Nur noch Nebel

> Sendung: Perlentaucher Nachtfahrt vom Freitag, 11. NovemberNebel legt sich über das Land – und oft auch auf die Seele. Der Spätherbst ist eben die Jahreszeit für Depressionen und artähnliche Gefahren. “Wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben“, schreibt Rainer Maria Rilke in seinem Gedicht “Herbsttag“, und weithin wohl noch viel geläufiger: “Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr”. Dazu muss man nicht Trakl oder drogentrüb sein, dass man derlei in diesen düsteren Stunden spürt. Oft reicht schon ein gewisses Maß an Empfindsamkeit, um von der eigenen Schwermut so in die Tiefe gezogen zu werden. Nebel verhängt den Blick – und kaum noch Orientierung bietet sich stillschreienden Sinnen. Es ist wie ein leises Verlorensein in der Welt. Allumwattet wandelt selbst Hesse seltsam allein: “Kein Mensch kennt den anderen”

Spaziergänger im NebelWiewohl noch dem dichtesten Nebel recht angenehme Seiten abzugewinnen sind. Das Dämpfen von Geräuschen (des Stadtlärms zum Beispiel) oder das Verhüllen von unschönen Anblicken (wie die Volk genannten Schiachperchten oder die Baukötze der Arschitekten). Sogar der Vereinsamungsaspekt hat eine Kehrseite, denn nebelt man sich ein, kann man nicht mehr so leicht entdeckt werden, entschwindet man elegant der möglichen Belästigung. Ich bin etwas, was du nicht siehst. Ätsch. Auch benebelt zu sein kann einen mit der Gnade impressionistischer Weltbeschau versorgen. Wie man sich dreht und wendet, ist Seelenzustand Wasserdampf oder Grundfarb für ein Gedicht. Daher wollen wir inmitten solch ineinander überfließender Beschleierung den Blick auf jene Kunstform richten, die Lyrik und Musik zu ganz neuen Eindrücken verschmilzt, gemeinhin Word over Music genannt – oder besser noch “Hörtheater”. Beispiele gibts aus dem am 30. November erscheinenden Musiklyrikalbum “tenebra” der ONchAIR Bros sowie aus dem bekannten Hesse-Projekt von Schönherz & Fleer. Was das mit Chriss’ Buch “seelen.splitter” zu tun hat, bleibt vorerst noch nebulos

Die mir noch gestern glühten,
Sind heut dem Tod geweiht,
Blüten fallen um Blüten
Vom Baum der Traurigkeit.

Ich seh sie fallen, fallen
Wie Schnee auf meinen Pfad,
Die Schritte nicht mehr hallen,
Das lange Schweigen naht.

Der Himmel hat nicht Sterne,
Das Herz nicht Liebe mehr,
Es schweigt die graue Ferne,
Die Welt ward alt und leer.

Wer kann sein Herz behüten
In dieser bösen Zeit?
Es fallen Blüten um Blüten
Vom Baum der Traurigkeit.

Hermann Hesse

 

Spätlese

> Sendung: Perlentaucher Nachtfahrt vom Freitag, 14. OktoberSpätlese mit Winzer heißt ein Gedicht von Anna Breitenbach, welches speziell für die heurigen (sic) Literaturtage in Weinstadt (sicsic) entstanden ist. In der unseren Untertiteln ziemlich artverwandten TV-Sendung “Kunscht” berichtete seine unstillbare Umtriebigkeit Denis Scheck über diverse Dichterlesungen, für welche zuvor die Autor_innen beim Lesen und Keltern des Weins mitgewirkt und so ihre Eindrücke in wohlvergorenes Wortwerk verwandelt haben. Auf diesem poetischen Terroir kommt es zu allerlei Assoziationen mit Fachbegriffen wie etwa Trockenstress, Süßfäule oder Geschein. Und ich dachte, dass es bei Wein, Wort und Gesang um Stoned Poets (Dichte Dichter) geht im Sinne des trunkenen H. C. Artmann, dem man nach seinem Vortrag vom Podium helfen musste.

herbsthasenWas also können wir Herbsthasen als Spätlese aufbereiten? Vor allem, ohne allzu wortwörtlich ins Weinfass zu fallen. Es ist spät und wir lesen? Vielleicht Handverlesenes aus dem Fetzenspiel mit dem Mozartstaat? Die Essenz des Rosinenweins aus Georg Trakls Drogentopf? Eigenes oder Fremdes, Angeeignetes oder Befremdliches, Übersetztes oder Vorletztes oder längst Zerfetztes? Über Oderhaupt ins Restdeutsch des Ostens dichteren Grobschnitt?

