Konsumwichtel

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 29. August“Konsumwichtel!” Treffliche Bezeichnung für viel zu viele Menschenleute, “die ich täglich aushalten muss”. Es kam durch das Biodrama “Der Öd” von Uwe Dick über uns – und stammt wohl nicht aus dem ureigenen Erfindensfundus des Wortwetzmeisters, sondern vielmehr aus jenem Maul, auf das schon Martin Luther dem “Volk” schaute. “Konsumwichtel!” Ein zur Entstehungszeit jenes Einpersonenstücks in den 70er Jahren verbreitetes Schimpfwort für sämtliche Follower of Fashion” und “Führer befiehl” und “I glaub ois zsomm wos i brauch.” Wir erinnern uns an Pier Paolo Pasolini, der auch damals schon in seinen Freibeuterschriften voraussagte, wie der weltweite Konsumismus jede eigenständige Kultur durch seine ökonomische Gleichschaltung zerstört.

Konsumwichtel - Der UntergangWas wären dann die Salzenburger Fetzenspiele? Ein Kulturfestival für die Profiteure der weltweiten Kulturzerstörung? Darf man das überhaupt Kultur” nennen, was da vor sich geht? Der Tod geht um – und allen schmeckts. Also allen, die es sich im Diesseits des reichen Mannes leisten und richten können. Jenseits davon bleibt nur eins zu beachten: “Nix mitnehma!” Eine bajuwarische Coverversion von Dylans “Gotta Serve Somebody” – 30 Jahre vor dem Nobelpreis, wie prophetisch!

Nicht, dass es hierzulande keine kritischen Stimmen zur bedenklichen Entfremdung des Menschen von sich selbst gegeben hätte. Auch in den seligen 70ern, ziemlich zur selben Zeit, als Pasolinis Freibeuterschriften entstanden – und als in Wien die Arena besetzt wurde (Kennt das noch wer? Lernen’s Geschichte!) sang Wolfgang Ambros in “A Mensch möcht i bleibn” diese nach wie vor wegweisenden Worte:

A Mensch mecht i bleim,
und net zur Nummer mecht i werdn.
Und Menschen mecht i seng,
wei i bin sehr dagegn,
dass ma unsere Heisa nur mehr für Roboter baun,
die deppat nur in Fernseher schaun!

Und heute? Sehen wir Licht am Ende des Tunnels? Ich glaube nicht. Wer mit Zitaten um sich wirft, der sollte halt schon etwas vom Zusammenhang verstehen, in dem sie entstanden sind, und wissen, wer sie früher gebraucht hat – und in welcher Situation. Sonst entlarvt er sich schnell als ein blöder Plappergei vorgekauten Wortbreis. Oder eben als Konsumwichtel. Kunnst mir darum erklären, was DMD KIU LIDT bedeutet? “Die Manifestation des Konsumismus in unserem Land ist die Trottelherrschaft.”

Amen.

 

Dieser Eintrag wurde veröffentlicht in Konzept, News, Passt in keine Schachtel, Projekt, Sendung und verschlagwortet mit , , , , , von artarium. Permanenter Link zum Eintrag.

Über artarium

Seit Herbst 07 "das etwas andere Kunnst-Biotop" in der Radiofabrik und seit Anfang 09 daselbst "im Schatten der Mozartkugel" als Artarium unterwegs. Immer auf der Suche nach neuen Gästen, Themen und Gestaltungsformen... Hochfrequenter Wortwetz- und Mundwerksmeister zwischen Live-Unmoderation und Poesie-Performance. Psychodelikate Audiocollagenkunst, stimmungsexzessive Hörweltendramaturgie, subversiver Seelenstriptease, unverzichtbares Urgewürz und... In diesem Unsinn zeig ich euch hier einen tieferen! Ab- und hintergründige Neu- und Nettigkeiten aus der wundersamen Welt des Artarium, seinen Gästinnen und Hörerichen. Kunnst mi eigntlich gern ham. So do mi - i di a! Bussal...