überwinden verwandeln

Stream/Download: Die Perlentaucher Nachtfahrt vom Freitag, 13. September (Teil 1) 🙂 und Stream/Download: Die Perlentaucher Nachtfahrt vom Freitag, 13. September (Teil 2) Eine vierstündige Parzivaliade der etwas sehr anderen Art – zum nunmehr tatsächlich 5-jährigen Jubiläum dieser Sendereihe. Mit Textbeiträgen von Norbert K.Hund und Christopher Schmall, geklauten Ausschnitten aus dem Vortrag „Quest for the Grail“ vom U.S.-franziskanischen Männersynoptiker Richard Rohr (Dank sei dem Großen Bruder Ö1) sowie natürlich jede Menge intuitionsdramaturgisch auserlesene Musik von Collide über Käptn Peng bis Placebo – deren demnächst erscheinendes Album „Loud Like Love“ wir übrigens schon am kommenden Sonntag im Artarium vorstellen werden. Und was wäre geeigneter fürs weiterführende Würdigen unseres ursprünglichen Sendungskonzepts als eine hintergründig entzaubernde Verwandlungsreise auf den Symbolspuren des gernmännlichen Jungritters, der die Antwort sucht ohne Fragen stellen zu müssen?

ÖVPDer junge Suchende zieht also irgendeine „erwachsene“ Ritterrüstung an und stülpt sich dazu noch einen vorgefertigten Helm über (namens Gott, Ehre, Stolz, Heimat,..) Schon lernt er nichts neues und anderes mehr, als mit den bereits vorhandenen Symbolen mehr oder weniger „richtig“ umzugehen. Ob man ihm jetzt noch dazu beibringt, die Rüstung schön anzumalen oder sich darin anmutig zu bewegen, ist scheißegal – er hat sie ja längst an! Dazu hat er auch noch den passenden Helm, Hut, Denkschädel auf. Ob er sich an selbigen dann Blumen, Federn oder Würste steckt – das ist ebenfalls wurscht. Denn Hut bleibt Hut, Herrschaft bleibt Herrschaft, und Gewalt bleibt so eben auch. Es kann also nicht darum gehen, den „ein richtiger Mann“ werden wollenden Jugendlichen dabei zu beobachten, wie er das „richtige oder falsche Ficken“ lernt. Es ginge vielmehr darum, ihm endlich zu erlauben (und ihn dabei auch zu unterstützen), eine Sexualität zu entdecken und zu erleben, die sich mit überkommenen Brutalbegriffen wie „ficken, pudern, schuastern“ gar nicht mehr beschreiben ließe… 😀 Denn wer zu sehr danach strebt, zum Abbild seiner Vorbilder zu werden, der sollte sich dann auch wirklich nicht wundern, dass sein Selbst als ein Abziehbild daher kommt.

SPÖEs ist ein sehr spannendes Unterfangen, die Geschichte des Parzival einmal aus dem Blickwinkel seiner soeben erwachenden Sexualität zu sehen. Denn gerade die Selbstentdeckung leiblicher Lust bei heranwachsenden Burschen wird in einem Ausmaß von Zweckvorgaben zudefiniert, dass einem der Zement des Patriarchts nur so aus der Zerquetsche quillt. Einerseits werden noch immer Überbegriffe wie etwa Gott, Natur, Kulturgeschichte bemüht, um sozusagen „von oben herab“ zu begründen, dass „es von vornherein so ist, wie es ist, und zwar, weil es eben so ist“ – und andererseits werden die Erfahrungen der Mehrheitsmenschheit dahingehend verallgemeinert, dass eben „Vater und Mutter, wir, die Gesellschaft, immer schon so waren (weil wir es eben auch so erlebt oder halt gelernt haben)“ – nämlich HETEROSEXUELL!!! Sinn und Ziel der menschlichen Entwicklung ist also nicht Selbstbestimmung, sondern fruchtbare Fortpflanzung zur Arterhaltung? Wäh 😛

FPÖAuf die eventuelle Frage: „Weshalb regt es sich, weshalb erregt es mich – wenn ich ans Nacktseinküssenberühren denke?“ kommt von irgendwo her eine Antwort wie „Das ist so, damit du später einmal Kinder machen kannst.“ Und es geht gleich noch schlimmer: „Denk nur einmal an Schlüssel und Schloss. Mit einem weichen Schlüssel kann man ja nicht aufsperren.“ Sprache ist eben entlarvend – auch wenns die eigene Muttersprache ist! Wozu statt woher oder die Zerquetschung jeder sexuellen Regung zu gesellschaftskonformem Zwetschkensex. Zu feiner Zerquetschenmarmelade eines immerfortpflanzenden Fruchtbarkeitsismus. Eisprung bist du großer Töne, Jössasmaria! Und was ist überhaupt mit der Burkatante, die dauernd mit dem Gralskelch herumschleicht? Ist Parzival doch ein heteronormativ-katholisches Propagandamärchen für feuchtschwüle Pfadfinder? Das können und wollen wir uns als lebensdiplomierte Symbolentzauberer jetzt aber so gar nicht vorstellen! Gut – zum Schluss der Geschichte lüftet der nunmehr gereifte Held auch noch den Schleier – und erkennt die für ihn bestimmte Frau. Was könnte uns diese Szene jedoch in einem tieferen Sinn zeigen, wenn wir sie nicht einfach allzu schlicht wörtlich nehmen? Die Bedeutung der Symbole können wir durchaus selbst bestimmen. 😉

Die GrünenWas er, der Suchende, im Herzen getragen hat, wird jetzt enthüllt und somit zur Wirklichkeit. Egal, welchen Weg oder Umweg du gehst, kommst du unausweichlich doch dort an, wo du im Unterbewussten schon immer hin „willst“ – und zwar ohne es zu wollen, ohne zu wissen oder zu verstehen, was du willst. Der Fluss des Lebens, die atmende Psyche, jede sich immer wieder gebärende Körperzelle und alles in allem „der Geist“ unseres Gefühlssinns treiben unser jeweiliges Thema immer weiter voran und uns damit solange um, bis wir endlich an-, zu uns – und dann auch noch zusammen kommen! Doch was bedeuten dann der Gral, die Lanze, die „richtige Frage“, wenn nicht das, was uns immer schon beigebracht wurde von den altvorderen Oberhäuptern? Verwandeln wir ein Stück abendländischen Hierarchiezauber wieder in eine ermutigende Erlebensgeschichte und seien wir endlich die, die wir immer schon werden wollten – weil wir es längst sind!