Ein Häschen von alledem, damits ausgewogen und nährwert bleibt. Und zudem noch, was uns ein-, ab- und zufällt, damits nicht fad wird, so ganz ohne Weltrum und Kugel. Es ist ja immer ein Zwischenraum jenseits der Definitionen, den es genau deshalb zu bewohnen gilt. Nüchtern betrachtet kann auch der Rausch verhandelt werden, ohne ihn zu verteufeln – oder ihm zu verfallen. – Im Hinblick darauf Georg Trakls Briefzitat:

“Dass es Winter und kalt wird, spüre ich an der abendlichen Weinheizung. Vorgestern habe ich 10 (sage! Zehn) Viertel Roten getrunken. Um vier Uhr morgens habe ich auf meinem Balkon ein Mond und Frostbad genommen und am Morgen endlich ein herrliches Gedicht geschrieben, das vor Kälte schebbert.”

mozart-spaetleseSpätlese kann in unserem Fall aber auch Nachlese, Protestsongperlen– oder gar Torkelbärenauslese bedeuten. Der uns nicht ganz ungeläufige Herr Blumenau ergeht sich nämlich im Nachfeld der diesjährigen Kür von Sarah Leschs “Testament” in eigenwilligen Argumenten, warum er diesem Lied genau null Punkte zugestand und warum es ihn auch nicht wundert, dass es inzwischen von rechtsrechten Gruppen für deren Weltsicht vereinnahmt wird. Das läge, so der tägliche Blumenau in seinem Artikel, von vornherein an Text und Haltung des Songs. Darob mag man sich ein Bild machen.

Während wir uns wiederum einen ureigenen (und etwas anderen) Contest schneidern, in dem es um genau nichts geht, außer um unsere gemeinsame Lust an der Freud. Küren wir halt das aushängigste Kürzesthörspiel des heurigen (hic) Weinherbsts! Mit einem vollen Radio ist laut stinken.Dazu Georg Trakls Wienverkostung:

“In Wien aber “strahlt” die Sonne am “heiteren” Himmel und die “weiche Melancholie” des Wienerwaldes ist auch nicht “ohne”. Beim Heurigen freut sich das “goldene” Herz und wenn dort die “schmachtenden Weisen” erklingen, so denke o Mensch daran, dass es bei den “wackeren Älplern” schneit und grimmig kalt ist. O! wie weh ist die Welt, wie wahnig das Weh, wie weltlich der Wahn.”

 

Reflecting Autumns

> Sendung: Perlentaucher Nachtfahrt vom Freitag, 9. SeptemberDer Sommer ging heuer ja schon vor seinem Beginn zu Ende – und danach versuchte er noch den ganzen Sommer hindurch, einer zu werden. Doch jetzt, wo die Schulferien unweigerlich zu Ende gehen und auch die “vorlesungsfreie Zeit” bald keine mehr sein wird, da schieben sich endlich die ersten stabileren Schönwetterperioden in den allenthalben anhebenden Herbst. Wieviel Werden steckt da im Vergehen? Oder wars immer schon genau umgekehrt? Jedenfalls wollen wir diese auffallende Ambivalenz des Herbstsommers zum Anlass nehmen, unser aller Jahreszeitreisen zu würdigen sowie uns dementsprechend in der Schönheit des Vergänglichen zu ergehen. Denn jedem Sterben wohnt ein Herbstlaub inne, und das ist nochmal so richtig farbenfroh!

VollmondVom Charme des Morbiden, vom Innehalten auf der schiefen Bahn und vom Aufleuchten des Lebens im Totgeglaubten handeln unsere Buchzitate und Filmempfehlungen, unsere musikalischen Fundstücke und Spoken-Word-Fragmentarien. Wir basteln uns eine Welt aus dem Sammelsurium unseres unterwegs Aufgelesenen, nur um sie mit euch gemeinsam wieder zu verzehren:

unzählbare Lichtkaskaden auf den Wellen des Mittelmeeres, mehr als grell, kosmische Gaben, ein Hauch anderen Lebens, und hier auf dem Fels, du malst mir Salzzeichen auf den Rücken, es tropft der Schopf, wir paddeln nicht, wir haben die steinerne Wand umbrochen, vulkanisch fast, Gräben und Schluchten und Armeen von schwarz glitzernden Muscheln; gen Himmel ein Zeichen des Abschieds, wir lieben dich Sonnenkönigin! Auf ewig Kinder des Meeres! Wie kommt man zu Namen oder zu Orten, wie laufen die Bahnen von trunkener Zeugung zu Mord, von Nägellackieren zu Inkontinenz, wie winden sich Wege durch Menschen und Tiere, durch die Natur und das All? Ach, vielleicht ja alles nur zum Amusement anderer Weltraumrassen – welch glorreicher Zoo!

FeuerlichtYou touch me with your light
so different as they say
you touch me with your light
and make me want to stay
you touch me with your light
its running down my skin
you touch me with your light
you touch me from within
you touch me with your light
and bring my soul to ease
you touch me with your light

Wir lassen unsere zwei Welten ineinander fließen wie zwei Feuer aus Wasser und Licht, mögen sie sich mondkühl oder kerzenwarm anfühlen, mögen sie zäh oder zart oder zwirbelig beschaffen sein, sich klopfend, klingelnd oder klagend anhören, just emotional erstarrt oder stimmungseruptiv daher kommen, wie dem auch immer sei, es entsteht wiederum eine neue, ganz eigene Sphäre voller Stimmung und Klang. Und die verschmilzt dann mit eurem Jetztgradesosein, indem ihr uns zuhört und euch auf diesen sanften Urknall aus Gärung und Gebräu einlasst. Es kommt zu einer Art Energieübertragung, wie sie etwa von Musikern und ihrem Publikum beschrieben wird. Doch wir müssen euch nicht einmal sehen, um zu wissen, dass ihr da seid. Darum machen wir auch Livesendungen. Weil dabei so etwas Geheimnisvolles geschieht…

