„Untotigkeit“ (Norbert)

Podcast/Download: Die Perlentaucher Nachtfahrt vom Freitag, 11. Mai erfindet sich schon wieder neu und wagt sich an ein weiteres Produktions-Konzept. Schon seit längerem wollte ich mit dem Fex gemeinsam eine freischwebende Themensendung gestalten, um einige dieser spontanen Assoziationen und philosophischen Aushängigkeiten zu veröffentlichen, die uns in vielen Gesprächen immer so unterhaltsam inspiriert haben. Allerdings sollte dafür schon auch ein geeignetes Zeitfenster gefunden werden, in dem sowohl Chriss als auch ich mit dem kreativen Input vom Fex gleichermaßen umgehen könnten. Nun ist es soweit – die Triade kann beginnen!

„Wir werden tatsächlich von frühester Kindheit an zu einem Höchstmaß an fremdbestimmter Zeiteinteilung gezwungen und außerdem noch zur Beschäftigung mit fremdbestimmten Themen und Inhalten vergewaltigt. Wir werden von klein auf mit System und Methode von uns selbst, von unseren Gefühlen und Bedürfnissen abgelenkt und dadurch nachhaltig von uns selbst entfremdet. Vor lauter Widerstand gegen dieses massive „woanders hin geschoben werden“ haben wir kaum noch Zugang zu unserem inneren Sein. Ein derart von sich selbst „ver-rückter“ Mensch glaubt, kauft, funktioniert – und fürchtet sich vor der Bestrafung für seine Nichtanpassung.“

Aus solchen und ähnlichen Gedankensplittern werde ich diesmal vortragen, während Chriss seine immer stärker ins rhythmische Spoken-Word gehenden Texte rezitieren und auch zur Gitarre singen wird. Und der Fex, der uns auf Anfrage spontan den Begriff der „Untotigkeit“ zuwarf, wird wohl ebenso spontan für dementsprechenden Gesprächs- und Denkstoff sorgen.

„Der vollständig entkernte und vom Empfinden seiner eigenen Lebendigkeit abgetrennte Mensch ist das Endprodukt der Gesellschafts-Erziehung und entspricht forthin nur noch den Interessen der Industrie. Ein profitorientierter Funktionsidiot, ein angepasster Hampelkasper, ein Reiz-Reaktions-automatisierter Arbeitshamster, ein ebenso blödböser wie tödlich-öder Restmensch, ein ins Produktionsprofil passender Placebowichtel und pseudopolitischer Programmpapagei, ein seelenamputierter, spezialisierter und sozialsedierter Staatssklave, ein wie untot umher irrender Untertan…“

Es muss einem ja nicht nur Sozialkritisches rund um den Begriff der „Untotigkeit“ einfallen – man kann durchaus auch über Zombies, Vampire, Werwölfe und andere Wiedergänger reden. Mir allerdings drängt sich bei dem Thema immer wieder der Totstellreflex von Tieren in ausweglosen Situationen auf – und eine Gesellschaft voller sich tot stellender Menschen.

„Auf der einen Seite der Statistik brechen Menschen wirklich zusammen, werden im wahrsten Wortsinn verrückt oder bringen sich tatsächlich um. Auf der anderen Seite ziehen ganze Gruppen gemeinsam in die innere Emigration einer fortwährenden Vollnarkose. Dazwischen, wo die Mehrheit wohnt, in der Gauß’schen Normalmitte, im Main- und Allgemeinstream, in des Mozartpudels patzig-süßem Kugelkern, in der gestaltlosen Fettcreme der Durchschnitte, da werden die Geschäfte gemacht, die Massen bewegt und die Wahlen gewonnen, da gehen die Restfunktions-Lebenden scheintot und schreckstarr ans Werk.

Und wir? – Widerstand im Komaland!“

In diesem Sinne ist auch wieder einmal alles möglich, was uns in diesem Zusammen-Aushängen ein-, auf- und zufällt. Nicht zu vergessen die Dreieinigkeit der gemeinsamen Playlist, welche den Begriff der „Untotigkeit“ von allen unmöglichen (drei) Seiten zu beleuchten vermag. Verhellen oder erdunkeln, das ist hier nicht die Frage. Zu dritt verboten? Wir sind ein geiles Institut! 😀

 

FAULE EIERN (Norbert)

Podcast/Download: Die Perlentaucher Nachtfahrt vom Freitag, 13. April versammelt vergammelnde Reste von Ostern und Vorvorgestern. Der Grundgedanke war ja eigentlich, dem christlichen Auferstehungsritual mit dem Stellwagerl der humoresken Aufklärung so richtig ins theo(?)logische(??) Angesicht zu fahren. Voller Vorfreude sammelten wir allerlei Absurdes, Anzügliches und Ausgezucktes rund ums Thema und bereiteten uns auf ein frohes Schlachtfest der Dogmen und Traditionen vor. Doch dann rauchte uns ein Computer nebst Festplatte ab und begrub so die gesamte zeitgerecht angefangene Arbeit im Urbi et Orkus des Digitalnirvana.

