Zu den drei Hasen

Perlentaucher Nachtfahrt am Freitag, 9. September um 22:06 UhrZu Risiken und Nebenwirkungen fragen sie ihren Hasen … Es ist schon etwas Besonderes, wenn ein Mensch einen anderen “Hase” nennt – und es sind mindestens so viele Bedeutungen dabei möglich, wie es Hasen auf der Welt gibt. Die vermehren sich nämlich auch wie die Karnickel. Jedenfalls dort, wo ihre Wiese noch nicht von Maschinen planiert ist, damit sich die Überbevölkerung einfacher ausbreiten kann. Von der Hasenjagd (und es muss auch nicht die Mühlviertler sein) wollen wir hier gar nicht erst anfangen. Der Hasenwerdung des Menschen und/oder umgekehrt haben wir einst in der Sendung “Hasen wie wir” nachgespürt. Heute wollen wir jene Menschen würdigen, zu denen wir gern “Hase” sagen, sowie all das, was mit diesem Begriff mitschwingen kann…

Zu den drei HasenNun ist ja der Hase, wie wir ihn aus freier Wildbahn kennen, seiner Natur nach ein sehr scheues Wesen, das wir zwar aus der Ferne beobachten, dem wir jedoch nicht nahekommen können, auch nicht als junger Hund. Wenn aber jetzt so ein Hase auf ein Mal stehen bliebe – und sich zu uns umdrehte, dann wäre das schon ein erster Einbruch von etwas gänzlich Unerwartetem, das sich allerdings wesentlich “richtiger, stimmiger und auch zusammenhängender” anfühlen könnte als vieles, was wir bisher zu wissen geglaubt haben. Und wenn dieser Hase jetzt auch noch auf uns zu käme (anstatt wie üblich von uns weg zu laufen), dann stünden wir bereits mitten in etwas, das wir als “wundersame Erscheinung” einzuordnen gelernt haben. Als etwas, das es eigentlich nicht geben kann (von dem aber wiederum in vielen Geschichten berichtet wird). Ja, was denn jetzt? Gibt es mehr als nur eine Wirklichkeit? Und wenn ja, warum? Zu Hilfe, ich werde von freundlichen Hasen verfolgt! Halt, nein, andersrum: Zu Hilfe, ich werde von unfreundlichen Jägern verfolgt, weil ich mir freundliche Hasen vorstellen kann.

Zu den drei HasenWenn uns besagter Hase darüber hinaus noch freundlich begrüßt, uns zum Verweilen auf seiner Wiese und zum Abendessen einlädt, und wir mit Erstaunen feststellen, dass wir seine Sprache verstehen, dann sind wir endgültig in einer anderen Welt gelandet, von der wir bis vor kurzem noch nicht geglaubt hätten, dass es sie überhaupt geben kann. Oder wissen wir es längst, dass es auch noch weitere “andere Welten” gibt, wenn wir nur unserem inneren Sinn für den Zusammenhang allen Lebens vertrauen? Möge der Hase mit uns sein, denn bei der nun unweigerlich bevorstehenden Kollision zwischen den Wirklichkeiten kann es schon einigermaßen ungemütlich werden. Es sei denn, wir beschränkten unsere Phantasien auf eine sogenannte Freizeitbeschäftigung und verhielten uns ansonsten entsprechend der allgemeinen Übereinkunft als folgsame Bewohner der einen Wirklichkeit aus dem Realitäterbüro zum Weltbeherrsch. Die Trennung zwischen Mensch und Kunstperson wäre somit das Kriterium geistiger Gesundheitnicht die Stimmigkeit mit den eigenen Bedürfnissen und Gefühlen?

Zu den drei HasenSind sprechende Hasen also ein Fall fürs Kinderbuch – und damit für die Geringschätzung all dessen, was als “kindlich” oder “kindisch” abqualifiziert wird in unserer “dem Erfolg um jeden Preis gewidmeten” Gesellschaft? Oder ist es geradezu Gesellschaftsgerm (der locker und fest zugleich macht), wenn Mensch einen Menschen “Hase” nennt, weil er/sie plötzlich dessen Sprache und “andere Welt” versteht? Weil er/sie statt der logisch erwartbaren Flucht freundliches Zutrauen erfährt? Weil etwas/jemand wie ein wildes Tier mit einem Mal “zähme mich” sagt und dieser Vorgang zur “gegenseitigen Zähmung” wird? Muss denn des Menschen Versuch, die bekannte mit der unerwarteten Welt zu verbinden, so dass beide in eine Wechselbeziehung eintreten können, von vornherein als Spinnerei abgetan und in weiterer Folge aus der Erwachsenenwelt weggemacht werden? Nun, wenn man (wer auch immer das ist) den “Status Quo” auch “um jeden Preis” aufrecht erhalten muss… Apropos, seit Christi Geburt (dem Jahr 0) gab es auf der gesamten Welt etwa eineinhalb Jahre Frieden. Da sind mir die Hasen lieber

