Romantik Revolution

> Sendung: Perlentaucher Nachtfahrt vom Freitag, 12. November — Es gibt nur eine Wirklichkeit und die heißt Realität. Romantik ist eine kunstgeschichtliche Epoche zwischen Siebzehnhundertirgendwann und Achtzehnhundertjenachdem. Revolution ist ein gewaltsamer Umsturz, bei dem Chaos und Anarchie ausbrechen (also das “Recht des Stärkeren” herrscht). So ähnlich wird uns die Beschaffenheit der Welt von klein auf, erst recht in der Schule, eingeflößt. Es gibt nur eine Wirklichkeit und die heißt Realität. Das ist der “Ernst des Lebens” (den wir erst verstehen werden, wenn wir einmal “groß” sind). Auf jeden Fall müssen wir dazu erzogen werden, dass wir uns an die herrschenden Verhältnisse anpassen. Wer sich nicht fügt, fliegt raus! Wie war das gleich nochmal mit dem “Recht des Stärkeren”? Eine Spurensuche

RomantikUnlängst flackerte im Fernsehen kurz eine Dokumentation vorbei: “Romantik – Kunst wider das Chaos” vertrat dabei die These, dass “die Romantik” eine Gegenbewegung zur beginnenden industriellen Revolution war. Philosophen sowie Kunstschaffende jener Zeit reagierten auf die zunehmende Zerstörung der Lebensbedingungen wie der Natur mit einer Hinwendung zu im Zeitgeist unterrepräsentierten Inhalten. Unberührte, von den Profitinteressen der neuen Unternehmerelite unvergewaltigte, das heißt unzerstörte und so nach wie vor gesunde Natur etwa (was auch die Natur der menschlichen Seele mit einschließt). Innerlichkeit also und Befreiung der unterdrückten Gefühlsanteile einer bislang nur unzureichend zur Geltung kommenden Ganzheit, Vielfalt und Vielschichtigkeit. Und auch individuelle Freiheit vom Sachzwang der Herrschenden und ihrer schon früh als Bedrohung erkannten Verhältnisse. Das hat alles recht wenig mit Biedermeier, Idylle und Heile-Welt-Heimatfilm zu tun – womit wir jedoch, erst recht in der Schule, von den Definitionshoheiten der alternativlosen Realitätswirklichkeit immerfort zu Tode gelangweilt werden. Wir sollen nämlich eine “Hochleistungsgesellschaft” sein.

RevolutionEin Gegengewicht zur Unwucht der schleudernden Welt zu finden und es auch anzuwenden, das wäre der Versuch einer Reform an den bestehenden Verhältnissen, ohne deren Sinn und Zweck von Grund auf in Frage stellen zu müssen. Um eine wirkliche Umwälzung (“dass ein neues Prinzip an die Stelle des bestehenden Zustands gesetzt wird”) herzustellen, müsste jedoch viel mehr geschehen, als dass bloß das eine oder andere Gegengewicht eingesetzt wird. Womöglich müsste man die gesamte schwindelerregende Maschine anhalten (wie dies etwa 2020 zu Beginn der Corona-Pandemie angeregt wurde) und sodann als Menschheit gemeinsam “unter neuen Vorzeichen” weiter leben, ohne die Natur in und um uns zu zerstören. Wer stört uns? Wir sind verstört. Wir werden zerstört. Schluss damit! Das wäre die erste wirkliche weltweite Revolution. Und die Folgen? Was herrscht denn derzeit anderes als das rücksichtsloseste “Recht des Stärkeren”, wenn die eitlen Machthaberer sich unsere Welt untereinander als Besitz aufteilen?

Unsere WeltInmitten des ebenso ewiggestrigen wie strunzdummen Dauergequengels von Wirtschaftswachstum und Neuen Märkten halten wir in uns inne und stehen dann mit Thomas Bernhard auf, um endlich “in die entgegengesetzte Richtung zu gehen”. Wo immer noch ein Weg hinführt. Wir sind die Brüder der romantischen Verlierer und werden dadurch unsere Seelen gewinnen. Noch regieren uns die Untoten und die Gespenster einer nie je da gewesenen Herrlichkeit. Die war über Generationen hinweg getürkt, getürkist, gedüdeldüht. Von devoten Geschichtsschreiberlingen auftragsgemäß zurechtgeschwindelt und bei Bedarf -gefälscht. Hinter ihrem schönen Schein war noch nie irgendein Sein im Sinn gedeihlichen Lebens (außer für sie selbst). Stattdessen Ausplünderung aller zusammengeraubten Ressourcen (inklusive der Untertanen), Gewalt in jeder Form (Folter, Mord, Vertreibung, Krieg), Unterhaltung (besser Untenhaltung) durch Angst, Feindbilder, Religion und Staatstheater. Die Luftsackerln funktionieren doch nur, solange wir uns vor ihnen fürchten. “Du hergwahter Gottesgnodenschoaß – wos wüst du von mir?” Und es wird keine Antwort sein – nur gähnende Langeweile.

Wir waschen unsere Hände in Urschuld.

