Glaubens- und Religionsreparatur

> Sendung: Perlentaucher Nachtfahrt vom Freitag, 9. Dezember (Erster Teil) >> Perlentaucher Nachtfahrt vom Freitag, 9. Dezember (Zweiter Teil) >> Abraham Abendland ist abgebranntund isst ein Apfelkompott. Wie es in der Adventszeit bei uns inzwischen üblich ist, reisen wir auch diesmal wieder kreuz & quer durch die etwas anderen Traditionen unseres Menschseins. Was ist Glauben? Und was ist Religion? Zwischen eigener Erfahrung und gesellschaftlichem System entfalten sich soziale, psychologische und spirituelle Möglichkeitsformen. Besonders dann, wenn unsere bisher für zuverlässig und wasserdicht gehaltenen Glaubensformen erodieren und sich im Wechselbad unserer Endlichkeit aufzulösen beginnen. Was passiert, wenn wir keine Macht und keine Kontrolle mehr über unser Leben haben? Wenn wir “unsere Religion verlieren” – dann brauchen wir die Religionsreparatur.

AbrahamUm diesen organischen Prozess der Umgestaltung zu veranschaulichen, haben wir eine Fülle an Gedanken- und Stimmungsbildern hergestellt und Geschichten aus Judentum, Zen-Buddhismus, Christentum, Atheismus, Philosophie und auch  Soziologie zu einem assoziativen Ideenfeuerwerk verknüpft. Damit bereiten wir den Rahmen für jene Bilder (und wahren Abenteuer, die in euren Köpfen sind) – und sind sie nicht in euren Köpfen, dann suchet sie! Wir wünschen in jedem Fall eine gedeihliche Bildwerdung. “Die Wirklichkeit, die Wirklichkeit trägt wirklich ein Forellenkleid und dreht sich stumm, und dreht sich stumm, nach anderen Wirklichkeiten um.” Soweit, so weit. Wir stehen nicht auf der Seite eines festgefügten, hermetisch in sich abgeschlossenen Funktionssystems, das behauptet, durch Auslösung einer vorher festgelegten Abfolge von Kommandozeilen einen vorherbestimmten Erfolg zu erzeugen. Das funktioniert wohl im Computer – im menschlichen Denken und Fühlen und Leben allerdings nicht.

Glaubens- und Religionsreparatur - AbendlandUns ist es ein Bedürfnis, Sendungen zu machen für Menschen, die mit Gefühlseindrücken und Assoziationen “denken”, also die Wirklichkeit viel näher am überraschend wechselvollen und vergänglichen Leben wahrnehmen können – so wie wir. Menschen, die nicht im Entwederoder verhaftet sind, sondern das Sowohlalsauch als eine Grunderscheinungsform allen Lebens in ihr Begreifen und Verstehen mit einbeziehen. Ewiges Leben ist vergängliches Leben. Aber eben auch: Vergängliches Leben ist zugleich ewiges Leben. Digitales ohne Analogie kann schon seiner Natur nach nicht intelligent sein – es tut bestenfalls so als ob. Und alles, das so tut, als ob es etwas wäre, das es gar nicht ist, zersetzt das Lebendige durch Lüge und Betrug. Egal ob Wirtschaftswachstum oder Sebastian Kurz. Stellt sich noch die Frage, warum so viele Menschenleute auf dieser Welt lieber an billigen Tinnef glauben, anstatt mit sich selbst auf die Suche zu gehen nach Antworten auf die Frage, die sie dem Leben sind. Nochmals (siehe oben): Die Fragen, die das Leben uns stellt, sind zugleich auch die Fragen, die wir dem Leben stellen. Fragt sich nur, ob wir uns angesprochen fühlen. Und wenn ja, was dann

Glaubens- und Religionsreparatur - AbgebranntFür mich gibt es einen Zusammenhang, eine Denkähnlichkeit, eine Analogie zwischen dem Dialogischen Prinzip nach Martin Buber und der Resonanztheorie von Hartmut Rosa. Ich meine, wenn man diese beiden Konzepte auf sich wirken lässt, so entsteht eine weitere, sehr stimmige Wahrnehmung vom “angesprochen sein” und “einen Dialog führen können”, wie immer das dann konkret aussehen mag. Aber der Anfang, und der ist ja oft am schwierigsten, ist gemacht. Er ist nämlich immer schon da, so wie das Leben immer schon lebt. Und jetzt Zwiesprache – mit sich selbst, mit einander, mit allem, was ist. Dabei finde ich die Geschichte von jenem Jesus vielversprechend, der allen Menschen als ein menschgestaltiger Resonanzpartner zur Verfügung stehen könnte und der zudem alle Menschen zu dieser inneren Verbindung mit sich selbst und über sich hinaus bewegen würde. Wenn er nicht von Anfang an durch Machtinteressen und ihre Interpretationen derart verzerrt worden wäre, dass heute kaum noch jemand “mit ihm spielen” mag. Doch genau darum ginge es – ums unmittelbar miteinander sein. Und nicht um hohle Herrschaftsprojektion, die niemanden berührt – also nicht lebt.