 

Spuren suchen

> Sendung: Perlentaucher Nachtfahrt vom Freitag, 12. August – Der Hund sucht nach den Spuren des Hasen. Was bleibt, wenn das Buch fertig gelesen ist, das Literaturfestival seine Pforten schließt und die Stimmung leise verwehtwenn die Träumer wieder erwachen? Wie “erfolgreich” muss ein Dichterleben verlaufen, damit ihm ein Denkmal gesetzt wird? Kann der Pfotenabdruck des Sanftmütigen in den Seelen seiner Nachbarn und Mitreisenden abgewogen, erfasst oder vermessen werden? Kann man den Nutzwert von Dichtung in Reichweiten und Verkaufszahlen darstellen – oder den Nutzwert von Radio in Quoten? “Den ganzen Unsinn werd ich nie verstehn, da hilft nur Einatmen und vorwärts gehn”, stellte Gisbert zu Knyphausen da schon einmal fest, sowie: “Das Leben lebt – es ist ein wunderschöner Sommertag.”

WortspurenIm August 2014 waren wir auf Einladung vom Freien Radio B138 als Gastmoderatoren beim 4553² Literaturfestival in Schlierbach und gestalteten dort eine Livesendung, unter anderem mit der Autorin Brita Steinwendtner im Gespräch über ihren Roman “An diesem einen Punkt der Welt”, in dem sie das Künstlerleben des völlig zu Unrecht so früh verstorbenen Festival-Mitbegründers Bernhard Samitz in der Käfergrabenmühle nachzeichnet – und ihn somit posthum als literarische Figur Tom weiterleben lässt. Der im realen Leben besser als “Bez” bekannte Mensch (und Menschenfreund) hat auch in meinem Leben Spuren hinterlassen mit seinem Wesen, vor allem mit der von ihm so meisterlich verdichteten und inszenierten Begegnungswelt in einem schrägen Haus: “…irgendwann einmal zwischen Nachmittag und Abend kommen dort zwei Verliebte vorbei oder ein Dichterling oder sonst irgendjemand, einfach Menschen. Und die genießen das, und denen sagt das was. Und das ist in keiner Statistik festzuhalten, das kann man in keinem Subventionsansuchen rechtfertigen, das kann man in keiner Weise systematisch dingfest machen. Das ist Lebenskultur.” Und auch darüber gibt es eine Radiosendung.

ArtefaktenSchon vor zwei Jahren geriet uns das Spurensuchen zum Spuren suchen auf verschiedenen Zeit- und Wirklichkeitsebenen. So besuchten wir auch das inzwischen verwilderte Anwesen im Käfergraben, das so viele Jahre lang auch Bühnenbild für das Bez’sche Lebenstheater war. Und wir erfuhren von der darin vor sich hin verwesenden Bibliothek, dem Ergebnis seines lebenslangen Büchersammelns. Bald darauf kam mir noch eine Anekdote aus jener Zeit in den Sinn: “Als sich unser damaliger Mitstreiter Marcello Anfang der 90er Jahre wegen einiger unüberbrückbarer Wehrpflichtdifferenzen mit der Republik Österreich aufmachte, seine Kulturbotschaft zeitweilig nach Triest in Italien zu verlegen, da hatte ich das abenteuerliche Vergnügen, ihn am Tag seiner Einberufung bei Nacht und Nebel über die Schweizer Grenze zu chauffieren. Als wir dort schließlich kurz vor dem Morgengrauen von eidgenössischen Zollbeamten angehalten wurden, dürften wir auf diese einen ähnlich, sagen wir mal, improvisierten Eindruck gemacht haben wie einst die überstürzt flüchtenden Palmers-Entführer aus Wien. Und so durchsuchten die wackeren Grenzer denn auch uns, unser Auto, und vor allem unser Gepäck, mit ganz besonderer Sorgfalt.

PhantasienAllein, der Erfolg eines ihrem Verständnis nach “kapitalen Fangs” blieb ihnen gründlich verwehrt. Weder Drogen noch Waffen waren zu entdecken, auch nicht politische Propaganda aus anarchistischem Untergrund – und schon gar kein Bargeld! Stattdessen ergoss sich aus Marcellos diversen Koffern, Taschen und Rucksäcken so ziemlich der gesamte Bestand seiner Bibliothek auf die Tische der darob immer verzweifelter werdenden Fahnder. Dieser Umstand gipfelte, kurz bevor sie uns endgültig, einigermaßen frustriert, zur Weiterfahrt scheuchten, in ihrem erstaunten Ausruf: „Was, nur Bücher?“ Eben. Die erkennbaren Spuren in all den gedruckten Gedanken und erzählten Geschichten sind nämlich die Spuren von Menschen, die uns inspiriert, die unser Leben angereichert und es im besten Fall auch befruchtet haben. “Dort, wo man Bücher verschimmeln lässt, verdrängt man am Ende auch Menschen (welche sie geliebt, gelesen oder eben einfach angesammelt haben)” So mag man Heinrich Heines berühmtes Zitat bösmundig abwandeln. Nichtsdestotrotz versucht sich das heurige 4553³ Oö Literaturfestival zu Schlierbach wieder in einer Gratwanderung zwischen Bedeutsamkunst und Liebhaberei, so liest es sich in den Spuren seines Mitgründers.