PS. Ein Gasthaus namens “Zu den drei Hasen” gibt es übrigens auch. Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen sie ihren Stootsie

 

Sackgassen Sachzwänge

> Sendung: Perlentaucher Nachtfahrt vom Freitag, 13. MaiEs gibt durchaus verschiedene Arten von Sackgassen, in die wir so im Lauf unseres Lebens geraten können. Darunter sind viele, aus denen man auch recht leicht wieder heraus kommt. Und dann gibt es die spezielleren welchen, die zudem noch Einbahnstraßen ohne Umkehrmöglichkeit sind. Hat die Menschheit einen Rückwärtsgang? Von sich aus würde ja kaum jemand halbwegs Belichteter in eine solche Seinsfalle einbiegen. In eine angekündigte Ausweglosigkeit auf Nimmerwiedersehen. Doch – da sind dann noch die sogenannten Sachzwänge, die uns (warum auch immer) umtreiben: “Muss Arbeit hier, muss Essen, muss Frau, muss Kinder…” Oft erschließen sich der Sinn und die verschiedenen Bedeutungen eines Begriffs aber erst bei festerer Beutlung:

Sackgassen KonzeptKrampf“Sachzwänge? Z’weng am Sach?”, fragt etwa Uwe Dick in bayrischer Mundart – und das könnte “wegen einer Sache” bedeuten, wobei im Bayrischen “das Sach” speziell auch “Grundbesitz, Vermögen” meint. Aha, Realitäten aus dem Eigentumsbüro! Oder “z’weng” würde “zuwenig” bedeuten, dann wäre man schnell bei etwas wie “Mangel an Denkvermögen” und “Wirklichkeitsdefizit” der Realitäter*innen, die unsere Realitäten zu ihrem Nutz und Gewinn bestimmen. So hat auch der oft unterschätzte Sepp Forcher noch kurz vor seinem Ableben festgestellt: “Die Menschheit ist eine verlogene Bagage, sie ist nur gewinnorientiert.” Unter diesen Umständen ist die Angst vor dem Untergang schon berechtigt. Ein ins Unendliche wachstumsabhängiges Gewinn- und Gewaltsystem kann auf einem Planeten mit endlichen Ressourcen nicht funktionieren, ohne letztendlich seine Grundlagen (den Planeten mitsamt allem, was auf ihm lebt) vollends zu verzehren. Dann ist es zwar vorbei mit der Herrschaft der Herrschaftenaber eben auch mit uns. Und das wollen wir sicher nicht. Auch wenn wir in der Mutter aller Sackgassen stecken geblieben sind – es wohnt uns doch immer der unbändige Lebenstrieb inne.

Sackgassen Sachzwänge AlternativLosWir leben im Zwischenin einem Freiraum möglicher Perspektiven. Ungeachtet des Unvermeidlichen wie etwa der eigenen Endlichkeit obliegen wir dem Unverfügbaren, das sich noch jedem Versuch seiner Verwertung, sogar jeder Kontrolle, Zweckwidmung, Definition – und jedem Besitzanspruch erfolgreich entzogen hat, seiner Natur gemäß. Nichts würde die Leistungsdreher der Geschnellschaft geiler machen, als noch den letzten Rest Resonanz ihrer Kostenpflicht zu unterwerfen. Hier enden ihre Macht und ihre Möglichkeiten. Hier explodiert das freie Leben uneingeschränkt vor sich hin und kümmert sich einen Dreck darum, was ihr als Erfolg bezeichnet. Ich bin auf diese Welt gekommen, um zu sein – und nicht, um jeden Überlebenskampf zu einem Businessmodell zu machen. Mein SchwerkrampfEine Ausgebrut. Schiebts euch den ganzen Plempelkrempel von Gottes Gnaden in den Sonntagsstaat! Kein Weltkrieg (“Wenn ich nicht die ganze Welt krieg!”) kann unsere Liebe je zergrunzen.

