Love and Desperation (Norbert)

Podcast/Download: Die Perlentaucher Nachtfahrt vom Freitag, 13. Juli spannt einen weiten Bogen zwischen den scheinbar so widersprüchlichen Polen von Liebe und Verzweiflung. Sind das wirklich so extreme Gegensätze? Wenn unsere Liebe Erfüllung findet, dann ist der Endsieg der Seligkeit ein für alle Mal errungen. Und wenn unsere Liebe Enttäuschung und Verlust zeitigt, dann stürzen wir unweigerlich in den Untergang unserer Ideale. Liebe oder Tod? Gewinn oder Verlust? Zufriedenheit oder Zugrundegehen? Sind wir dermaßen gehirngefickt von der uns umherrschenden Ideologie der Nutzbarmachung, Besitzbarmachung, Verwertbarmachung jeglicher Lebensregung? Sind wir dem Schwindel von der Selbstverewigung durch Anpassung und Erfolg bereits vollständig verfallen? Sind wir die Glücksjunkies des 21. Jahrhunderts?

Nun ja, vor nicht ganz 2 Wochen musste ich auch von meiner Tante Elfriede Mader Abschied nehmen, die ein sehr wesentlicher Mensch für mich gewesen war. Sie hatte schon sehr früh meine eigenwillige Kreativität und Sprachbegabung entdeckt und nach Kräften gefördert, sowie mich dann auch ein ganzes Leben lang gegen gewaltsame Vereinnahmungen durch die allzu Angepassten und dem Durchschnitt, der Normalität Hörigen in Schutz genommen. Ihr Tod trifft mich als ein umfassender Verlust – nicht nur an menschlicher Wärme und Zuneigung, sondern auch an meinem Grundgefühl von Geborgenheit und Vertrauen. Es ist eine ebenso subtile wie nachhaltige Erschütterung meines gesamten Erlebens, wie ich mich in der Welt befinde – und wie ich mich den Eindrücken dieser Welt gegenüber verhalte. Manchmal fühle ich mich den Menschen in meiner Umgebung plötzlich ganz und gar schutzlos ausgeliefert – und meine verwirrten Empfindungen brauchen viel länger als sonst üblich, um die wohlmeinenden von den böswilligen Exemplaren zu unterscheiden. Ich möchte mich oft am liebsten verkriechen – und warten, bis jemand kommt und mir die wackelige Welt wieder zurecht rückt…

Und selbst inmitten der großen Liebe macht sich die Verzweiflung breit. Sie wohnt ganz nahe beim Lebendigen, sitzt mit ihren Verwandten Mutlosigkeit, Trauer und Wut am Tisch unseres Herzens und zieht einen dunkelgrau trüben Vorhang über die Früchte des Vergnügens. Sie ist düster, staubig und verraucht, aber nicht gleichmütig oder deprimiert. Sie ist voller Zorn und Zweifel und verhindert sich doch selbst beim Versuch, sich auszudrücken. Sie plappert pausenlos vor sich hin, schimpft, spuckt und grantelt, doch nie von den eigentlichen Themen, sondern immer irgendwie drum herum. Die Verzweiflung als eine hochtourig am Stand laufende Maschine zur Energievergeudung, gespeist aus der Begegnung mit unentrinnbarer Endlichkeit und der Gefährdung durch unverrückbare Vergeblichkeit. Wir könnten jetzt, um sie wieder los zu werden und um uns zu erleichtern, entweder uns selbst oder andere verletzen, etwa indem wir sinnlos herum streiten oder auf  Schwächere losgehen. Doch das ist unsere Art nicht, dazu haben wir einfach zu viel Glück im Unglück, dazu sind wir – auch und gerade im Angesicht des Todes – zu lebendig. Also versuchen wir einen anderen Weg zu gehen, einen unserem Wesen entsprechenderen:

Besinnen wir uns auf das Wesentliche! Was hat uns bisher – und immer wieder – am tiefsten bewegt? Womit beschäftigen wir uns – schon seit der Entdeckung unserer Eigensprachlichkeit? Und welche Themen haben uns jetzt und hier – in all unserer Zerbrechlichkeit – zusammen geführt? Ist es nicht die tiefe Erfahrung von Leid und Unrecht, wenn wir erleben, wie besondere Menschen, Individualisten, Künstler und Tagträumer von gedanken- und gefühllosen Gruppen, von unmenschlichen Ideologien und Machtsystemen ausgegrenzt, herabgewürdigt und misshandelt werden? Und ich meine hier gar nicht die chinesische oder syrische Militärdiktatur. Ich spreche von unseren Salzburger Schulen, von unseren Kirchen, Parteien und Vereinen. Von unseren Freundeskreisen, Nachbarschaften und Verwandten. Und ich spreche ganz klar von unserer geldhierarchisch gegliederten Gesellschaftsordnung, von der Erfolgsdiktatur und vom Leistungsterror unseres menschenverachtenden Wirtschaftssystems, vom massenblödial gefühlsabspaltenden Konsumwichteltum des Mozartkugelfaschismus, vom gutbürgerlich maskierten Plünderungsfeldzug am Gemeinschaftseigentum, vom Verprivatisieren des Öffentlichen Raumes durch die Besitzbesatzer und ihre Amtskomplizen. Ich spreche vom Schrecken und von der Ungeheuerlichkeit all dessen, was uns tagtäglich als vorgeblich unabänderliche Normalität umbrandet und umtost, in die wir uns angeblich ohne Widerspruch und ohne Rücksicht aufs eigene Wohlergehen gefälligst einzufügen hätten. Et cui bono?

Wir alle, die wir noch eine Stimme haben, können sie erheben – gegen das Vergessen und Verdrängen – und gegen die Verblödung unserer Umwelt. Wir alle, die wir noch zum Mitgefühl fähig sind, müssen unsere Wahrnehmungen mitteilen – und zum Gegenstand öffentlichen Gesprächs machen – für all jene, die üblicherweise an den Rand gedrängt, zum Opfer gemacht und ihrer Würde beraubt werden. Für all jene, die sonst für immer zum Jasagen oder zum Schweigen gebracht würden. Und natürlich auch für uns selbst, denn unsere Verzweiflung ist nur die dunkle Schwester unserer Liebe – und beide wohnen sie in unseren Herzen! – Bleiben wir lebendig …

wie lange noch

wie lange noch
werde ich alles hinunterschlucken
und so tun
als sei nichts gewesen

wie lange noch
werde ich auf alle eingehen
und mich selbst
mit freundlicher miene vergessen

wie lange
müssen sie mich noch schlagen
bis dieses lächerliche grinsen
aus meinem gesicht fällt

wie lange noch
müssen sie mir ins Gesicht spucken
bis ich mein wahres
zeige

wie lange
kann ein mensch
sich selbst nicht lieben

es ist so schwer
die wahrheit zu sagen
wenn man gelernt hat
mit der freundlichkeit zu überleben

peter turrini

PS. Ich empfehle überdies, auch die feinen Gedanken vom Chriss zu diesem Sendungsthema zu lesen 😉

Love and Desperation (Chriss)

Podcast/Download: Die Nachtfahrt vom 13. Juli 2012 erzählt von der Liebe und den Abgründen der Existenz. Wir fahren wieder in dunkle und nur von Kerzen beschienene Tunnel, auf der Suche nach der Wahrheit. Und ihr fahrt mit uns mit. Hört unseren Geschichten und Gedanken zu, die wir in ein Klangbett kleiden, das uns weit ab von Mainstream und Mozartkugel berührt. Also, gute Fahrt! 😀

„Stille. Dieser eine Moment in dem dein ganzes Leben fällt. Nur für diesen Lichtfunken- aufschimmernd in der Dunkelheit deiner Erkenntnis. Du würdest alles geben, nur um für eine Sekunde dein innerstes Bedürfnis zu erhellen, um dich selbst zu erkennen. Doch es geht nicht. Du musst in dich gehen. Und das ist der schwierigste Weg von allen.

Einander erkennen. Ganzheitlich. Wesentlich. Einander berühren. Haut. Zarte Finger, die deine Träume wach küssen. Und dann wieder diese Stille, die den ganzen Raum füllt. Du siehst dein Gesicht von deinem „Du“ gespiegelt. Und du gefällst dir. Wenn du jemanden gefunden hast, in dessen Spiegel du dir gefällst, lass diese Person nicht mehr los.

Nein, denn loslassen fällt immer schwer. Egal wen, egal was. Also halte sie oder ihn. Denn vielleicht schon morgen ist alles, was von einem reich gedeckten Mahl übrigt bleibt, der Duft von frischem Brot.