 

Konform Konsum Kulturkollaps

> Sendung: Perlentaucher Nachtfahrt vom Freitag, 10. SeptemberEs sind finstere Zeiten, in denen wir leben. Fragen die gestellt, Geschichten, die erzählt, und Erkenntnisse, die gewonnen werden, bleiben allesamt ohne Auswirkung auf den Lauf der Welt. Geschichte wird von irgendwelchen Siegern gemacht, die sich nicht mehr hinterfragen lassen, inwieweit ihre Machtausübung dem Gemeinwohl schadet oder nützt. Die Banalität des Bösen grinst uns schadenfroh ins Gesicht und jeder Versuch zu verstehen zerschellt an einer Wand aus sprachloser Bürokratie. Dahinter treiben die Sachzwänger und Zweckwidmer ihr grausames Spiel. Der totale Krieg gegen das Menschliche endet zwangsläufig im Untergang des Lebens an sich. Der Kulturkollaps, den wir da erfahren, der ist genauso weltumspannend wie die Zerstörung der Natur.

KonformDas trübt die Stimmung, Freunde und *innen – und verfinstert das Gemüt. Wollen wir denn nicht alle immer nur fröhlich, vergnügt, “gut drauf” – und vor allem von allem Unbill der Welt “in Ruhe gelassen” sein? Schön wärs! Die Diktatur der guten Laune ist immer und überall. Und der quietschbunt penetrante Konsumterror. Public Relations auf allen nur erdenklichen Kanälen – als “Propaganda” kennt man das diesbezügliche Grundlagenwerk von Edward Bernays, die darin erklärten Techniken wurden nur umbenannt, weil sich ein gewisser Joseph Goebbels so schamlos beim Neffen von Sigmund Freud bedient hatte. Wär ja sonst peinlich. Pfuigack, Zipferl sagt man nicht! Millionen Menschen verhungern lassen – das ist was ganz anderes. Lebt der Jean Ziegler eigentlich noch? Wir leben jedenfalls in einer geschlossenen Anstalt für Realitätsflüchtlinge, allerdings regiert und verwaltet von den eigentlichen Soziopathen. Während sie das Haus anzünden, singen wir ein fröhliches Lied. Juhu!

KonsumKonkret verstimmt sind wir auch über den allzu schnellen Tod von Elke Mader, die uns und unsere Projekte stets freundschaftlich begleitet hat. Scheißtod! Trauer mischt sich da mit Wut. Unser Blick in den Abgrund wird zunehmend deutlicher. Ob es der Abgrund ist, der zuletzt zurück blickt? Wir werden sehen… Und wir sind doch bedürftig nach einem Wort des Trostes. Was würde Leonard Cohen jetzt sagen?

You can add up the parts
But you won’t have the sum
You can strike up the march
There is no drum
Every heart, every heart
To love will come
But like a refugee

KulturkollapsIst es also längst nicht mehr kurz vor Zwölf auf der Doomsday-Clock des Atomzeitalters? Ist es vielleicht viertel nach Sieben – und zwar am nächsten Morgen? Sind wir jetzt alle tot? Haben wir es nicht mitgekriegt? Konsumismus, Kulturkollaps und Klimawandel – sind wir schon über den “Point of No Return” hinaus? Die Gegenwart stinkt gewaltig nach No Future. Die derzeitige Situation bietet kaum noch Perspektiven für eine friedliche und gerechte Welt. Eher für einen lang anhaltenden Abgang. Aberwas wäre gerade jetzt so richtig prophetisch? Was würde eine nächste Generation der verwirrten Menschheit zurufen – wenn die Möglichkeit einer Antwort besteht? “Hört endlich auf, euren Gewinn als höchsten Wert für alle anzusehen! Hört endlich auf, die ganze Welt zu eurem Glauben zwangsbekehren zu wollen! Hört endlich damit auf, im Recht zu sein, indem ihr alles Abweichende zerstört! Sonst gehen wir ALLE unter!

Die Lage ist hoffnungslos, aber nicht ernst

 

Sommerfrisch & Herrschaftsfrei

> Sendung: Perlentaucher Nachtfahrt vom Freitag, 9. JuliUnterwegs zum dritten Ufer zwischen Pro- und Antithese. Wo Liebe regiert, herrscht Anarchie. Oder wie ich heute sagen würde: Da ist Anarchie real. Wirklich. Ja – und Liebe? “Wos isn des übahaupst, Liebe?” – “Liebe ist ein exakt definiertes Produkt, das du dir im Internet bestellen kannst, du Trottel – und jetzt schleich di aus unserer Sendung!” Möchte man auch mal sagen im inwendigen Strafprozess ums letzte eigene Leben. “Ich entziehe ihnen das Wort, sie brabbelnder Kulturschrott, der immer wieder nur eins wiederholt, nämlich dass die Macht an der Macht bleiben muss, alternativlos.” Herrschaftsfrei wollen wir leben – aber nicht gestaltlos, sinnentleert, unförmig und ohne Ordnung im Zusammen sein. Mitten in einer Welt, die am Prinzip Herrschaft zu sterben droht.

