In unserem letzten Rückblick auf das 15. Kofomi 2010, das von 9. bis 18. September in Mittersill stattgefunden hat, geht es um drei Persönlichkeiten aus dem Österreichischen Musikleben, die sich auf eine eher magische Weise, Musik zu machen, beziehen: Improvisation, lebendige musikalische Kommunikation, der sich auch das Publikum nicht entziehen kann beziehungsweise dieses mit einbezieht. Am Abend des 17. September trafen sich die Geigerin Annelie Gahl, DJ Electric Indigo alias Susanne Kirchmayr und Gitarrist Burkhard Stangl im Kofomi-Laboratorium III im BORG-Mittersill. Ihre Musik öffnete einen Raum, der die Ausführenden wie die Zuhörenden gleichermaßen aufnahm. Die drei trafen sich schon zwei Tage vorher in Mittersill, um das Konzert vorzubereiten, aber nicht im traditionellen Sinn um zu proben, sondern vor allem einander musikalisch kennen zu lernen. Zurückhaltend subtil und im Mittelteil rhythmisch forcierender verlief der musikalische Bogen des Trios, das in dieser Zusammensetzung vorher noch nicht zusammengearbeitet hat. Laborsituation oder Konzert, die Freude vor allem am musikalischen Kommunizieren sprang bald auch auf das Publikum über. (Annelie Gahl, Violine, Susanne Kirchmayr, Elektronik, und Burkhard Stangl, Gitarren und Elektronik, aufgenommen am 17. September in Mittersill)
Wohin?#15 – Kulturbulimie
Ausschnitte aus dem 15. Gespräch im Rahmen unserer Gesprächsreihe WOHIN? in Zusammenarbeit mit der IG Komponisten Salzburg zum Thema KULTURBULIMIE, das am Freitag, 10. Dezember 2010 in der Galerie5020 in Salzburg stattgefunden hat. Beteiligt waren Christian Allesch, Professor für Psychologie an der Universität Salzburg, Bernhard Gál, Musiker, Musikwissenschafter und Initiator des Festivals shut up and listen, Pia Palme, Komponistin, Musikerin und Initiatorin des Komponistinnen-Festivals e-may, Sabine Reiter, Musikwissenschafterin und geschäftsführende Direktorin von mica – music austria. Die Moderation besorgten Hannes Raffaseder und Wolfgang Seierl. Anschießend gab es die Präsentation der CD Neuerscheinung ShortCuts mit Petra Stump und Heinz-Peter Linshalm, aus der sie ebenfalls Ausschnitte hören.
In einem online -Artikel von Andrea Curd Sauerberg wird ein Buch rezensiert, das es gar nicht gibt: K. C. Broomm, Kulturbulimie. Die Gegenwart zeichne sich dadurch aus, so der Autor, dass das Sublime sich beschämt aus dem Staub gemacht habe. Auf der einen Seite sei es ein nicht Stattfinden der Sublimation, der Sedimentierung des kulturellen Moments, anderseits aber auch einfach das Fehlen der Feinheit, der Subtilität. Die Hyperästhetik lasse dem Menschen keinen Raum mehr, Atem zu holen, und das sei gleichzeitig auch gerade Programm. Wer Zeit habe, zwischen den Mega-Events unserer Tage Luft zu schnappen, der ziehe womöglich seinen Kopf aus der Schlinge, so er nochgerade einen habe. Wer sich aber mit einem solchen Event voll gestopft habe, der müsse, wolle er für den nächsten fit sein, den gerade vergangenen herauskotzen. In einem Interview in der Tageszeitung Die Presse spricht die Athletin Ines Geipel über Parallelen zwischen Sport und Kunst: „Aber alles, was einmal in den Olymp aufgenommen wird, ist tote Ware. Das ist in der Kunst genauso, wenn es um diese Kulturbulimie geht.“ Olympische Spiele und Salzburger Festspiele? „Genau, daran denke ich auch im Augenblick…“Es geht also um Fülle, Überangebot, Reizüberflutung, und darum, ob das gut oder schlecht ist. Gerade die kleine Stadt Salzburg ist Heimat zahlreicher Festivals, das kulturelle Angebot und der internationale Ruf lässt Salzburg viel größer erscheinen als es ist. Und dann kommt noch die heute mögliche und übliche Mobilität dazu, die uns nicht nur zu Hause konsumieren lässt, sondern auch dazu verleitet, Veranstaltungen außerhalb unserer Region zu besuchen. Wir können uns also ganz schön überfüttern, wenn wir wollen. Hören Sie, was unsere Gäste dazu zu sagen hatten.