Weitermachen. Weiterdenken. An seinen Gefühlen und Eindrücken festhalten. Auch wenn man weiß, dass alles fallen wird. Doch für den Moment ist es wichtig! Eins sein mit all seinen Erlebnissen und mit seinem Wissen. Carpe Diem! Carpe Noctem!            Das Leben ist dein, also ergreife es!

Geh mit allen deinen Monden und Sternen, die du dir in dein Hemd genäht hast in den Tag und ein Kind wird staunen über deinen Glanz. Ergreife den Augenblick und lebe im Jetzt. Denn Liebe passiert nicht in der Vergangenheit oder in der Zukunft. Sie passiert jetzt. Genauso wie Sexualität. Alles ist Jetzt und zeitlos!

Und darum feiere das Leben, wie es fällt und gib die Hoffnung nicht auf, sondern spring den Widrigkeiten ins Gesicht. Mit Worten, Bildern und eigenen Definitionen von Liebe und Leben!

Aber erinnere dich immer an die Vergänglichkeit im Leben. Irgendwann wird alles verwehn. Nichts bleibt für immer. Doch erinnere dich auch daran, dass alles ein ewig fließender Kreislauf ist. Leben und Tod sind nicht auseinander zu denken. Ein Ende ist immer ein Anfang und die Sonne geht immer auf –  genauso wie der Mond. Nacht und Tag. Man sieht sich immer zweimal im Leben und jeder Wunsch setzt einen neuen Stern ans Himmelszelt.

Versuche du selbst zu sein und alles wird leichter werden. Und du wirst deine Umgebung viel feiner wahrnehmen können. Die Liebe wird dich leiten.“

Wir werden uns auf die Suche nach uns selbst machen. Tief hinein in unser tiefes Gefühl. Tief hinein in die Dunkelheiten unserer Existenz…

Und hier der Link zu: Norbert’s Artikel 

Originale Kopien (Norbert)

Podcast/Download: Die Perlentaucher Nachtfahrt vom Freitag, 8. Juni wandelt auf den Spuren eines Zitats von Edward Young: „Wir werden als Originale geboren, sterben aber als Kopien“, mit dem auch Arno Gruen seinen legendären Vortrag „Von der Schwierigkeit, sich selbst zu sein“ beendete. Nachzuhören übrigens in der Artarium Sendung „Der Wahnsinn der Normalität“. Dazu präsentieren wir musikalische Originale wie „das trojanische pferd“ sowie ein hintergründiges Gespräch mit ihrem Sänger und Bombenleger Hubert Weinheimer über Wahrheit, Naivität, Arschlöcher und originäres Trojanertum, vergraben uns tief in Coverversionen, die nicht bloß billige Kopien sind und verirren uns naturgemäß heftig im Spiegelkabinett der Wirklichkeiten. Schon wieder eine kritische Theorie? Aber diesmal mit Praxis!

Unsere Sprache ist von Anfang an ein erweitertes Sinnesorgan. Bereits im Mutterbauch können wir den emotionalen Gehalt ganzer Sätze erfassen, unterscheiden und verarbeiten. Also, „Pass auf, was du sagst, denn wir wissen längst Bescheid.“ Das Gehör-Gespür ist der erste voll ausgebildete Sinn des Menschen. Daher also Musik, und daher auch Radiosendung!

Wenn allerdings die emotionale Perzeption des Ungeborenen ein umfassendes Verstehen des Gesagten und Gesungenen bedeutet, wie in des Wahnsinns Namen kommen wir zu der Vorstellung, dass man Kindern Sprache als Wortbedeutung erst mühsam (und gegen ihre eigene Auffassung) beibringen müsse? Anders ausgedrückt, egal ob wir an einen Gott glauben oder nicht, so erachten wir doch die Nachrichten von der Weltfinanzkrise gemeinhin für bedeutsamer als ein Gedicht von ernst Jandl. In Wirklichkeit würde aber genau andersrum ein Schuh draus. Oder ein Pferd…

„Language is a virus from outer space“, teilt uns die Spoken-Word-Pionierin Laurie Anderson mit. Und Antoine de Saint Exupéry kommt in seinem existenzialistischen Kinderbuch für Erwachsene „Der kleine Prinz“ zu der Feststellung, „Die Sprache ist die Ursache aller Missverständnisse.“ Wenn sich also der Befund kindsköpfischer Künstler mit den Erkenntnissen der Kulturantropologie dahingehend deckt, dass unser zivilisatorischer Funktionssprech zur Abspaltung von Affekt und Emotion führt, dann wird Muttersprache zur gefickt eingeschädelten Scheinwelt – und die trojanische Lyrik zu einer notwendigen Gegenmaßnahme im Ringen um Realität.