Herrschaftsfrei 1Seit der Erfindung des Imperiums im Zweistromland vor über 4000 Jahren herrscht in den Herzen und Hirnen von Untertanen der “zentral regierte Staat” in der “arbeitsteilig sowie in hierarchischen Strukturen verfassten Gesellschaft”, im Prinzip also das, was wir heute auch haben. Noch dazu kreuz und quer über den gesamten Globus vernetzt wie eine einzige weltweite Pandemie. Eine weltumspannende Krankheit des menschlichen Geistes, aufgebaut aus Angst und Macht, Herrschaft und Abhängigkeit, Gier und Gewalt und letztendlich sinnloser Zerstörung. Eine angebliche Weltordnung, die eigentlich eine Weltunordnung ist, so offenbar wie nie zuvor. Eine richtige Weltzerherrschaft. Und wiewohl deren tödliche Folgen für jedermann (und -frau und überhaupt) klar zu erkennen sind, wird dennoch weltweit, fast schon verzweifelt, am bisherigen System festgehalten. Den verursachenden Erreger (das Prinzip Herrschaft) zu neutralisieren und in neuer Gestalt weiter zu leben, wird mehrheitlich nicht mal in Betracht gezogen. Für Herrschende (die Herrschaft) ist die Welt Ware, sind wir Menschen Material

Herrschaftsfrei 2Geschätzte Milliarden Mitbewohner, bloß weil uns das unhinterfragbare Akzeptieren dieser herrschenden Machtstrukturen seit Generationen epigenetisch eintraumatisiert (mit fester Gewalt gefickt eingeschädelt) worden ist, sollten wir nicht trotzdem herrschaftsfrei zu leben beginnen? Trotz alledem und jetzt erst recht? Wenn sich das seit Jahrtausenden Überkommene als so offenbar nicht zielführend erweist für ein Leben im Frieden untereinander und mit der Natur, warum nicht etwas bislang Verunmöglichtes versuchen – das aber immerhin den Keim der Zerstörung (das Prinzip Herrschaft) nicht in sich trägt? Was wir dazu beitragen können, ist dieses dreistündige Konglomerat aus Musik und Gedanken, in dem wir vergangene Zeiten mit Gegenwart erfüllen und Zukünftigen, wenn auch noch unausgesprochen, ihr Lebensrecht auf Verwirklichung zuerkennen. Es haben sich ja bereits einige kluge Köpfe (und *innen) zum Zustand der Welt und der Notwendigkeit, herrschaftsfrei zu sein, das eine oder andere überlegt. So etwa unsere “Gäste” Wilhelm Busch oder Erich Mühsam und auch Konstantin Wecker.

Herrschaftsfrei 3Die Momente, in denen wir uns so überraschend und wie von selbst herrschaftsfrei fühlen konnten, die waren zunächst sommerfrisch. Als es noch Sommerferien gab, die klar umgrenzt und zugleich immer auch unendlich waren. Ein Augenblick am Flussufer, im Wald, allein oder gemeinschaftlich – und alle Macht von allen war aufgehoben, existierte einfach nicht mehr, wir waren frei! In diesen Zeiten erlebten wir, was es bedeutet, ohne Herrschaft sein zu können und selbstbestimmt über das Leben zu verfügen. Haben wir es deshalb zerstört? Haben wir uns und andere umgebracht? Hat da auf einmal das Faustrecht regiert und ist das Chaos ausgebrochen? Womöglich haben wir etwas versäumt, womöglich haben wir etwas kaputt gemacht, womöglich haben wir sogar die Zeit tot geschlagen. Auf jeden Fall haben wir gelernt, dass wir verantwortlich sind für das, was wir uns vertraut gemacht haben. Den Ort, den Augenblick, uns selbstund auch einander. Was wir in uns aufnehmen, was wir auf uns einwirken lassen, was wir uns anverwandeln. “Zähme mich”, sagte der Fuchsund weg war er

PS. Die überaus inspirierenden Bilder in diesem Artikel entstammen dem Cover-Artwork der von uns geschätzten multiethnischen Gruppe Kultur-Shock – merci!

 

Licht Kind Schatten

> Sendung: Perlentaucher Nachtfahrt vom Freitag, 12. März – Auf unserer heutigen Expedition ins Zwischenreich aus Licht und Schatten vertrauen wir uns dem einzigen “Führer” an, der in dieser Schwurbelwelt aus Entweder und Oder noch zuverlässige Perspektive verheißt, nämlich dem Kind. Die besondere Auffassungsgabe oder eben emotionale Perzeption von Neugeborenen wurde in zahlreichen Studien untersucht und von humanistischen Psychologen wie zum Beispiel Arno Gruen als Grundlage in ihre Arbeiten integriert. Das Kind blickt sozusagen durch, wo die verwachsenen Darsteller_innen sich im Gewirr von Gut und Böse verstricken und dann vor lauter erwünscht geglaubter Programmabspulung kaum noch in der Lage sind, dem Leben ohne Vorbehalt zu antworten. Kein Wunder also, dass “die Welt” so ausschaut …

Licht Kind SchattenDer große österreichische Sänger und Menschenfreund Georg Danzer hat die Situation so beschrieben:

es gibt so fü leiwaunde kinder
und mit jedn tag werns mehr
und es stöhd sich die peinliche frage
wo kumman de dumman erwachsenen hea

Hier die neue Version der Blau AG

Und das ist beileibe kein Zeitgeistrülpser aus den ach so freizügigen 70ern, das ist ein ebenso zeitloser wie ernst zu nehmender Befund, der uns (als Einzelne und auch als Gesellschaft) ein Wegweiser durch den Irrgarten der Zivilisation sein sollte. Und dann hör ich die aktuelle Wirtschaftsministerin sagen: “Die Gymnasien produzieren oft am Markt vorbei.” Bitte? Welcher Markt? Was ist das für ein Weltbild? Oder sind “die Gymnasien” doch nichts anderes als Produktionsstätten für das Humankapital “der Wirtschaft”, das gefälligst wunschgemäß zu funktionieren hat? Schwachsinn!