 

Wohin wir uns sehnen

> Sendung: Perlentaucher Nachtfahrt vom Freitag, 8. JuliThomas Bernhard hat einmal sinngemäß gesagt, dass er sich weder am Ort der Abreise noch an jenem der Ankunft wirklich wohl fühle, sondern immer nur dazwischen, im Unterwegssein. (Ich glaub, das steht in Wittgensteins Neffe, aber dreht mir da bitte kein Kreuz draus!) Jedenfalls hat diese Beobachtung etwas mit unserem Thema “Sehnsuchtsorte” zu tun, wie wir diese Sendung auch ursprünglich betiteln wollten, was naturgemäß gar nicht geht, weil der Begriff schon in abernen Reisedokus belutscht wurde UND zudem verdächtig nach Rosamunde Pichler schmeckt oder wie die predictable Quatschtante halt heißt. So fest steht immerhin viel, dass “wohin wir uns sehnen” nicht unbedingt ein Ort im räumlichen Sinn sein muss – und dass “es” auch in uns Bewegung bewirkt.

reisenMag sein, dass unsere Reiselust also mehr mit dem zu tun hat, wer oder wie wir gern sein möchten, als nur damit, wo wir uns befinden. Mag auch sein, dass es vielmehr darum geht, wo (oder womit) wir uns in unserem Leben gerade aufhalten. Kann durchaus sein, dass wir mehr sehen, wenn wir dann tatsächlich das Meer sehen. Aber egal, ob es sich um ein äußeres Reiseziel oder um einen inneren Zustand handelt, und wie auch immer die zwei miteinander wechselwirken – es entstehen Bewegung, Entwicklung und Veränderung. Wir sind stets unterwegs zwischen Geburt und Tod, auf Lebensreisen im Werden und Vergehen – und bleiben dabei hoffentlich nie über längere Zeiträume hinweg festgebackene Sparschweinderln des immergleichen Immobilienbüros

chillenViel versprechender als das schon sprichwörtliche “Ziele setzen” oder anders gesagt, die Frage “Wohin wir wollen” (denn wer weiß das schon), scheint mir die Untersuchung “Wie wir begehren” zu sein. Die als Kriegs- und Konfliktreporterin bekannte deutsche Journalistin Carolin Emcke versucht in einem Essay mit diesem Titel mehr über das Entstehen ihrer sexuellen Persönlichkeit zu erfahren, indem sie in ihrer Kindheit und Jugend nach ersten Anzeichen eigenständigen (und von der Norm abweichenden) Begehrens forscht. Auch das eigene Erinnern kann eben eine Reise zu den inneren Sehnsuchtsorten sein, wenn man sie denn unternimmt. In diesem Sinne wünschen wir ringsumher einen gedeihlichen Sommer sowie in jedweder Hinsicht eine gute Reise!

 

Mondfallsüchtig

> Sendung: Perlentaucher Nachtfahrt vom Freitag, 10. Juni – Wie kann man denn vom Werden und Entstehen phantastischer Welten berichten, jenem heimlichen Vorgang, der sich dem absichtsvollen Blick entzieht – und der seinem Wesen nach jeder Beschreibung spottet? – “Das, was wir unter Kultur verstehen, lässt sich in keiner Weise systematisch dingfest machen.” Eben. Und genau das, was sich keiner Definition, Einteilung oder Zweckwidmung zuordnen lässt, nichtsdestotrotz sinnlich erfahrbar zu machen, das ist der ebenso dilettantische wie geniale Versuch, den wir seit Machensgedenken immer wieder aufs neue unternehmen. Denn was nicht explizit auszudrücken ist, davon muss man eben implizit erzählen. Durch Andeuten etwa und durch Umkreisen. Durch Assoziieren und durch Unterbewusstsein. Durch aus…

junifall

“Das, was wir unter Kultur verstehen würden, ist, dass Menschen etwas machen, das vergleichbar wäre mit einem Biotop. Das vergleichbar wäre mit einem kleinen Tümpel, einem Schlammloch, da stehen drei Bäume, da ist ein hohes Gras und irgendwann einmal zwischen Nachmittag und Abend kommen dort zwei Verliebte vorbei oder ein Dichterling oder sonst irgendjemand, einfach Menschen. Und die genießen das, und denen sagt das was. Und das ist in keiner Statistik festzuhalten, das kann man in keinem Subventionsansuchen rechtfertigen, das kann man in keiner Weise systematisch dingfest machen. Das wäre Lebenskultur.” (sprach Norbert K.Hund 1994 “Im Schatten der Mozartkugel”, einem Ö1 Spotlight von Christian und Silvana Schiller) Woher kommen uns eigentlich Worte wie Junifall, Mondobst oder Mondfallsüchtig? Das müssen sie unbedingt in der Übersetzung von Harry Rowohlt lesen – im Original geht da nämlich viel verloren. Lassen wir uns also auch den einen oder anderen Bären aufbinden!

mondobstDer Pepsodent von Ju-Es-Ah
ist ein cooler Loser seiner Macht.
Glänzend, doch schon rostzerfressen
fliegt er durch den Wilden Westen.
Ach, wo ist noch Platz für mich
oder ein Dach für dich?
Hörst du es flüstern im Land?
Old Shatterhand und Nietzsche tot,
im Kaufhof klaut sich Gott sein Brot.
Siehst du die Schrift an der Wand?

