass “da draußen” viel mehr Einfühlsame umgehen als wir glauben …

Auf der Fährte des ...So wie auch Yevgeniy Breyger, aus dessen Buch “Frieden ohne Krieg” wir in dieser Nachtfahrt das Gedicht “Streu.Obst” zweistimmig vortragen werden. Unsere Begegnung mit ihm bei seiner Lesung im Literaturhaus hat einen längst überfälligen Kontakt von erlittenen Schrecklichkeiten mit einer tiefen Gefühlswahrnehmung für das Lebendigsein geschlossen. Etwas, wonach wir schon immer und immer wieder suchen, findet sich auf der Fährte des … Alles? Nichts? Lebens? Peter Gabriel hat es in “Live and let live” so formuliert: “Just how much does it have to hurt before you let go the pain? Just how deep does it have to be before you yearn to be free again?” Der Begriff “Forgiveness” muss auf jeden Fall noch näher untersucht werden, was so wie hier damit gemeint ist und inwieweit er sich als Schlüssel zur Befreiung vom erlebten Unrecht eignet (wir werden dem in einem Artarium nachgehen). Eins ist deutlich wahrnehmbar: Es riecht verdächtig nach einem möglichen Ausweg aus der Spirale der Gewalt in und um uns.

Folgen wir dieser Fährte

Every wound can lock you away
You can walk or you can choose to remain
Everyday can pass you by
While you were holding the key

 

Back to Front – Live erleben

> Sendung: Perlentaucher Nachtfahrt vom Freitag, 8. September – Auch unsere Nachtfahrt-Sendereihe geht inzwischen ins 10. Jahr ihres Bestrebens, jenseits des Mainstream das Unterhaltsame mit dem Wissenswerten zu einem freitagnächtlichen Hörtheater zu verdichten. Aus diesem Untergrund gibts diesmal eine sehr spezielle Premiere – auf alle Ohren, die die Welt bedeuten: Wir senden erstmals ein ganzes (über 2-stündiges) Live-Konzert, und zwar, wie der Meister selbst sagt, from top to bottom”. Es handelt sich dabei um den Mitschnitt von Peter Gabriels Auftritt in der Wiener Stadthalle am 3. Oktober 2013 anlässlich seiner “Back to Front Tour”. Viele gute Gründe sprechen dafür, Gehirn und Gefühl mit diesem Ausnahmekünstler zu beschäftigen – einige davon mögen sich auch hier in unserer Sendung offenbaren.

Back to Front Live 1Schon in den 80er Jahren fiel es angenehm auf, dass der ehemalige Leadsänger von Genesis einen etwas anderen Karriereweg wählte als die meisten seiner erfolgreich industriehörigen Rockstarkollegen. Das kommt bereits sehr deutlich in dem Schreiben aus dem Jahr 1975 zum Ausdruck, in dem Peter Gabriel die Gründe für seine Trennung von der damals gerade zur Weltgeltung abhebenden Formation ausleuchtet. Darin finden sich unter anderem folgende Gedanken: “I had begun to think in business terms; very useful for an often bitten once shy musician, but treating records and audiences as money was taking me away from them. When performing, there were less shivers up and down the spine.” …. “It’s good to see a growing number of artists breaking down the pigeonholes. This is the difference between the profitable, compartmentalized, battery chicken and the free-range. Why did the chicken cross the road anyway?

Back to Front Live 2Darüber hinaus war Peter Gabriel in den nunmehr 4 Jahrzehnten seines Soloschaffens stets kompromisslos und radikal bei der Themenwahl des von ihm dargebrachten Musik- und (vor allem) Bühnenwerks. So verdanken wir ihm bestimmt einige der einfühlsamsten Stücke über seelische Abgründe und fragile Bewusstseinszustände, die sonst von internationalen Größen kaum jemals verhandelt werden (weil sich das im Hinblick auf die Quote nicht rechnet). Anstatt solcherlei psychopathischer Sozialabtötung zu betreiben und sie dabei noch als normal (im Sinne von gesund) zu vertreten, bloß weils normal (im Sinne von allgemein üblich) ist, riskierte er lieber seine eigene Gesundheit, indem er mit Isolationstanks experimentierte und seine inwendige Geisterbahn zu Kunstwerken verschrob. Derlei schaffen – in dieser Bandbreite und über einen so langen Zeitraum – wirklich nur die Wenigsten. Inside Out – oder eben Back to Front.

Back to Front Live 3Naturgemäß ist jede Musikauswahl eine Geschmackssache. Aber wir wissen, was wir der Welt mitteilen möchten und wir können das auch entsprechend begründen. Warum wir nun ausgerechnet ein Konzert der Back to Front Tour auswählen? Weil hier auch noch ein formales Kriterium dessen zu Tage tritt, was Peter Gabriels Musikschaffen über die Jahre hinweg so intensiv inspirierend und überaus unlangweilig macht. Denn im Gegensatz zu unzähligen seiner Alterskollegen erstarrt er nie zur Mumie im Museum der einstigen Erfogsposen. (Wenn ich mir da sonst oft so Untote aus den 60er und 70er Jahren anschaue – DAS ist echt unheimlich!). Folglich stellte er schon 1975 fest: “As an artist, I need to absorb a wide variety of experiences. I felt I should look at/learn about/develop myself, my creative bits and pieces, and pick up on a lot of work going on outside music.”  Und er hat Wort gehalten – das ist heutzutage schon selten genug:

Jenseits von Mainstream, jenseits von Genrezoo – mitten ins Herz der Popkultur

Aus gegebenem Anlass widmen wir diesen Abend einem inzwischen Abgegangenen, dessen Name uns manch blödes Wortspiel entlockte: Moribund the Bürgermeister