Kind Licht Schatten“Das versteht doch jedes Kind…” Oder wie es ein gewisser Jesus ausgedrückt haben soll: “Wenn ihr nicht umkehrt und werdet wie die Kinder, dann werdet ihr nicht an der Welt teilhaben, in der Liebe, Frieden und Gerechtigkeit herrschen.” (Frei übersetzt nach Matthäus, Kap. 18) Die heutige Generation der Kinder und Jugendlichen drückt das ganz ähnlich aus: “Hörts endlich auf, den Planeten zu ruinieren, und machts es einfach richtig, sonst haben wir nämlich alle keine Zukunft mehr.” Woraus folgt, dass Menschen, die so weitermachen wie bisher, zu Mördern ihrer eigenen Kinder werden. “Jetzt reichts aber. Das geht zu weit. Kreuzigt ihn!” Wir befinden uns zwischen der Phantasie und dem bodenlosen Abgrund. Zeit, der spielerischen Kraft des inneren Kindes zu obliegen, die es auch in Heranwachsenden und sogar noch in vollständig Ausgewachsenen zuwege bringt, sich die vorgefundene Welt im Einklang mit den eigenen Wünschen und Bedürfnissen vorzustellen. The Expert is the Freestyler!

Schatten Kind LichtBleibt allerdings immer noch die peinliche Frage, wo die dummen Erwachsenen her kommen. Oder besser gefragt, was denn eigentlich so dumm macht. “Massenblödien, Quasselödien, Kassenschmähdien!” Eh klar, die Umweltbedingungen. Oder der Calvinismus. Der Markt. Das Unterbewusstsein? Da wirds interessant, gelangen wir da doch zum Verdrängten, in den Schatten (wie C. G. Jung das bezeichnete). Unsere Gedankengänge gehen doch immer von den selben Anfangspunkten (oder Befestigungen, Verankerungen) aus – und führen auch wieder zu ihnen zurück. Wenn wir eigenständig denken und nicht “denken lassen”. In dem Fall sind die Denkpunkte nah an der Oberfläche befestigt, in fremdbestimmten und vorgefertigten Bereichen wie Mode, Meinung, Zeitgeist oder Parteizugehörigkeit. Ein tiefgründiges Denken erfordert hingegen tiefer im eigenen Selbst begründete Ausgangspunkte. Und das auch hinter der Grenze zum Unbewussten, an der Scham und Schuldgefühl lauern.

Also, mitten hinein! Aber wie? Keine Ahnung – doch wir sind die Perlentaucher …

 

1001 Nachtfahrt

> Sendung: Perlentaucher Nachtfahrt vom Freitag, 11. Dezember (in 3 Teilen): Erster Teil (Einstimmung), Zweiter Teil (“Deutsche Krieger”), Dritter Teil (Schluss).

Kriegsweihnacht, Coronaweihnacht, Weltuntergangsweihnacht – oder wie es einst Roger Waters auf den springenden Punkt brachte: “Each small Candle lights a Corner of the Dark.” Norbert K.Hund & Christopher Schmall feiern 10 Jahre gemeinsames Sendungsmachen in Gestalt einer Collage aus Text, Musik und Assoziationen. Wie etwa jener zu 1001 (in Worten tausendundeiner) Nacht. Geschichten, die angesichts der täglichen Todesdrohung immer wieder aufs Neue weiter gesponnen werden – bis ins unendlich Schöpferische. “Mein Reich ist nicht von dieser Welt.” Denn nichts von all dem, aus dem unsere gewohnten Ordnungen bestehen, wird unser Weiterleben sichern. Das kann nur das bislang Unverwirklichteetwas aus unserer Phantasie.

1001 Nachtfahrt KriseEtwas, das nicht nach Macht über andere Menschen strebt. Macht in Form von Herrschaft über die Welt. Herrschaft IST Gewalt und deshalb ist Gewaltherrschaft sowieso schon ein Pleonasmus. Wir phantasieren Regie statt Regierung und wollen auch Gewinn anders als allgemein üblich begreifen. Ein Kind ist uns geboren – und das sind wir selbst! Gibt es überhaupt ein Christentum – oder ist “jesusinspiriert” der viel treffendere Ausdruck? Wir sind hochschwanger auf Herbergsuche und werden mit dem Gewaltsprech der Gastronomen ins ewige Abseits vertrieben. Kann man ohne Beseitigung des weltweit herrschenden Unrechts Gewalt aus der Sprache heraus reformieren – und was für einen Sinn hätte das eigentlich? Das klingelnde Plemplem des missionarischen Marketings – wer hats erfunden? Edward Bernays oder Paulus oder doch viel früher die hohepriesterliche PR-Abteilung von König Großprotz dem Grausligen? Es ist alles so dermaßen OASCH ringsumher auf dem Globus, dass man oberhaupt nicht so viel fressen kann wie man scheißen möchte. Lokuspokus, Bäh!

