Zwischen Leben und Überleben

-> Download: Perlentaucher Nachtfahrt vom Freitag, 14. Februar – Eine Sound-Themen-Text- und überhaupst Rundumcollage, dass es uns und euch schwindlig werden wird. Versprochen! Eine Nachtwanderung durchs Hochgebirge der Eingebungen und die Abgründe der assoziativen Vielfalt. Bring erst einmal Jello Biafra mit Hermann Hesse, Gunkl und Käptn Peng auf einen Spoken-Word-Nenner! Oder entwickle einen roten Faden – noch besser gleich ein ganzes Knäuel – rund um so verschiedenartige Musikbeiträge wie zum Beispiel von Lehnen, Jefferson Airplane, Hans Zimmer, Chrystal Castles, Xavier Rudd, Steaming Satellites, Arik Brauer, Romy Schneider in Berlin, Tocotronic, Loungepaket, Rainald Grebe und Deadnote.Danse! Werte Hörgemüse und Ohrrüben, an die Empfängnisgeräte, denn derlei verspricht Vielfalt vom Feinsten! Wir schmeißen einfach eins aufs andere und rühren genüsslich darin herum – mit unseren eigenen Gedanken. Was hat übrigens Peter Gabriel zur dräuenden Gemeinderatswahl beizutragen? Richtig, „Moribund the Bürgermeister“ 😀 In diesem Sinne – zum Wohl!

Dunkel. Recht haben.Seltsames, Schräges, Symphonisches, Filmsoundtrack, Acid-Rock, Electronica, Liedermacher (pardon, Singer-Songwriter) Musikkabarett, Dark-Wave, Worldmusic, jede Menge sich jeder Genrebezeichnung entziehendes Klangsubstrat mit und ohne immanenter Botschaft, Fundstücke aus dem fluktuierenden Fundus von 50 Jahren Rock-, Pop- oder auch sonst Geschichte. Wie war das nochmal mit der Philosophie des Perlentauchens? Wir schwimmen rings in schlammigen Gewässern, wir fischen tagein, tagaus im Trüben, in den Kanälen und Kloaken der Zivilisationskultur. Wir stecken bis zum Halsansatz im modern(d)en Sumpf marketingfeiler Wortüberreste, bis über beide Ohren in einem stinkenden Brei aus Billaradio, Dancefloorschasen und Warteschleifengeklingel. Und auch wenn uns das Herumtauchen in all dem merkantilen Dreck bis zur Erschöpfung anfäult – es gibt noch zwischen den unnötigsten Trümmern des enttäuschten Zukunftsglaubens der Staatslemminge das eine oder andere Kleinod zu finden und hervor zu holen. Eine Perle des Beschenkens, ein Ring der Begegnungen oder auch ein Schlüssel des Begreifens und Hinterfragens. Egal was – es gehört uns!

Nachttrafik. Sehr wichtig.Wir sind also quasi die letzte Nachttrafik vor der Ausfahrt in die Sackgasse. Deckt euch mit Mut und Spezereien ein, Freunde und Innen des Überlebens in arschkalten Sozialzeiten wie diesen! Was zwischenmenschlich noch nicht aus Pressplastik ist, das wird es demnächst werden. Schön, wenn man sich noch berührt fühlen und verstanden wissen kann, abseits der längst ausgetrampelten Massenpfade. Und dafür wollen wir auch diesmal wieder sorgen – dass euch mitten in der Nacht eine unerwartete Idee anspringt, ein plötzliches Fünkchen Wärme anschmunzelt, ein grimmiges „jetzt reichts mir aber“ auskommt oder einfach dieses so dringend notwendige Gefühl überfällt, doch nicht ganz und gar allein auf der Welt zu sein. So wie bei einem guten Gespräch in einer gescheiten Trafik halt 😉 Wir bleiben die Radio-Nahversorger wider die Einsamkeit.

Glaube. Unfreiwillig.Interessant sind noch Buchhandlungen, deren Schaufenstergestaltung uns kleine Geschichten zu erzählen vermag. So wie wir ja auch unsere Fundstücke aus dem Gesellschaftsmüll benennen, sie mit Bedeutung versehen und in immer neuen Kombinationen zueinander in Beziehung stellen, auf dass sich im Geist ihrer jeweiligen Betrachter möglichst viele verschiedene Geschichten entwickeln. Im Unterschied zu den Weltbildern jeglicher Faschisten und Fundamentalisten (und da gehören auch die alltagsuniformierenden Zwangsneurotiker und Normsoziopathen in ihrer ständigen Anständigkeit allesamt mit dazu) wird Information keineswegs „von oben nach unten“ verordnet – sondern sie entsteht durch Interpretation der Wahrnehmung in den Gehirnen der Empfänger. Und zwar immer wieder neu und auch immer wieder anders. Genau so wie in der abgebildeten Auslage wollen wir im Radio Geschichten erzählen – damit in jedem einzelnen Kopfempfänger ein ganz eigenes phantastisches wahres Abenteuer entstehen kann. Kunst ist all das, was du kunnst (könntest) und damit herum zu spielen. Sei also eingeladen, uns diesmal zuzuspüren

 

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Über artarium

Seit Herbst 07 "das etwas andere Kunnst-Biotop" in der Radiofabrik und seit Anfang 09 daselbst "im Schatten der Mozartkugel" als Artarium unterwegs. Immer auf der Suche nach neuen Gästen, Themen und Gestaltungsformen... Hochfrequenter Wortwetz- und Mundwerksmeister zwischen Live-Unmoderation und Poesie-Performance. Psychodelikate Audiocollagenkunst, stimmungsexzessive Hörweltendramaturgie, subversiver Seelenstriptease, unverzichtbares Urgewürz und... In diesem Unsinn zeig ich euch hier einen tieferen! Ab- und hintergründige Neu- und Nettigkeiten aus der wundersamen Welt des Artarium, seinen Gästinnen und Hörerichen. Kunnst mi eigntlich gern ham. So do mi - i di a! Bussal...

