Flüchtiges Glück im Sonnenland

Sendung: Perlentaucher Nachtfahrt vom Freitag, 14. JuliDas Sonnenland ist das, was uns in der sommerlichen Jahreszeit begegnet. Glücksmomente jedweder Beschaffenheit: Laue Nächte, Schatten unter Bäumen, Baden am Fluss, Nacktheit in der Natur, Vogelgezwitscher, Blumen, Freunde, Wind in den Haaren, Überraschendes und Vertrauen in einer warmen Welt. Beseligende Berührungen eines leichteren Lebens, die zwar befördert werden können, aber letztendlich nicht festzuhalten sind. Am Horizont ziehen die Wolken auf, die Stimmung schlägt plötzlich um, der Abschied naht – und an die Tür unserer Fröhlichkeit klopfen Sorge und Angst. Wir sind fließend und wälzen uns durch die Landschaft. Wir sind der Fluss und nehmen vieles in uns auf. Wir sind dauernd unterwegs, doch am Ende strömen wir unaufhaltsam ins Meer.

Flüchtiges Glück im Sonnenland“Mach es wie die Sonnenuhr – zähl die heiteren Stunden nur.” Für sich genommen steckt da durchaus was wahres drin. Andererseits ergibt erst das Zusammenspiel von Licht und Schatten eine Gesamtschau aufs große Ganze. Innehalten im Glück und doch um seine Vergänglichkeit wissen, das könnte uns frei machen vom anstrengenden Wegschauen und Verdrängen. Erst wenn wir die Freude wie auch die Traurigkeit in unserem Gefühlsleben stattfinden lassen, werden wir uns zu “ganzeren” Menschen entwickeln. (Naturgemäß lässt sich “ganz” nicht steigern – gemeint ist hier allerdings das Ideal von “Ganzheit”, das wahrscheinlich nie “ganz” erreicht werden kann, das es aber nichtsdestoweniger anzustreben gilt.) Wrdlbrmpfd. Jedenfalls wollen wir auf dieser Nachtreise quer durch den Gefühlegarten die Ambivalenz der Empfindungen rund ums Glück im Sonnenland und seine gleichzeitige Unverfügbarkeit darstellen. Eine Stimmungsdramaturgie aus Gedanken, Gesprächen, Musik und Literatur

Flüchtiges Glück im SonnenlandEin gutes Abendessen gemeinsam mit lieben Menschen und wir haben das Gefühl, rundherum satt zu sein. In so einem Augenblick voll Glück und Zufriedenheit kämen wir doch nie auf den Gedanken, dass schon bald wieder Hunger, Durst und der Drang zum Stoffwechselkabinett unser Dasein dominieren könnten. Und doch ist es so. Kein halbwegs vernünftiger Mensch käme auf die Idee, den Zustand der Erfüllung nach erfolgreich gehabtem Sex dauerhaft festhalten zu wollen. Und doch gibt es eine Menge unglaublicher Trotteln, die wie hirndrogensüchtige Halbaffen mit Wahlrecht und Führerschein durch die Welt orgeln und dabei genau das versuchen: “Augenblick, verweile doch, du bist so schön.” Je mehr du im Leben einzementierst, desto weniger kannst du dich bewegen. Je mehr du zu haben versuchst, desto weniger wirst du sein. “Ich bin ein harter, viereckiger Klumpen und meine einzige Aufgabe besteht darin, auf meinem Platz zu bleiben.” So denken die humanoiden Hohlziegel der Gesellschaft.

Flüchtiges Glück im SonnenlandVieles steckt vermeintlich fest im Fluss des Lebens. Und doch birgt das bewegte Wasser in sich schon die Veränderung der Verhältnisse. Es umfließt jedes Hindernis, spiegelt das Licht – und erschließt uns (wenn wir denn mitfließen) neue Wege. Die Lebenskunst, die uns das Hiersein als Menschen abverlangt, ist nicht zu unterschätzen: Jeden Moment möglichen Glücks auszukosten, als gäbe es nichts anderes auf der Welt – und ebenso davon auszugehen, ja zu wissen, dass er höchst vergänglich ist und sogar sehr schnell wieder verwehen kann. Dies scheint zunächst eine ziemlich schwierige Aufgabe zu sein (und wer hat überhaubt gesagt, dass es leicht sein wird?), für uns ist diese Herangehensweise jedoch der Wirklichkeit am entsprechendsten. Für andere ist gerade diese Haltung (das Miteinbeziehen beider Wahrnehmungen) um jeden Preis zu vermeiden. Da stellt sich doch die Frage, wer in diesem Fall den Preis bezahlen soll. Sie selbst? Die anderen? Die Natur? Der Stoascheißer Koarl?

Memento mori, Kasperltheater!

Und einen schönen Sommer …

 

Sackgassen Sachzwänge

> Sendung: Perlentaucher Nachtfahrt vom Freitag, 13. MaiEs gibt durchaus verschiedene Arten von Sackgassen, in die wir so im Lauf unseres Lebens geraten können. Darunter sind viele, aus denen man auch recht leicht wieder heraus kommt. Und dann gibt es die spezielleren welchen, die zudem noch Einbahnstraßen ohne Umkehrmöglichkeit sind. Hat die Menschheit einen Rückwärtsgang? Von sich aus würde ja kaum jemand halbwegs Belichteter in eine solche Seinsfalle einbiegen. In eine angekündigte Ausweglosigkeit auf Nimmerwiedersehen. Doch – da sind dann noch die sogenannten Sachzwänge, die uns (warum auch immer) umtreiben: “Muss Arbeit hier, muss Essen, muss Frau, muss Kinder…” Oft erschließen sich der Sinn und die verschiedenen Bedeutungen eines Begriffs aber erst bei festerer Beutlung:

Sackgassen KonzeptKrampf“Sachzwänge? Z’weng am Sach?”, fragt etwa Uwe Dick in bayrischer Mundart – und das könnte “wegen einer Sache” bedeuten, wobei im Bayrischen “das Sach” speziell auch “Grundbesitz, Vermögen” meint. Aha, Realitäten aus dem Eigentumsbüro! Oder “z’weng” würde “zuwenig” bedeuten, dann wäre man schnell bei etwas wie “Mangel an Denkvermögen” und “Wirklichkeitsdefizit” der Realitäter*innen, die unsere Realitäten zu ihrem Nutz und Gewinn bestimmen. So hat auch der oft unterschätzte Sepp Forcher noch kurz vor seinem Ableben festgestellt: “Die Menschheit ist eine verlogene Bagage, sie ist nur gewinnorientiert.” Unter diesen Umständen ist die Angst vor dem Untergang schon berechtigt. Ein ins Unendliche wachstumsabhängiges Gewinn- und Gewaltsystem kann auf einem Planeten mit endlichen Ressourcen nicht funktionieren, ohne letztendlich seine Grundlagen (den Planeten mitsamt allem, was auf ihm lebt) vollends zu verzehren. Dann ist es zwar vorbei mit der Herrschaft der Herrschaftenaber eben auch mit uns. Und das wollen wir sicher nicht. Auch wenn wir in der Mutter aller Sackgassen stecken geblieben sind – es wohnt uns doch immer der unbändige Lebenstrieb inne.

Sackgassen Sachzwänge AlternativLosWir leben im Zwischenin einem Freiraum möglicher Perspektiven. Ungeachtet des Unvermeidlichen wie etwa der eigenen Endlichkeit obliegen wir dem Unverfügbaren, das sich noch jedem Versuch seiner Verwertung, sogar jeder Kontrolle, Zweckwidmung, Definition – und jedem Besitzanspruch erfolgreich entzogen hat, seiner Natur gemäß. Nichts würde die Leistungsdreher der Geschnellschaft geiler machen, als noch den letzten Rest Resonanz ihrer Kostenpflicht zu unterwerfen. Hier enden ihre Macht und ihre Möglichkeiten. Hier explodiert das freie Leben uneingeschränkt vor sich hin und kümmert sich einen Dreck darum, was ihr als Erfolg bezeichnet. Ich bin auf diese Welt gekommen, um zu sein – und nicht, um jeden Überlebenskampf zu einem Businessmodell zu machen. Mein SchwerkrampfEine Ausgebrut. Schiebts euch den ganzen Plempelkrempel von Gottes Gnaden in den Sonntagsstaat! Kein Weltkrieg (“Wenn ich nicht die ganze Welt krieg!”) kann unsere Liebe je zergrunzen.

Unvermeidlich Fatales FinaleEure künstliche Ewigkeit aus Algorithmen und Kampfdrohnen versagt im Zwischen. Im Zwischen ist das, was uns allen fehlt. Kein Kauf, kein Rausch und auch keine Zugehörigkeit zu irgendwas kann diese Lücke füllen. Und genau so soll das auch sein. Der synaptische Spalt funktioniert nur dadurch, dass er einer ist. Zwischen eben, Raum für Resonanz, Freie Zone für Verständigung und Verknüpfung. Für die Verdichtung dessen, was aus dem Leben selbst entsteht – nicht aus den Absichten der Menschenteighersteller. Wir sind der Germ. Wir bewirken appetitliche Gestalt. Backe, backe – ohne unsere Zutat nichts als Gatschfladen und Fladengatsch ringsumadum. Meinungsvielflat und “Flood the zone with shit!” Hier hört der Spaß auf, Kasperl. Dieser verräterische Satz passt doch perfekt in unser Beutelschema. Seit wasweißich wird jetzt zurück gebeutelt! Denken wir probiotisch und drehen wir den Spaß einfach um: “Flood the shit with zone!” Überall dort, wo Resonanz geschieht und sich das Unverfügbare ereignet, kann kein wie auch immer gearteter Bullshit auf Dauer den Dialog verstopfen. Zwiesprache im Zwischen, Dialog mit dem Leben, auch ganz ohne Worte, senden, empfangen

Gedenken wir der wahren Menschenfreunde!

 

Das Kind in der Suppe

Sendung: Perlentaucher Nachtfahrt vom Freitag, 14. Januar – Jeder Betrachtung des Abgründigen wohnt ein Lebendigsein inne – immerhin spürt man, wie es einem da die Nackenhaare aufstellt. Und so ist die Beschäftigung mit dem Unheimlichen immer auch ein Fest des Lebens – sofern man nicht darin untergeht. Also nicht im Anstarren des Abgrunds verharren (der ja mit der Zeit zurück starrt, wie Nietzsche zu berichten weiß), sondern selbst wissen, dass man etwas empfindet, wenn man sich erschreckt. Dabei wie ein Kind einerseits in diesen Gefühlen versinken, zugleich andererseits im Vollbesitz der eigenen Phantasie das Unerträgliche inwendig umgestalten. Die lange Tradition künstlerischen Umgangs mit dem Morbiden zeugt von dieser Möglichkeit, das Unerträgliche in und um uns zu verbearbeiten – und lädt immer wieder dazu ein.

Mit Kind und KegelMit Kind und Kegel reist Familie Lemming nach St. Nimmerlein am See. Wir sitzen in der ersten Reihe und schauen zu. Von wem ist dieses Stück? Oder ist es gar ein Ganzes? Bald sind wir Menschen unter den Wiesen. Und werden Wiesen, und werden Wald. Liebe Abendlandler, das mit dem Landaufenthalt kann ja heiter werden. Almdudler akbar et cum spiritu tuo. Wo hängen jetzt die Jäger? Im Backheldensalat… Gerade die österreichische Dichtkunst ist reich an Bildern des Verfalls, wie sich an den Liedern und Gedichten von Ernst Jandl, H. C. Artmann, Helmut Qualtinger oder Georg Kreisler feststellen lässt. Dass uns diesen Umstand ausgerechnet ein Stiller Has aus der Schweiz wieder ins Gedächtnis befördert! Endo Anaconda hat allerdings (als Halbösterreicher und Wahlschweizer) die nötige Nähe und eben auch Distanz zum Objekt seiner Betrachtungsowie das Werk der Obgenannten verinnerlicht:

Das Kind in der Suppeösterreich, i steh auf di
es muss ja nicht unbedingt salzburg sein
dafür lieb ich den alten kaiser
den kreisky selig und den georg kreisler

