Das aktuelle Radiohead Album „The King of Limbs“ als Empfehlung der Woche.
Mir ist neulich etwas echt Eigenartiges passiert – und zugleich war dieses Etwas auch noch was sehr Seltenes. Daher rührt nun mein dringendes Bedürfnis nach Berichterstattung und Mitteilung an die Mitwelt: Die Herren Yorke und Greenwood haben nämlich gemeinsam mit den drei anderen Radioheads wieder einmal ein Klangwerk erschaffen, das sich der vorschnellen Kategorisierung durch Hörgewohnheit mal Erwartung dividiert durch Befriedigung listig zu entziehen vermag. Dieser Umstand an sich ist ja nun nicht wirklich überraschend, wenn man die stilistischen Brüche, Sprünge und Weltverschmelzungen im Werkverzeichnis dieses Klangkunst-Kollektivs seit ihrem umfänglich gecoverten Hit „Creep“ von 1992 auch nur ansatzweise mitverfolgt hat.
Und damit kehre ich auch schon wieder zum Subjektiven zurück – ich bin schließlich nicht die Musikredaktion, sondern das etwas andere Kunnst-Biotop. Ich lud mir also die neue Erscheinung herunter und hörte hinein, ging dann Tee aufgießen, begann einen Text zu schreiben, telefonierte zwischendurch, checkte meine E-mails und Facebook-Nachrichten, telefonierte abermals, begab mich ins Bad, schrieb an meinem Text weiter – und bemerkte plötzlich, dass meine Viktualienhandlung demnächst die Sperrstunde ausrufen würde und ich mich folglich beeilen müsste.
Moment mal – es war also kurz vor 7 Uhr abends und seit dem frühen Nachmittag lief „The King of Limbs“ ununterbrochen im Hintergrund – ohne dass es mir aufgefallen wäre! Das verwunderte mich jetzt schon einigermaßen, bewegen sich doch üblicherweise an die 30.000 mp3s mittels ausgeklügelter Algorithmen von Assoziation bis Zufall in meiner Musik-Maische zwecks Vorgärung von emotionalen Essenzen und ähnlichen Ohrdestillaten, welche von gefühlsleeren Ödschnöseln aus der Unterwelt des Rundfunkpopulismus zur schlichten „Playlist“ herab qualifiziert – aha, ich schweife!
Um es also auf zumindest ein paar Punkte zu bringen: Ein Lokal, in dem diese Musik als Bühnenbild, Knotzmöbel und Wandbrunnen selbstverständlich ist, gibt es in Salzburg sträflicherweise noch nicht – aber ich wäre dort Stammgast! Und zwar weil diese Klangwelten in genial angewandter Paradoxie Unaufdringlichkeit mit Intensitätssteigerung verbinden, so dass echte Gespräche als hochdramatisch entspannende Gefühlsdialoge, wie sie für mein Arbeiten grundlegend sind, befördert werden. Ein solcherart breitwandepischer Soundtrack zum ambivalenten Innenleben des Baumes kurz vor der Austriebsphase im Vorfrühlig erfüllt auf unheimlich anheimelnde Weise alle Bedingungen einer C. G. Jung’schen Synchronizität, zumal er mit Ende Februar punktgenau mitten ins mitteleuropäische Frühlingserwachen hinein veröffentlicht wurde, in welchem wir alle noch traumverloren unter der Auszehrung vermeintlich ewigen Wintertums vor uns hin vegetieren. Es erscheint mir mit einem Mal röntgenhaft die Innenansicht vom Aufsteigen meiner Säfte. Sehr seelenschmatz!
In diesem Sinne soll also ein weiteres einstweiliges Zwischenprodukt des seit Mitte der 80er Jahre baumartig wachsenden, myzelhaft wuchernden und vielschichtig sich verzweigenden Schaffens von Radiohead am Freitag, 11. März im Rahmen der Radiofabrik Reihe „Hörenswert – Das Album der Woche“ ab 14.08 Uhr zu Gehör und Gespür kommen, wohingegen wir selbst ab 22:00 Uhr die Perlentaucher-Nachtfahrt zum Thema „Frühlings Erwachen“ zelebrieren werden. Wie geheimnisvoll und dabei doch voll bio-logisch sich auch unsere inneren Themen, Träume und Turteltauben zu einander fügen! Schlussendlich zusammengefasst: ein Album zum mit den Ohren spüren und Bildwelten in sich hoch steigen lassen, die man auch nur mit dem Herzen gut sehen kann. Viel Vergnügen!