1001 Nachtfahrt KriegerDa kommt uns nichts gelegener als die legendäre Trilogie “Deutsche Krieger” von Andreas Ammer und FM Einheit, die wir ab ca. 23:20 Uhr vollständig zu Gehör bringen, quasi als Collage innerhalb der Collage. Die 1001 Originalaufnahmen und Geräusche, die hier nebst eigenen Musikstücken zu einem ungeheuer vielschichtigen Hörerlebnistheater verdichtet, verknüpft und verwoben sind (das übrigens auch livehaftig aufgeführt wird), erzeugen in ihrer Gesamtkomposition eine beachtliche zeit- und mediengeschichtliche Erfahrung, deren eigentliche Aussagen (wie zumeist in der Tonkunst) zwischen den Zeilen und hinter den Klängen stecken, von wo aus sie sich zusammen mit dem tatsächlich Wahrgenommenen in den Köpfen des Publikums zu sich selbst als etwas Lebendigem zusammenfinden. Wer sich für die Gründe und Hintergründe dieser Produktion interessiert, möge sich hier im Hotel Discipline näher einlesen (ein ganz hervorragender Artikel). Darüber hinaus passt das experimentelle Gewaltwerk auch ausgezeichnet in den Kontext unserer eigenen Collagen-Arbeiten.

1001 Nachtfahrt KreativWomit können wir dann im dritten Akt unserer Advents-Andacht den erwünschten heiter-besinnlichen Ausklang erzeugen? Vielleicht mit einer dritten Steigerungsstufe der Dichtheit, der Collage aus Texten, Musik und weiteren Collagen, die alle zusammen zur Feierstunde gemeinsamer Kreativität werden. Das zwischen den Zeilen, neben den Klängen, unter den Collagen und vor allem hinter den Kulissen immer schon Daseiende, Lebendige, Schöpferische, das allüberraschende kreative Vakuum, das alles noch zu Gestaltende in uns herbeilockt und dem Erschaffen die Fanfare läutet, dass einem ganz anders wird und schwindlig und warm ums Herz. Das eine Fünkchen Hoffnung, aus dem jederzeit ein Traumtanz der Leidenschaft entstehen kann, der noch das allerverfaulteste Gehtnimmermehr in einem einzigen Augenblick lebender Gegenwart verwandelnd verzehrt. Ach, Sprach! Ach, Hasen! Sie sind frisch, sie sind zappelig – und …

sie mögen sich.

 

Keine Realität ohne Realitäter

> Sendung: Perlentaucher Nachtfahrt vom Freitag, 13 November– In dieser Nacht werden wir das feine Thema des aktuellen Open Mind Festivals aufgreifen und dabei in Gestalt einer textmusikalische Stimmungscollage der Frage “Wem gehört die Welt?” nachspüren. Eine Versammlung von Anregungen und Assoziationen lädt zum Zwischenlanden, sich Wiederfindenund Weiterdenken ein – und befähigt uns, über die angeblich so alternativlose Zeitgeschichte der Realitäter_innen hinaus zu blicken. Alles lebt – es gibt keine toten Dichter! Die von der “Realität” stets listig abgespaltenen Anteile bleiben ausgesagt – und wirken. Wirklich? Willkommen in der Wirklichkeit! “Realität” ist eine gewollte Konstruktion aus dem Realitätenbüro. Wer’s glaubt, bleibt deppert. Das Reich der Reichen kann nur durch Gewalt bestehen …

Realität 1“Behutsam kämpfen”, heißt es bei Ilse Aichinger und in diesem Sinn:

Hör gut hin, Kleiner,
es gibt Weißblech, sagen sie,
es gibt die Welt,
prüfe, ob sie nicht lügen

Der neue Totalitarismus ist der des Marketings. Die Natur des Lebens wird zwischen Relevanzkriterien und Umsatzanalysen zerquetscht. Die Kultur des Miteinander erstickt in Klickzahlen und Statistiken. Politische Akteure sind aufgehübschte Klone nicht mehr nachvollziehbarer Interessen und Strategien. Oder wie ein Mitarbeiter von Young & Rubicam (den Vorreitern der Fernsehwerbung) schon in den 60ern verriet: “Marketing is selling useless products that nobody needs.” Der immer schneller rasende Blink- und Klingelzirkus der globalen Imageindustrie vernebelt uns nur allzu leicht den Blick aufs Eigentliche: Jeder noch so schwindlige Schwachsinn kann jederzeit als garantiert glücklichmachendes Seelenheil verkauft werden, wenn man bei der “breiten Masse” aufs richtige Gefühlsknöpfchen drückt.

Realität 2Die eigentliche Chance der Corona-Pandemie bestünde ja darin, der gelegentlichen unfreiwilligen Selbstentlarvung all der am weltweiten Schwindel von Besitz, Macht und Unterdrückung Beteiligten aufmerksam beizuwohnen – und daraus die Erkenntnis zu destillieren, dass es sich entweder um Soziopathen oder um Verbrecher oder eben um beides handelt. Kurz, um Kandidat_innen für die eine oder andere geschlossene Abteilung. Und zwar egal wie international oder provinziell ihre Auswirkungen auch sein mögen. Doch was dann? Wohin mit den Entlarvten? Und vor allem – wohin mit unserer Erkenntnis? Was tun mit dem gerechten Zorn, den dies Erkennen auslöst?

Realität 3Eine der schönsten Passagen aus der Einladung zum heurigen Open Mind Festival ist für mich folgende:

“Wem gehört die Natur? Ist sie Ressource oder Umwelt? Gehört sie gar sich selbst?”