Auf einmal begreifen wir im Wiedererwachen kindlicher Intuition, dass uns da eine Weltsicht vorgehüpft wurde, die nichts mit der Wirklichkeit unseres Empfindens zu tun hat, sondern nur mit den Erfolgsaussichten derer, die uns zwecks Ausnutzung beherrschen. Insofern ist der wahre Dichter, Künstler, Outsider derjenige, der die äußere Welt innerlich zusammen hält und so die Hoffnung auf eine sinnstimmige Zukunft verkörpert. Insofern sind wir, die wir ihm darin folgen und zwischen seinen Zeilen unser eigenes Leben spüren, diejenigen, um die sich die Welt dreht.

Insofern sind wir auch bedeutsamer, relevanter und vor allem wichtiger als Kasperl Faymann oder die Festspielpräsidentin. Insofern sind wir alle, die wir „wie die Kindlein“ in die Welt blicken und an unsere eigene Wahrnehmung glauben, im Grunde ganz und gar Jesus: „Und siehe, wir machen alles neu!“

Das Allerschärfste dabei ist allerdings, dass wir auf diese Weise auf einmal wirklich frei sein können und im ursprünglichsten Wortsinn autonom. Denn wenn uns „Pflicht und Schuldigkeit“ von vorn herein unter Vorspiegelung falscher Sprach-Tatsachen in betrügerischer Absicht ins Bewusstsein geschwindelt wurden, dann ist jede Übereinkunft, jeder Vertrag und jede gesellschaftliche Konvention in sich selbst widersinnig, sittenwidrig und somit ungültig. Die Welt muss also völlig neu verhandelt werden! Wenn das nicht mindestens einen Pop-Song wert ist… 😀

 

Faule eiern (Chriss)

Podcast/Download: Die Nachtfahrt vom 13. April 2012 wird sich ein Mal mehr religions- und glaubenskritisch zeigen und das Urbi et Orbi der Religwution auseinander nehmen, hinterfragen, anschauen und auf alle Fälle mit einer gewissen Skepsis dagegentreten.

Es wurde wirklich wieder mal Zeit ein bisschen auf die Kacke zu hauen! Nach einer sehr emotionalen Sendung und einer themenfreien Sendung sollte mal wieder was Politisches ausgesagt werden. Und was könnte dafür besser passen, als eine Religion, deren Hauptvertreter der Macht keinen Ungehorsam duldet und in der Homosexuelle anscheinend Menschen dritter Klasse sind. Willkommen im Kirchenstaat! Im Sprachabschneidungssaal der Komaleute, im Patriarchat des einen Kirchengottes! Weit hommas brocht…

Die Kirche schneidet einem die Sprache ab. Man kann an irgendeinem Punkt nicht mehr artikulieren. Irgendwann wird man wortlos! Und genau diese Wortlosigkeit nutzt der Staat aus. Wer wenn nicht die katholische Kirche ist denn an unserer Gesellschaft des Konsumismus und der eingefrorenen Individualität zu einem großen Teil schuld?! Meine Gefühle, die ich zeige? Meine Gedanken die ich frei und unverschönt in die Welt schreie? Mein Leben, die Eigenerkenntnis? Nein… sicherlich nicht… Mauern werden fallen… müssen! Denn wenn wir so weitermachen wie bisher wird uns das den Verlust unserer Persönlichkeiten und unseres eigenen Denkens einbringen.

Aber das ist es doch was sie alle wollen… Politiker, Staatsmänner, Gesellschaft, Staat, Kirche, Schule, Institutionen… Es gibt zu viele als dass man allein gegen sie ankämpfen könnte. Allein… als sensibler Mensch, als Aussenseiter, als Geächteter, als Arbeitsloser, als Asylwerber, als Ausländer, als Homosexueller, als Andersdenkender… als selbstbestimmter Mensch! Und deswegen sollte unsere Liebe ein Aufstand sein, gegen alles was uns aufhält! Gegen alles was uns erniedrigt, gegen alles was uns unterdrückt! Und so verbleiben wir – und ob sich etwas ändern wird, wissen wir (noch) nicht. Doch eins ist gewiss: Etwas wächst in uns, unterbewusst. Manchen fällt es auf und sie machen was draus. Anderen nicht, doch es ist in jedem von uns. In jedem.