ApfelkompottHören wir heute die Adventandacht von Slavoj Žižek über Scorseses “Die letzte Versuchung Christi”. Das Christentum als Königsweg zum Atheismus? Auf jeden Fall schrieb der Autor der Buchvorlage, Nikos Katzanzakis, eine um viele kirchenbedingt entstellte Details bereinigte Lebensgeschichte des Jesus von Nazareth (in diesem Artarium zu erfahren). Doch egal wessen Adventes Kranz man sein möchte – wer das ist und was man mit ihm zu tun haben will – das sollte man schon selbst entscheiden und nicht einfach reflexhaft eine Meinung rülpsen. Beim Wiener Wolfgang Teuschl hieß es noch “Da Jesus und seine Hawara” und blieb auf bloß sprachliche Übertragung beschränkt. Bei mir heißt es zur Zeit “Da Jesus und die Buam” – und was soll ich sagen – die sind alle draußen und spielen Fußball. Seien wir doch nicht so langweilig, dass wir bei irgendeiner vorgekauten Interpretation von wasauchimmer stehen bleiben! Jede unserer Welten ist viel zu schade dafür …

Da draußen ist es eh noch viereckig genug.

 

One another

> Sendung: Perlentaucher Nachtfahrt vom Freitag, 11. März – Zwischen “Love one another” und “Die Hölle, das sind die anderen” begeben wir uns auf die Suche nach dem ganz anderen. One? Another? Oder an other? “There is no big other”, meinte Jaques Lacan. “Is there überhaupt any other?”, fragen wir uns – und einander – und wenn ja, wo nicht? Das Eigene im Anderen entdecken (und das Andere im Eigenen) ist ja schon mal ein Beitrag zur Völkerverständigung (wie man früher zu sagen pflegte) und eine Friedensstiftung im Hier und Jetzt. Jetzt, wo der real existierende Irrsinn von Krieg und Zerstörung alles Schöne und Zarte umpflügt zu einer Trümmerwelt des Todes und der Angst, muss man erst recht mit der Macht der Poesie antworten. Und genau das tun wir hier in unserer Begegnungswelt des Einander – gemeinsam.

oneAtemlos hechelt das Abendland: “Die ich rief, die Geister, werd ich nun nicht los” und versinkt in seiner eigenen Behauptung. Das Unendliche ist was ganz anderes als die Quersumme zweckdienlicher Definitionen. Das Unendliche ist spürbar im Erleben von Liedern und Gedichten: “Das Luftholen  im richtigen Moment ist unwiederholbar und verdichtet einen Augenblick zur Ewigkeit” wie Konstantin Wecker bereits bemerkt. – So steht es geschrieben im Evangelium des Propheten Hund, im Kapitel “Unendliche Gedichte …” vom 3. Februar 2020.  Es ist jene poetische Kraft, die vom Beginn der menschlichen Entwicklung an immer wieder von irgendwo hervor leuchtet, und die von den jeweiligen Arschetypen (den Herrschfiguren) der “Weltgeschichte” ebenso immer wieder unterdrückt wird. Warum wohl? Weil der glückliche Moment des Musenkusses der Macht unverfügbar bleibt?

anotherWie lassen sich Erscheinungen wie Vorstellungskraft oder Erinnerung  wissenschaftlich erfassen? Oder hat nur die Poesie selbst diese Macht? Und das Recht und die Pflicht (ich kann nicht anders), sich selbst über sich selbst auszusagen? Dann sind hier also Mächte zugegen, die noch unberechenbarer sind als etwa ein wildgewordenes Atomkraftwerk. Und im Unterschied dazu nicht so zerstörerisch, wenn auch gewaltig. “Alle Macht der Poesie!” bezieht sich eben nicht auf die Dichtung, sondern auf ihre mangelnde Umsetzung in den Gestaltungen der Welt. “Die Waffen nieder!” war nie als “einfach nur irgendein Buchtitel” gemeint, sondern als ernst zu nehmender und gefälligst auch umzusetzender Beitrag zu unser aller Lebenswirklichkeit. Wieso ist Bertha von Suttner aber heute eine verblassende Erinnerung auf der 2-Euro-Münze und nicht allgemein anerkannt als die “Mutter des Friedens” auf der ganzen Welt?

an otherWirtschaft ist die Fortsetzung des Krieges mit anderen Mitteln – und umgekehrt. Und dafür, dass es “da draußen” so ist, wie es ist, sind die jeweiligen Urheber dieses Zustands verantwortlich. Keine Realität ohne ihre Realitäter. Warum werden die Verursacher des Unmenschlichen nicht zur Verantwortung gezogen – die sie ja angeblich haben – für die ganze Welt – und “über” uns? Und es ist mir persönlich scheißegal, ob die Zugrunderichtung meiner Lebensperspektiven im Namen der Wall Street oder des KGB oder des brunzdepperten Möchtegern von Irgendwo veranstaltet wird. Ob im Namen des Sowiesogottes, des Sowiesoismus oder der Sowiesoideologie, es ist doch immer dasselbe – und deswegen langweilig. Todlangweilig. Die Banalität des Blöden. Lassen wir one another Poesie walten – und geben wir so dem Leben seine Möglichkeit, immer wieder neu zu seinunglaublich, unverhofft, unverfügbar

“Wenn ich einen Krieg siach, kunnt ich speiben.” Lukas Resetarits

 

Konform Konsum Kulturkollaps

> Sendung: Perlentaucher Nachtfahrt vom Freitag, 10. SeptemberEs sind finstere Zeiten, in denen wir leben. Fragen die gestellt, Geschichten, die erzählt, und Erkenntnisse, die gewonnen werden, bleiben allesamt ohne Auswirkung auf den Lauf der Welt. Geschichte wird von irgendwelchen Siegern gemacht, die sich nicht mehr hinterfragen lassen, inwieweit ihre Machtausübung dem Gemeinwohl schadet oder nützt. Die Banalität des Bösen grinst uns schadenfroh ins Gesicht und jeder Versuch zu verstehen zerschellt an einer Wand aus sprachloser Bürokratie. Dahinter treiben die Sachzwänger und Zweckwidmer ihr grausames Spiel. Der totale Krieg gegen das Menschliche endet zwangsläufig im Untergang des Lebens an sich. Der Kulturkollaps, den wir da erfahren, der ist genauso weltumspannend wie die Zerstörung der Natur.