Und in dem Zusammenhang fiel mir der Titel “Zeigs ihnen, Greta!” von Konstantin Wecker entgegen, der uns zum Ausgangspunkt für diese Sendung wurde. Denn, bei aller Erkenntnis des Unrechts auf der Welt, besteht das Recht allen Lebens auf sich selbst nicht genau darin, dass es ist? Ich lebe, doch ich besitze das Leben nicht. Und auch nichts von all dem anderen, das ich eben benutze. Ein Gedanke ist ein Beitrag für eine Welt. Die neue Welt, so wie Dorothee Sölle mit die neue Stadt (eine biblische Metapher) das unvermeidlich Kommende beschreibt:

Einer und ein Freund und ein Freund und ein Freund
sag nicht das gibt vier
es sind mehr
das Kleine Einmaleins ist die Freundschaft
das Große die Revolution

Zum Festivalradio

 

Im Weltkrankenhaus

>>> Sendung: Perlentaucher Nachtfahrt vom Freitag, 11. September – Woran krankt die Welt? Versuch aus einer Stadt, die von allerlei Symptomen des “Großen Welttheaters” gezeichnet ist – und in deren Schauspielgeschichte es von Allegorien nur so wimmelt: Mammon, Glaube, Tod – geschenkt. Frau Welt hat das Coronavirus, nebst Hitzewallungen, Mundtrockenheit und Wasser, wos nicht hingehört. Ist diese Klimakrise ein ernstes Anzeichen für das Klimakterium der Menschheit (Die letzten Tage Reloaded) oder für eine schleichende Vergiftung durch die Weltwirtschaft? In unserem Weltkrankenhaus versammeln sich die besten Diagnostiker (von Dr. House bis Dr. Manson), um nichts Geringeres zu vollbringen, als die Welt zu retten. Und um zu erörtern, inwieweit das überhaupt (noch) möglich ist. Sonst – schlägts Dreizehn!

Dr. Hund & Dr. Hase im Weltkrankenhaus “Grüß Gott, ich bin der Arzt. Und sssippe sssappe!” Lachen soll ja gesund sein, vor allem wenns ernst wird. Dr. Hund und Dr. Hase sind stellvertretend überfordert mit dem Ernst der Situation. Was? Die Welt geht unter? Da müssen wir schnell den Müll trennen, Biofleisch kaufen und mehr Elektroautos produzieren! Treffen sich zwei Planeten. Sagt der eine: “Du, ich hab Menschen.” Sagt der andere: “Mach dir keine Sorgen, das geht auch wieder vorbei.” Unlängst hab ich den Film “Das Kapital im 21. Jahrhundert” gesehen, in dem Dr. Paul Piff sein “Monopoly-Experiment” erläutert. Dabei stellt sich heraus, dass Menschen, die durch den Zufall eines Münzwurfs reich werden und gewinnen, diesen Umstand schon bald als eigenen Verdienst durch eigene Leistung ansehen und sich ihren (durch Zufall armen) Mitspielern gegenüber zunehmend rücksichtslos verhalten. Dr. Harald Lesch zeigt uns hier das Experiment in deutscher Sprache…

Dr. Helnwein & Dr. Manson im WeltkrankenhausWie krank muss eine Welt sein, dass sie solche Symptome hervorbringt, wie sie unter anderem von Dr. Helnwein und Dr. Manson dargestellt werden. Eine “bessere Gesellschaft”, die sich für (grundlos!) auserwählt hält, bringt alles um, was nicht in ihre Wahnvorstellung von Recht und Ordnung passt. Das Weltkrankenhaus in guter Absicht kommt jetzt unweigerlich an die Kapazitätsgrenze des Fassbaren: “The Punk-Rocker deserved to die – because he looked the way he did.” So kommentiert Marilyn Manson die Ermordung von Brian Deneke. Machen wir uns nichts vor, dieser “Einzelfall” (es sind deren unzählige) ist auch nur ein einzelnes Symptom einer bösartigen Krankheit. Aber welche kann das sein? Kapitalismus? Fernsehwerbung? Glaubensplemplem? Oder ist es gar das Zusammenwirken all dieser – und noch anderer, bislang unerkannter Seuchen? Wir hatten doch so schöne Hoffnungen und Träume (High Hopes) und dann kommt Dr. Ariadne von Schirach und diagnostiziert uns “Die psychothische Gesellschaft”, eine systemische Erkrankung, die das Überleben der Menschheit in Frage stellt

Dr. House im WeltkrankenhausAllerdings lautet der Untertitel ihrer als Buch erschienenen Diagnose auch “Wie wir Angst und Ohnmacht überwinden.” Das legt immerhin die Hoffnung nahe, dass es Hoffnung gibt. Und die hegen ja auch wir bis zuletzt, sonst würden wir hier nicht mehr hörbar in Erscheinung treten. Und im Weltkrankenhaus Doktor spielen mit der Frage: “Was ist los mit dieser Menschheit, dass ringsum zunehmend der Wahnsinn regiert?” Ich hätte da noch eine Diagnose, die alle bisherigen Symptome erklären könnte: Die Welt leidet nicht einfach nur an Menschheit, sondern an deren Erwachsenensyndrom. Nicht das Heranwachsen, die Geschlechtsreife oder die Fertigkeiten der Lebensgestaltungnein, das nachträgliche Abwerten der eigenen Kindheit im (falschen) Bewusstsein, etwas geleistet und “es geschafft” zu haben, wodurch man auch glaubt, ein Recht auf Macht über andere zu besitzen – just wie im erwähnten Monopoly-Experiment

Für diese Erkrankung suchen wir derzeit noch nach einer geeigneten Therapie.