Unvermeidlich Fatales FinaleEure künstliche Ewigkeit aus Algorithmen und Kampfdrohnen versagt im Zwischen. Im Zwischen ist das, was uns allen fehlt. Kein Kauf, kein Rausch und auch keine Zugehörigkeit zu irgendwas kann diese Lücke füllen. Und genau so soll das auch sein. Der synaptische Spalt funktioniert nur dadurch, dass er einer ist. Zwischen eben, Raum für Resonanz, Freie Zone für Verständigung und Verknüpfung. Für die Verdichtung dessen, was aus dem Leben selbst entsteht – nicht aus den Absichten der Menschenteighersteller. Wir sind der Germ. Wir bewirken appetitliche Gestalt. Backe, backe – ohne unsere Zutat nichts als Gatschfladen und Fladengatsch ringsumadum. Meinungsvielflat und “Flood the zone with shit!” Hier hört der Spaß auf, Kasperl. Dieser verräterische Satz passt doch perfekt in unser Beutelschema. Seit wasweißich wird jetzt zurück gebeutelt! Denken wir probiotisch und drehen wir den Spaß einfach um: “Flood the shit with zone!” Überall dort, wo Resonanz geschieht und sich das Unverfügbare ereignet, kann kein wie auch immer gearteter Bullshit auf Dauer den Dialog verstopfen. Zwiesprache im Zwischen, Dialog mit dem Leben, auch ganz ohne Worte, senden, empfangen

Gedenken wir der wahren Menschenfreunde!

 

Kategorischer Aperitiv

> Sendung: Perlentaucher Nachtfahrt vom Freitag, 8. April – Hallo, ihr Menschen! Wir sinds, eure Gefühle. Wir sind viele. Wir sind ambivalent, mehrdeutig, rätselhaft. Und wir sind widersprüchlich – wie die Weltlage und das Wetter im April. Die Angst vor dem Untergang klopft an unser Bewusstsein – und draußen wird es Frühling wie jedes Jahr. Der Gaspreis steigt, die Börsen wackeln, alles wird teurer – und zugleich schenkt sich die Natur Bärlauch und Blumen wie immer. Ökozid oder Atomkrieg – wie hätten sie es denn gern? Und Pandemie, Hungersnot, Gewaltherrschaft stehen auch weiterhin zur Auswahl. Auswahl? Dass wir nicht lachen! Lachen ist Selbstschutz angesichts des Schreckens. Frühling ist der Aperitiv des Jahres. Bienchen kichern, Blümchen nicken – und die Hasen lachen sich eins. Aperil, Aperol, Schpritzmajim!

Aperitiv AperilEinerseits liegt ein zunehmendes Gefühl von Ohnmacht wie ein alles zersetzender Frustfrost auf unserer Seelenlandschaft. “Da kann man ja eh nichts dagagen machen.” Allzu ausgeliefert an die Erfahrung des eigenen Fremdbestimmtseins von der Kindheit bis noch ins Sterbeheim funktionieren wir wie Automaten vor uns (und den anderen) hin (und her). Aller Triebe beraubt erschauern wir auch im machtkalten Winterwind. Andererseits fühlen wir schon so etwas wie Hoffnung in uns aufsteigen. Spüren wir warm umfangend so etwas wie Ganzheit – in uns und der Welt. Etwas, das alle mit dem anderen verbindet – und mit uns selbst. Etwas, das die Zeit aufhebt und uns den Eindruck einer Ewigkeit erweckt. Lebendig sein und auch sinnvoll verbunden mit allem, was da war, ist, sein wird. Nur nicht mit dem, was sinnlos fragmentiert als Trümmersturm, Steinhagel, Bröselbrei schmerzbrennend voll durch unsere Zweige bricht und unsere feinsten Sinne, unseren Saft, unser Myzel des Lebens verstopft.

Aperitiv AperolEs ist also nun so, dass es all den uns vorliegenden Nachrichten von einem baldigen Ende menschlichen Lebens zum Trotz wieder Frühling wird. Oder eben auch gleichzeitig, ungeachtet dessen, parallel dazu. Diesen in Wahrheit nur scheinbaren Widerspruch müssen wir aushalten, obwohlund gerade weil wir ihn fühlen. Wir könnten uns allerdings dem Frühling weitaus fruchtvoller hingeben, wenn die herrschenden Ursachen der Bedrohung schon “eingehegt” wären (unwirksam gemacht – und das wird bald notwendig sein, am besten vorgestern). Machtmissbrauch, Wachstum um jeden Preis, Profitgier, “das ökonomische Diktat”, Naturfraß, Umweltschändung, Menschenverachtung, Ressourcenraubbau, Flächendeckende Volksverblödung, you name itund überhaupt Krieg mitsamt einer offenbar völlig unbrauchbaren internationalen Gemeinschaftsordnung, die bestenfalls moralische Phrasen in die Luft hüstelt. Da brauchen wir die Hinwendung zum Frühling allein schon als Medizin.