KonformDas trübt die Stimmung, Freunde und *innen – und verfinstert das Gemüt. Wollen wir denn nicht alle immer nur fröhlich, vergnügt, “gut drauf” – und vor allem von allem Unbill der Welt “in Ruhe gelassen” sein? Schön wärs! Die Diktatur der guten Laune ist immer und überall. Und der quietschbunt penetrante Konsumterror. Public Relations auf allen nur erdenklichen Kanälen – als “Propaganda” kennt man das diesbezügliche Grundlagenwerk von Edward Bernays, die darin erklärten Techniken wurden nur umbenannt, weil sich ein gewisser Joseph Goebbels so schamlos beim Neffen von Sigmund Freud bedient hatte. Wär ja sonst peinlich. Pfuigack, Zipferl sagt man nicht! Millionen Menschen verhungern lassen – das ist was ganz anderes. Lebt der Jean Ziegler eigentlich noch? Wir leben jedenfalls in einer geschlossenen Anstalt für Realitätsflüchtlinge, allerdings regiert und verwaltet von den eigentlichen Soziopathen. Während sie das Haus anzünden, singen wir ein fröhliches Lied. Juhu!

KonsumKonkret verstimmt sind wir auch über den allzu schnellen Tod von Elke Mader, die uns und unsere Projekte stets freundschaftlich begleitet hat. Scheißtod! Trauer mischt sich da mit Wut. Unser Blick in den Abgrund wird zunehmend deutlicher. Ob es der Abgrund ist, der zuletzt zurück blickt? Wir werden sehen… Und wir sind doch bedürftig nach einem Wort des Trostes. Was würde Leonard Cohen jetzt sagen?

You can add up the parts
But you won’t have the sum
You can strike up the march
There is no drum
Every heart, every heart
To love will come
But like a refugee

KulturkollapsIst es also längst nicht mehr kurz vor Zwölf auf der Doomsday-Clock des Atomzeitalters? Ist es vielleicht viertel nach Sieben – und zwar am nächsten Morgen? Sind wir jetzt alle tot? Haben wir es nicht mitgekriegt? Konsumismus, Kulturkollaps und Klimawandel – sind wir schon über den “Point of No Return” hinaus? Die Gegenwart stinkt gewaltig nach No Future. Die derzeitige Situation bietet kaum noch Perspektiven für eine friedliche und gerechte Welt. Eher für einen lang anhaltenden Abgang. Aberwas wäre gerade jetzt so richtig prophetisch? Was würde eine nächste Generation der verwirrten Menschheit zurufen – wenn die Möglichkeit einer Antwort besteht? “Hört endlich auf, euren Gewinn als höchsten Wert für alle anzusehen! Hört endlich auf, die ganze Welt zu eurem Glauben zwangsbekehren zu wollen! Hört endlich damit auf, im Recht zu sein, indem ihr alles Abweichende zerstört! Sonst gehen wir ALLE unter!

Die Lage ist hoffnungslos, aber nicht ernst

 

1001 Nachtfahrt

> Sendung: Perlentaucher Nachtfahrt vom Freitag, 11. Dezember (in 3 Teilen): Erster Teil (Einstimmung), Zweiter Teil (“Deutsche Krieger”), Dritter Teil (Schluss).

Kriegsweihnacht, Coronaweihnacht, Weltuntergangsweihnacht – oder wie es einst Roger Waters auf den springenden Punkt brachte: “Each small Candle lights a Corner of the Dark.” Norbert K.Hund & Christopher Schmall feiern 10 Jahre gemeinsames Sendungsmachen in Gestalt einer Collage aus Text, Musik und Assoziationen. Wie etwa jener zu 1001 (in Worten tausendundeiner) Nacht. Geschichten, die angesichts der täglichen Todesdrohung immer wieder aufs Neue weiter gesponnen werden – bis ins unendlich Schöpferische. “Mein Reich ist nicht von dieser Welt.” Denn nichts von all dem, aus dem unsere gewohnten Ordnungen bestehen, wird unser Weiterleben sichern. Das kann nur das bislang Unverwirklichteetwas aus unserer Phantasie.

1001 Nachtfahrt KriseEtwas, das nicht nach Macht über andere Menschen strebt. Macht in Form von Herrschaft über die Welt. Herrschaft IST Gewalt und deshalb ist Gewaltherrschaft sowieso schon ein Pleonasmus. Wir phantasieren Regie statt Regierung und wollen auch Gewinn anders als allgemein üblich begreifen. Ein Kind ist uns geboren – und das sind wir selbst! Gibt es überhaupt ein Christentum – oder ist “jesusinspiriert” der viel treffendere Ausdruck? Wir sind hochschwanger auf Herbergsuche und werden mit dem Gewaltsprech der Gastronomen ins ewige Abseits vertrieben. Kann man ohne Beseitigung des weltweit herrschenden Unrechts Gewalt aus der Sprache heraus reformieren – und was für einen Sinn hätte das eigentlich? Das klingelnde Plemplem des missionarischen Marketings – wer hats erfunden? Edward Bernays oder Paulus oder doch viel früher die hohepriesterliche PR-Abteilung von König Großprotz dem Grausligen? Es ist alles so dermaßen OASCH ringsumher auf dem Globus, dass man oberhaupt nicht so viel fressen kann wie man scheißen möchte. Lokuspokus, Bäh!