Doch wir wären nicht wir, wenn wir nicht noch aus den finstersten Fehlschlägen etwas noch Feineres und Fröhlicheres zusammen klopfen könnten. Wir sind nämlich die Liebe und „Today Is A Good Day“ 🙂 Guten Morgen! Noch dazu haben wir liebe Freunde, die der Begriffswelt des Glaubens an und für sich sehr positive Seiten abgewinnen können. Und seien wir uns mal ehrlich, das wäre doch auch ein recht faules Herumeiern geworden und der uns beiden nun einmal innewohnenden Vielschichtigkeit nicht wirklich entsprechend. Leiden ist Extremsport, egal zu welcher Jahreszeit. Und Passion kann man durchaus mit Leidenschaft übersetzen. Jesus war auf jeden Fall ein faszinierender Anarchist oder, wie Ewald Gerhard Seeliger in seinem Handbuch des Schwindels ausführt, „der erste richtigdenkende Mensch, der seinen Jüngern die von ihm selbst gefundene Wahrheit mitteilte und sie dann aufforderte, zu allen Völkern die Wahrheit zu sprechen.“ Das Buch ist derzeit auch gar nicht so sehr vergriffen (siehe hier).

Von genialphantastisch sprachkreativen Übungen wird in dieser Sendung noch öfter die Rede und vor allem die Lese sein, wenn es um die Wiedergewinnung eigener Bedeutungsinhalte in der machtpolitisch vor- und zudefinierten Vergewaltsprache geht, mit der wir konfrontiert, kopfoperiert oder kotzprovoziert werden. Freiheit! Zum Beispiel von Georg Kreisler. Danke, Chriss 😉 Also wollen wir neben unseren Gastautoren Seeliger (den wir vorlesen) und Hagen Rether (den wir vorspielen) auch wieder unsere eigenen Denk- und Sprechweisen zum Besten geben. Auch in Form von Gesprächen über das Ringen um Individualität und dessen „verbehindernde Rundumstände“. Gesellschaftliche Verhältnisse, die zutiefst geprägt sind von verinnerlichten Hierarchien und Wertsystemen. Persönliche Erfahrungen, die erstaunlich oft auf Überwältigung und Ohnmächtigkeit hinaus laufen. Lauter Befunde, die Begriffe wie Untertan, Religion, Obrigkeit, Herrschaft oder Gehorsam sehr fragwürdig, weil bio-un-logisch erscheinen lassen.

Und indem wir in die dunklen Abgründe selbst erlebter Ängste und Schrecken hinab steigen, indem wir wieder daraus hervor kommen mit neuen Erkenntnissen und Ideen, indem wir immer weiter nach unserem Auftrag und unserer Bedeutung in dieser Welt forschen, sind wir doch sehr bio-logisch, LEBEN wir, zelebrieren wir einen fortwährend wiederkehrenden Frühling, der dem eigentlichen Sinn urtümlicher Osterrituale schon bemerkenswert nahe kommt. Erzählen wir von der Liebe, die uns verbindet – nicht nur mit einander, sondern mit allem, was lebt. Gefährten Fährtensucher trotz aller Lebensgefahr. Suchen und finden wir die Verbündeten unserer Freundschaft, unserer Kongenialität, unserer sonderbar normalen Eigenartigkeit. Trotzen wir den knöchern knirschenden Machtsystemen der Menschenverunstaltungsanstalten und Massenverallgemeinerungseinrichtungen! Rudelfunkgebühren für Funktionierfaschisten! Aufstiegsangenehmigung allen Anpassungsarschlöchern! „Wer nicht mit mir ist, der ist wider sich!“ oder The Geek Shall Inherit The Earth! Wir sind Helden. Und ein geiles Institut 😀

Experlimental (chriss)

Die Perlentaucher Nachtfahrt vom 09.03.2012 wirft sich euch durch die Wände der Konventionen und des Normalnormativenscheißdingsbums! Es wird experimentel. Aushängig. Krank. Aussergewöhnlich. Neu. Eigen. Abgründig. Doch keine Angst, wir werfen euch nicht einfach in irgendwelche sperrigen oder nicht mehr nachvollziebaren Musiken. Es wird auch schönes, melodiöses und leichtes geben, aber eine kleine Brise Verwirrung wird durchaus dabei sein 😉

