> Sendung: Perlentaucher Nachtfahrt vom Freitag, 12. Dezember (in 2 Teilen) – Mittlerweile nicht mehr wegzudenken ist die Tradition unseres jeweiligen Salzburger Adventsingens Reloaded in Gestalt der letzten Nachtfahrtsendung im Kalenderjahr. Waren es 2008 und 2009 noch mehrstündige Artarium-Sonderausgaben zur Stillen Nacht, so begann bereits 2010 die musikliterarische Auseinandersetzung mit den Themen der vorweihnachtlichen Besinnlichkeitskultur, die uns Eingeborenen des Alpenlands wohl schon seit dem ersten Aufschrei eingefleischt wurden. Nehmen wir dieses Jahr also titelgebend die Herren Tobi(as) Reiser zum Anlass für unsere Betrachtungen. Denn der Gattungsbegriff „Adventsingen“ ist mitnichten uraltes bäuerliches Brauchtum, sondern vielmehr eine eigene Erfindung des einstigen NS-Bauernfunktionärs (der Ältere), künstlerisch weiterentwickelt von seinem krawutisch koksenden Sohn (der Jüngere).
Wer klopfet an? Asylsuchende Assoziationen auf ihrer Fluchtfahrt durch die Dunkelheit ans Licht. Die etwas andere Betrachtungsweise der uns interpretiert überlieferten Geschichte(n). Versuche, hinter das glanzgoldene Getriebe machtfeiler Verehrung zu blicken. Phantasien einer möglichen Menschheit VOR ihrer feindlichen Übernahme durch die Beherrschaft. Gruslig schön lustig und freischwebend. Die frohgemute Verwurstung von Kulturstrandgut entgegen jedweder Marktlogik. Und ebenso ernsthafte wie vollends verrückte Einlassungen auf unsere angeblichen Wurzeln. Uminterpretation der Bedeutungsschwangerschaft aus der magischen Ohnmacht von Bedürftigen…
Umrahmt von unseren Live-Einfällen und Zufällen entfaltet sich eine schaurig-schöne Dramaturgie, bei der man sich bis zum Erschrecken identifizieren und sogleich wieder wohlig in die vertraute Unbehaustheit des eigenen Seins zurück plumpsen lassen kann. Begleitet uns auf dieser zielstrebigen Irrfahrt ins Bewusstsein der eigenen Vergänglichkeit, die uns gerade deswegen auch die eigene Unverwechselbarkeit und Unverzichtbarkeit vor Ohren führen wird. Sicherheit? “As Lebn entgeht eich sicha – heit!” Uns nicht, jedenfalls nicht heute. Denn: Wir sind ein geiles Institut!
Aus „Ein Salzburger Adventsingen“ (Dezember 2010)
Teufel auch! Man wird sich ja wohl noch selbst zitieren dürfen. Zwecks eingehenderer Hinterfragung subalpinen Brauchtums in der vorweihnachtlichen Finsterzeit haben wir am Albumsonntag nach der Nachtfahrt den jungen Zeichner und Krampusmaskenschnitzer Stefan Koidl zum Gespräch über Technik und Kreativität eingeladen. Faszination will erforscht werden, vielleicht verhält es sich auch beim Teufelsthema so: „There’s more to the picture than meets the eye.“
Natürlich zaubern wir dabei auch Verborgenes hervor, längst vergessen Geglaubtes, vielschichtig Verwobenes oder überhaupt vollkommen Verrücktes. Keine Ahnung, was sich daraus dann im Verlauf der Sendung ergeben wird – aber irgendeinen dramaturgisch roten Faden braucht es halt immer, auf dass sich all unsere konfusen Mitbringsel daran zu mitteilender Gestalt kristallisieren. Alles weitere werden wir erleben, hören, sehen, spüren. In diesem Sinne “Keine Macht der Seistaadsgewalt” und “Wir sind ein geiles Medium…”
Aus „Ein Fest der Liebe“ (Dezember 2013)
A schware Geburt – Ja, natürlich! Weil wir doch alle hier schon immer in eine tief von christlicher Symbolik durchdrungene Welt geworfen sind. Wobei sich schon auch die Frage stellt, ob wir denn diesem Jesus nicht noch etwas Anderes abgewinnen könnten als den Christkindlmarkt. Oder eine Kirche. Jesus war doch nicht katholisch! 😀 Wer hat ihn also dann zum Christus gemacht und oberhaupt, warum – et cui bono?
Manche warten sicherlich auf Jesus Christus und sind dann enttäuscht und aufgebracht wenn Klaus Kinski seine eigene Interpretation von ihm anbietet. Ich warte auf den nächsten Wartesaal, wenn ich mit dem Zug fahre. Ich warte auf die nächste Reise und die nächste Ankunft. Auf Menschen, die mir vielleicht begegnen werden, auf Gedichte die ich vielleicht nie schreiben werde… Ich warte genauso wie jeder andere wartet… Ich weiß nicht wirklich auf was… Vielleicht… auf mich selbst?
Aus „Ein Salzburger Adventsingen 2.0“ (Dezember 2011)
Ich bin es – Na eben, da bietet sich wie von selbst eine erste einstweilige Auflösung an. Und damit binden wir auch den eingangs erwähnten alten Sack zu. Es geht ums Eigene und ums Erfinden. Es geht ums Werden und Begehen. Es geht – ums Selbst. Deshalb die Bilder und Collagen. Darum „Adventsingen„. Seien wir unsere eigene Adventgeschichte. Und fragen wir uns: „Was ist ich?“
Alles schläft, einsam wacht – bist du da? Was wird sein am anderen Ende der Nacht, wenn du dir begegnst, gleichsam beschenkt und entblößt? Hast du dann Angst vor dem Schweigen des Lärms, vor dem Gähnen des Abgrunds, vor dir selbst? Hast du Lust, dich zu spüren und in ein neues Jahr zu springen, einen neuen Tanz zu vollführen, ein neues Bild anzufangen, mit einer neuen Idee ins Bett zu gehen, die dich liebkost und die du danach nie mehr vergessen kannst? Was also macht diese Nacht mit dir – was machst du mit ihr? Wer bist du – in deiner eigenen Zeit, wenn du sie dir selbst schenkst?
Aus „Christgsindlmarkt“ (Dezember 2012)
„frohe weihnacht! frohe weihnacht! und ich bin nur ein hund“ (Ernst Jandl)