> Sendung: Perlentaucher Nachtfahrt vom Freitag, 13. Januar – Als “schön grausam und grausam schön” wurde Finsterworld von Frauke Finsterwalder schon beschrieben, für uns ist es der abgründigste und aushängigste deutsche Spielfilm seit längerem, schräg, seltsam, sonderlich, also höchst bewusstseinsverdrehend. Das Drehbuch zu diesem Kindheitswortspiel verfasste die Regisseurin zusammen mit ihrem Ehemann, dem Schweizer Schriftsteller Christian Kracht, und der heißt auch tatsächlich so. Willkommen bei den Artarium-Filmempfehlungen zur finsteren Nacht! Man merkt eben sofort, wenn profunde Literaten und Theaterleute das Handwerk des Geschichtenerzählens ausüben, und nicht funktionalisierte Bezahlschnipsler aus einer der Verwurstfabriken ewigdesselben umettikettierten Gammelfeilschs.
Egal ob Hollywood oder privat-kommerzielles Fernsehen, sobald es über einen gewissen Grad hinaus nur noch ums Geld geht, merken wir sofort die Absicht, und sind – völlig zu Recht – verstimmt. Es ist die Verflachung der Dramaturgie ins rein Funktionale zum Zweck der Behumpfung irgensodeiner statistisch erfassbaren und für irgendjemandes Quotenagenda relevanten All- und Gemeinheit, die uns beim fallweisen Erdulden so eines Machtwerks gequält aufjaulen lässt: “Für wie deppert haltets ihr uns eigentlich?” Als ginge es weltweit nur mehr noch ums Bezupfen der dreieinhalb rudimentären Gefühlsreflexe, damit möglichst zahllose Konsumkasperln irgendwelche Konsumgurkerln kaufenkaufen, um sich irgendwie verbunden zu vermeinen. Ach so, genau darum geht es ja doch, in der uns täglich als einzige Wirklichkeit servierten Realität der Realitäter und innen. Genau deshalb wollen wir hier auch eine alternative Knotzwelt zu diesem Scheißdreck etablieren.
Denn der Mond wird sich lila färben und es werden vielerorts aufstehen die Propheten einer anderen Welt, welche längst in uns ist und nur ihrer Verwirklichung dort draußen harret, wo jetzt die falschen Götter der Gier und ihre Scheinepriester, die Geldgunstgewerblein, an der Vernichtung der Vielfalt jeglichen Lebens arbeiten, sie sind brav und anständig und arbeiten ordentlich, ja, ja, in der Funktionstrottelfabrik und bei der Nutzmenschenzucht, sehr respektabel, fürwahr! – “Hört ihr sie predigen und singen – ganz wie sie früher, mit der Pfeife, Ratten fingen?” – Fette Jahre von Lokomotive Kreuzberg – Eine Prophetenpassion, wie sie leibt und speibt. Man möchte depressiv werden inmitten all dieser Moloche und anstatt Straight Outta Finsterworld lieber kopfüber mitten hinein stürzen, dass es einen endlich zerreißt. Da braucht es schon immer wieder eine gehörige Distanz zu den Grausligkeiten und Gemeinheiten des Weltgedümmels, um nicht vollends darin unterzugehen…
Seien wir daher also nicht bloße Perlentaucher, die alles mögliche aus dem Schleimsumpf der Kultur hervor befördern – seien wir doch auch wahrhafte Inselstifter, die ihre Knotzzonen gescheit gebrauchen, etwa um auf all ihren Reisen stets bei sich selbst zwischenzulanden – und diese Form der Selbsterdung anderen zu deren Selbstwerdung wiederum weiter zu reichen:
“If again the seas are silent in any still alive, it’ll be those who gave their island to survive.” Peter Gabriel – Here comes the Flood Oder noch viel Prophetischeres rund um so hochakute Themen wie Heimat, Flucht, Flut: Ernst Jandl – Etude in F, unlängst überraschend in einem Tatort (Regie Markus Imboden) wieder aufgetaucht: “Land in dieser Zeit” – ARD-Mediathek noch bis 8. 2., was uns genau deshalb so gut gefällt, weil da eben “profunde Literaten und Theaterleute das Handwerk des Geschichtenerzählens ausüben”.
Nunmehr jedoch genug gepredigt – hier schließt sich nämlich der Greis:
falfischbauch