1001 Nachtfahrt KriegerDa kommt uns nichts gelegener als die legendäre Trilogie “Deutsche Krieger” von Andreas Ammer und FM Einheit, die wir ab ca. 23:20 Uhr vollständig zu Gehör bringen, quasi als Collage innerhalb der Collage. Die 1001 Originalaufnahmen und Geräusche, die hier nebst eigenen Musikstücken zu einem ungeheuer vielschichtigen Hörerlebnistheater verdichtet, verknüpft und verwoben sind (das übrigens auch livehaftig aufgeführt wird), erzeugen in ihrer Gesamtkomposition eine beachtliche zeit- und mediengeschichtliche Erfahrung, deren eigentliche Aussagen (wie zumeist in der Tonkunst) zwischen den Zeilen und hinter den Klängen stecken, von wo aus sie sich zusammen mit dem tatsächlich Wahrgenommenen in den Köpfen des Publikums zu sich selbst als etwas Lebendigem zusammenfinden. Wer sich für die Gründe und Hintergründe dieser Produktion interessiert, möge sich hier im Hotel Discipline näher einlesen (ein ganz hervorragender Artikel). Darüber hinaus passt das experimentelle Gewaltwerk auch ausgezeichnet in den Kontext unserer eigenen Collagen-Arbeiten.

1001 Nachtfahrt KreativWomit können wir dann im dritten Akt unserer Advents-Andacht den erwünschten heiter-besinnlichen Ausklang erzeugen? Vielleicht mit einer dritten Steigerungsstufe der Dichtheit, der Collage aus Texten, Musik und weiteren Collagen, die alle zusammen zur Feierstunde gemeinsamer Kreativität werden. Das zwischen den Zeilen, neben den Klängen, unter den Collagen und vor allem hinter den Kulissen immer schon Daseiende, Lebendige, Schöpferische, das allüberraschende kreative Vakuum, das alles noch zu Gestaltende in uns herbeilockt und dem Erschaffen die Fanfare läutet, dass einem ganz anders wird und schwindlig und warm ums Herz. Das eine Fünkchen Hoffnung, aus dem jederzeit ein Traumtanz der Leidenschaft entstehen kann, der noch das allerverfaulteste Gehtnimmermehr in einem einzigen Augenblick lebender Gegenwart verwandelnd verzehrt. Ach, Sprach! Ach, Hasen! Sie sind frisch, sie sind zappelig – und …

sie mögen sich.

 

Allerleih Raunacht

> Sendung: Perlentaucher Nachtfahrt am Freitag, 13. Dezember (Teil 1) sowie Perlentaucher Nachtfahrt am Freitag, 13. Dezember (Teil 2) – Heiliger Bimbam! Was für eine Reise! Quer durch den Gemütsgarten des Adventskrampfs vom Nikolausi bis zum Weinachteln – dann noch nach Silbvesper, nach Neu-Ja und Dreigönning, da verrutscht selbst das rauheste Haus der Nacht in die Allerleih. Denn zu dieser unserer (nun schon) 9. Dezembriade haben wir illustre Gäst*innen aus Wort und Bild eingeladen, uns einige ihrer Werke zur Gestaltung der Sendung anzuvertrauen. Wir leihen uns sozusagen allerlei Kunnst für unsere Themencollage aus – so entsteht Allerleih. Wir lesen Textbeiträge von Salzburger Autor*innen und präsentieren ausgewählte “Glimpfungen” von Helmut Xö. Dafür bedanken wir uns ausgesprochen saftig – speziell bei der SAG sowie bei Helmut Xö (Facebookprofil).

Orkanspende zur Rauhnacht“Here comes two of you. Which one will you choose?” Dieses legendäre Zitat aus dem Velvet-Underground-Cover von Bettie Serveert ist in der diesjährigen Signation gut zu hören. Und auch einige Zitate aus unseren bisherigen adventdezemberischen “Perlentaucher-Nachtfahrereien” seien allhier angefügt. So etwa aus dem Artikel zum Weihnachtsfeuer von 2016: “Ob Advent oder Event, Kranz oder Krampf – Kerzen sind nicht zum Scherzen, wiewohl es mannigfach Gründe fürs Anzünden geben mag. Und fürs Aufregen, in Zeiten wie diesen, wo eine derartige Vollverdodlung um sich greift, dass bald auch die Schneeräumung mit dem Laubbläser erfolgt. Halleluja! Was ganz oben sitzt und allen auf den Kopf scheißt, das ist in jedem Fall ein Arschloch, ganz egal welche Weltanschauklung, Religwution oder Idiotlogie es auch immer vertritt. Auf den Kopf scheißen ist niemals gut.” Oder wie Georg Kreisler sagte: “Jede Macht ist falsch.“

Allerleih Coca-Coala“I have my books and my poetry to protect me.” Von wegen “Niemand ist eine Insel”. Simon & Garfunkel bringen die Selbstverteidigung in Zeiten zwischenmenschlichster Betriebsamkeit auf den Punkt: “I am a rock. I am an island.” Dazu die Gedanken der Inselstifter aus dem Café Unstet (2015) mitten im Mittelmaßmeer der organisierten Durchnittlichkeit: “Gewähren wir einander doch Unterschlupf – an den Ufern unserer einstweilenen Zwischenweltinseln – und wenns nur für heut Nacht ist. Begleitet von Boker Tov Iran sowie No No Keshagesh winken wir euch zum Abschied noch einmal nach und wünschen viel Glück beim Selbstsein – im Wortschwall des Weltblabla!! Doch Augenblick mal – was sind das für verwegene Verrückte, die da am Lampedusa-Lagerfeuer noch lang nach der EU-amtlichen Sperrstund Musik machen und Herz und Hirn für die Freiheit der Verfolgten hinhalten?” Entsetzliche Klischees mit Häschen.