Der Turm stürzt ein.
Der Turm stürzt ein.
Halleluja, der Turm stürzt ein.

(Songtext von Rio Reiser) Ton Steine Scherben – Der Turm stürzt ein (Video)

Das Unsagbare ist also durchaus zu sagen (wenn man es mit zwei N schreibt wie “Kunnst dir vorstellen?”). Dass die Außenwelt in ihrer Gestaltung da oft so ganz und gar nicht mithalten kann, das liegt nicht an unserer fehlenden Vorstellungskraft, sondern an der furchtbaren Viereckigkeit ihrer Betreiber. Entschlüpfen wir deren Nutztumszucht – in unseren feuchtfröhlich farbenfrohen Phantasien. Und Amen!

 

Die dunkle Seite der Nacht

> Sendung: Perlentaucher Nachtfahrt vom Freitag, 11. März – Eine Expedition in die Psyche der PandoraWas findet sich ganz unten im Speibkübel der Ängste und Ärgernisse? In einer von alters her aufs Trennen und Unterscheiden von Gut und Böse, Oben und Unten, Licht und Schatten sowie auf die nachhaltige Ausgrenzung sogenannter negativer (sprich unerwünschter) Gefühle geprägten Gesellschaft kann die friedvolle Ganzheit seiner selbst oft nur im genauen Gegenteil dessen gelingen. Also im Annehmen und Miteinbeziehen all jener Gefühlsregungen, für welche sich die etablierteren Cousinen bereits bei deren Entstehung präventiv entschuldigen. Wir Schattseitenkinder wissen immer schon mehr vom gewaltfreien Zusammensein unserer ambivalenten Seelenzustände, mehr als die Gesellschaftsbetreiber”

AvivI’m afraid of what I do not know
I hate being undermined
I’m afraid I can be devil man
And I’m scared to be divine
Don’t mess with me, my fuse is short
Beneath this skin these fragments caught

When I allow it to be
There’s no control over me
I have my fears
But they do not have me

aus Peter Gabriel – Darkness

Dieses Lied von einem wahren Meister der abgrundtiefinneren Selbsterforschung soll hier zur programmatischen Verdeutlichung unserer Ausgangsgedanken dienen: Alle (warum auch immer) unterdrückten, verdrängten und verleugneten Gefühlsinhalte kommen durch entsprechende Auslösereize wiederum an die Oberfläche – und zwar unkontrollierbar. Es kann weder für einzelne Menschen noch für die Gemeinschaft gesund sein, innerlich auf einem anschwellenden Haufen unbewusster Emotionen herum zu hocken! Doch solang die Gehorsamkeit herrscht und alle von der jeweiligen Staatswirtschaftsreligion verteufelten Gefühlsregungen wie etwa Unmut, Überdruss, Verzweiflung brav hinuntergeschluckt werden, sollten wir uns über deren Ausbrüche nicht allzusehr wundern: Angst vor dem Eigenen macht aggresiv gegen das Fremde.

ChrissWalking through the undergrowth
To the house in the woods
The deeper I go, the darker it gets
I peer through the window
Knock at the door
And the monster I was so afraid of
Lies curled up on the floor
Is curled up on the floor just like a baby boy
I cry until I laugh

Ich erinnere mich gut an jene Jugendkultur, die Ende der 80er schwarzgekleidet, weiß geschminkt und mit kopfstehenden Kruzifixen behängt vorzugsweise die Plätze rund um die Salzburger Stadtkirchen bevölkerte. Eine sanfte Schar meist introvertierter Jugendlicher, die aber durchaus auch nachts auf Friedhöfen zu feiern verstand – und sich dabei schon mal eine Bloody Mary aus Wodka und Eigenblut kredenzte. Sie alle wurden umgehend aus dem öffentlichen Raum der Altstadt vertrieben, angeblich weil sie durch ihr bloßes Dasein (und Sosein!) die Geschäfte der Macher störten und die Kirchen der Fürsten entheiligten. Es hat sich doch in Jahrhunderten nichts verändert an den Besitzverhältnissen der Amtswirklichkeit. Dabei ahnten gerade diese Kinder der Nacht so einiges von den Heilkräften im Finsteren, Schwarzen, Verborgenen

Yü Gung (Alter Trottel) oder “Fütter mein Ego”

 

