> Sendung: Artarium vom Sonntag, 11. Juni – Die Schwierigkeit ist, etwas möglichst Eigenständiges zu schreiben. Immer. Und gerade im Hinblick auf eine “Band” (ein Musikprojekt, das mehr als nur ein Musikprojekt ist), über die schon so viel gesagt und geschrieben wurde, dass es geradezu ein Gestrüpp ist aus Worten, fast schon eine Überflut aus Sprachbildern und Stimmungen. Was also macht (für uns – hier und jetzt) das Außerordentliche, das Besondere, das Einzigartige von Attwenger aus? Kollege Andreas Woldrich hat 2011 ihr Album “Flux” gepriesen und Bernhard Flieher hat 2010 ihren ARGE-Auftritt als “Die Goaß” rezensiert, alles höchst löbliche Versuche, der flirrenden Vielschicht rund um, über und hinter den Kunstwelten der zwei Herren Markus Binder und Hans Peter Falkner beizukommen.
Für den Verfasser dieses Artikels (ist er auch ein Kollektiv?) besteht die bemerkenswerteste Eigenart von Attwenger (die es inzwischen seit mehr als 30 Jahren sowie 12 Alben gibt) darin, nach wie vor die eigenen Wurzeln zu pflegen (als da sind Volksmusik, popkulturelle Zitate und “Punk” als Philosophie) und gleichzeitig immer wieder neue Einflüsse, Stilrichtungen, akute Ideen in ihre Produktionen hinein zu verbearbeiten – wodurch ihre Songs auch über so viele Jahre hinweg nie langweilig klingen – und zugleich als durch und durch attwengerisch wiederzuerkennen sind. Das allein wäre schon mehr als nur erstaunlich inmitten dieser zunehmend gleichförmig daherwabernden Eintönig-, ja Autotunigkeit, mit der wir allerohren umschwappt und zugeschoben werden – und Exitinnitus! Diesem Mehrheitsklonglumpert aus allerlei Massenblödien, Quasselödien und Kassenschmähdien wird eine hochkomplexe Individualphantasie zuwider gesetzt, dass es eine feste Freude ist, auch heute wieder nicht untergegangen zu sein. Lieder wie Rettungsinseln im Strom …
Wir stellen euch also das aktuelle Attwenger-Album “Drum” vor. Und – bei wem auch immer – wir tun das aus tiefster Überzeugung. Und wir verneigen uns innerlich vor den immer wieder aufs neue erhellenden und zum eigenen Dichten und Denken anstiftenden Attwenger-Texten (welche auf deren hervorragender Homepage alle zum Mitlesen dargereicht werden). Kein Fall fürs Urheber- und Rechtsmuseum! Stattdessen spüren wir, wie H. C. Artmann lebendig fortwirkt, und wir erleben Ernst Jandl beim wunschgemäß weiter gejandlt werden. Ein therapeutischer Auszug:
bodeschlapfm oabeitsgwaund
zeidunglesn kontoschtaund
regnschirme schdromverbrauch
flaummenwerfer goatnschlauch
nudlsuppm lippmschdift
propaganda gegngift
einbaunschdrossn mehrwegfloschn
gleidahogn töllawoschn
unterhosn oberflächn
und wos soi ma nu besprechn
klimawaundl schwiegermuada
lebenswaundl voglfuada
hauffmweise emotionen
tonnenweise emissionen
bisness class economy
fliagd der kas jetz ohne mi
mir wird des olles zu real
i brauch an aundaren kanal
mir wird des ois zu realistisch
mir wird des olles zu real
die realität is a skandal
die realität is so real
mir is des ois zu offensichtlich
mir is des olles zu real
i brauch auf jedn foi
a zweite realität
wei mit ana ala
si des niemois ausged
mit ana ala
jo do kum i ned aus
mit ana ala
na do hob i ka chance
diese realität doda
die ged mi so au
dera realität doda
der renn i davau
waun des nur so weidaged
immer a realität
i sogs aso wias is
des mocht mi voikommen bled
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