Die Ausgangsnummer war ja Radio Baghdad von der guten, alten Patti Smith, die in der vorherigen Nachtfahrt „Verlust und Versöhnung“ keinen Platz mehr fand. Und dann „Fernweh“ von Extrawelt die mich auf den Arbeitstitel „Experimental Hours“ kommen ließ. Also auf der einen Seite eine Nummer mit 12:17 Minuten und auf der anderen Seite eine recht soundexperimentelle Nummer mit wunderbaren Elektrobeats. Wir drangen tiefer in das Thema vor und definierten „experimentell“ für uns (also auch für euch) neu und fanden so Künstler, die nicht nach irgendwelchen Vorgaben und Richtlinien etwas Neues schaffen. Eluveitie, Florence And The Machine, Pantha Du Prince, NOFX, und andere…

Und Ernst Jandl… Sprachkünstler, Deutschlehrer… verkannt zu Lebzeiten und bekannt für seine Experimente mit der Sprache… seine konkrete Poesie hat viele dazu bewegt etwas neues, noch nie dagewesenes zu schaffen. Ohne daran zu denken was wohl die anderen davon halten! Etwas neues zu kreieren, etwas zu machen, was alle Konventionen sprengt und die Leute aufwühlt, antreibt, bewegt!!

Ja, etwas wagen… ein Experiment wagen… zu sich selber stehen und zu seiner Kunst… wir sehen das ganz genau so! Man muss im Leben etwas probieren, sich selbst ausprobieren. Egal ob man dabei aufblüht oder daran zerbricht! Hauptsache es kommt ans Tageslicht! Also viel Spaß bei der Sendung und: Gut zu hören!

Experlimental (Norbert)

Podcast/Download: Perlentaucher Nachtfahrt vom Freitag, 9. März: Nach einer Idee vom Chriss sollten wir doch einmal „Experimental Hours“ machen und all das zu Gehör bringen, was zu abgefahren und zu aushängig für unsere üblichen assoziativen Themensendungen sein könnte. Hmm – nach kurzer Überlegungspause schien mir das eine überaus passende Anregung zu sein, zumal ja bereits „Radio Baghdad“ von Patti Smith mit 12:17 Minuten Überlänge im Produktionsordner herum kugelte. Und überhaupt ist es mir gerade in dieser Zeit der Traumata und Träume recht angenehm, einmal sehr freihändig und intuitiv mit Texten und Tönen zu – experimentieren…

Was liegt also näher, als diejenigen Musikstücke (im weitesten Sinn) hervor zu kramen, die sich ob ihrer Länge, Sperrigkeit oder experimentellen Natur bislang einer Zuordnung entzogen – und sie mit den verrückten, verspielten und vertrackten Texten eines echten Wortweltbürgers und Sprachverdichters so als Hörwelt aufzuführen.

Also zelebrieren wir diesmal das Experimentelle an sich – doch keine Angst vor atonalem Dauerbeschuss! Neben klassischen Audiocollagen wie „Revolution 9“ von den Beatles oder dem klangkreativen Jazz-Opus „Udrilitten“ von Uzzi Förster (mit 18:09 der längste Titel und zugleich Überleitung zur Jazznacht) gibt es noch genügend tanzbare Elektronic-Beats und knackige Rock-Sounds, um nicht haptisch und synaptisch im Ö1 Studio für zeitgenössisches Musikschaffen zu verschwinden. Eigentlich wollen wir in diesem Experiment mit dem Begriff des Experimentellen herum experimentieren – zwischen Eno, Extrawelt und – Ernst Jandl…

Ja richtig gehörlesen, der Jantel kommt! Immerhin hat Wagenbachs LeseOhr uns mittlerweile „him hanflang war das wort“ in bestens überarbeiteter Qualität zu Gehirn gebracht, ein Werk, von dem früher eher nur Vinyl-Rips fortschreitender Räude zirkulierten. Wir feiern – und senden – also diesmal einen wahren Meister von Sprachen 😉