Die Musik, die Sie in dieser Sendung
hören, stammt aus dem neuen Album ShortCuts der Klarinettisten Petra Stump und Heinz Peter Linshalm (mit Werken von Lotta Wennäkoski, Chaya Czernovin, Iris Szeghy und Silvia Colasanti), das Ende 2010 auf unserem Label ein klang records (www.einklangrecords.com) erschienen ist und das wir bereits in einer eigenen Sendung vorgestellt haben.
ShortCuts
Das Klarinettenduo Petra Stump und Heinz-Peter Linshalm, das 2004 für sein auf unserem Label erschienenen Debutalbum born to be off road den Ö1-Pasticciopreis erhielt, legt nun ein weiteres spannendes Doppelalbum vor, das als Ergebnis einer äußerst lobenswerten Initiative der beiden Klarinettenvirtuosen an Fülle und Vielfalt kaum zu überbieten ist: 2×17 Titel von insgesamt 34 KomponistInnen aus dem In- und breit gestreuten Ausland!
„Wie klingt die Musik am Beginn des 21. Jahrhunderts? Eine Antwort darauf kann das Projekt ShortCuts geben: eine einzigartige Sammlung von kurzen Stücken für zwei Klarinetten oder Bassklarinetten. Diese 34 vielfältigen Miniaturen von Musikschaffenden aus vier Kontinenten zeigen eine Momentaufnahme vom gegenwärtigen Komponieren. Kreiert wurden die ShortCuts für die Klarinettisten Petra Stump und Heinz-Peter Linshalm.
Ein Zufall hatte zu dem Projekt angeregt. Als 2004 Jorge Sánchez-Chiongs Bassklarinetten-Duo trópico tránsito nicht rechtzeitig zur Uraufführung fertig war, präsentierten Petra Stump und Heinz-Peter Linshalm aus dem Werk lediglich einen etwa zweieinhalb Minuten dauernden Teil: eine wilde,
ausnotierte Free-Jazz Improvisation mit dem Titel for albert ayler. Das Publikum war begeistert. Petra Stump und Heinz-Peter Linshalm erkannten das Potential dieses Ansatzes: zwei gleichklingende Instrumente – Kammermusik in ihrer intimsten Form, in einem knapp formulierten Umfang. Einspannender Ausgangspunkt.“
(Aus dem Text von Ursula Strubinsky im Booklet der Doppel-CD, mehr Informationen auf www.stump-linshalm.com)
Doppel-CD mit Werken von Germán Toro Pérez, Alexander Stankovski, Sylvie Lacroix, Christof Dienz, Dieter Kaufmann, Bernhard Gander, Wolfgang Seierl, Gerald Futscher, Jorge Sánchez-Chiong, Simeon Pironkoff, Christoph Herndler, Wolfgang Suppan, Gunter Schneider, Reinhard Fuchs, Bruno Strobl, Johannes Kretz, Michael Amann und Alexander Moosbrugger
Bestellnummer EKR 045/046 ShortCuts info@einklangrecords.com
15. KomponistInnenforum Mittersill – Schlusskonzert
Das 15. KomponistInnenforum Mittersill hat vom 9. bis 18. September 2010 stattgefunden. Im Schlusskonzert am 18. Dezember 2010 im BORG Mittersill, von dem wir in unserer Sendung in der Radiofabrik Ausschnitte bringen, waren die Ergebnisse dieses Forums zu hören: Werke von Vladimir Tarasov, Wolfgang Danzmayr, Germán Toro Pérez, Maria Gstättner, Bill Drummond, Cathy van Eck, Gregory Mertl, Manuela Kerer und Dieter Kaufmann, gespielt vom Ensemble „die reihe“ unter der Leitung von Gottfried Rabl, weitere Mitwirkende waren Vladimir Tarasov (Schlagzeug), Cathy van Eck und Germán Toro Pérez (Live-Elektronik), Heinrich Deisl und Gunda König (Stimme) und Wolfgang Danzmayr (Dirigent)
Kofomi#15_Rückblick: Mia Zabelka, Zara Mani und i-Wolf
In der Sendung am 7. November bringen wir einen weiteren Rückblick auf das 15. Kofomi 2010, das von 9. bis 18. September in Mittersill stattgefunden hat. Am Mittwoch, 15. September nachmittags spielte die Violinistin und Komponistin Mia Zabelka auf der Bürglhütte in Stuhlfelden, am Abend gemeinsam mit Wolfgang Schlögl im Nationalparkzentrum Mittersill. Die in 1500 m hoch gelegene Bürglhütte im Nachbarort Stuhlfelden war Schauplatz bzw. Hörplatz für Mia Zabelkas Präsentation ihres Klang:Hauses (http://www.klang-haus.at/) in der Südsteiermark, das vor drei Jahren gegründet wurde. Mit ihrer elektroakustischen Violinperformance illustrierte sie ihre Erklärungen zur Klangkunst, die sie als der Musik nachfolgende Kunstform beschrieb. Die in Pakistan geborene Elektronikerin und Bassistin Zahra Mani assistierte an der Elektronik.