österreich, hoch sollst du leben
du hast a rabenschwarze seel
und a feuerrotes herz
und an stinkerten pelz

So heißt es in seinem Lied “Österreich” aus dem Album “Stelzen”, dessen Texte insgesamt eine lebenslange Zweiseelenheimat erkennen lassen. Überhaupt scheint uns da ein Zusammenhang zu bestehen zwischen dem Schrecklichen und dem Schönen, ein Zusammenhang, dem speziell im Leiden fühlende Kunstschaffende Ausdruck verleihen. An dieser Stelle wollen wir wieder zwei verstorbene Salzburger Schriftstellerinnen “ins Leben denken”, deren Werk für die heimische Künstlerwelt wesentlich warund bleibt: Christine Haidegger und ihre Tochter Meta Merz, deren Text “Das Kind in der Suppe” schon zu zahlreichen Interpretationen inspirierte und der sich auch auf geradezu wundersame Weise als Titel dieser Sendung empfahl…

Das weiß doch jedes KindUnd was für eine dichte Metapher, die sprichwörtlich Welten über Welten hervorbringt! Hätte der alte Herr Adenauer nicht das Kind mit dem Bad ausschütten sollen, als sich herausstellte, dass nur noch nazibraunes Wasser in der Wanne war? Oder war da das Kind längst in den Brunnen gefallen? Wenn ja, in welchen? Und welches Kind? Da wird doch der Hund in der Pfanne verrückt! Hauptsache, das Prinzip Herrschaft bleibt erhalten. Dachte sich wohl der alte Herr. “Es ist schon in Ordnung, dass jemand regiert.” Dazu braucht es eben Beamte. Und Angst. Wir basteln uns eine Republik, die kann dann heißen, wie sie will. Der jeweilige Oberhops ist immer nackt, das weiß doch jedes Kind. Nur sagen traut sich das kaum je eins. Androhung des Ausschlusses aus der Volksgesundheit. Und Angst. Und kusch! Großjuchu ist das schönste Land auf der Welt und wir sind alle furchtbar stolz, irgendwas zu sein.

kumm schweinderl kumm
darfst noch a bisserl grunzen
weil morgen kommt der fleischhacker
und dann gibts kraut und blunzen

Stiller Has

 

Die wahren Adventeuer

Perlentaucher Nachtfahrt am Freitag, 10. Dezember von 22:06 bis 02:00 Uhr – in zwei Teilen hier als Podcast Erster Teil sowie Podcast Zweiter Teil gut zu hören.

Adventszeit oder “Leckdown, heuer wird das Leben teuer.” Genau so wie übrigens schon im letzten Jahr. “Und wenn du lange in einen Abgrund blickst, blickt der Abgrund auch in dich hinein.” Aber ja. Als besäßen wir alle eine magische Fernbedienung, mit der sich das allzu Abgründige elegant ausblenden ließe. Wie? Die allermeisten der knapp 8 Milliarden Debilen verhalten sich genau so? Wo ist eigentlich der Regisseur, wenn man ihn einmal wirklich braucht? Jetzt sind wir also wieder einmal in uns hinein gezwungen und ringen in uns mit der Ohnmacht. Was ist überhaupt so ein Abgrund? Und wenn ja, wie viele? Egal. “Die wahren Adventeuer sind im Kopf. Und sind sie nicht im Kopf, dann sind sie nirgendwo.” Same procedure as every year, Miss Sophie …

Die wahren Adventeuer sind im Kopf “Ein Loch ist im Eimer, dear James …” The whole hole is – ein einziger Abgrund. Ein bodenloser dazu. Der Mensch ist eben ein Säugetier, und solange es noch irgendwo Milch gibt, wird er gewiss nicht aufhören. Da kann rundum Pandemie sein was will. Die sprechenden Kaufhauspuppen und Stimmungsautomaten, die sich “unsere Politiker” nennen, werden weiter planlos von einer Zukunft faseln, die schon längst ausverkauft ist. Gute Nacht – nicht nur in Österreich! Grüßgott, abgrundtiefes Loch, womit sollen wir dich stopfen? Das Moor hat seine Schuldigkeit getan und wir sind schon verschluckt. Der Treibsand rülpst und Salzburg gurgelt. Sogar die ewige Festspielpräsidentin geht. An der Stelle, wo das Abendland untergegangen ist, breitet sich eine dicke Fettschicht aus und stinkt. Bedenke, o Nackerbatz, dass du sterblich bist – dagegen lässt sich nicht ankaufen. Selig die Unwissenden, denn sie werden überrascht sein. Es gibt keinen Kaiser, der nicht nackt ist. Es gibt keine neuen Kleider, die das verschleiern könnten. Auch nicht auf Ebay. Und schon gar nicht im dahergelogenen Wunderlampenland für uns alle.

Die wahren Adventeuer sind im KopfDie Kunst, sich im Kopf eine Welt vorzustellen, die anders wäre als die mit Bosheit und Schwachsinn gepflasterte “unserer” herrschenden Realitäter*innen – das ist wahrlich ein Adventabenteuer. Die Welt, wie sie uns jahrein, jahraus alltäglich als alternativlos aufgezwängt wird zum Nutzen der Geldwechsler und Händler, gründlich auf den Kopf zu stellen, eine gänzlich neue Sicht auf die von irgendwo “da oben” herab verfügten Verhältnisse zu eröffnendas bringt Nährwert für die bedrückten Seelen. Nicht “Kunst” als hochglanzbejubelter Hochleistungssport. Nicht fälschlicher- und verschlagenerweise als “Kunst” bezeichnetes Wetthupfen im Geldgnadensack von Staat und Sponsohren. Kunst als Möglichkeitsform. Kunnst mit zwei N. “Kunnst dir a ganz a andere Welt vorstellen?” Und nicht “Eine Vorstellung besuchen – falls du dir das leisten kunnst.” To be or not to be – that is the Quetschen! The Zerquetschen von Menschen zwischen den Mühlsteinen der Geldgewalt. Ja sind wir ein Getreide?