Wer jetzt allerdings nur die allgemein bekannten (und guten!) Standards wie „schtzngrmm“ oder „ottos mops“ erwartet, wird von uns mit ans Wahrscheinliche grenzender Sicherheit trefflich enttäuscht werden. Der selbsterforschende Zyklus „tagenglas“ etwa oder auch die Rauschexpedition „von schlafkunst“ werden – vom Autor selbst nicht einfach nur gelesen, sondern wahrhaftig dargelebt – zu einem bewusstseinserweiternden Elementarereignis! Und zu allem Überdruck kredenzen wir dann noch „Weltgebräuche“ für Orgel, Posaune und Sprecher, eine Koproduktion mit Martin Haselböck:

zweierlei handzeichen

ich bekreuzige mich
vor jeder kirche
ich bezwetschkige mich
vor jedem obstgarten

wie ich ersteres tue
weiß jeder katholik
wie ich letzteres tue
ich allein

 

Dem habe ich jetzt erst mal wirklich nichts – zumindest Inhaltliches – hinzu zu fügen… Allerdings werden wir in der Sendung schon noch für einige Überraschungen sorgen. Denn ihr wisst ja: Wir sind ein geiles Institut! Und wir freuen uns auf euch…

Postscriptum: Markus Huber aka mareone hat ein geniales Video von unser Adventsingen-Nachtfahrt feat. Klaus Kinski gedreht! Da kommt echt allerhand von unserer Emotionalität und Philosophie rüber. Ihr könnt es am Youtube-Channel der Radiofabrik anschauen und im Artikel am Artarium-Blog mehr über das Konzept und die Entstehung erfahren. Und wir freuen uns alle natürlich auch über euer Feedback 😉

Verlust und Versöhnung -Eine Annäherung- (Chriss)

Die Nachtfahrt am 10.2.2012 von 22:00 bis 01:00 Uhr.

Der erste Schock. Unglaubliches Versinken in die Stille. Atmen. Luft holen. Kälte. Allein. Nur du und das Wissen um den Tod. Und das Wissen, dass er zu jedem irgendwann kommt. Nur du. Allein mit deinen Gedanken und Gefühlen die in jenem Moment, nicht mehr  zu differenzieren sind. Atmen. Sich halten. Sich wärmen. Nur du- und der Tod.

Nach dem ersten Erwachen aus dem Koma des Nichtwahrhabenwollens, ernüchtert man von einem Moment auf den anderen. Man bemerkt, dass man allein ist und die Augen die Welt anders sehen. Rationaler. Zumindest für den Augenblick. Dann kommt der Abschied. Man gedenkt nocheinmal der verstorbenen Person, sieht ihr Leben vor sich, hört die Geschichten und Worte und man bemerkt, dass es nun besser ist. Der Abschied fällt eigentlich immer schwer. Es ist immer hart sich von etwas oder jemanden zu trennen und es ist noch härter den Verlust auch anzunehmen.

Am Rande des Grabes

Ein Mitternachtsmond                               im toten Raum                                        voller Erinnerung                                      und                                                             dein Gesicht in meinen Träumen

Ein Sternenlied                                              in der starrenden Nacht                               der Einsamkeit                                               und                                                           dein Lachen in meinem Geist  

Ein  stillgefallener Wunsch                           in hoffnungsloser Dunkelheit.

Doch am Rande des Grabes unser Wissen: Es wird weiter gehen.

-In Gedenken an Maria Barth (1928 – 2010)-

Die Navajo-Indianer sagen: „Du musst die Geschichte der Toten erzählen; erst dann kannst du sie wirklich gehen lassen…“ Die Annahme des Verlustes den man gemacht hat und die der eigenen Sterblichkeit ist essentiell! Das Verarbeiten der Trauer, das Ausdrücken seiner Gefühle, sei es durch Erzählen, Gedichte, Lieder, Bilder oder durch sonst etwas, die eigene Geschichte leben; mehr kann man nicht tun…

„Let go of the spirit of the departed and continue your life’s celebration“                    -Allan Ginsberg

Podcast/Download der ganzen Live-Sendung.

Verlust und Versöhnung (Norbert)

Podcast/Download: Perlentaucher-Nachtfahrt vom Freitag, 10. Februar. Eine sehr persönliche Sendung zum Sterben meiner Mutter. Gemischte Gefühle im Schleudergang. Plötzliche Leere, die ich so nie erwartet hätte. Unglaubliche Kräfte in eigentlich unangenehmen Situationen. Eine innere Ruhe, die fast schon beunruhigend wirkt. Elementare Bedürftigkeit nach allem Lebendigen. Existenzielle Verbundenheit jenseits jeglicher Vernunft. Das Wunder der Familien-Organismus-Synapsen. Und ein paar ganz großartige Gefährten. Wegbegleiter und Welpentiere…

 

Abschied

Es ist doch vieles ungesagt geblieben.