4 Gedanken zu „Zwischen Leben und Überleben

  1. Diese verheißungsvolle Beschreibung gefällt mir: U.a. ein solcher Zusatz – „Fundamentalisten (und da gehören auch die alltagsuniformierenden Zwangsneurotiker und Normsoziopathen in ihrer ständigen Anständigkeit allesamt mit dazu) …“ Vor allem ‚Normsoziopath‘, bei ‚Zwangsneurotiker‘ möchte ich nur anmerken, dass hier eine Redundanz vorliegt, eine Redundanz, die ich allerdings selbst schon oft benutzt habe. Der Neurotiker ist per definitionem einer, der sich einem Zwang nicht entziehen kann – oft wider besseres Wissens und trotz hoher intellektueller Redlichkeit (zB der Stadtneurotiker v. W. Allen). Natürlich die Vehemenz der Argumentation und der Bezichtigung verlangt manchmal allein dem Nachdruck geschuldet und deshalb sage ich auch zuweilen „Zwangsneurotiker“, gedoppelt hält besser. Der ‚Normsoziopath‘ ist wiederum einer, der sich seiner soziopathischen Qualitäten nur schwer bewusst werden kann, umso mehr, da sie gesellschaftlich hohen Wert genießen. Ist es also vielleicht normsoziopathischen Verhalten, sich etwa über Olympiasieger zu freuen (man beachte den Zeitbezug zu dem, was sich als mediale Gegenwärtigkeit bezeichnen ließe), die zufällig die gleiche Nationalität haben, aber sonst keine Gemeinsamkeit mit einem selbst aufweisen … ja, die einem vielleicht sogar tatsächlich „sympathisch“ wären, gäbe es nur eine ungezwungene Art zum Kennenlernen.

  2. Danke für die Würdigung! Allerdings möchte ich der Auffassung widersprechen, es läge hier bei dem Begriffspaar „Zwangsneurotiker und Normsoziopathen“ eine bloße Redundanz durch Ausdruck des selben Inhalts mittels deckungsgleicher Ausdrücke vor. Dem Zwangsneurotiker ist (auch in der Differenzialdiagnose zur Psychose) die Ursache seines verselbständigten Handelns noch als in ihm selbst liegend einsichtig. Dem Soziopathen (etwa: dissoziale Persönlichkeitsstörung) ist sowohl jede Verursachungseinsicht als auch das Hineinversetzen in Andere überhaupt nicht mehr möglich. Da ich für diesen Artikel den Begriff des „Normsoziopathen“ erschuf – eine Krasis aus Normopathie (Viktor von Weizsäcker) und Soziopath eben – mögen sich die Begriffsgrenzen und Überschneidungen durchaus stärker als erwünscht vermengt haben. Die Absich dabei war und bleibt jedoch der Ausdruck einer Steigerung von der bloßen Neurose zum psychopathologischen Befund – und zwar durch den im Kontext nahegelegten (und auch von dir erkannten) Einfluss des gesellschaftlichen Anpassungsdrucks. Im Zusammenspiel vom ZWANG zur NORM entsteht somit eine zunehmend nicht mehr als solche erkennbare Krankheit – des Einzelnen wie des Gemeinwesens.

  3. Danke für die ausführliche Antwort. Der Hinweis der Redundanz bezog sich nur auf den Begriff „Zwangsneurotiker“ – also die Kombination der Wörter Zwang und Neurose (die Nervenkrankheit stellt per se einen Zwang dar, dem sich der Betroffene nicht entziehen kann – unabhängig von der Intensität der Ausprägung – salopp formuliert „Jede Psychose hat einmal klein angefangen … als Neurose“). Ich finde jede Disziplin muss sich die Kritik an ihrer Begrifflichkeit zumuten und schafft damit auch für uns den Freiraum des Denkens, den wir suchen. Mit einem grundsätzlichen Skeptizismus lässt sich sagen: Jede Formulierung ist kritikwürdig. Ich finde, dass der Begriff „Normsoziopath“ eine anarchische Kraft hat, weil er genau darauf aufmerksam macht wie ein tradiertes Verhalten nicht mehr als problematisch erkannt werden kann – derjenige, der eben nicht „Normsoziopath“ ist, müsste also den Ausschluss aus der Gruppe hinnehmen – auf der Idee baut ja etwa der ganze ‚Zarathustra‘-Mythos von Nietzsche auf. Spannend ist dabei jedoch auch das Machtverhältnis: Wer urteilt worüber? Darf man es schon als Normsoziopathie verstehen, wenn man unentwegt mit „Grüß Gott!“ angesprochen wird … und dann verzweifelt umherrennt, weil man nicht weiß, wie man diesen Auftrag ausführen soll … 😉
    Wie auch immer: ich wünsche funkenschlagendes Denken und eine Revolution der Sinne!

  4. Pingback: Käptn Peng – das etwas andere Interview : Artarium

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