 

Fetzenspielsommer

> Sendung: Perlentaucher Nachtfahrt vom Freitag, 14. August – Hochverehrtes Publikum! Die Salzenburger Fetzenspiele, wie der geniale Ernst Jandl einst dieses österreichische Kultursymbol (nebst Operam, Burgentheatern und Schrammenmusik) bezeichnete, finden auch heuer, im 100. Jahr nach ihrer Gründung, wieder statt. Und das, obwohl die COVID-19-Pandemie sonstüberall den Hochkulturbetrieb stillgelegt hat. Das große Welttheater hängt förmlich in Fetzen. “Wir wollen keine Ausnahme”, sprach unsere Lieblingspräsidentin, und promt öffnete das alljährliche Schaulaufen der Systemelefanten als einziges internationales Kunstfestival seine Pfort*innen für die zahlende Kundschaft. Das wird fürwahr ein fröhlicher Fetzenspielsommer. Und heißt Fetzentandler nicht auf Wienerisch Kleidergeschäft? Maske auf und los gehts…

Fetzenspielsommer 1Garantiert virenfrei (weil im Radio) sind unsere Einlassungen rund um ein selbstgemachtes Programm, ein wahres Festspiel der Herzen. Ein etwas anderer Ohrenschmaus der Phantasien und Wünsche. Wir spielen quasi mit der Liturgie einer allsommerlich zelebrierten Messe und eines diese Stadt unentrinnbar prägenden Hochamts der Kunst und … “Des Satans Fangnetz in der Welt hat keinen andern Nam’ als Geld.” Was würdest du dir wünschen, was kunnst du dir vorstellen, dass es im Rahmen der altehrwürdigen (manche meinen auch “zu Tode tradierten”) Festspiele stattfinden sollte – wenn du deren Intendant*in bezw. künstlerische Leiter*in wärst? Wohin könnte sich die 100-jährige Institution weiter entwickeln? Welche bislang nicht (oder kaum) in Erscheinung getretenen Kunst- und Gestaltungsformen sollten künftig stärker vertreten sein? Und welche etablierten Traditionen wären (auch in gewandelter Gestalt) erhaltenswert? Setze selbst Schwerpunkte – und erlebe, wie Beton schmeckt.

Fetzenspielsommer 2aWie prophetisch Kunst ist veranschaulicht dieses Bild: Die Behauptung, ein Ohr für die Sorgen und Nöte der einfachen Menschen (des “gemeinen” Volks) zu haben, erweist sich speziell bei näherer Betrachtung als Kunststoff-Kulisse. “Ich bin die Volkspartei”, sprach die Kirche, “und wer nicht für ihn ist, ist widerlich.Eine Idee, die sich allerdings “vor der schönsten Domfassade” genauso niemals inszenieren wird lasssen wie vor 70 Jahren Bertolt Brechts Salzburger Totentanz. Im Kopftheater unserer Vorstellung dahingegen geht alles, und so wird es eine Eröffnungsfeier mit Ernst Jandl geben, eine Lesung mit PeterLicht, eine längst überfällige Würdigung des Komponisten Frank Zappa sowie des legendären Cellisten Wolfram Huschke. Dazu Beiträge und Collagen von und mit Markus Hinterhäuser, Wilfried Haslauer, Helga Rabl-Stadler und Gerard Mortier, naturgemäß durch den Wortwolf gedreht vom Verein der Freunde der Gegenkultur (im Schatten der Mozartkugel)… Unser Fetzenspielsommer soll das Fadenscheinige entlarven, das Unvollendete einen guten Tag sein lassen – und das Zukurzgekommene in ein etwas anderes Bewusstsein rufen. Der Geldkoffer heißt nämlich nicht nur so – er ist auch einer.

Wer nichts wird verwirrt (halt nicht uns).

 

Zuvielversum

> Sendung: Perlentaucher Nachtfahrt vom Freitag, 10. JuliWieviel Versum ist ein Zuvielversum? Und wo würde man das lernen? An der Zuvielversität? Vielleicht im Dichterwettbüro von “Zuviel Versum Hysterie” aus Klagenfurt? Zwischen dem alles enthaltenden Einen und seiner Aufsplitterung in unendlich Zuvieles muss doch auch noch genügend Platz bleiben für ein menschliches Maß in deren Auffassung. Und so spielen wir als zwischenraumfahrende Sternschnupperer mit den einander scheinbar entgegen gesetzten Weltsichtweisen herum – bis sie sich in Wohlleben auflösen. Das geheime Leben der Lebewesen möchte man sagen. Wieviele Perlen wurden nicht schon vor die Säue geworfen – und es hat wieder keine Sau interessiert. Von Hasen haben wir derlei Sprichwörtliches allerdings noch nie gehörtJuuhuu!

Zuvielversum - Die PiratenEin Fall für zwei unerschrockene Kulturfreibeuter. Nutzen wir die Kunst der Stunde! Und plündern wir das gesamte Zuvielversum der Text-, Musik- und Bildbeiträge, so dass es wiederum denen gehört, die es lieben und bestaunen, und nicht denen, die es zum Nutzzweck ihrer Geldwelt verwursten. Pfuiii Deifi!!

