Wer die Qual hat

> Sendung: Artarium vom Wahlsonntag, 29. September – Es ist halt schon so, dass sich die “Wirklichkeit da draußen” auch auf unsere inneren Wirklichkeiten auswirkt. “Wenn du lange in einen Abgrund blickst, blickt der Abgrund auch in dich hinein.” Wenn Friedrich Nietzsche damals schon von Fernsehen und Social Media gewusst hätte, dann würde er über einen “Abgrund, der einem ins Gesicht springt” nachgedacht haben. Und wäre ihm Edward Bernays‘ Propaganda bekannt gewesen (von Joseph Goebbels bis zu den Werbespots unserer Tage), dann hätte er wohl gemeinsam mit uns “gefickt eingeschädelt” gesagt. Die Qual der Wahl ist nämlich, dass wir keine haben. Denn ganz egal, für welches Produkt wir uns (angeblich so frei) entscheiden, es stammt (so wie alle anderen auch) aus dem gleichen Geschäft, dem Supermarkt.

Wer die Qual hatEine geniale Wortschöpfung, dadurch finden dann alle, die dort einkaufen, den Markt super. Und dass sich die meisten von uns Begriffe wie Demokratie oder Meinungsfreiheit nur mehr in Verbindung mit einem marktwirtschaftlichen System (eigentlich Kapitalismus) vorstellen können, auch das ist Ergebnis einer smarten PR-Aktion von Edward Bernays – im Auftrag von US-amerikanischen Wirtschaftsverbänden. Dass der Nazipropagandist Goebbels seine Methoden zur Beeinflussung der Deutschen ausgerechnet von einem Juden abgekupfert hat, ist eine spezielle Fußnote der Geschichte. Edward Bernays war nämlich Nachfahre eines berühmten Rabbiners und zudem in zweifacher Hinsicht Neffe von Sigmund Freud, dessen Bücher der hatscherte Brüllaff Goebbels wiederum verbrennen ließ. Was lernen wir daraus? Dass Politik generell nichts mit Wahrheit zu tun haben muss, um erfolgreich (pfuigack) zu sein. Oder schauen wir uns einmal in der politischen Gegenwart um: Microtargeting, Cambridge Analytica, Social Engineering, unsere Welt ist voll von inhaltsleeren Politdarstellern, die sich mit miesen Tricks an die Macht schwindeln. Auch unsere kleine Welt Österreich. Wer über die richtigen Methoden (schlag nach bei Bernays) und genügend Geld verfügt, kann die Massen zum gewünschten (Wahl)ergebnis manipulieren. “Manufacturing Consent” oder “Du hast keine Wahl, also nutze sie!” Wer die Qual hat, hat die Qual.

“Wer einmal gestorben ist, dem tut nichts mehr weh” Das ist der Titel der Lebens- und Überlebenserinnerungen von Marko Feingold, der am 19. September von uns gegangen ist. Wir haben ihn bei einigen Sendungen und Projekten kennen gelernt und wollen sein Vermächtnis (vor allem seinen legendären Humor) in einem kurzen Nachruf würdigen. Etwas Wesentliches jenseits des aufgeregten Politbimbams

 

Dieser Eintrag wurde veröffentlicht in Konzept, News, Passt in keine Schachtel, Projekt, Sendung und verschlagwortet mit , , , , , von artarium. Permanenter Link zum Eintrag.

Über artarium

Seit Herbst 07 "das etwas andere Kunnst-Biotop" in der Radiofabrik und seit Anfang 09 daselbst "im Schatten der Mozartkugel" als Artarium unterwegs. Immer auf der Suche nach neuen Gästen, Themen und Gestaltungsformen... Hochfrequenter Wortwetz- und Mundwerksmeister zwischen Live-Unmoderation und Poesie-Performance. Psychodelikate Audiocollagenkunst, stimmungsexzessive Hörweltendramaturgie, subversiver Seelenstriptease, unverzichtbares Urgewürz und... In diesem Unsinn zeig ich euch hier einen tieferen! Ab- und hintergründige Neu- und Nettigkeiten aus der wundersamen Welt des Artarium, seinen Gästinnen und Hörerichen. Kunnst mi eigntlich gern ham. So do mi - i di a! Bussal...