Die wahren Adventeuer sind im KopfManches Korn entbrennt im Zorn. Und das zu Recht. Da möchte man manchmal durchaus die gute Stube der bürgerlichen Weltordnung, die uns die ganze Hoch- und Unkultur bescheret hat, pünktlich zum Fest der Liebe und des Friedens (was für eine Inszenierung) verbrennen. Wie gut, dass ich ein Künstler bin! Sonst könnte ich mich ja gar nicht mehr von und zwischen Wille und Vorstellung unterscheiden. Oder sind wir schon jenseits von Gut und Böse? Heilige Nacht, o Tannenbaum, Fragmentarium im Schleudergang postmoderner Beliebigkeit. Abendland ist abgebrannt – und Geld wird von Banken durch Bilanzverlängerung “geschöpft”. Soviel zur Schöpfungsgeschichte. Doch halt – war da nicht noch was? Da dahinter, da jenseits von jedem und unter allem hinaus? Heißt das nicht immer noch Herbergsuche? Viele scheinen stattdessen auf Herbertsuche zu sein. Es wird also erwogen, ein Beherbertungsverbot zu erlassen. Es wird scho glei dumper …

Die wahren Adventeuer sind im KopfAdventsingen 2021: “Wer klopfet an?” – “Schleich di, du Oaschloch!” Oder anders gesagt: “Wir haben vor lauter hektischem Stillstand keine Zeit für Fragen nach einem vielleicht dahinter liegenden Sinn. Also nimm dein Bett oder was du sonst noch dabei hast – und geh!” Liebes Publikum, so leicht kommt ihr uns nicht davumm. No one gets out alive. “Die wahren Adventeuer sind im Kopf – und sind sie nicht im Kopf, dann sind sie nirgendwo.” Das ist gar nicht so schrecklich. Nirgendwo kann ein sehr schöner Ort sein. Nicht verzagen – überstehn! Auch das Lied geht noch weiter: “Die wahren Adventeuer sind im Kopf, in euren Köpfen, und sind sie nicht in euren Köpfen, dann SUCHET SIE!” Und überhaupt: “Die Wirklichkeit, die Wirklichkeit, trägt wirklich ein Forellenkleid, und dreht sich stumm, und dreht sich stumm, nach anderen Wirklichkeiten um.” Dank an André Hellerfür diese Inspiration. Die begleitet uns seit Jahren durch jedes Artarium – seit dem ursprünglichen Trailer eins null neun.

Bleibts gsund!

 

Konform Konsum Kulturkollaps

> Sendung: Perlentaucher Nachtfahrt vom Freitag, 10. SeptemberEs sind finstere Zeiten, in denen wir leben. Fragen die gestellt, Geschichten, die erzählt, und Erkenntnisse, die gewonnen werden, bleiben allesamt ohne Auswirkung auf den Lauf der Welt. Geschichte wird von irgendwelchen Siegern gemacht, die sich nicht mehr hinterfragen lassen, inwieweit ihre Machtausübung dem Gemeinwohl schadet oder nützt. Die Banalität des Bösen grinst uns schadenfroh ins Gesicht und jeder Versuch zu verstehen zerschellt an einer Wand aus sprachloser Bürokratie. Dahinter treiben die Sachzwänger und Zweckwidmer ihr grausames Spiel. Der totale Krieg gegen das Menschliche endet zwangsläufig im Untergang des Lebens an sich. Der Kulturkollaps, den wir da erfahren, der ist genauso weltumspannend wie die Zerstörung der Natur.

KonformDas trübt die Stimmung, Freunde und *innen – und verfinstert das Gemüt. Wollen wir denn nicht alle immer nur fröhlich, vergnügt, “gut drauf” – und vor allem von allem Unbill der Welt “in Ruhe gelassen” sein? Schön wärs! Die Diktatur der guten Laune ist immer und überall. Und der quietschbunt penetrante Konsumterror. Public Relations auf allen nur erdenklichen Kanälen – als “Propaganda” kennt man das diesbezügliche Grundlagenwerk von Edward Bernays, die darin erklärten Techniken wurden nur umbenannt, weil sich ein gewisser Joseph Goebbels so schamlos beim Neffen von Sigmund Freud bedient hatte. Wär ja sonst peinlich. Pfuigack, Zipferl sagt man nicht! Millionen Menschen verhungern lassen – das ist was ganz anderes. Lebt der Jean Ziegler eigentlich noch? Wir leben jedenfalls in einer geschlossenen Anstalt für Realitätsflüchtlinge, allerdings regiert und verwaltet von den eigentlichen Soziopathen. Während sie das Haus anzünden, singen wir ein fröhliches Lied. Juhu!

KonsumKonkret verstimmt sind wir auch über den allzu schnellen Tod von Elke Mader, die uns und unsere Projekte stets freundschaftlich begleitet hat. Scheißtod! Trauer mischt sich da mit Wut. Unser Blick in den Abgrund wird zunehmend deutlicher. Ob es der Abgrund ist, der zuletzt zurück blickt? Wir werden sehen… Und wir sind doch bedürftig nach einem Wort des Trostes. Was würde Leonard Cohen jetzt sagen?

You can add up the parts
But you won’t have the sum
You can strike up the march
There is no drum
Every heart, every heart
To love will come
But like a refugee

KulturkollapsIst es also längst nicht mehr kurz vor Zwölf auf der Doomsday-Clock des Atomzeitalters? Ist es vielleicht viertel nach Sieben – und zwar am nächsten Morgen? Sind wir jetzt alle tot? Haben wir es nicht mitgekriegt? Konsumismus, Kulturkollaps und Klimawandel – sind wir schon über den “Point of No Return” hinaus? Die Gegenwart stinkt gewaltig nach No Future. Die derzeitige Situation bietet kaum noch Perspektiven für eine friedliche und gerechte Welt. Eher für einen lang anhaltenden Abgang. Aberwas wäre gerade jetzt so richtig prophetisch? Was würde eine nächste Generation der verwirrten Menschheit zurufen – wenn die Möglichkeit einer Antwort besteht? “Hört endlich auf, euren Gewinn als höchsten Wert für alle anzusehen! Hört endlich auf, die ganze Welt zu eurem Glauben zwangsbekehren zu wollen! Hört endlich damit auf, im Recht zu sein, indem ihr alles Abweichende zerstört! Sonst gehen wir ALLE unter!