Aperitiv SchpritzmajimUnd das Lachen als Therapie zur Selbstverteidigung: “Das wirkliche Rätsel ist nicht, wann erstmals Häuptlinge oder Chefs oder sogar Könige oder Königinnen auf der Bildfläche erschienen, sondern ab wann es nicht mehr möglich war, sie einfach durch Gelächter zu vertreiben.” In der Realität der Realitäter (und *innen) verhält es sich wirklich so, dass “um die 80% der Führungskräfte Soziopathen sind”. Derlei krachende Kollisionen der Wirklichkeit mit sich selbst kann man zur Zeit nur durch die Witzessenz an sich ertragen – indem sich nämlich zwei Ebenen, die nicht zu einander passen, überraschenderweise doch begegnen, was uns zumindest schmunzeln und die Gegensätze erträglich macht. Das widerum bewirkt in unseren Leibern (die die Welt bedeuten) einen Ausschank erlesener Hormoncocktails. Und den Menschen ein Wohlgefallen, Prost! – In den Abgrund schauen und trotzdem lachen: Das ist der Aperitiv – zur Gefechtspause im Dauerfeuer des Weltgedümmels.

Gute Nacht, Österreich

PS. Stanislaw Jewgrafowitsch Petrow – Der Mann, der die Welt rettete …

 

Bürgerkrieg im Herzland

> Sendung: Perlentaucher Nachtfahrt vom Freitag, 11. FebruarGespaltene Gesellschaft. Die Parteien stehen sich unversöhnlich gegenüber. Der ewige Kampf zwischen Gut und Böse. Oder Böse und Gut? Das Ringen um die Macht. Aus dem Keller der Geschichte hört man den Endsieg kichern. Den Gottesstaat. Das Reich. Das Richtige wird triumphieren. Und das Falsche wird vernichtet. Im Namen der jeweiligen Versprechungen. Davon versprechen wir uns aber genau nichts. Jede Erlösung hat es nicht weit bis zur nächsten Endlösung. Jeder Feind, der uns vor Augen gestellt wird, ist längst ein Teil von uns. Jeder Krieg gegen “die Anderen” widerspiegelt unsere innere Zerrissenheit. Wir sollen einen Teil von uns ausrotten, um im anderen Teil als strahlende Sieger zu erstehen. Bürgerkrieg im Herzland.

Zwei Seelen, achJede “Erziehung zum Guten” (die wir bisher gesehen haben) bedeutet die “Austreibung des Bösen” und beruht auf äußerlicher Anpassung an das jeweilige Verhaltensideal. Die dabei angestrebte Abtötung der unerwünschten Seelenregungen führt unweigerlich zur Verdrängung, Verleugnung und Abspaltung ganz erheblicher Persönlichkeitsanteile und so in weiterer Folge zu einer in sich gespaltenen Persönlichkeit. Diese dümmliche Abrichtung zu einem “richtigen Funktionieren” erzeugt genau die mit sich selbst im Krieg befindlichen Menschen, die es braucht, um einen Krieg in der Außenwelt zu führen. Gesellschaften, die aus solcherart gespaltenen Persönlichkeiten bestehen, sind naturgemäß von vornherein gespaltene Gesellschaften. Und das dauernde innere Zerren und Reißen zwischen “Gut” und “Böse”, also der fortwährend in diesen Menschen stattfindende Krieg zwischen dem einen und dem anderen Anteil ihrer selbst bewirkt wiederum Krieg.

Bürgerkrieg im GlaubenNun ist es wohl so, dass in jedem von uns Güte, Wahrheit und Hilfsbereitschaft vorhanden sind, die nach Ausgestaltung streben – aber eben auch Bosheit, Lüge und Zerstörung. Von der Rettung der Welt bis zu Mordlust und Quälerei ist das alles in unseren Gedanken und Gefühlen angelegt. Die Frage ist nur, wie wir damit umgehen, sowohl in unserem Inneren als auch in der Wirklichkeit der Außenwelt. Und – welche Regeln und Gesetze für unser gedeihliches Miteinander sinnvoll sind. Ein Autor, der es versteht, die damit verbundenen Abgründe in seinen Geschichten aufzuzeigen, ist Ferdinand von Schirach. Erfreulicherweise formuliert er keine Erziehungsziele, sondern stellt die Beschaffenheit des Menschen in seinen jeweiligen Lebensumständen dar, so dass wir uns darin als etwas Ganzes erkennen.