Gemeinsam mit dem Wiener Elektronikmusiker Wolfgang Schlögl bestritt sie am Abend des 15. September das Konzert im Nationalparkzentrum Mittersill mit freien, von elektronischen Klängen geführten Improvisationen. Zuvor aber diskutierten die Bürgermeisterin von Stuhlfelden, Sonja Ottenbacher, der Mittersiller Vizebürgermeister Volker Kalcher und Tourismusdirektor Roland Rauch über den Wert von Kunstprojekten in ländlichen Gemeinden. Wie geht es ihnen mit ihrem persönlichen Engagement? war die erste Frage des als Moderator fungierenden Kofomi-Teilnehmers Wolfgang Danzmayr.
Kalcher betonte die Benachteiligung der ländlichen Gemeinden gegenüber der Stadt bzw. städtischen Prestigeprojekten wie den Salzburger Festspielen. Bürgermeisterin und Landtagsabgeordnete Ottenbacher bestätigte und meinte, dass die Landgemeinden mehr Mut haben sollten, Forderungen zu stellen. Als Wunsch an die KünstlerInnen sagte Tourismusdirektor Rauch etwas sehr Schönes, das die anderen beiden mit unterstrichen: Die KünstlerInnen sollten wieder kommen und sich durch da und dort sicher noch herrschende ablehnende oder kritische Haltungen nicht abhalten lassen.
Erster Rückblick auf das 15. KomponistInnenforum Mittersill
Am Sonntag, 12. September, gab das Ensemble in Residence „die reihe“ sein Eröffnungskonzert in der Mittersiller St. Annakirche. Bereits zum 3. Mal war dieses renommierte, vor mehr als 50 Jahren gegründete österreichische Spezialensemble zu Gast in Mittersill. Auf dem Programm standen neben Anton Weberns „Satz für Streichtrio“ opus posthum und einem Schlüsselwerk der Moderne, John Cages „4’33’’, Werke lebender österreichischer KomponistInnen. Von Rupert Huber ein sehr meditativ- geräuschhaftes Vokalstück ohne Instrumente, von Gabriele Proy eine Arbeit, die ein projiziertes Damespiel musikalisch kommentiert, Giselher Smekal mit einem Streichquartettsatz, in dem Bewegung in Erstarrung mündet und schließlich eine Meditation über Gewalt von Andrea Sodomka, in der die MusikerInnen mit scharfen Messern Metallobjekte bearbeiten. Dirigent des am Ende stürmisch beklatschten Ensembles war Gottfried Rabl.
15. KomponistInneforum Mittersill
Das KomponistInnenforum Mittersill (9. – 18. 9.) findet heuer zum 15. Mal statt. Dieses kleine Jubiläum steht unter dem Titel STROM und verspricht zehn mit viel Energie geladene Tage!
15 Jahre KomponistInnenforum Mittersill bedeutet vor allem 15 Jahre Experimentier- und Kommunikationskultur im Bereich der zeitgenössischen österreichischen Musikszene fernab der traditionellen Zentren großstädtischer Hochkultur und Dynamisierung des Musiklebens auf Basis einer Plattform, die sich über stilistische Grenzziehungen hinweg etablieren konnte. Über 100 Uraufführungen von größtenteils in Mittersill entstandenen Kompositionen bilden diese Dynamik nur zum Teil ab, denn an diesem Netzwerk haben auch die Aktivitäten des Labels ein klang_records mit über 40 CD-Produktionen ihren Anteil, aber auch die Gesprächsreihe „Wohin?“ in Salzburg und die monatliche Sendung in der Radiofabrik, dem freien Radio Salzburg.
15 Jahre Kofomi heißt aber auch 15 Jahre Musikgeschichte und Musikgeschehen, das vor allem durch die rasante Entwicklung der elektronischen Medien und unseren Umgang mit diesen bestimmt ist. Wertewandel oder Pardigmenwechsel, – die neuere Musikgeschichte ist von radikalen technischen wie gesellschaftlichen Veränderungen nachhaltig geprägt.