 

Experlimental (chriss)

Die Perlentaucher Nachtfahrt vom 09.03.2012 wirft sich euch durch die Wände der Konventionen und des Normalnormativenscheißdingsbums! Es wird experimentel. Aushängig. Krank. Aussergewöhnlich. Neu. Eigen. Abgründig. Doch keine Angst, wir werfen euch nicht einfach in irgendwelche sperrigen oder nicht mehr nachvollziebaren Musiken. Es wird auch schönes, melodiöses und leichtes geben, aber eine kleine Brise Verwirrung wird durchaus dabei sein 😉

Die Ausgangsnummer war ja Radio Baghdad von der guten, alten Patti Smith, die in der vorherigen Nachtfahrt „Verlust und Versöhnung“ keinen Platz mehr fand. Und dann „Fernweh“ von Extrawelt die mich auf den Arbeitstitel „Experimental Hours“ kommen ließ. Also auf der einen Seite eine Nummer mit 12:17 Minuten und auf der anderen Seite eine recht soundexperimentelle Nummer mit wunderbaren Elektrobeats. Wir drangen tiefer in das Thema vor und definierten „experimentell“ für uns (also auch für euch) neu und fanden so Künstler, die nicht nach irgendwelchen Vorgaben und Richtlinien etwas Neues schaffen. Eluveitie, Florence And The Machine, Pantha Du Prince, NOFX, und andere…

Und Ernst Jandl… Sprachkünstler, Deutschlehrer… verkannt zu Lebzeiten und bekannt für seine Experimente mit der Sprache… seine konkrete Poesie hat viele dazu bewegt etwas neues, noch nie dagewesenes zu schaffen. Ohne daran zu denken was wohl die anderen davon halten! Etwas neues zu kreieren, etwas zu machen, was alle Konventionen sprengt und die Leute aufwühlt, antreibt, bewegt!!

Ja, etwas wagen… ein Experiment wagen… zu sich selber stehen und zu seiner Kunst… wir sehen das ganz genau so! Man muss im Leben etwas probieren, sich selbst ausprobieren. Egal ob man dabei aufblüht oder daran zerbricht! Hauptsache es kommt ans Tageslicht! Also viel Spaß bei der Sendung und: Gut zu hören!

Verlust und Versöhnung -Eine Annäherung- (Chriss)

Die Nachtfahrt am 10.2.2012 von 22:00 bis 01:00 Uhr.

Der erste Schock. Unglaubliches Versinken in die Stille. Atmen. Luft holen. Kälte. Allein. Nur du und das Wissen um den Tod. Und das Wissen, dass er zu jedem irgendwann kommt. Nur du. Allein mit deinen Gedanken und Gefühlen die in jenem Moment, nicht mehr  zu differenzieren sind. Atmen. Sich halten. Sich wärmen. Nur du- und der Tod.

Nach dem ersten Erwachen aus dem Koma des Nichtwahrhabenwollens, ernüchtert man von einem Moment auf den anderen. Man bemerkt, dass man allein ist und die Augen die Welt anders sehen. Rationaler. Zumindest für den Augenblick. Dann kommt der Abschied. Man gedenkt nocheinmal der verstorbenen Person, sieht ihr Leben vor sich, hört die Geschichten und Worte und man bemerkt, dass es nun besser ist. Der Abschied fällt eigentlich immer schwer. Es ist immer hart sich von etwas oder jemanden zu trennen und es ist noch härter den Verlust auch anzunehmen.

Am Rande des Grabes

Ein Mitternachtsmond                               im toten Raum                                        voller Erinnerung                                      und                                                             dein Gesicht in meinen Träumen

Ein Sternenlied                                              in der starrenden Nacht                               der Einsamkeit                                               und                                                           dein Lachen in meinem Geist  

Ein  stillgefallener Wunsch                           in hoffnungsloser Dunkelheit.

Doch am Rande des Grabes unser Wissen: Es wird weiter gehen.

-In Gedenken an Maria Barth (1928 – 2010)-

Die Navajo-Indianer sagen: „Du musst die Geschichte der Toten erzählen; erst dann kannst du sie wirklich gehen lassen…“ Die Annahme des Verlustes den man gemacht hat und die der eigenen Sterblichkeit ist essentiell! Das Verarbeiten der Trauer, das Ausdrücken seiner Gefühle, sei es durch Erzählen, Gedichte, Lieder, Bilder oder durch sonst etwas, die eigene Geschichte leben; mehr kann man nicht tun…

„Let go of the spirit of the departed and continue your life’s celebration“                    -Allan Ginsberg

Podcast/Download der ganzen Live-Sendung.