Und vieles wird auch unbeantwortet bleiben. Du bist jetzt nicht mehr hier auf dieser Welt, doch du hast Spuren hinterlassen. Und diese Spuren leben weiter – in meiner Erinnerung, in meiner Persönlichkeit, in meinem Wandeln, Werden und Wirken. Diese Spuren sind mein Erbe. Sie sind deine Geschichte in meiner Geschichte. Und der Sinn jeder Geschichte erschließt sich erst in ihrem Erzählen – am besten einer nächsten, neuen Generation von Menschenkindern, die auch hier und heute die Gegenwart der Zukunft sind.

„Um die Geister der Verstorbenen zu befrieden, musst du ihre Geschichten erzählen…“

So sehen es nicht nur die alten Weisen der Navajo Indianer, sondern so lautet das weltweite und uralte Verständnis vom Umgang der Lebenden mit den Toten. Und so will auch ich es halten: Geschichte ist das, was erlebt wurde, ist Lebensgeschichte, die zu lebendiger Geschichte verwandelt wird, indem wir sie erzählen, ehren wir auch das Andenken derer, die sie uns hinterlassen haben. Wir, die wir hier zurück bleiben – was hätten wir sonst wirklich im Innersten bleibend erhalten?

 

Und darum sind sie heute mit mir hier um ein starkes Band aus Leben zu knüpfen:

Chriss, meine Sonne

Gabes

Sophie

Leffi Tischenminsky

Viki

Fex

und der Flow…

Denn das Leben erzählt sich durch uns immer weiter – über die Grenzen, über die Liebe, über den Tod hinaus – auch wenn unsere noch ungesagten Worte verwehen – wir halten stand, wir bleiben immer gestärkt und bedürftig zugleich.

(Text vom Begräbnis am Dienstag, 31. Januar 2012, Salzburger Kommunalfriedhof)

 

Herbst

Rings ein Verstummen, ein Entfärben:
Wie sanft den Wald die Lüfte streicheln,
Sein welkes Laub ihm abzuschmeicheln;
Ich liebe dieses milde Sterben.

Von hinnen geht die stille Reise,
Die Zeit der Liebe ist verklungen,
Die Vögel haben ausgesungen,
Und dürre Blätter sinken leise.

Die Vögel zogen nach dem Süden,
Aus dem Verfall des Laubes tauchen
Die Nester, die nicht Schutz mehr brauchen,
Die Blätter fallen stets, die müden.

In dieses Waldes leisem Rauschen ist mir als hör‘ ich Kunde wehen,
daß alles Sterben und Vergehen nur heimlichstill vergnügtes Tauschen.

(Nikolaus Lenau, Inschrift am Grab meiner Großeltern)

 

Diesmal zur Einstimmung also zwei Texte, die in der Sendung live zum Vortrag kommen. Gastbeiträge gibts von Jochen Malmsheimer und Sonic Youth (Interview/Spoken Word) sowie H. P. Baxxter (der von Scooter!) mit Erzählungen von Thomas Bernhard. Die dazu ausgewählte Musik wird ebenfalls dem Anlass entsprechend sein:

Aushängig. Emotional. Intensiv. Ohrenbetäubend. Und unterschwellig. Wir tauchen nach Perlen, wo andere nur Dreck entdecken. Und wir werden dabei fündig. Das ist unser ganzes Geheimnis. Lasst uns etwas von der Liebe erzählen, vom Übergang des Sterbens, vom Wunder der Verwandlung…

 

Beidseitig, gleichzeitig, zweischneidig…

Podcast/Download: Perlentaucher Nachtfahrt vom Freitag, 13. Januar über EMOTIONALE AMBIVALENZ – passend zum gefühlsabgründigen Jahreswechsel wie auch zur perspektivischen Janusköpfigkeit unserer heurigen Winterschlafwandlerei! Jenseits der seltsamen, jedoch weit verbreiteten Vorstellung von klar unterscheidbaren oder sozusagen „reinen“ Empfindungen und einer möglichen Einteilung in positive oder negative, „gute“ oder „schlechte“ Gefühlszustände – da beginnt nämlich die Grauzone, das Schattenreich, die Traumwelt – oder aber das eigentliche Leben. Wir bereisen drei Stunden lang das weite Land der Indifferenz – zwischen Irritation und Verwirrung…

Abgesehen davon, dass wir beide uns ganz gern in diese Grau- und Grenzbereiche des Erlebens begeben, um das vorgeblich „Normale“ zu hinterfragen, entsprang die Idee zu dieser Sendung der scheinbar harmlosen Frage „Wie gehts dir so?“ Gerade zur Weihnachtszeit konnte eine ehrliche Antwort nur ambivalent  ausfallen: „Beidseitig gleichzeitig…“

