Syrien 2009
Bietet nicht wenigstens die Kunst den Syrern eine Nische für Kritik und Unangepasstheit
Diese Frage kann ich nur mit einem Gähnen beantworten und einer Anekdote von der Abschlussprüfung der Malereiklasse der Kunstuniversität Damaskus. Die Absolventen mussten bei einer öffentlichen Begehung ihre Arbeiten präsentieren. Der Großteil der Werke war fades, angepasstes Zeug, Stadtansichten bespielsweise, die vielleicht ein schönes Souvenier für Touristen wären oder abstrakte Malerei ohne persönliche Handschrift. Zwei Künstler stachen aber hervor. Sie malten mit technischem Können eindringliche Bilder, bei denen man das Gefühl hatte, da habe jemand wirklich sein Herzblut investiert und seine Seele nach außen gekehrt – und das ganz ohne ins Kitschige zu kippen. Ich erwartete dementsprechend gute Noten seitens der Professoren. Doch die jungen Künstler wurden wahrlich auseinandergenommen und erhielten den schlechtesten Abschluss des ganzen Jahrgangs. Ebenfalls hervorstachen die Arbeiten einer jungen Dame. Abstrakt zwar, aber mit unglaublich tollen Formen und Farben. Es stellte sich jedoch als höchst unwahrscheinich heraus, dass diese Studentin ihre Abschlusswerke selbst gemalt hatte. Denn während ihrer ganzen Studienzeit hatte sie nichts vergleichbares produziert. Die reichen Eltern hatten also jemanden bezahlt, für ihr Töchterchen die Abschlussarbeiten zu malen. Doch wie konnte man das beweisen? Wo doch vermutlich eine nicht geringe zusätzliche Geldspende für die Universität zu erwarten war? So nahm die junge Frau mit perfekt manikürten Fingernägeln ihr Malereidiplom entgegen ohne je einen Pinsel in der Hand gehabt zu haben.
Und wie stehts mit der Musik?
Wie für die meisten arabischen Länder gilt auch in Syrien: Der Retorten-Mainstream dominiert den Musikmarkt. Rockmusik ist eher noch eine Sache der jungen gebildeten westlich orientierten Mittelschicht, elektronische Musik ist so gut wie nicht existent.
Unter dem „Alten“ (Hafez) war sämtliche Rockmusik verboten und man musste diese auf unbeschrifteten Kassetten teuer aus dem Libanon ins Land schmuggeln. Heute stehen nur noch einige wenige Bands auf der Liste der staatszersetzenden und somit verbotenen Elemente.
Trotzdem ist es ratsam, als Liebhaber harter Gitarrenmusik auf sein Äußeres zu achten. So sind lange Haare und schwarze Kleidung unerwünscht und es kann dem Träger schon passieren, von einem netten Herrn der Polizei nahegelegt zu bekommen, diese abzulegen. Hierzu eine kuriose Geschichte, die davon zeugt, wie sehr die Beamten der syrischen Geheimpolizei etwas von Jugendkultur verstehen: Die Mitglieder einer Heavy-Metalband wurden allesamt verhaftet und im Verhör dazu gedrängt ein vorgefasstes Geständnis zu unterschreiben, in welchem sie sich selbst satanistischer Praktiken bezichtigen würden. Darin beinhaltet waren nächtliche schwarze Messen, Grab- und Jungfernschändung, Tieropfer und das Trinken von menschlichem Blut. Ein Mitglied der Band wurde dazu angehalten, eine Vorführung der magischen Rituale abzuhalten, was er nach tagelangem Druck dann auch tat. Die erzwungene Spontaneität ließ ihn hierbei unglaublich erfindungsreich werden in der Konstruktion magischer Kreidekreise und Symbole. Als alle schließlich doch das Geständnis unterschrieben, konnten sie ohne weitere Behelligungen gehen, abgesehen von der Untersagung ihrer musikalischen Aktivitäten.
Rockmusik spielt eine zu geringe Rolle in Syrien, als dass sich das Regime darum wirklich kümmern müsste.