Die Lage ist hoffnungslos, aber nicht ernst

 

Out of the Light into the Dark

> Sendung: Perlentaucher Nachtfahrt vom Freitag, 9. Oktober“Dekadenz ist ästhetischer Widerstand um den Untergang zu ertragen.” Dieser schöne Satz stammt aus einem dokumentarischen Zweiteiler, der zur Zeit in der ARTE-Mediathek wütet. Darin kommt die Ambivalenz von Dekadenz (im allgemeinen Verständnis) elegant zum Ausdruck: Einerseits die Suche nach Schönheit (speziell im Verfallen) sowie die Lust am Ergründen des Abgrunds, andrerseits die moralische Empörung über den drohenden Untergang sowie der kreative Widerstand gegen dessen Verursacher. Rückblickend haben wir uns ja schon des öfteren mit derlei “tiefgründigen Themen” beschäftigt, was läge also näher, als zwischen Herbstbeginn und Zeitumstellung der “Düsterkeit des Zwielichts” zu obliegen. Es wird finster – ist das nicht auch schön?

Dark in the LightVom Herrn Hölzel vulgo Falco, dem internationalen Erfolgsösterreicher mit dem tragischen Abgang, gibt es den Song “Out of the Dark into the Light”, dessen Hoffnungskonzept angesichts der uns bevorstehenden Untergänge doch etwas abgegriffen wirkt. Auferstehung Reloaded und Phoenix im Kontext des Abgangs des Abendlands… So ging ich auf die Suche nach dessen Umkehrung und fand nach geraumer Odyssee tatsächlich ein Musikstück namens “Out of the Light into the Dark”, komponiert von Michiel de Groot für das Online-Game-Universum von “The Elder Scrolls”. Und so ward der Inspiration für einen zur dämmrigen Jahreszeit passenden Sendungstitel füglich Genüge getan. Lasset uns schwelgen in der Schönheit des untergehenden Lebens! Zu keiner Zeit ist das Licht intensiver als im Herbst, wo es doch von Tag zu Tag weniger wird. Zu keiner Zeit dringt das Leben stärker ins Bewusstsein als im Angesicht des Todes. Da ist auf einmal alles nichtig und lächerlich, so wie Thomas Bernhard das beschrieben hat, und zwar wirklich alles, was uns zuvor noch wichtig, übermächtig und unentrinnbar erschienen ist. Mein Herz schlägt mich innerlich tot

Blackberry by XöEin kraftvolles Kunstwerk zum Thema Licht und Finsternis, hier von Helmut Xö nachbearbeitet. Versucht einmal, den Schriftzug unter der Schwarzbeere (ja, da ist einer) zu entziffern. Wo hört Licht auf? Wo fängt Schwarz an? Dark Colours sind eben auch Farben – oder doch nicht? Das Spiel mit dem Dunkeltum löst dessen schwer zu bestimmende Grenzen scheinbar auf und befördert uns dadurch in die Dimension, die es nicht gibt – oder eben doch. Mein Leben ist ein tägliches Duell mit dem Gegenteil. Und es steht nach wie vor unentschieden. Der Herr Hase radelte heut sprichwörtlich durch die Vorstadt im Fön und nahm dabei einen sehr speziellen Geruch wahr, den er nicht benennen konnte. Irgendwie süßlich jedenfalls, und da fiel mir “es riecht nach Rattenchor” ein. Das legendäre Motiv von Georg Trakl, zu dem wir vor fünf Jahren ein ganzes Artarium gestaltet haben! Dieser Dichter der Dekadenz des Fin de Siècle ist wie kein anderer berufen, auch düsterer Stimmung glühende Sprache zu verleihen.

Light in the DarkDas “im Zwischen leben” und sich nicht für irgend eine der zwei oder mehr Seiten zu entscheiden, das “zwischen den Stühlen sitzen”, sitzen bleiben und die Spannung der Ambivalenz aushalten, das ist auch eine Möglichkeitsform, egal was uns die Schwarzweißmaler ins Schachterl scheißen. Ich entziehe mich der vorgesetzten Zweiheit des Entwederoder und erweitere sie hiermit ins Entoderweder oder ins Goisern’sche Entwederundoder. Multiple Choice is no choice at all – ist Multiple Scheiß! Niemand muss sich “fürs Leben entscheiden”, um zur Welt zu kommen. Es ist eine sexuell übertragbare Tröpcheninfektion, die ausnahmslos tödlich verläuft. Und zugleich ist darin immer auch die Anfrage an einen selbst enthalten, es anzunehmen, es zu bejahen, damit einverstanden zu sein. Zelebrieren wir die Schönheit des fast unmerklichen Übergangs, des gleichzeitigen Vorhandenseins von Leben und Tod, des Ineinanderfließens von Vergangenheit und Zukunft, in der Gegenwart, die keine Zeit ist – und also auch nicht dauert. Flüchtige Anwesenheit inbetween! Die “Besitzer” der erfundenen Dauerhaftigkeit seien dahingehend gewarnt: Nobody lives forever

 

Im Weltkrankenhaus

>>> Sendung: Perlentaucher Nachtfahrt vom Freitag, 11. September – Woran krankt die Welt? Versuch aus einer Stadt, die von allerlei Symptomen des “Großen Welttheaters” gezeichnet ist – und in deren Schauspielgeschichte es von Allegorien nur so wimmelt: Mammon, Glaube, Tod – geschenkt. Frau Welt hat das Coronavirus, nebst Hitzewallungen, Mundtrockenheit und Wasser, wos nicht hingehört. Ist diese Klimakrise ein ernstes Anzeichen für das Klimakterium der Menschheit (Die letzten Tage Reloaded) oder für eine schleichende Vergiftung durch die Weltwirtschaft? In unserem Weltkrankenhaus versammeln sich die besten Diagnostiker (von Dr. House bis Dr. Manson), um nichts Geringeres zu vollbringen, als die Welt zu retten. Und um zu erörtern, inwieweit das überhaupt (noch) möglich ist. Sonst – schlägts Dreizehn!