Eine höchst zweischneidige Angelegenheit, denn einerseits sind wohl alle tiefen zwischenmenschlichen Selbsterfahrungen von der gleichzeitigen Vorhandenheit lichter wie dunkler Gefühlsanteile geprägt, andererseits aber wünschen wir uns oft nichts sehnlicher als emotionale Ausgeglichenheit – überschaubare Zeiträume von empfundener Eindeutigkeit, Geborgenheit, Sicherheit. Ein Widerspruch in sich selbst also, der nur verdrängt, nie jedoch aufgelöst werden kann? Ein schicksalhaftes Dilemma, dem zu entrinnen wir die erwünschten Gefühle hervor kitzeln und die Unerwünschten unerdrücken müssen?

Zudem ist ja die Vorstellung von Normalität gerade im Gefühlsbereich (gesundes Volksempfinden) oft etwas Vorgegebenes, mit dem man (!) immer schon Menschen zu manipulierbaren Massen machen konnte, also in höchstem Maße verdächtig. Die eigene Wahrnehmung von innerer Ausgeglichenheit muss dann wohl auch etwas ganz anderes sein…

Eine gewisse Portion an emotionaler Vermischung und Zwiespältigkeit scheint durchaus so etwas wie eine natürliche Gegebenheit zu sein. Was ich mir heute zutiefst ersehne, das kann mir schon morgen – sogar schon im selben Moment ebenso zutiefst zuviel sein. Was mich über alle Maßen belebt, beseelt und erfüllt, das kann mich im selben Augenblick ebenso heftig vereinsamen, erschrecken und ausbrennen. Das Gegenteil seiner selbst scheint in unserer Gefühlswelt geradezu angelegt zu sein. Inwieweit dies einen Sinn ergibt – und wenn ja, welchen – das bleibe hier zunächst einmal auch dahin gestellt.

Bevor die Reizüberflutung mit Doppelbotschaften uns endgültig propagandistisch – pardon, werbetechnisch zur Strecke bringt und wir dringend zum Apotheker unseres Arztes müssen, bleibt uns schon noch ein ziemlicher Spielraum an eigener Interpretation, den wir uns bewahren – und zu dem wir einander auch ermutigen sollten!

Ein Koffer voller Fragen – doch wer kennt die Antworten? Ist der Buddhismus womöglich überlebenstechnisch betrachtet eine geeignetere Philosophie als der Manichäismus des Christentums? Wem können wir überhaupt noch vertrauen, wo doch sogar wir selbst fortwährend hohe Wellen schlagen, somit allem Anschein nach höchst unberechenbar sind? Und – um es in den Worten der Bibel auszudrücken – ist nicht eigentlich überhaupt „alles eitel und Haschen nach dem Wind?“ Mit Peter Licht immerhin könnte man es auf einen einstweiligen, also springenden Punkt bringen: „Was du hast ist ein offenes Ende.“

Bis dahin bleibt alles ambivalent.

 

Ein Salzburger Adventsingen 2.0 (Chriss)

Podcast/Download: Die Nachtfahrt vom Freitag, dem 9. Dezember 2011 … So! Zwischenbericht ausdrucken und auf ins nächste Semester! Meine Wenigkeit ist jetzt seit einem Jahr mit Norbert K Hund auf der Radiofabrik gut zu hören! Nämlich im Artarium und in der Nachtfahrt- und das ist schon ein Grund zu feiern! Also tun wir das auch mit einem 4- Stunden- Special! Freut euch drauf, schaltet ein und hört genau hin… 

Diese Nachfahrt gräbt sich in die Schädeldecke des Advent- und Weihnachts-Wahnsinns, streut ein paar radikale und systemkritische Fluchtgedanken hinein, rührt die grauen Zellen um und malt die Welt bunt an… Wir, Emo Cremissimo und Muso Chocolat, vergeuden keine Zeit, sondern laufen der Nacht entgegen und schütteln unsere Musikbibliotheken so lange bis die Playlist in sich stimmig ist und unsere Aussagen kräftig stützt. Dazu zerfleddern wir zahlreiche Bücher und wählen nur jene Texte aus, die sich auf uns und die Sendung reimen! KUNNST?