Mit dem Fokus auf ein Phänomen, das wie keines andere den Gestaltungsweisen unserer heutigen Welt zugrunde liegt, dem Strom bzw. der Elektrizität, wird nicht nur den neuen und vielfältigen Entwicklungen in der elektroakustischen Musik Rechnung getragen, sondern auch biologischen wie spirituellen Aspekten von Strom, Strömen oder Strömungen.
Neben der Prominenz unter den diesjährigen Gästen Bill Drummond (UK), Dieter Kaufmann (A) Vladimir Tarasov (LIT/RU) und dem Ensemble in Residence die reihe (A) sprechen auch die übrigen Teilnehmenden und Mitwirkenden für sich: Wolfgang Danzmayr (A) Cathy van Eck (NL) Manuela Kerer (I/A) Gregory Mertl (USA) Germán Toro Pérez (COL/A)
sowie Electric Indigo, Burkhard Friedrich, Annelie Gahl, Bernhard Gál, Johannes Kretz,
LSD (Daniel Lercher, Bernhard Schöberl, ,Gloria Damijan), Hans-Joachim Roedelius,
Wolfgang Schlögl, Burkhard Stangl, Mia Zabelka
Das 8. Symposium STROM (10./11. 9.) vereint Beiträge von Heinrich Deisl, Bernhard Gál, Hemma Geitzenauer, Johannes Kretz, Ivan Ristic und Manon Liu Winter zum Forumsthema.
Stimmen hören
Stimmen hören. Der Bericht über ein Projekt, das im Mai dieses Jahres in Stuhlfelden im Oberpinzgau realisiert wurde. Stimmen hören, eines der Siegerprojekte im Rahmen der Initiative Wahre Landschaft des Landes Salzburg, ist eine akustische Intervention im öffentlichen Raum.
Zwischen 3. und 11. Mai waren an 11 Stellen im Ort kleine mit Audioabspielgeräten bestückte Lautsprecher versteckt, die subtil für Irritation sorgten.
Das Konzept zum Projekt Stimmen hören bezieht sich auf die faszinierende Theorie von Julian Jaynes, wonach Skulpturen und Bilder einst die Funktion hatten, die Stimmen der Götter (bzw. unserer Vorfahren) in uns leichter vernehmbar zu machen und uns dabei zu helfen, Entscheidungen zu treffen. Heute steht die so genannte Informationsgesellschaft vor dem Problem der Überfülle an Information, die einer Orientierungslosigkeit Raum gibt und uns erneut Entscheidungen schwer macht.
In Klanginstallationen bzw. subtilen klanglichen Interventionen im Bereich der Bild- und Skulpturtradition im öffentlichen Raum wurde mit „Stimmen hören“ auf diese inneren, verloren gegangenen Stimmen aufmerksam gemacht. Als Ausgangsmaterial zu diesen Klangarbeiten dienten Aufnahmen von Gesprächen mit den Ältesten der Gemeinde, deren Erfahrung und Wissen im Überangebot der heutigen Medienwelt allzu oft ungehört bleiben und letzten Endes fehlen. Mitgemacht haben Erna Gandler, Adolf Gruber, Altdechant Peter Hofer, Lina und Hans Keil, Franz Pfeffer, Theo Schett, Anna Steger, die Oberbäckn-Bäuerin Anna Steger, Maria und Sepp Wolf und die Volksschule Stuhlfelden.
An den elf Orten, an denen sich Bilder oder Skulpturen befinden, wurden mittels kleiner Lautsprechersysteme diese Bilder und Skulpturen akustisch belebt. Sie bekamen Stimmen und Klänge, die die Vorbeigehenden und Zuhörenden mit ihren Ansichten und Problemen in ein aktualisiertes, dynamisches, lebenskulturelles System einzubinden versuchten. Diese in Zeiten der medialen Bilderflut oft nicht mehr wirklich wahrgenommenen aber dennoch wirkenden Relikte vergangener Zeiten wurden so für kurze Zeit wieder zu aktuellen, sprechenden Kunst-Orten.
Wir bringen Ausschnitte aus diesen Hör- und Klangbildern, an denen die Salzburger Künstlerin Esther Moises und der Salzburger Komponist Manuel de Roo künstlerisch mitgearbeitet haben.