Dr. Hund & Dr. Hase im Weltkrankenhaus “Grüß Gott, ich bin der Arzt. Und sssippe sssappe!” Lachen soll ja gesund sein, vor allem wenns ernst wird. Dr. Hund und Dr. Hase sind stellvertretend überfordert mit dem Ernst der Situation. Was? Die Welt geht unter? Da müssen wir schnell den Müll trennen, Biofleisch kaufen und mehr Elektroautos produzieren! Treffen sich zwei Planeten. Sagt der eine: “Du, ich hab Menschen.” Sagt der andere: “Mach dir keine Sorgen, das geht auch wieder vorbei.” Unlängst hab ich den Film “Das Kapital im 21. Jahrhundert” gesehen, in dem Dr. Paul Piff sein “Monopoly-Experiment” erläutert. Dabei stellt sich heraus, dass Menschen, die durch den Zufall eines Münzwurfs reich werden und gewinnen, diesen Umstand schon bald als eigenen Verdienst durch eigene Leistung ansehen und sich ihren (durch Zufall armen) Mitspielern gegenüber zunehmend rücksichtslos verhalten. Dr. Harald Lesch zeigt uns hier das Experiment in deutscher Sprache…

Dr. Helnwein & Dr. Manson im WeltkrankenhausWie krank muss eine Welt sein, dass sie solche Symptome hervorbringt, wie sie unter anderem von Dr. Helnwein und Dr. Manson dargestellt werden. Eine “bessere Gesellschaft”, die sich für (grundlos!) auserwählt hält, bringt alles um, was nicht in ihre Wahnvorstellung von Recht und Ordnung passt. Das Weltkrankenhaus in guter Absicht kommt jetzt unweigerlich an die Kapazitätsgrenze des Fassbaren: “The Punk-Rocker deserved to die – because he looked the way he did.” So kommentiert Marilyn Manson die Ermordung von Brian Deneke. Machen wir uns nichts vor, dieser “Einzelfall” (es sind deren unzählige) ist auch nur ein einzelnes Symptom einer bösartigen Krankheit. Aber welche kann das sein? Kapitalismus? Fernsehwerbung? Glaubensplemplem? Oder ist es gar das Zusammenwirken all dieser – und noch anderer, bislang unerkannter Seuchen? Wir hatten doch so schöne Hoffnungen und Träume (High Hopes) und dann kommt Dr. Ariadne von Schirach und diagnostiziert uns “Die psychothische Gesellschaft”, eine systemische Erkrankung, die das Überleben der Menschheit in Frage stellt

Dr. House im WeltkrankenhausAllerdings lautet der Untertitel ihrer als Buch erschienenen Diagnose auch “Wie wir Angst und Ohnmacht überwinden.” Das legt immerhin die Hoffnung nahe, dass es Hoffnung gibt. Und die hegen ja auch wir bis zuletzt, sonst würden wir hier nicht mehr hörbar in Erscheinung treten. Und im Weltkrankenhaus Doktor spielen mit der Frage: “Was ist los mit dieser Menschheit, dass ringsum zunehmend der Wahnsinn regiert?” Ich hätte da noch eine Diagnose, die alle bisherigen Symptome erklären könnte: Die Welt leidet nicht einfach nur an Menschheit, sondern an deren Erwachsenensyndrom. Nicht das Heranwachsen, die Geschlechtsreife oder die Fertigkeiten der Lebensgestaltungnein, das nachträgliche Abwerten der eigenen Kindheit im (falschen) Bewusstsein, etwas geleistet und “es geschafft” zu haben, wodurch man auch glaubt, ein Recht auf Macht über andere zu besitzen – just wie im erwähnten Monopoly-Experiment

Für diese Erkrankung suchen wir derzeit noch nach einer geeigneten Therapie.

 

Osterhasen Quarantäne

> Sendung: Perlentaucher Nachtfahrt vom Freitag, 10. April Willkommen zu unserem Quarantäne-Workshop aus den Außenstudios des Ausnahmezustands. Wir lernen dabei heute, wie sich ein aus spontan-assoziativer Live-Begegnung und atmosphärisch verdichtetem Zusammensein erwachsenes Sendungsformat “von zuhause aus” produzieren lässt, und zwar ob wir wollen oder nicht. Denn die auch in der Radiofabrik geltenden Corona-Richtlinien verunmöglichen uns den Gebrauch des gewohnten Sendestudios – und so stehen wir vor einer eigentlich unlösbaren Aufgabe, nämlich die Sendung schon “im voraus” herzustellen und dabei dennoch einiges an Überraschung und dialogischen Live-Elementen einzubeziehen. Was sagt der Hund? “Eine Live-Sendung vorproduzierendes geht überhaupt ned.

Osterhasen Quarantäne MusikDabei soll die “musikliterarische Gefühlsweltreise” ihren unteren Titeln getreu auch in der heutigen Form “mit tiefgründigen Themen” zugange sein. Eine bloße Reflexion zur aktuell herrschenden Pandemie wäre uns aber zu langweilig, zumal wir erst unlängst im Artarium “Die Büchse der Corona” aufgemacht haben. Weltweite Virenkrise – das könnte einigen Globalsoziopathen allerdings gerade recht kommen, weils doch so schön ablenkt von all den hässlichen Nebenwirkungen der internationaler Konzernokratie und ihrer grenzenlosen Gier, wie etwa Lohnsklaverei, Massenverelendung und Umweltzerstörung. Alles geht so weiter wie bisher – und jedweder Widerstand wird durch Ausgehverbote im Keim erstickt. Irgendwie legt sich die derzeitige Zwangslage auch wie eine schleichende Krankheit auf Geist und Seele. Wer verbreitet das Virus? Richtig, die Wirtschaft. Bitte merkts euch das amal!