Exklusiv Inklusiv

> Sendung: Perlentaucher Nachtfahrt vom Freitag, 12. Februar – Es gibt nur zwei Arten von Menschen – Angenehme und Arschlöcher – soviel sei schon mal klar. Diesem Befund nach gibt es auch nur zwei Arten von Darbietungen jedweder Art: Eine einladende – und eine ausschließende. Und somit zwei Grundrichtungen in einer Gesellschaft: Exklusion oder Inklusion. Ersteres ein Untersichbleiben elitärer Kreise auf Kosten aller, die nicht mitmachen können – weil sie aufgrund der Regeln der selbsternannten Eliten nicht dabei sein dürfen. Und zweiteres ein Miteinbeziehen möglichst vieler Einzelgänger und Randgruppen, die mitmachen wollen – weil sie aufgrund ihres Menschseins, mitsamt ihren speziellen Bedürfnissen und ebenso speziellen Fähigkeiten, ebenbürtige Mitgestalter unseres Gemeinwesens sind.

whyWenn man also genau hinspürt (was schon wieder eine recht spezielle Fähigkeit aufgrund von speziellen Bedürfnissen ist), so erschließt sich einem in jeder künstlerischen Arbeit, in jeder Darbietung, Veranstaltung oder Zusammenkunft die eigentliche Absicht, der wahre Beweggrund hinter dem jeweils Stattfindenden. Entweder geht es ums Ausschließen: “Ätsch, bätsch, da darfst du nicht hinein!”, oder Nur, wenn du den festgesetzten Preis bezahlen kannst.”, auf jeden Fall darum, sich klein und ohnmächtig zu fühlen: “Schau, was wir können. Das schaffst du nie!” Oder es geht ums Einladen zu einem selbstbestimmten Mitwirken: “Verdammt, aus denen ihrem Bild, Gedicht, Lied könnt ich was ganz Eigenes machen!” Könntest? Kunnst! Das ist es, was wir meinen. Und was uns anspricht, uns gefällt, uns zusagt. Das können wir alle gemeinsam singen und spielen – oder auch jede(r) für sichüder oberhaupt nicht. Wie es euch und uns halt gefällt! Diesen feinen Unterschieden von Kunnst um des Mit-Einladens willen, des Sich-Verschenkens aus Menschenfreude – und der gängigen Geizhals-, Geldpuff- und Türzuhälterkunst wollen wir nachspüren:

InklusionInklusion ist ein Dialog auf Augenhöhe
in einer gleichberechtigten Gesellschaft.
Menschen mit besonderen Bedürfnissen
bringen ihre besonderen Fähigkeiten ein,

indem sie als ebenbürtige Mitgestalter
unserer gemeinsamen Welt ernst genommen,
und nicht in ihren abgeschlossenen Zonen
bis zur Unkenntlichkeit betreut werden.

Freundlich bevormundet und entmachtet,
wird ihnen von oben herab vorgeschrieben,
was für sie gut zu sein hat – und was nicht,
während Städte veröden und Länder verrohen.

Dabei wollen sich viele Menschen gern engagieren,
für eine Welt, die nicht ausbeutet, schändet, verkauft,
wenn man sie nur anhören würde und verstehen und
mit ihnen zusammen ihre Vorstellungen realisieren.

Die Geschichte, die jetzt kommt, wird sich
mit all euren Namen den Arsch auswischen,
mit all euren auf unsere Kosten gemachten
Firmennamen, Produktnamen, Vorteilsnahmen,
denn es ist die Geschichte vom Überleben
entweder aller oder niemandes mehr.
Die noch zu erzählende Geschichte
davon, dass das Ende eurer Macht
nicht das Ende der Welt ist,
sondern ihr Überleben.

 

Café Unstet

> Sendung: Perlentaucher Nachtfahrt vom Freitag, 11. DezemberCafé Unstet 1 (Musikjournalismus) und Café Unstet 2 (Todesfuge, Texte). Vier andächtige Stunden rund um Musik mit Migrationshintergrund und vorweihnachtliche Völkerwanderung – ohne Engel, ohne Esel – und nicht auf den Nahen Osten beschränkt. Auf Heimatsuche unterwegs durch die Assoziationen der Adventszeit, gemeinsam mit angehenden Absolvent_innen des Radiofabrik-Lehrgangs für Musikjournalismus sowie allerlei Bild-, Text- und Tonbeiträgen von freundlichen Fluchthelfern, Künstlern und Pfarrersköchinnen. Wir fühlen uns ein, ins eigene wie ins fremde Unbehaustsein, und laden zur Einkehr ins Café Unstet, unserer winterlichen Wärmestube für alle, die sich noch nötig haben im globalen Plemplem des Kaufrumpels. Umgeben wir uns doch einmal mit Musik und Gedanken, die alltogether einen weiten Weg hinter sich haben…