„Oheim, was wirret dir?“ – Wir sind jedenfalls ein geiles Institut! 😀

Ausschnitte aus dieser Sendung sind auch im Artarium vom 22. September gut zu hören… Und unser Nachtfahrt-Kurzfilm-Portrait mit zeitlosen Statements ist ebenso sehenswert.

 

D.I.Y.

Podcast/Download: Perlentaucher Nachtfahrt vom Freitag, 12. April – diesmal rund ums Thema D.I.Y. oder explizit „Do It Yourself“ – wobei wir jetzt aber gewiss nicht die Industrialisierung des Heimwerkertums durch Bastelshops und Baumärkte beleuchten wollen, nein – ganz im Gegentum. Wer sich mit uns zusammen in die Begrifflichkeiten von D.I.Y. als Konzept kritischer Kunst- und Aussageproduktion einleben möchte, dem sei hier zunächst der ausgezeichnete Dokumentarfilm Noise and Resistance empfohlen (der sich wohl immer wieder unter wechselnden Links in unser aller Internet finden lässt) 😀 Und nachdem wir bekanntlich auch nicht die Hilfsprediger irgendwelcher Welterklärer sind, sondern durchaus die Spielfreunde der Selbstgestaltung im Kunnst-Biotop der unendlichen Möglichkeiten, könnt ihr in diesen drei Stunden ja auch selbst auf Entdeckungsreise gehen. Willkommen im kreativen Vakuum! Hören sie genau hin…

verschwindenWir haben Musik und Spoken Word Beiträge vorbereitet, aus denen sich der Impuls zum kreativen Selbermachen immer wieder heraus hören lässt – auch wenn es sich zum Teil um Werke von inzwischen nicht nur kommerziell höchst erfolgreichen Künstler_innen handelt. Und doch unterscheiden sich gerade diese oft auf wohltuendste Weise vom allumbrodelnden Einheitshype geldquetschender Berechnung. Was haben sie nun also gemeinsam mit den anderen Beispielen aus unserem Radiofundus, etwa den spontanen Gastauftritten und nächtlichen Aufnahmesessions aus jugendlicher Schaffensfreude? Was verbindet sie zum Beispiel auch mit den von uns selbst zumeist als Konzepte, Entwürfe und Anregungen vorgetragenen Texten? Sind es die persönlichen Geschichten, die da jeweils dahinter stecken, sind es die inneren Beweggründe, die einen zur Darstellung geradezu zwingen können? Oder geht es um die Notwendigkeit, etwas auszusagen über uns selbst und über die Welt, in der wir leben? Machen wir einen Versuch:

das kreative vakuumWas empfindest du bei diesem Bild? Was würdest du dazu sagen wollen? Stell es dir einfach vor! Hier ist das kreative Vakuum:

 

 

 

 

 

 

 

Und schon ist etwas von diesem D.I.Y.-Spirit verwirklicht. Zugleich veranschaulicht sich aber auch etwas ganz Wesentliches: Derartige Selbstaussagen brauchen Platz – und zwar in jeder Hinsicht. Um etwas Eigenes spüren zu können, braucht es schon einmal Zeit. Um es dann auch noch als Mitteilung an andere zu formulieren, braucht es noch mehr Zeit. Und Zeit in unserem Leben ist nun einmal nichts anderes als ein möglicher Raum, in welchem wir etwas gestalten können – oder auch nicht. Weil uns womöglich „keine Zeit bleibt“ für uns selbst – oder wer bestimmt eigentlich darüber, wie viel Zeit wir „haben dürfen“? Jetzt kommen wir allerdings dem Wahnsinn plötzlich ganz nahe, gegen den sich auch dieses öffentlich versteckte Mahnmal richtet…

auswandernNun braucht es aber nicht nur Zeit als persönlichen Freiraum, sondern auch den einen oder anderen Ort, wo man sich treffen und irgend etwas ausbrüten könnte. Wo man spontan hinmalen, sich aufführen, jemand etwas vorhupfen, die Wand anschreiben, den Raum umstellen oder sonstwie selbstbestimmt gestaltend tätig sein kann. Doch auch solche Örtlichkeiten und Plätze werden immer seltener, was unsere Bedürfnisse nach kreativem Ausdruck fortwährend in uns zurück hinein stopft und so unsere Köpfe zu restlos virtuellen Bühnen verkümmern lässt. Das kann doch aber alles nicht wirklich gesund sein, oder? Nichtsdestotrotz sollen wir immer noch mehr Zeit für irgendwelche fragwürdigen Leistungssteigerungen aufwenden, während uns ringsumher jedwede Stadt und Landschaft zur Wirtschaftszone wegverzweckt wird. Findet da ein regelrechter Eroberungskrieg gegen das Eigene in uns statt? Gegen unseren Raum, gegen unsere Zeit, gegen unsere individuelle Freiheit? Schauen wir genau hin – wie Aussagekunst entsteht – und lassen wir uns inspirieren 😉