Osterhase in Quarantäneman greift schnell zur resignation
man greift schnell zu schuld und verleumdung
man greift schnell zu panik und furcht
man greift schnell zur illusionierung

man geht schnell durch gassen und märkte
man geht schnell zurück in sein haus
man geht schnell vorbei an den alten
man geht schnell zur arbeit und dankt

man glaubt schnell all den idioten
man glaubt schnell den fakten und zahlen
man glaubt schnell den falschen versprechen
man glaubt dem geld schnell und seinen vasallen

Auszug aus “zyklus viral” von Christopher Schmall. Dem ist nicht viel hinzu zu … außer vielleicht die Musikauswahl betreffend. Denn kaum richten wir den Blick ins Innere der Gefahrenzone, also in die Gefühlswelt der Gefährdeten, schon scheint das Bedürfnis nach Krachbumm und Intensität zuzunehmen, in jeder Quarantäne ziemlich genau dem Unvermögen des Draußenauslebens entsprechend.

Osterhasen Quarantäne im KopfUnd so soll dieser Versuch, das Unmögliche zu ermöglichen, ein weiteres Fragment werden – in den Versuchen vieler, der Isolation, der Angst und dem Wahnsinn kreativen Lebensmut abzuringen. Auch wenn wir dafür unseren gesamten, längst eingespielten Produktionsprozess über den Haufen werfen und quasi neu entwickeln müssen, die bloße Vorstellung, in diesem Monat keine neue Schöpfung zu gestalten war noch viel mühsamer. Auch wenn all dieses digitale “Verbundensein” weit entfernt von “The Real Thing”, nämlich “Life is Live” ist, auch von Krisen und Katastrophen (und von der Regierung, wäh!) aufgezwängte Grenzen sind dazu da, überwunden zu werden. Aus unserer häuslichen Abgeschiedenheit in eure Einsiedelei, Quarantäne, Verunsicherung gesendet, allerbeste Hasengrüße des Überdauerns, Überstehens und Überwindens, die etwas andere Collage aus Liebe, Poesie und Widerstand: Bleibts am Leben!

Die Landschaftsfotos verdanken wir der Musikgruppe Hasenbar

 

Bombast Kontrast

> Sendung: Perlentaucher Nachtfahrt vom Freitag, 10. JanuarBombast, Opulenz, Cinemascope! Wir senden die Neujahrsandacht des Hundepräsidenten aus dem etwas anderen Hasenbiotop zu Salzburg – und wünschen viel Verglühen. Thema unserer textmusikalischen Rundumverdichtung ist das Reichhaltige, das Unerwartete und das Vielschichtige. Ein zeitloser Spazierflug durch Gegenwart und Vergangenheit von Kunst und Kultur. Die Zukunft dazu ist jeglichenkopfs wie immer selbst zu erfahren, dem entsprechend, was sich darin daraus so entwickelt. Wir stellen ein zwirbeliges Geflecht aus Klangraum und Sprachzeit zur Verfügung und laden zu dessen Bereisung ein. Querassoziative Empfindungen, urplötzlich hervorquellende Bilderfluten oder einfach nur weltumspannende Einsichten

Ronnie Urini OpulenzAlles ist möglich! Kunst geschieht eben immer “im Kopf” derer, die sich ihr hingeben. Und dann ereignet sich Kunnst im Sinn von “könntest” im Leben derer, die sich das zu tun trauen. Wie bei diesem Herrn hier, der uns einstmals in Gestalt von Ronnie Urini & Die letzten Poeten mit den untergründigsten Textvertonungen erfreut hat, zum Beispiel mit H.C. Artmann “1001 Nacht”. “Seine unergründliche Opulenz” möchte man sagen. Bombast und Cinemascope sind da im Lebenswerk Programm. Und Robert Fripp (zu dem wir auch noch kommen werden) spielt auf diesem Stück das Mellotron – auch kein ganz kleines Gulasch. Was uns sogleich wieder zur Menschheizgeschichte an sich führt. Oder zu dem, was wir ja längst als “Quotentrotteltum” identifizieren. Ein System, das durch und durch “dem Erfolg” als “möglichst immer noch mehr Geld herauspressen” gewidmet ist, zerstört seiner Natur gemäß alles Individuelle und Nichtangepasste, also jedwede Regung des menschlichen Geistes jenseits des funktionsoptimierten Durchschnitts. Poeten, Propheten und andere Visionäre werden dadurch eiskalt ausgemerzt: “Das ist lustig und das ist schön – das ist das Zugrundegehen.”

King Crimson BombastDennoch stolperte ich beim Hupfen unlängst über ein bemerkenswertes Videoding aus der neueren Neuzeit: King Crimson – Starless (2016) ist nun wirklich Bombast in Reinkultur. Doch gar keine deppert zuckende Lasershow, dass es dir die Augen raushaut vor Schreck. Und schon gar nicht 100 synchronhampelde Duracelltrottel, dass du dich grad anspeibst vor lauter Üblichkeit und Bühnenshow. Nein, ernste Musik mit DREI Schlagzeugern, in einer hoch komplexen Verdichtung zu Gespür gebracht, dass dir nicht vom Scheinweltbeplempern schwindlig wird, sondern vom Inhalt. Es gibt noch Hoffnung! Doch seien wir uns ehrlich – etwas anderes hätten wir uns von Robert Fripp (da ist er also wieder) nicht erwartet. Und auch nicht von Tony Levin, der uns über die Jahre seiner Zusammenarbeit mit Peter Gabriel heftig ans Herz gewachsen ist. Das Stück “Here comes the Flood“ vereint die drei auf Gabriels erstem Soloalbum (Car 1978), dem der Meister im nachhinein auch schon einmal “zuu viel Bombast” bescheinigte.