alleingemeinsamallein – die erste Stunde greift das Thema des Musikjournalismus-Moduls Musik mit Migrationshintergrund auf und nimmt einzeln nachhaus Flüchtende mit auf die Überfahrt durch die Untiefen der “Stereotypen, Missverständnisse und Worldmusic”. Es mag an der Weltpolitik liegen oder am Besinnlichkeitsterror der ringsum in Glühweingeldflut versinkenden Vorweihnachtsgesellschaft – auf jeden Fall bringt das Thema “Musik aus aller Welt” heuer kaum feuchtfröhliche Reisegefühle mit sich, stattdessen Abgründiges aus dem Unterwegs in Ungewissheit und Angst. Doch wie sollten wir nicht auch noch aus dieser Not eine Jugend machen, indem wir das vielfältige Angebot weltweiter musikalischer Interaktion zum Vehikel erklären? Um nämlich darzustellen, was “einmal um die ganze Welt” in Krisen wie diesen eigentlich bedeutet, nämlich viel mehr Flucht zu Fuß als christliche Seefahrt. Die Ausflugsreisen sind wegen der vielen Ertrinkenden bis auf weiteres eingestellt. Gehen sie nach Hause, nehmen sie brav ihre Drogen – und warten sie auf die Anweisungen der Regierung

hungerder hunger im herz – in der Zwischenzeit stellen wir einige Projekte vor, die sich auf nachfühlbare Weise mit den Themen Alleinsein, Hunger, Krieg – aber auch Zärtlichkeit und Trost beschäftigen. So zum Beispiel die Street-Art-Figur BAMBSY, der uns auch die Illustrationen für diesen Artikel freundlich zur Verfügung gestellt hat. Sie gehören allesamt zum Zyklus “Broken Angelz”, zu sehen via Facebook-Page des Künstlers. Er freut sich sicher über eure Besuche und Likes! Außerdem kann man ihm mit dem Kauf des schon legendären Hero-Bag beim Helfen helfen – sein Schöpfer lebt derzeit in  Mostar (Bosnien-Herzegowina) und unterstützt dort das Waisenhaus. Und er ist auch Teil des jährlichen Street-Art-Festivals (Video), einer höchst ansehnlichen Obdeulung. Wie lassen sich nun Bürgerkriegsflüchtlinge und elternlose Straßenkids musikalisch “illustrieren”? Bap-Sänger Wolfgang Niedecken wäre mal ein Anfang, engagiert er sich doch seit Jahren für die Betreuung ehemaliger Kindersoldaten. Oder Teresa “Ghost” Reiters Balkanplatte von 2012 – echt Alternative aus dem Kosovo? Wir nähern uns der Gegend – und spielen Reuf Sipović mit einem Ausschnitt aus Survival/Sevdah (Video).

kriegder krieg im bauch – naturgemäß nähert sich diese Stunde dem inneren Befinden angesichts des möglichen eigenen Untergangs. Und wir arbeiten mit Texten und Übersetzungen – aus dem Arabischen, aus dem Hebräischen, aus dem Persischen. Denn sei es die gedankliche Zerrissenheit eines Migranten aus dem Maghreb angesichts seiner unmöglichen Arbeitssuche, seien es Perspektivlosigkeit und Depression eines jungen israelischen Friedensaktivisten angesichts des in seinem Land herrschenden Kriegszustands, sei es die permanent lauernde Lebensgefahr jenes iranischen Sängers, der für ein kritisches Lied eine Todesfatwa erhielt, angesichts all der religiösen Fanatiker, die seitdem weltweit hinter ihm her sind – diese doch sehr unterschiedlichen Schicksale bewirken einander verwandte Empfindungen und erinnern uns auch an ein bekannt dunkles Kapitel aus der eigenen Heimatgeschichte. Wir möchten dazu eine geniale Neu-Interpretation des KZ-Überlebensklassikers “Todesfuge” von Paul Celan empfehlen, und zwar die Version aus Das lyrische Wir” von Maik und Pirmin Styrnol, den zwei ONchAIR Bros.

trostzweisammen dann – so geht unsere post-orientalische Herbergsuche quer durch alle Weltgegenden wieder zu Ende. Gewähren wir einander Unterschlupf an den Ufern unserer einstweilenen Zwischenweltinseln – und wenns nur für heut Nacht ist. Begleitet von Boker Tov Iran sowie No No Keshagesh winken wir euch zum Abschied noch einmal nach und wünschen viel Glück beim Selbstsein auf den Wortwogen des Weltblabla! Doch Augenblick mal – was sind das für verwegene Verrückte, die da am Lampedusa-Lagerfeuer noch lang nach der EU-amtlichen Sperrstund Musik machen und Herz und Hirn für die Freiheit der Verfolgten hinhalten? Der Cantautore Giacomo Sferlazzo (hier im Portrait von BQ-Media) mit Wolfgang Maria Gran, dem rasenden Reporter des versammelten Menschheitsblues, und sie reißen gemeinsam eine Session an, dass es nur so scheppert. Mit dieser Phantasie – und dem Ausblick auf Das Ganze Album – Artarium am Sonntag – verbleiben wir auch heuer herzlichst:

EUER GEILES INSTITUT

 