Allerleih Punk Ratius“Ein Faustschlag ins Gesicht der Pietät gehört zu den Taten, ohne welche man nicht von der Schürze der Mutter loskommt.” Meditiert einmal gründlich über diesen Satz von Hermann Hesse, enthalten im Album “Hesse Between Music“. “Hofft eigentlich heute noch wer auf sowas wie eine flächendeckende Volkserleuchtung? Oder befinden wir uns inzwischen alle im Zeitalter individualisierter Erkenntnis? In dem uns zwar noch gelegentlich ein Licht aufgeht, wir aber längst nicht mehr bemerken, dass wir alle Teil einer perfickten Weihnachtsdekoration sind? “So muss Weltherrschaft!” Und der Letzte macht das Licht aus. Nichtsdestodessen oder aber auch hinwiedertrotz: Frieden auf Erden und den Menschenähnlichen was Nettes ohne Konsumzwang. Das Gleichnis vom barmherzigen Samariter ruft ja nicht zum heldenhaften Helfen auf, sondern zum sich Hineinversetzen in die Lage des Bedürftigen.” Auf der Suche nach dem Licht (2017)

Allerleih Schal und Rauch“Er wüsste wie er geht, der letzte Beweis. Von oben fliegt die Erde einen elliptischen Kreis.” Diese Passage aus dem lieblichen Lied “Sie mögen sich” (ausgefuchste Animation!) von Shaban & Käptn Peng beschließt nun diese erste Etappe der musikliterarischen Gefühlsweltreise. Die zweite gibts als buntes Allerleih: “Alles schläft, einsam wacht – bist du da? Was wird sein am anderen Ende der Nacht, wenn du dir begegnest, gleichsam beschenkt und entblößt? Hast du Angst vor dem Schweigen des Lärms, vor dem Gähnen des Abgrunds, vor dir selbst? Hast du Lust, dich zu spüren und in ein neues Jahr zu springen, einen neuen Tanz zu vollführen, ein neues Bild anzufangen, mit einer neuen Idee ins Bett zu gehen, die dich liebkost – und die du danach nie mehr vergessen kannst? Was also macht diese Nacht mit dir, was machst du mit ihr? Wer bist du – in deiner eigenen Zeit, wenn du sie dir selbst schenkst?”

Christgsindlmarkt (2012)

Und jetzt? Allerleih Rausch!

 

Wallfahrt nach St. Moloch

> Sendung: Perlentaucher Nachtfahrt vom Freitag, 9. August – Einmal frei nach Sven Regener: Am Fenster fliegt eine Präsidentin vorbei – da kommt jede Hilfe zu spät.” Es ist wieder soweit, draußen vor der Tür wüten die Salzburger Festspiele, diese alljährliche Heimsuchung der ohnehin schon unter Massentourismus und Kommerztrotteltum ächzenden Einwohnerschaft. Diese perverse Wallfahrt von Wohlstand und Wichtigsein zum Hochamt ihrer vorgeblichen Bedeutsamkeit… Wer schafft das Unrecht auf der Welt? Eben. Wir schaffen da lieber unsere eigenes. Seit 5 Uhr 45 wird jetzt zurück gefestspielt. Drei Stunden Möglichkeitsform und kritische Phantasie gegen das Hergebrachte, scheinbar Gottgegebene und zum Überobertum Aufgeblasene. Und auch wenns wehtut: Jedermann muss sterben!

Wallfahrt nach St. Moloch - Die schwarze EminenzNicht, dass wir uns falsch verstehen: Theaterkunst auf höchstem Niveau ist eine schöne Sache, die wir sehr zu schätzen wissen. Vielleicht ganz besonders, wenn sie dort stattfindet, wo wir zuhause sind. Unerträglich ist nur die übersteigerte Dominanz, mit der die Kriegsgewinnler ihres Kulturmarkts diese Stadt Jahr für Jahr zernutzen. Dann gibts hier nur noch selbstfahrende PR-Roboter, rechtgläubige Prediger sowie öde Hofberichterstatter eines hochfürstlichen Staatsspektakels in einem zeitgemäßen demokratischen Kostüm. Es ist dieser totale Absolutheitsanspruch, der aufgrund seiner Verwandtschaft mit religiösem Fanatismus und staatlicher Willkürherrschaft so dermaßen schlecht riecht. Es ist diese unhinterfragbare Selbstverständlichkeit, mit der sämtliche Lebensbereiche des Stadtsommers dem heiligen Zweckfestival untergeordnet werden, die in ihrer angemaßten Allmächtigkeit so sehr nach Diktatur stinkt, dass einem als außenstehendem Beobachter schlicht schlecht werden muss.

Wallfahrt nach St. Moloch - Jedermann reloadedDemgemäß unser Titel “Wallfahrt nach St. Moloch”, in welchem die katholische Unterwürfigkeit mit dem herrschenden Gottesdienst des Menschenopfers verschmilzt. Wir basteln uns selbst Festspiele, nicht nach verordnetem Geschmack oder bildungsbürgerlichem Kanon des Herzigen und Putzigen. Scheiß doch auf die Programmwichtel der Mussbarkeit! Was wäre nicht alles vorstellbar – allein schon mit dem im Fundus längst Vorhandenen? Jedermann Reloaded – von Philipp Hochmair und der Elektrohand Gottes. “Der aberwitzigste Dreck” (Karl Kraus) hier einmal nicht als Cash-Cow der Festspiele sondern als Rockperformance. Endlich eine Erlösung aus dem bereits 99-mal wiedergekäuten Knüttelgevers vom Domplatz der Eitelkeiten. Sogar die (inzwischen wieder abgesetzte, warum wohl?) Crouch-Mertes-Inszenierung hätte ja gewisse (wenn auch zaghafte) Innovationen angedeutet. Aber nichts da, bei uns in Salzklappersdorf bleibt alles so, wie man glaubt, es am besten verkaufen zu können.

