Das Leben im syrischen Überwachungsstaat Teil 1: Die Dreifaltigkeit

Syrien 2009.

Von der Wand blickt die Dreifaltigkeit auf die Untertanen herab. Der Vater ist Hafez al-Asad, Präsident Syriens von 1971 bis zu seinem Tod 2000. Der Sohn ist Bashar al-Asad, Nachfolger „des Alten“, der heilige Geist sein älterer Bruder Basil, der 1994 bei einem Autounfall ums Leben kam. Dass so ein Ende nicht ohne Mordgerüchte von statten gehen kann, versteht sich von selbst, wenn man bedenkt, dass eigentlich er dem Vater hätte nachfolgen sollen. Jahrelang wurde das Volk darauf propagandistisch vorbereitet, während der kleine Bruder in England Augenmedizin studierte. Nach dem Tod Basils wurde er eiligst zurückgeholt und zum Nachfolger aufgebaut. Im Jahr 2000 war es dann soweit, doch bis heute schmücken neben seinen Fotos die des Vaters und des Bruders die Wände Damaskus´.

Die syrische Dreifaltigkeit Basil - Bashar - Hafez

Soweit zur politische Ikonographie. Dahinter stehen eine ganze Reihe von Institutionen, Personen und Familien, auf denen das Regime aufbaut.

Hafez stützte seine Macht auf die Armee und die 4 Geheimdienste, die ihm direkt unterstanden. Mittels ihnen sorgte er für die Stabilität seiner Macht und des Landes, griff, wenn notwendig, extrem hart durch. So zum Beispiel als er 1982 Hama, damals ein Zentrum der Muslimbrüder, bombardieren ließ und dabei 20 – 30 000 Menschen ums Leben kamen.

Alle Bereiche, die die Sicherheitsbedürfnisse des Systems nicht direkt tangierten, wurden vernachlässigt. Bildungswesen, technischer Fortschritt, Bevölkerungsexplosion, Wirtschaft.

Als Bashar an die Macht kam, war die Hoffnung auf politische und wirtschaftliche Öffnung des Landes groß. Im sogenannten „Damaszener Frühling“ wurden viele politische Gefangene amnestiert, Diskussionen und Versammlungen oppositioneller Gruppen erlaubt. Im Zuge einer gut gemeinten Kampagne gegen die Korruption wurden einige Ex-Minister, Offiziere und Parteifunktionäre suspendiert oder verhaftet. Bauernopfer – denn die alte Garde um den verstorbenen Präsidenten wurde nicht wirklich angetastet. Und 2001, nach dem 11. September, war es schon wieder vorbei mit der politischen Freiheit. Eine Verhaftungswelle folgte. Was blieb, war eine gewisse wirtschaftliche Öffnung. Erstmals wurden ausländische und syrische Privatunternehmen erlaubt.

Das Land veränderte sich von einer Autokratie zu einer Oligarchie, kontrolliert von Militär und hohen Parteifunktionären, viele noch aus den alten Tagen des Vaters Hafez. Die Geheimdienste spielen nach wie vor eine wichtige Rolle. Sei es im Ausland, beispielsweise bei der Ermordung des libanesischen Politikers Rafik al-Hariri 2005, oder im Inland bei der Bespitzelung und Verhaftung unangenehmer Bürger.

Dass dabei nicht zimperlicher umgegangen wird als früher, zeigten die Geschehnisse 2004 in Qamishli, als es zu gewalttätigen Ausschreitungen zwischen arabischen und kurdischen Fußballfans kam, bei denen syrische Sicherheitskräfte gegen die Kurden exzessiv Gewalt anwendeten und Massenverhaftungen durchführten.

Nach wie vor sitzen hunderte politische Gefangene in Haft, es gibt zahlreiche Berichte über Folterungen und Misshandlungen.