Wohlfühlfriedhof

> Sendung: Perlentaucher Nachtfahrt vom Freitag, 13. NovemberDer Tod ist kein Beinbruch oder Schöner Sterben in Salzburg. Zwischen kuscheln und gruseln am Friedhof der Phantasien und Wünsche. Unterhalten wir uns einmal mit den Toten und erleben wir die Auferstehung der verdrängten Geschichte(n). Zelebrieren wir die Poesie der scheppernden Weinheizung in einer nebelschwangeren Novembernacht. Entreißen wir dem Memento mori unserer nazikatholischen Abendlandsheimat etwas lebendige Lyrik – von gegen den Strom des Vergehens andichtenden, sinnsuchenden Selbstmenschen. Lassen wir uns hineingleiten in dieses seltsame Schattenreich aus Erinnern und Loslassen, diese eigenartige Übergangswelt zwischen Sommerlust und Winterschlaf, diesen doch illegalen Grenzwechsel von Tod, Leben und – was?

georg kreislerVor allem sei eines,
sei unzufrieden jederzeit,
denn Gleichmut ist schädlich,
Bescheidenheit macht dick.

Sei zornig, sei giftig,
vertraue nie der Obrigkeit,
sonst bist du verraten,
sonst bricht man dirs Genick!

Georg Kreisler Das Finale

Hier auf dem Aigner Friedhof befindet sich nun die Grabstätte dieses großen Unbequemen, gleich neben der von Rafi Chaimowicz übrigens, was wir ja bereits in unserem Artarium mit dem Titel Schuldig! (über Feindbilder, Judenhass und den Kapitalismus als Religion) beleuchtet haben. Doch auch in dieser Sendung wollen wir Geniales vom Grantgroßvater des Widerborstigen zu Gehör bringen, etwa das oben zitierte vielstimmige Protestlied aus dem Programm “Hurra, wir sterben!”

Wer sich nicht gefallen lässt, dass man ihn schikaniert,
muss es unterstützen, dass die Jugend rebelliert,
ihr seid mit verantwortlich, drum legt euch nicht aufs Ohr,
helft uns mit der neuen Welt, machts besser als zuvor!

gruseligDoch was ist das? Nur einen Steinwurf vom Grab Georg Kreislers entfernt erheben sich sonderbare Silhouetten gegen das Braun dieses herbstlichen Nachtlichthimmels. Riesenhaft wirkende Statuen und Stelen thronen am höchsten Punkt des Friedhofs und verströmen von dort eine unbestimmte, irgendwie unheimliche Atmosphäre

Draußt is koid und drunt is woam,
nua monchmoi a bissl feicht,
und wonn ma so drunt liegt, gfreid ma si,
wonns Groblaterndal leicht…

gruseligerTatsächlich, es ist das wuchtige Grabmal des NS-Lehrers und Organisators der Salzburger Bücherverbrennung Karl Springenschmid, nebstbei noch Autor des Lamprechtshausner Weihespiels, einer textlich üblen, dafür umso schwülstigeren Lobpreisung des Opfertods für Führer und Vaterland, die er aus Anlass der dortigen Schießereien während des NS-Juliputsches 1934 verbrach. Ekelweh!

Auf amoi is di Musi stü,
und olle Augn glänzn
wei duat drübn steht da Knochnmonn
und winkt mit seina Sensn

Recherchen zu den damaligen Ereignissen fördern die Geschichte des von den Nazis noch kurz vor Kriegsende ermordeten Bundesheer-Hauptmanns Franz Rosenkranz zu Tage – sowie die skandalös unbehelligten Nachkriegskarrieren seiner Ankläger und Denunzianten (allesamt üble Hetzer und Schergen), in einem Fall sogar auf Intervention des damaligen Erzbischofs Rohracher. Siehe auch: Stolperstein Franz Rosenkranz Über den dort erwähnten Dr. Stefan Balthasar heißt es andernorts: “…(1938) wurde er leitender Staatsanwalt und verfolgte nun die Repräsentanten der Vaterländischen Front ebenso vehement wie er vorher illegale Nationalsozialisten verfolgt hatte, als er selbst noch Mitglied der Vaterländischen Front gewesen war.” (Hubert Stock, Böhlau 2010)

nazikatholisch

Hier passt Thomas Bernhards Wendung vom “architektonisch-erzbischöflich-stumpfsinnig-nationalsozialistisch-katholischen Todesboden wieder einmal wie die Faust aufs Auge. Und auch: “Die Stadt ist für den, der sie und ihre Bewohner kennt, ein auf der Oberfläche schöner, aber unter dieser Oberfläche tatsächlich fürchterlicher Friedhof der Phantasien und Wünsche.”

Doch einmal abgesehen von diesen einigermaßen gespenstischen “Zufällen” und Zusammenhängen werden wir uns naturgemäß in der allgemeinen Ambivalenz der Friedhofgefühle ergehen. Denn, so tröstlich es einerseits sein mag, dass die ganzen Arschlöcher tot sind und einem folglich nichts mehr anhaben können, so schmerzlich ist es andererseits, dass die hier an- und verwesenden (man verzeihe mir das sich aufdrängende Wortspiel) Weggefährten bestimmt kein Bier mehr mit einem trinken. Oder ähnliches. So beschweben wir jedenfalls ungeurteilt das Zwiespältige eines Verweilens im Unaufgelösten und assoziieren unser Eigenes drum herum

“Is there a heaven? I’d like to think so!”

Roxy MusicIn every dream home a heartache