Netzwerk:Lobbying – neue Strategien der Kunstschaffenden: Wohin?#14 – micafocus Salzburg
Ausschnitte aus einem Gespräch zum Thema Netzwerk:Lobbying – neue Strategien der Kunstschaffenden, das im Rahmen unserer Gesprächsreihe Wohin? am 4. Juni in der Galerie 5020 in Salzburg stattgefunden hat. Wohin?#14 war – in Zusammenarbeit mit mica – music austria gleichzeitig auch ein micafocus Salzburg, weiter Kooperationspartner waren die IG Komponisten Salzburg und Estrela, Verein zur Förderung Salzburger Elektronikmusik am internationalen Markt
Am Podium waren Paul Estrela (Verein zur Förderung Salzburger Elektronikmusik am internationalen Markt) Lothar Knessl (einer der profundesten Kenner der zeitgenössischen Musik in Österreich)Didi Neidhart (Musiker, Journalist, Leiter der mica-Servicestelle Salzburg) Christian Reiser (Fachverband Film- und Musikindustrie Salzburg)
Hannes Schalle (Filmmusiker, Moonlake Entertainment GmbH).
Moderation Wolfgang Seierl
Musikalisch einbegleitet wurde das Gespräch von Matias Monteagudo, einem Musiker Komponisten und Produzenten aus Caracas Venezuela, der seit 2008 in Salzburg lebt.
Der britische Sozialwissenschaftler Colin Crouch bezeichnet mit seinem Begriff Post-Demokratie die unter dem Druck der Globalisierung und Neoliberalisierung in den nationalstaatlichen Demokratien der westlichen Dienstleistungsgesellschaften sich herausbildende neue politische Konstellation. Die einzige Chance, in dieser von den großen Konzernen beherrschten Situation Interessen von Minderheiten durchzusetzen, ist – nach Crouch – gezieltes politisches Lobbying. Dieses meint das politische Management von Informationen mit dem Ziel, politische Entscheidungen zu beeinflussen.
Um die Frage, ob Netzwerken oder Lobbying, oder die Verbindung von beidem die Strategie der Künstlerinnen von heute sein kann, kreisen die Beiträge in dieser Sendung.
Mani von Pierluigi Billone und Adam Weisman, soeben auf unserem Label einklangrecords erschienen. Die drei Kompositionen von Pierluigi Billone für Schlagzeug, gespielt vom Percussionisten Adam Weisman, haben einen gemeinsamen Nenner, die Hand, so Grazia Giacco im Booklet der CD. Diese beschränkt sich nicht darauf, nur eine Funktion als Greif- und Tastwerkzeug zu übernehmen, sondern trägt vor allem das bei, was Billone die Intelligenz der Hand nennt, nämlich die Fähigkeit, einen lebendigen Kontakt mit dem Klang zu erschaffen. Die Berührung ist in Billones Musik Ausdruck eines Kontaktes: die Hand, welche auf die Materie trifft, sie in Schwingung versetzt, selbst Teil dieser Schwingung wird und eine Resonanz im Körper und um den Körper herum bewirkt. Haut und Knochen entdecken den uralten Raum des Klingens, suchen neue Horizonte des Fühlens.
Billones Musik hört man nicht nur mit den Ohren, sondern auch mit dem Atem, mit der Haut, mit dem Gewicht des beim Hören sitzenden oder liegenden Körpers, mit den Augen, wenn sie – nach Möglichkeit – die Gesten des Interpreten verfolgen, Tänze von klingenden Körpern – spielt der Interpret das Instrument oder verhält es sich umgekehrt?
„Billone gehört zu jenen seltenen Magiern, welche die lineare Zeit außer Kraft zu setzen im Stande sind. Man vermeint bei seiner Musik einen kultischen Raum zu betreten.“ (Heinz Rögl)
Pierluigi Billone, 1960 in Italien geboren, lebt in Wien. Er studierte bei Salvatore Sciarrino und Helmut Lachenmann. Für seine Werke erhielt er den Kompositionspreis der Stadt Stuttgart (1993), den Busoni-Kompositionspreis der Akademie der Künste Berlin(1996), den Wiener Internationalen Kompositionspreis (2004) und den Ernst-Krenek-Preis der Stadt Wien (2006). 2010 wird er mit dem Förderpreis der Ernst-von-Siemens-Musikstiftung München ausgezeichnet.
Adam Weisman studierte bei Fred Hinger and Chris Lamb an der Manhattan School of Music in New York, bei Sylvio Gualda in Versailles und bei Peter Sadlo in München. 1991 wurde er beim ARD Musikwettbewerb in München und 1992 beim Internationalen Musikwettbewerb in Genf ausgezeichnet. Als Spezialist für Neue Musik arbeitet er regelmäßig mit dem Klangforum Wien, dem Ensemble Modern, mit Zeitkratzer (Konzerte mit Lou Reed) und mit dem Scharoun Ensemble der Berliner Philharmoniker zusammen. Als Komponist gestaltete er Musik für Theaterstücke am Bayerischen Staatsschauspiel München und am Landestheater Linz.