Wallfahrt nach St. Moloch - Sound Of MusicWomit wir beim ungeschriebensten aller Glaubens-Gesätze angelangt wären: Der nie ausgesprochenen Verpflichtung, alles diese Stadt und vor allem ihre Festspiele betreffende immer und überall beeindruckend und großartig und konkurrenzlos wunderbar zu finden, selbst wenn dies tatsächlich nicht der Fall sein sollte. Jede Zuwiderhandlung wird mit Ausschluss aus der Anstalt bestraftmit Ignoriertwerden bis der soziale Tod eintritt. Ein durch und durch menschenverachtendes Bigott-Kompott. Doch die weltweite Wallfahrt fährt ungestört fort – und Eliten wie Hordioten pilgern nach Salzburg, der Stadt der falschen Fassaden und des “schönen” Scheins. Und die Chefpropagandistin der fetten Fetzenspiele sagt dazu brav ihr Sprüchlein auf: “Der Sinn der Festspiele – der Gründungsmythos war ein Friedensprojekt nach dem ersten Weltkrieg – schöner und gleichzeitig aktueller gehts nicht.” Damit fliegt sie auch tatsächlich am Fenster vorbei, denn wir haben dazu noch ganz was anderes gehört:

“Es herrscht Klassenkrieg, richtig, aber es ist meine Klasse, die Klasse der Reichen, die den Krieg führt, und wir gewinnen ihn auch.” Sagt immerhin Warren Buffett, der weltweit drittreichste Milliardär. Die Festspiele mögen beginnen. Jeedeermaaann!

 

Auf den Kopf geschissen

> Sendung: Perlentaucher Nachtfahrt vom Freitag, 10. MaiMüssen wir den Umstand des “von oben herab bestoffwechselt werdens” denn wirklich so drastisch darstellen? Ja, unbedingt müssen wir das! Wo sich Thomas Bernhard noch vornehm zurückgehalten (der alte Untertreibungskünstler) und sich etwa in Wittgensteins Neffe “auf den Kopf machen lassen hat”, da können wir angeriechs derzeitigen politischen Würsteltums nicht anders, als explizit von beschissen, geschissen und verschissen ein Reden zu sein. Wollten wir die herrschenden Zuständ weiter be- und verdichten, so müssten wir wohl bald auch zerschissen sagen. Der auslösende Anlass zu dieser Sendung und ihrem Titelen war jedoch die Kreuzigungsgruppe von Alfred Hrdlicka, welche inzwischen auf sehr spezielle Weise diesen Grundgedanken versinnbildlicht.

Auf den Kopf geschissen 1Ein Künstler ist eben immer auch Prophet, der weithin unbemerkte gesellschaftliche Entwicklungen feinfühlig vorweg wahrnimmt und diese in seiner Arbeit ausdrückt. Ursprünglich waren die Skulpturen für einen Neubau der Salzburger Polizeidirektion gedacht gewesen, doch der damalige Polizeidirektor verhinderte solch eine Zumutung des hinterfragenden Denkens im Weichbild “seiner” Behörde. Dafür steht dort heute ein wirrer Haufen mutmaßlicher Mikadostäbchen herum. Was uns der Künstler wohl damit sagen will? “Wer sich zuerst bewegt hat verloren” vielleicht. Die Kreuzigungsgruppe jedenfalls wurde hinter der Naturwissenschaftlichen Fakultät aufgestellt, wo auch sehr viele Vögel unterwegs sind. Und die haben den drei Figuren in all den Jahren ordentlich auf den Kopf geschissen, was unserem Sendungstitel ja nur recht sein kann. Denn von oben herab kommt meist Scheißdreck übers Volk…

Küssdiehandke!

Auf den Kopf geschissen 2Und wie verschissen sie dann sind. Kunst dient nicht der Verklärung von Herrschaft und Hierarchie. Da wäre sie ja bloßes behübschendes Auftragshandwerk. Vielmehr muss Kunst der Anstiftung zum Denken und Empfinden dienen, und das all jenen gegenüber, die ihr ausgesetzt sind. Womit wir auch geklärt hätten, was Kunst ist – und was weg kann. Folglich wollen wir wieder einmal die Sprachkunst von Ernst Jandl feiern, aus der mannigfache Anregungen zum kreativen Umgang mit der eigenen herrühren: neunzehnscheißhundertsiebenundsiebzigscheiß
scheißneunzehnhundertscheißachtundscheißsiebzigscheiß
so es sein aufbauen sich der scheißen leben
schrittenweizen hären von den den geburten
und sein es doch wahrlich zum tot-scheißen

aus Ernst Jandl – Von Zeiten

Auf den Kopf geschissen 3“Gehns doch hin und lernens aus der Geschichte!“ Was könnten wir aus einer Geschichtsschreibung der jeweiligen Sieger denn lernen? Dass jedwede “Herrschaft” ihren Untertanen immer von oben herab auf den Kopf scheißt zum Beispiel. Manche dieser “Herrschaften” sind dabei so niveaulos, dass man meint, sie hätten einem von unten herab auf den Kopf geschissen. Wie man es auch dreht und wendet, es fällt doch auf, dass sich Regierung und Schwerkraft nicht zum Wohl aller auswirken. Das erkennt jedes Kind, das schon einmal eine Dokumentation über in Bäumen brütende Vögel gesehen hat. Da sind auch immer die in den unteren Etagen die Bekleckerten. Es kichert leis der Attentäter,
noch unentdeckt sind all die Toten,
das ist die Zeit der Irren und Idioten.