Das Warten auf das Kommen… Advent… Auf was warten wir eigentlich? Auf die Geburt eines „Messias“, eines „Erlösers“? Auf den nächsten Lohn? Die freien Tage, das Festessen zu Weihnachten? Auf das, dass die ganze Familie wenigstens einen Abend zusammen sitzt? Auf die Geschenke und die geheuchelte Freude? Manche warten sicherlich auf Jesus Christus und sind dann enttäuscht und aufgebracht wenn Klaus Kinski seine eigene Interpretation von ihm anbietet. Ich warte auf den nächsten Wartesaal, wenn ich mit dem Zug fahre. Ich warte auf die nächste Reise und die nächste Ankunft. Auf  Menschen, die mir vielleicht begegnen werden, auf Gedichte die ich vielleicht nie schreiben werde… Ich warte genauso wie jeder andere wartet… Ich weiß nicht wirklich auf was… Vielleicht… auf mich selbst?

Das ist die stille Anarchie des Lebens… die letzte Anarchie unserer Zeit… Denn das Warten auf etwas oder jemand ist keinen Regeln unterworfen… Man tut es einfach ohne darüber nachzudenken… Advent ist also überall! Und diese „stille“ Zeit ist eine der lautesten Zeiten im ganzen Jahr! Das Geschäft boumt, die Leute rennen mechanisch von Geschäft zu Geschäft um Weihnachtsgeschenke zu besorgen, Betrunkene fallen gröhlend durch die Stadt und die Mächtigen reiben sich die Hände und baden im Geld! Ein guter Grund auf bessere Zeiten zu warten…

Wir werden sicherlich nicht mehr warten und sind voll in Produktion! Also, diesen Freitag (9. Dezember 2011) einschalten! Ein Adventsingen der etwas aushängigeren Art!

PS: Für anarchische Sinneserweiterungen wird nicht gehaftet 😉

 

Ein Salzburger Adventsingen 2.0 (Norbert)

Podcast/Download: Die Perlentaucher Nachtfahrt Adventsingen Spezialausgabe zur Weihnachtszeit, zum Winterschlaf und – zum Wohlsein! An diesem 9. Dezember zünden wir wieder mal alles an, was nicht niet und nagelfest oder bei drei auf dem Baum ist. Wobei, in der vierten Extrastunde könnten wir denselben eigentlich auch noch abfackeln, zur Feier unseres etwas anderen Adventsingens! Und nachdem uns im vergangenen Jahr das vorweihnachtliche „Werkzertrümmern“ von Uwe Dicks „Der Öd“ seitens seines Verlegers vorgehalten und verboten wurde, werden wir diesmal in bekannter Ermangelung wirklich subversiver Waggerl-Weihnachtsdichtung einen anderen großen Rabiator der Vortragskunst zu Wort kommen lassen, nämlich den legendär genialen Klaus Kinski – in seiner ultimativen Liebestragödie als Jesus Christus Erlöser.

Das alles noch auf mehreren Metaebenen gut verrühren: Im 20. Todesjahr von Klaus Kinski zum Geburtstag von Karl Heinrich Waggerl ein Adventsingen veranstalten, das den Sarkasmus des jüngst verstorbenen Georg Kreisler mit dem Wortwitz des heuer 50 gewordenen Willy Astor in Beziehung zu einander und – zu uns bringt.

Die Kunnst dabei ist ebenso einfach wie verrückt: Man nehme das Salzburger – oder irgend ein anderes – Adventsingen mit seinen bekannten Elementen, schüttle es gut durch und verleibe es sich als Trägersubstanz für eine eigene, subjektive Selbstaussage ein. Die Weihnachtsgeschichte wird also erzählt, zumeist in mehr oder weniger freier Anlehnung an das entsprechende Evangelium, es geht dabei um die Geburt eines gewissen Juden namens Jesus in der römischen Provinz Judäa vor ungefähr 2000 Jahren. Dessen Lebensgeschichte hat ja dann in weiterer Folge – via kirchengeschichtlicher Interpretation und metaphysischer Christifizierung – die gesamte abendländische Kultur über Jahrhunderte mitgeprägt. In verschiedenen, zumeist brutal unterdrückten Gegenbewegungen wurde aber immer wieder versucht, sich diesen Jesus in anderer Gestalt anzueignen, als einfachen Menschen, als Philosophen, als Sozialrevolutionär, ihn der Macht und Interpretationshoheit der Kirche(n) wieder zu entreißen. Diese historisch überhöhte Person somit selbstbestimmt zur Projektionsfläche für die eigene Befindlichkeit im Getriebe der Weltherrschaftspolitik zu machen. Warum also nicht Klaus Kinski seine eigenwillig widerständige Interpretation des anarchischen Rebellen und prototypischen Selbst-Erlösers im Geiste der 68er Bewegung erneut erzählen lassen? (Videovorgeschmack hier)