“Der Wald kommt zurück. – Es wäre nur schön, wenn wir dann noch da sind …”

Zuvielversum - Die richtige RichtungDer Weltraum ist ein Biotop und keine Fleischfabrik. Ja wer hätte das gedacht? Unser Weltenraum ist ein kreativer Freiraum und keine Naturzerstörung vom Fließband. Unser Kulturraum ist Platz (also auch Zeit) zum Denken, Fühlen – und zum Aussortieren der viel zuvielen Eindrücke, die werbewirksam von überallher auf uns einklingeln, einplärren und einkrakehlen wie eine Kakophonie für Millionen. Nichts wirklich Neues unter unserer Sonne seit Propangasminister Goebbels: “Wir machen Sendungen für die Millionenmassen.” Und an dieser Volksempfängnis aus Massenblödien, Quasselödien und Kassenschmähdien hängen nach wie vor die braven Bürger, der kleine Mann und seine kleine Frau, die Durchschnitte. Nicht mit uns, Oida!

“Die Artikel zur Sendung sind Assoziationsmaterial zum selbst weiter denken …”

Zuvielversum - Derdiedas ChaosmosDie Digitalisierung schreitet voran. Der freiwilligen Selbstverblödung entkommt eh kaum noch irgendwer. Zeit ist Geld – und wir sind alle eine lustige Hochleistungsgesellschaft. Thronald Dump ist Bräsigdent der Verunreinigten Statuten – und die Festspiele spielen fest. Vollholler Reidulliöh und auf ins Verderben!

“Wir schwelgen stets in ausgewählten Kostbarkeiten aus dem – Zuvielversum …”

Hurz!

 

Untergang Befreiung Untergang

> Sendung: Perlentaucher Nachtfahrt vom Freitag, 8. Mai “Das Ende des Zweiten Weltkriegs in Europa” ist die gesinnungsneutrale Formulierung dessen, was vor genau 75 Jahren ringsumhier passierte. Genauer gesagt der konsequente Schlusspunkt dessen, was fünfeinhalb Jahre lang von den jeweils Machthabenden ringsumhier passiert wurde. So ähnlich passiert man beispielsweise Tomaten, und die reimen sich schon mal auf Soldaten, von all den sonst noch durch Zwangsarbeit zerquetschten oder von Explosionen zerrissenen Zivilpersonen gar nicht erst zu reden, zwischen 60 und 80 Millionen waren es wohl insgesamt. Das Ende dieses Schlachtens wird von manchen immer noch als “Untergang” betrauert – von vielen anderen aber als “Befreiung” (wenn auch aus verschiedenen Gründen) zelebriert.

Der UntergangWir erinnern an den abgründigen Film “Der Untergang”, der auf den Erinnerungen von Hitlers Sekretärin Traudl Junge basiert – und in dem der großartige Bruno Ganz einen zu jener Zeit bereits einigermaßen abgedrehten Ex-Gröfaz darbietet. Hagen Rether merkte damals an: “Bruno, ganz Hitler. Ein Schweizer, der einen Deutschen spielt, der eigentlich Österreicher ist.” Dieser Film wurde höchst kontrovers diskutiert, was ja im Grunde genommen ein gutes Zeichen wäre für eine lebendige Auseinandersetzung. Doch weshalb diese moralinsaure Zeigefingerei, die einem vorzuschreiben versucht, wie man denn nun dieses oder jenes Ereignis der Geschichte gefälligst zu verstehen habe? Ein dergestaltiges Gscheitscheißen ist uns von links wie rechts zutiefst zuwider, kommt es doch stets von oben herab.

Die BefreiungEs gibt zahlreiche gute Gründe, das Ende des Nazitums in Europa als Befreiung zu begreifen. Aber wenn, dann aus eigenem Empfinden – und nicht aus verordneter Nachmache. Gleiches gilt für das Leiden und die Scham der einst Nazigläubigen in den Trümmern ihrer Träume. Zumeist sind ja beide Wahrnehmungen – Befreiung und Untergangin ein und derselben Person ambivalent vorhanden, und das ist an sich schon eine Auseinandersetzung mit sich selbst, die weit über Freund oder Feind und überhaupt Krieg hinaus geht. Das ist es, was uns interessiert: Das Mehrdeutige im eigenen Erleben, das Vielschichtige in jedem einzelnen Menschen – und das Fragwürdige im angeblich so Einhelligen des allgemein Anerkannten. Wenn ich Hitler für einen Trottel halte (und das tue ich aber sowas von), dann aus meiner eigenen Untersuchung des großkotzigen Wahnsinns, und nicht, weil ich (von wem auch immer) dazu angeleitet worden wäre. Plötzlich platzt der schöne Schein jeder Heilslehre (sic) auf, und darunter grinst der Totenschädel ihrer eigentlichen Absicht hervor. So lächelt jedes System, das Menschen verbraucht.

Wir unter BefreiungAls roter Faden durch unsere etwas österreichische Betrachtungreise des Übergangs vom Untergang zur Befreiung begleiten uns Zarah Leander sowie der Herr Karl. Sind wir also befreit. Eh juhu! Doch was kommt danach, was ist jetzt – und vor allem, was wird sein? Darüber landen wir unweigerlich bei SNOG. “Corporate Slave” verkörpert, was Pier Paolo Pasolini schon in den 70ern als den “totalitären Konsumismus” beschrieben hat, eine Weltwirtschaft, deren Dominanz sich alles Leben auf der Erde “bis zum letzten Atemzug unterwerfen muss.” Hört man da nicht gewisse Parallelen? Hat nicht Joseph Goebbels bei großen Firmen in den USA (wie hieß das damals noch?) Propaganda studiert? Wie glaubwürdig sind Regierungen heute? Und wie glaubwürdig sind die Alternativen für Deutschland?

Wir werden uns jedenfalls aus alledem einen Karl machen. Was auch sonst?