Erich Schmeckenbecher (Zupfgeigenhansel) – Wahnsinn im Mai (H. E. Wenzel)

 

Das Kritische

> Sendung: Perlentaucher Nachtfahrt vom Freitag, 8. März – “Das kritische Salzburgbuch”, als welches “Die Ursache” von Thomas Bernhard des öfteren gern bezeichnet wird, ist nunmehr auch als Graphic Novel erschienen. Lukas Kummer hat dafür einige wesentliche Erzählstränge eindrucksvoll (nach)gezeichnet. Und der tapfere Residenz-Verlag, bei dem 1975 schon das vielfach umstrittene Original “Die Ursache. Eine Andeutung” herauskam, hat die sehr spezielle Text-Bild-Version jetzt produziert. Auf deren Präsentation im Salzburger Literaturhaus haben wir in unserer Sendung “Die Ursuppe” hingewiesen, wie ja überhaupt dieser “kritische Geist aus Salzburg” (und das muss nicht immer der “Skandalautor” selbst sein) in unserem Radioschaffen stets eine Hauptrolle spielt, sei es im Artarium oder in der Nachtfahrt, naturgemäß.

Die UrsacheDas Idee zum Tittel (nicht unser Hausarzt, leider) kam jedoch diesmal von Ernst Jandl und seinen autobiographischen Anmerkungen zu Sprach und Kunst, von denen hier noch sein wird ein Reden. Des weiteren auch aus dem kulturkritischen Buch “Musik = Müll” von Hans Platzgumer und Didi Neidhart, in welchem erfrischend zum Ausdruck kommt, was eine “kritische Würdigung” jenseits von bipolarem Schwarzweißdenken (oder besser -glauben) noch sein könnte. Und so haben wir die Musik/Text-Dramaturgie dieser Sendung in drei Stufen (vom Wort zum Buch zum Leben und auch wieder zurück) gegliedert, allerdings ohne uns allzusehr einzugliedern in den Erwartungsmarkt.

Eine AndeutungDie scheußlichste Entwicklung der sogenannten Marktwirtschaft ist nämlich das Befriedigenwollen der zuvor berechneten oder künstlich erzeugten Erwartungshaltungen von immer noch mehr und immer noch größeren Käuferschichten. Also der Mainstream oder das Statistik-Zerbrauchertum, die Degeneration der Gauß’schen Durchschnitte zum vollendeten Konsumwichtel der Industrie. Gepriesen sei hingegen der Residenz-Verlag, der seine Position am Markt mit der Produktion von kritischer Individualkunst zu verbinden versteht. Und uns entsprechendes Rezensionsmaterial für die 2. Stunde unserer Nachtreise bescheret hat. Die Verhandlung darüber sei hierohrs eröffnet…

Das kritische Salzburg-BuchDie einen werden über “Die Ursache als Graphic Novel” frohlocken – die anderen werden das Wort Werkzertrümmerung in den Mund nehmen. Was aber meint der Sprachenkunstler als Experte?

“Dass diese Sachen, die gemacht werden um hergezeigt zu werden, Sachen sind, die die einen freuen und die anderen ärgern, und dass sie gewollt so gemacht sind, dass sie die einen freuen und die anderen ärgern, dass es also Sachen, die alle freuen, gar nicht sein sollen, selbst wenn irgendwelche es könnten (so wie es Sachen, die alle ärgern, gar nicht sein sollen, selbst wenn irgendwelche es könnten), das ist das Kritische daran.” (Ernst Jandl – “Ich mit Umwelt”, 1970)

 

Die Ursuppe. Eine Andeutung

> Sendung: Perlentaucher Nachtfahrt vom Freitag, 11. Januar – Was war zuerst – der Hase oder das Ei? Im Anfang jedenfalls war die Idee. Und das Wort “Ursuppe”, nicht ganz unpassend zum herrschenden Schneetreiben. Auch Volks Mund formuliert angesichts erheblicher Eintrübung: “Des is jo ur die Suppn!” In diesem Spannungsfeld zwischen Schöpfung und Sichtverlust wollen wir unsere köstlich kostenlose Buchstabensuppe servieren – und allen Sprachprivatisierern damit eine aufs Maul verpassen. “Wem gehört Thomas Bernhard – eigentlich?” Lassen sie sich ihre Muttersprache noch schnell patentieren, bevor ihnen irgend so ein Volkskoffer eine Bedeutung unterstellt, die sie nie gehabt haben! Oder wars ein Geldkoffer? Das ist bei dem dichten Schmähtreiben heut nur schwer zu erkennen.

Ursuppe 1“Die Ursache. Eine Andeutung” So lautet der ursächliche Titel von Thomas Bernhards Salzburgbuch, das für viele verstörend, für einige aber geradezu erlösend sein mag. “Die Suhrsache. Eine Abtötung” So könnte man unsere Einlassung zum Suhrheberrecht und zu Dr. Fabjans Besitznahme benennen, die wir 2015 als COPY RIOT live aufgeführt haben. Und heutzutage? “Die Ursuppe. Eine Anstiftung” Das trifft den Germ der Sache. Die Sogwirkung des kreativen Vakuums entfaltet ihre gestaltende Kraft und erzeugt Dichtung – und Wahrheit. Wenn die Wirklichkeit erst bis zur Kenntlichkeit entstellt ist, öffnen sich Einblicke hinter die schöne Fassade des Handelsüblichen. Des Althergebrachten. Und des Volksdümmlichen. Wer das vor Gericht beeinsprucht oder durch Hetzkampagnen abzuwürgen versucht, beweist unweigerlich nur die eigene Absicht – was uns naturgemäß verstimmt. Die heimlichen Realitäter wollen mit aller Macht an der Macht bleiben. Doch Dichtung offenbart sie.