Verlust und Versöhnung (Norbert)

Podcast/Download: Perlentaucher-Nachtfahrt vom Freitag, 10. Februar. Eine sehr persönliche Sendung zum Sterben meiner Mutter. Gemischte Gefühle im Schleudergang. Plötzliche Leere, die ich so nie erwartet hätte. Unglaubliche Kräfte in eigentlich unangenehmen Situationen. Eine innere Ruhe, die fast schon beunruhigend wirkt. Elementare Bedürftigkeit nach allem Lebendigen. Existenzielle Verbundenheit jenseits jeglicher Vernunft. Das Wunder der Familien-Organismus-Synapsen. Und ein paar ganz großartige Gefährten. Wegbegleiter und Welpentiere…

 

Abschied

Es ist doch vieles ungesagt geblieben.

Und vieles wird auch unbeantwortet bleiben. Du bist jetzt nicht mehr hier auf dieser Welt, doch du hast Spuren hinterlassen. Und diese Spuren leben weiter – in meiner Erinnerung, in meiner Persönlichkeit, in meinem Wandeln, Werden und Wirken. Diese Spuren sind mein Erbe. Sie sind deine Geschichte in meiner Geschichte. Und der Sinn jeder Geschichte erschließt sich erst in ihrem Erzählen – am besten einer nächsten, neuen Generation von Menschenkindern, die auch hier und heute die Gegenwart der Zukunft sind.

„Um die Geister der Verstorbenen zu befrieden, musst du ihre Geschichten erzählen…“

So sehen es nicht nur die alten Weisen der Navajo Indianer, sondern so lautet das weltweite und uralte Verständnis vom Umgang der Lebenden mit den Toten. Und so will auch ich es halten: Geschichte ist das, was erlebt wurde, ist Lebensgeschichte, die zu lebendiger Geschichte verwandelt wird, indem wir sie erzählen, ehren wir auch das Andenken derer, die sie uns hinterlassen haben. Wir, die wir hier zurück bleiben – was hätten wir sonst wirklich im Innersten bleibend erhalten?

 

Und darum sind sie heute mit mir hier um ein starkes Band aus Leben zu knüpfen:

Chriss, meine Sonne

Gabes

Sophie

Leffi Tischenminsky

Viki

Fex

und der Flow…

Denn das Leben erzählt sich durch uns immer weiter – über die Grenzen, über die Liebe, über den Tod hinaus – auch wenn unsere noch ungesagten Worte verwehen – wir halten stand, wir bleiben immer gestärkt und bedürftig zugleich.

(Text vom Begräbnis am Dienstag, 31. Januar 2012, Salzburger Kommunalfriedhof)

 

Herbst

Rings ein Verstummen, ein Entfärben:
Wie sanft den Wald die Lüfte streicheln,
Sein welkes Laub ihm abzuschmeicheln;
Ich liebe dieses milde Sterben.

Von hinnen geht die stille Reise,
Die Zeit der Liebe ist verklungen,
Die Vögel haben ausgesungen,
Und dürre Blätter sinken leise.

Die Vögel zogen nach dem Süden,
Aus dem Verfall des Laubes tauchen
Die Nester, die nicht Schutz mehr brauchen,
Die Blätter fallen stets, die müden.

In dieses Waldes leisem Rauschen ist mir als hör‘ ich Kunde wehen,
daß alles Sterben und Vergehen nur heimlichstill vergnügtes Tauschen.