Genau so gehen wir mit den anderen Bestandteilen des Andventsingens um, mit Volksmusik, Ablauf des Abends, Bühnenbild, Andachtsjodler und weihrauchschwangerer Atmosphäre. Ha! Das Radiofabrik-Studio wird zum Festspielhaus und das Warten aufs Kommen zur universellen Metapher…

In diesem Sinne – freut euch mit uns aufs Kommen der Herren Christopher Schmall und Norbert K.Hund – sowie vier Stunden abgründig vertrackter Unterhaltung mit unüblicher Musik, subversiven Textbeiträgen und einigermaßen abwegigen Assoziationen. Überraschende Wendungen und spontane Verwirrungen inmitten sich organisch entfaltender Soundschmankerl – und womöglich sogar noch Live-Video-Aufnahmen als Pilot-Projekt für ein Perlentaucher-Nachtfahrt-TV auf FS1 – Freies Fernsehen Salzburg? Ihr Kinderlein kommet, o Tannenbaum und – wir sind ein geiles Institut. Ja, natürlich – Artarium sagt der Hausverstand – gut zu hören!

Emotional Overdoze (chriss)

Podcast/Download: In der Sendung vom Freitag, dem 11.11.2011 fahren Norbert K Hund und Christopher Schmall hinab in die tiefen Abgründe und Abscheulichkeiten der menschlichen Seele. Eine nachtdunkle Begreifung des Seins und eine Bejahung aller Gefühle die allzu gerne unter den Teppich gekehrt werden: Weltschmerz, Verzweiflung, Ausweglosigkeit, tiefe Trauer, versteinernde Angst, tödliche Abweisung… Also Dinge, die -wenn man sich ihnen ausliefert- einen stärker machen und vorantreiben! 

into the deep„Digging in the dirt. Stay with me, I need support. I’m digging in the dirt to find the paces I got hurt. Open up the places I got hurt…“ – Peter Gabriel. Man muss sich seinen Abgründen stellen, den Dingen, die einen verunsichern, einem Angst machen und die Luft nehmen. Man muss in die Dunkelheit gehen, hinab in den Orkus seiner Gefühle und dann ist man allein. Allein mit sich selbst und jenen Schatten, die man so gut versuchte zu verdrängen. Man muss ihnen ins Gesicht blicken um zu sehen, zu verstehen und weiter zu machen, Stärke und neue Kraft zu schöpfen. Das schafft man allerdings nur, wenn man in den Spiegel der unverklärten Wahrheit blickt. Nur so und nicht anders. Und schon gar nicht durch irgendwelche Medikamente, „Seelenklempner“ oder Beichtabnahmen!

Ja, wie ihr lesen könnt wird es (endlich) wieder tief, düster und… authentisch! Denn nur in dem man alle, nicht nur die schönen, fröhlichen und vergnügten Seiten in und um sich annimmt, wird eine Aussage auch emotional verständlich… Wir, als Gefühlsmenschen leiden irrsinnig unter jenen plastiküberzogenen und mit grinsender Fröhlichkeit übergossenen Emotionsvernichtern, die alles was wahr und individuell in ihnen ist, einfach abtöten durch Markenvermarktungsaufbereitung und Gleichschrittmarsch. Wir wollen uns gegen diese allgemeine Verblödung des eigenen Fühlens aussprechen und mal wieder so richtig im Dreck wühlen, so wie Peter Gabriel. Wieder einen Zwischenbericht unserer philosophischen Abenteuerreise durch eben jene Welt bringen, die bald einheitlich deppad sein wird und endlich wieder all unseren Frust, Grant, unsere Abneigung und unsere dunklen Gedanken mit euch teilen…

in the shadowNatürlich sollen all unsere Tiefen nicht ganz ohne Lichtblicke bleiben… Wir werden sehen, wohin uns unsere Playlist fühlt, aber so viel sei jetzt schon verraten: Von aushängiger Scheiße über verinnerlichten Schmerz bis zum powervollen Schlußakkord der in einem seelischen Zerstückelungsprozess endet, haben wir eine wunderbare Auswahl an depremierten, verblutenden, schreienden und davonlaufenwollenden Musiken von Patti Smith, Peter Gabriel, KT Tunstall, Feist etc. für euch…

Also, wer sich traut oder gerade nichts zu tun hat, unterwegs nach irgendwo ist, sich gerade beim orgeln langweilt oder uns beide und unsere Sendung einfach mag und schätzt, der oder die soll doch einschalten! Wir haften allerdings nicht für irgendwelche Entdummungen und unvorhergesehene Gefühlswahrnehmungen die zu einen Rausch der Erkenntnis führen!

Danke und Baba… Hear you 😉