Waluliso KontrastWollen wir uns zuletzt noch einer Verkörperung des “Wiener Originals” zuwenden, an dem sich die vollendete Perversion dessen, was “allgemein” als bedeutend, relevant oder wichtig angesehen wird, vornehm verdeutlichen lässt. Wer oder was war jener Waluliso wirklich, der oft als Friedens- und Umweltaktivist, als spinnerter Nudistenfreak, als nicht ganz dichter Selbstdarsteller oder was auch immer beschrieben wurde? Nach dem eine Brücke über die Neue Donau benannt ist und dem die Stadt Wien ein Ehrengrab am Zentralfriedhof gewidmet hat? Was wissen wir über die Innenwelt des öffentlichen Außenseiters? Und warum wird dieser zutiefst eigensinnige und im schönsten Sinn eigenArtige, sich selbst zum Kunstwerk machende Elementarmensch posthum derart gewürdigt? Weil man ihn so halt gut vereinnahmen und dadurch auch vermarkten kann. Ernst genommen hat seine Aussagen zeitlebens kein Politiker, kein Unternehmer, kein Medienkasperl. Die waren alle viel zu sehr mit der Aufblähung ihrer eigenen Wichtigkeit befasst. Einzig die Band Blümchen Blau hat ihm ein akustisches Denkmal gesetzt – mit einigen seiner eigenen Botschaften.

Fazit? Die herrschende “Ordnung” ist vollkommen verkehrtherum. Ich schließe meine heurige Andacht nun mit dem angeblichen Zitat eines jüdischen Wanderpredigers:

“Die Letzten sollen die Ersten sein.”

 

Grenzenlos Guter Geschmack

> Sendung: Perlentaucher Nachtfahrt vom Freitag, 8. November – Liebe Gemeinde, der Denk-, Fest- und Trauertage sind allerlei, speziell zur aktuellen Jahreszeit. Und dann auch noch die Zeitumstellung, ein Turbolader für jegliche Herbstdepression. Man spürt das nahende Ende aller blühenden Landschaftenund man ist verstimmt. Zwischen Hurrafeier- und Volkstrauertag wird des “Falls” der Berliner Mauer gedacht, die Reformation ist an sich selbst gescheitert – und Allerheiligen kann man auch als griechischen Vornamen übersetzen. “Über den Wolken muss die Freiheit wohl grenzenlos sein.” In den letzten hellen und warmen Spätsommertagen sehnen wir uns nach etwas Wohlschmeckendem, das wir auf unserer langen Reise durch die Winternacht als Verpflegung mitnehmen können.

Grenzenlos Guter Geschmack - MusikAuf persönlicher Ebene habe der Mensch eine einzige Aufgabe, so sagte ein Freund einmal, nämlich sich in allen Dingen einen ganz und gar eigenen Geschmack zu bilden. Das sei so einfach, meinte er, wie etwa beim Essen oder beim Sex, und ließe sich in folgenden Worten ausdrücken: “Mmm, das mag ich!” sowie “Wääh, das mag ich nicht!” Alles, was einen Menschen davon abbringe, so sagte er weiter, diese Geschmacksbildung ungestört auszuüben, sei ein Angriff auf die Entwicklung einer individuellen Kultur und somit ein Verbrechen. Man müsse sich nur fragen, wer jeweils den größten Nutzen daraus ziehe und schon könne man die Verbrecher identifizieren. Derlei apodiktische Anschauungen in bester Bernhard’scher Denktradition waren das Fundament unserer Freundschaft. Und sie haben sich über Jahrzehnte bewährt und bewahrheitet. Schauen wir uns doch um im Matsch der Masse, da torkeln lauter von immer noch mehr Ablenkung zerplemperte Hordiot*innen voll gestört vor sich hin.

Grenzenlos Guter Geschmack - BuchcoverDie Ausbildung eines eigenen Geschmacks würde sich auch in den Musikvorlieben eines Menschen wiederspiegeln. Oder darin, was er gern isst. Und vor allem darin, WIE er seine Sexualität ausübt. Nur, dass von Letzterem nur die Wenigsten etwas mitbekommen (was vielleicht gar nicht so verkehrt ist). Schau dir einmal drei Pornos an. Und dann vergegenwärtige dir, wie “der Sexualakt” von der Mehrheit der Durchschnittchen “vollstreckt” wird. Wenn du die beiden Bilder, die dabei entstehen, übereinander legst, scheinen sie zunächst höchst unterschiedlich zu sein. Doch hinter diesem ersten Eindruck verbindet sie etwas Erschreckendes: Die im Kopf entstehende Vorstellung davon, was wie zu tun sei. Was normal, was richtig und allgemein üblich sei – und wie man daher (sogar im Intimsten) zu leben habe. Nächste Ebene: nur ein kleiner Schritt zu Evangelisation, Produktwerbung und Wahlkampfdideldei. So entstanden im Zusammenspiel mit besagtem Freund noch weitere Kopfszenarien, wie etwa der Ausruf: “Schleichts eich aus meiner Unterwäsch!” zu jeder Belästigung durch lauthalses Marketing und dergleichen Geplärr. Es ist völlig zu Recht strafbar, sich gegen den erklärten Willen eines Mitmenschen in dessen Intimbereich zu drängen. Es ist wunderlicherweise vollkommen legal, ihm als Staat, Partei oder Glaubensdings listig und hinterrücks Heilsversprechen ins Gehirn zu scheißen. Und zwar grenzenlos

Grenzenlos Guter Geschmack - TextTrübe Tage, klare Gedanken, ein grausiger Geschmack. An einen Grenzen. Vom vom zum zum. In zwischenen Zeiten. Grenzenlos wollen wir werden, indem wir uns zwischen alle Stühle setzen, die noch im Niemandsland befindlich sind. Vom Eisernen Vorhang zur Berliner Mauer. Im Todesstreifen schmeckt der Wein besonders gut. Bedenke, Mensch, dass du erblich bist (und alles sonst gewerblich ist). Wichtig ist stets der richtige Reiseproviant. Oder wie uns Jan Böhmermann lehrt – sogar für die SPD besteht noch Hoffnung. Also schultern wir unsere Jausensackerl für die kalte Jahreszeit – und begeben wir uns in den großen Hasensaal der Radiofabrik zu Salzburg, um die süßen Früchte des letzten Sommers mit euch zu teilen. Und es wird uns allen warm werden ums Herz und wir werden alle um das Lebensfeuer tanzen, ungeachtet des internationalen Volkstrotteltums

Apropos, wenn es stimmt, dass Kohl Blähungen verursacht, dann ist auch die AfD nichts weiter als ein Vogelschas in der unendlichen deutschdeutschen Geschichte.