(Nikolaus Lenau, Inschrift am Grab meiner Großeltern)

 

Diesmal zur Einstimmung also zwei Texte, die in der Sendung live zum Vortrag kommen. Gastbeiträge gibts von Jochen Malmsheimer und Sonic Youth (Interview/Spoken Word) sowie H. P. Baxxter (der von Scooter!) mit Erzählungen von Thomas Bernhard. Die dazu ausgewählte Musik wird ebenfalls dem Anlass entsprechend sein:

Aushängig. Emotional. Intensiv. Ohrenbetäubend. Und unterschwellig. Wir tauchen nach Perlen, wo andere nur Dreck entdecken. Und wir werden dabei fündig. Das ist unser ganzes Geheimnis. Lasst uns etwas von der Liebe erzählen, vom Übergang des Sterbens, vom Wunder der Verwandlung…

 

Beidseitig, gleichzeitig, zweischneidig…

Podcast/Download: Perlentaucher Nachtfahrt vom Freitag, 13. Januar über EMOTIONALE AMBIVALENZ – passend zum gefühlsabgründigen Jahreswechsel wie auch zur perspektivischen Janusköpfigkeit unserer heurigen Winterschlafwandlerei! Jenseits der seltsamen, jedoch weit verbreiteten Vorstellung von klar unterscheidbaren oder sozusagen „reinen“ Empfindungen und einer möglichen Einteilung in positive oder negative, „gute“ oder „schlechte“ Gefühlszustände – da beginnt nämlich die Grauzone, das Schattenreich, die Traumwelt – oder aber das eigentliche Leben. Wir bereisen drei Stunden lang das weite Land der Indifferenz – zwischen Irritation und Verwirrung…

Abgesehen davon, dass wir beide uns ganz gern in diese Grau- und Grenzbereiche des Erlebens begeben, um das vorgeblich „Normale“ zu hinterfragen, entsprang die Idee zu dieser Sendung der scheinbar harmlosen Frage „Wie gehts dir so?“ Gerade zur Weihnachtszeit konnte eine ehrliche Antwort nur ambivalent  ausfallen: „Beidseitig gleichzeitig…“

Eine höchst zweischneidige Angelegenheit, denn einerseits sind wohl alle tiefen zwischenmenschlichen Selbsterfahrungen von der gleichzeitigen Vorhandenheit lichter wie dunkler Gefühlsanteile geprägt, andererseits aber wünschen wir uns oft nichts sehnlicher als emotionale Ausgeglichenheit – überschaubare Zeiträume von empfundener Eindeutigkeit, Geborgenheit, Sicherheit. Ein Widerspruch in sich selbst also, der nur verdrängt, nie jedoch aufgelöst werden kann? Ein schicksalhaftes Dilemma, dem zu entrinnen wir die erwünschten Gefühle hervor kitzeln und die Unerwünschten unerdrücken müssen?

Zudem ist ja die Vorstellung von Normalität gerade im Gefühlsbereich (gesundes Volksempfinden) oft etwas Vorgegebenes, mit dem man (!) immer schon Menschen zu manipulierbaren Massen machen konnte, also in höchstem Maße verdächtig. Die eigene Wahrnehmung von innerer Ausgeglichenheit muss dann wohl auch etwas ganz anderes sein…

Eine gewisse Portion an emotionaler Vermischung und Zwiespältigkeit scheint durchaus so etwas wie eine natürliche Gegebenheit zu sein. Was ich mir heute zutiefst ersehne, das kann mir schon morgen – sogar schon im selben Moment ebenso zutiefst zuviel sein. Was mich über alle Maßen belebt, beseelt und erfüllt, das kann mich im selben Augenblick ebenso heftig vereinsamen, erschrecken und ausbrennen. Das Gegenteil seiner selbst scheint in unserer Gefühlswelt geradezu angelegt zu sein. Inwieweit dies einen Sinn ergibt – und wenn ja, welchen – das bleibe hier zunächst einmal auch dahin gestellt.

Bevor die Reizüberflutung mit Doppelbotschaften uns endgültig propagandistisch – pardon, werbetechnisch zur Strecke bringt und wir dringend zum Apotheker unseres Arztes müssen, bleibt uns schon noch ein ziemlicher Spielraum an eigener Interpretation, den wir uns bewahren – und zu dem wir einander auch ermutigen sollten!

Ein Koffer voller Fragen – doch wer kennt die Antworten? Ist der Buddhismus womöglich überlebenstechnisch betrachtet eine geeignetere Philosophie als der Manichäismus des Christentums? Wem können wir überhaupt noch vertrauen, wo doch sogar wir selbst fortwährend hohe Wellen schlagen, somit allem Anschein nach höchst unberechenbar sind? Und – um es in den Worten der Bibel auszudrücken – ist nicht eigentlich überhaupt „alles eitel und Haschen nach dem Wind?“ Mit Peter Licht immerhin könnte man es auf einen einstweiligen, also springenden Punkt bringen: „Was du hast ist ein offenes Ende.“

Bis dahin bleibt alles ambivalent.