Ursuppe 2Eine Möglichkeit, damit umzugehen, wäre etwa folgende: Ich dir zitieren einen Standard-Artikeln: “Will denn wirklich jemand Thomas Bernhard lesen? ….. Lesen: Das ist ja nicht bloß eine Meinung äußern oder tausendmal Zitiertes (Alles ist lächerlich, wenn man an den Tod denkt) noch einmal zitieren, sondern: sich den komplizierten Sätzen ausliefern. Die Anstrengung, die der Autor selbst vollbrachte, um sich von der Tradition zu befreien – diese Anstrengung für sich nachzuvollziehen: Das ist Lesen.” Es gibt unendlich viele Möglichkeiten, sich die Sprachlandschaften des berühmten Schriftstellers zu erschließen. Eine weitere, ganz besondere, wird bei einer Veranstaltung zum 30. Todestag des Autors am 12. Februar im Salzburger Literaturhaus eröffnet: “Mit einem präzisen, sparsamen, fast realistischen Strich und einer eindringlichen Wiederholungs- und Variationstechnik gelingt es dem österreichischen Künstler Lukas Kummer in seiner kongenialen Graphic Novel “Die Ursache” (Residenz, 2018), Bernhards Erinnerungen an die Schrecken von Internat, Krieg und Nationalsozialismus sichtbar zu machen.” Das, was ist, ist das, was ist. Eventuell ist aber das, was ist, gar nicht das, was ist. Auf jeden Fall jedoch ist das, was ist, das, was du damit machst

Ursuppe 3

Dem Andenken
des erschrockenen Benenners
dieser Ursachen und ihrer Auswirkungen,
dessen Name gleich dem meinen nicht genannt werden durfte
im Akademischen Staatsgymnasium,
widme ich diesen Nachruf
samt Echo und Nachhall
und Nachknall

Die Ursuppe?

Die UNS-SACHE

Eine Angehung

Sein Ermächtnis

Kein Privatbesitz

 

Es wird scho glei Gunkl

> Sendung: Perlentaucher Nachtfahrt vom Freitag, 14. Dezember – Was wir aus Anlass dieser alljährlich zur Vorweihnachtszeit stattfindenden abendländischen Kulturgüter-Tauchsendung nicht schon alles herzhaft im Wurstreaktor vereintopft haben: Uwe Dick, Klaus Kinski, das Salzburger Adventsingen, uns selbst, den Christgsindlmarkt, die Herbergsuche im 21. JahrhundertHeuer haben wir das erhebliche Vergnügen, einen langjährigen Wegbegleiter unserer Radiocollagen just am Vorabend dieser Sendung livehaftig zu erleben: Gunkl (Günther Paal) wirft uns nämlich am 13. 12. in der ARGEkultur sein aktuelles Programm “Zwischen Ist und Soll – Menschsein halt” zur Auffassung vor. Und wir wollen uns davon – speziell im Hirnblick aufs eigene Dichtentrachtenbeleuchten und beeinträchtigen lassen.

Es wird scho glei Gunkl - LIVEEine Kulturkonstante unseres Wirkens ist (nein, nicht das Wurstbrot, wiewohl wir die Begegnung mit Jochen Malmsheimer auch dem Gunkl verdanken), es ist die gepflegte, über den üblichen Funktionsgatsch hinaus nuancenreich wohlschmeckende Sprache. Mit einer ebensolchen wird man, zwischen Wort und Witz, Wüste und Wissenschaft, Wahnsinn und Wiedergeburt, fein bedient vom ehemaligen Kellner Günther Paal, der inzwischen in aller Ohren als Gunkl firmiert. Und seien wir mal ehrlich bezüglich unserer christlich-abblendländischen Herbrunft – sind wir nicht alle einseitig vollgestopft mit Heilslehren und Legenden aus der Kultur des einsamen Heldentods? Da tun uns jedwede Gedankengänge und Sprünge dieses bekennenden Aspergers sowie nicht mehr praktizierenden Alkoholikers bestimmt gut. Fragen sie ihren Abt – oder hüpfen sie selbst. Seit fast 10 Jahren inspirieren seine Ohrnamente das “etwas andere Kunnst-Biotop” nun schon zu eigenen und “höchst eigenen” Schöpfungen, vom Radio Artarium 2009 bis zum preisgekrönten Perlentaucher Jingle 2018. Apropos Preis, wir senden diesmal in direkter Konkurrenz zum ORF-Fernsehen, welches zeitgleich die Verleihung des Österreichischen Kabarettpreises (allerdings als Aufzeichnung) ausstrahlt. Pah! Natürlich gratulieren wir dem Gunkl diesfalls zum Hauptgewinn, zitieren ihn aber lieber in eigener Sache: “Ich freue mich, dass ihr zuhört. – Und behaltet das bei.”

Es wird scho glei Gunkl - Universum

Darüber hinaus erfreut uns der Umstand, dass er auf seiner Homepage eine Vielzahl an früheren Programmen zur volltextlichen Entnahme anpreist. Eine feine Sache!