Bürgerkrieg im HerzlandWenn wir nicht wollen, dass unser inneres Zerrissensein zwischen Ideal und Peinlichkeit weiterhin als Treibstoff für den Krieg benutzt wird, dann müssen wir nach einer echten Versöhnung der sich in uns befindlichen Gegensätze forschen. Und nicht nach noch ausgefeilteren Methoden, irgendwelche “Gegner” zu übervorteilen. Dadurch würden wir uns ja wiederum nur selbst (und vor allem um uns selbst) betrügen. Frieden ist nicht die Abwesenheit von Krieg – sie wäre aber eine sehr angenehme Begleiterscheinung, wenn Frieden endlich stattfindet. Eine Erziehung zum Ganzen – und nicht nur zum “Guten” – könnte ein Anfang sein. Oder die logische Folge. Doch wie Frieden schaffen – ohne Waffen? In einer Welt voller hochtechnisierter Säugetiere, die Uwe Dick einmal als “Drüsensklaven selbsterhöhter Abkunft” und “Serienköpferl aus der Nutzmenschenbatterie” bezeichnet hat? Erfreulicherweise formulieren auch wir keine Erziehungsziele – sondern regen zum Weiterdenken an.

“Ich sagte zu ihm: In dir wohnen zwei Seelen – eine, die tötet, und eine, die liebt. Und er sagte zu mir: Ich weiß nicht, ob ich ein Tier bin oder Gott.” ….. “Aber ihr seid beides!”

 

Die wahren Adventeuer

Perlentaucher Nachtfahrt am Freitag, 10. Dezember von 22:06 bis 02:00 Uhr – in zwei Teilen hier als Podcast Erster Teil sowie Podcast Zweiter Teil gut zu hören.

Adventszeit oder “Leckdown, heuer wird das Leben teuer.” Genau so wie übrigens schon im letzten Jahr. “Und wenn du lange in einen Abgrund blickst, blickt der Abgrund auch in dich hinein.” Aber ja. Als besäßen wir alle eine magische Fernbedienung, mit der sich das allzu Abgründige elegant ausblenden ließe. Wie? Die allermeisten der knapp 8 Milliarden Debilen verhalten sich genau so? Wo ist eigentlich der Regisseur, wenn man ihn einmal wirklich braucht? Jetzt sind wir also wieder einmal in uns hinein gezwungen und ringen in uns mit der Ohnmacht. Was ist überhaupt so ein Abgrund? Und wenn ja, wie viele? Egal. “Die wahren Adventeuer sind im Kopf. Und sind sie nicht im Kopf, dann sind sie nirgendwo.” Same procedure as every year, Miss Sophie …

Die wahren Adventeuer sind im Kopf “Ein Loch ist im Eimer, dear James …” The whole hole is – ein einziger Abgrund. Ein bodenloser dazu. Der Mensch ist eben ein Säugetier, und solange es noch irgendwo Milch gibt, wird er gewiss nicht aufhören. Da kann rundum Pandemie sein was will. Die sprechenden Kaufhauspuppen und Stimmungsautomaten, die sich “unsere Politiker” nennen, werden weiter planlos von einer Zukunft faseln, die schon längst ausverkauft ist. Gute Nacht – nicht nur in Österreich! Grüßgott, abgrundtiefes Loch, womit sollen wir dich stopfen? Das Moor hat seine Schuldigkeit getan und wir sind schon verschluckt. Der Treibsand rülpst und Salzburg gurgelt. Sogar die ewige Festspielpräsidentin geht. An der Stelle, wo das Abendland untergegangen ist, breitet sich eine dicke Fettschicht aus und stinkt. Bedenke, o Nackerbatz, dass du sterblich bist – dagegen lässt sich nicht ankaufen. Selig die Unwissenden, denn sie werden überrascht sein. Es gibt keinen Kaiser, der nicht nackt ist. Es gibt keine neuen Kleider, die das verschleiern könnten. Auch nicht auf Ebay. Und schon gar nicht im dahergelogenen Wunderlampenland für uns alle.

Die wahren Adventeuer sind im KopfDie Kunst, sich im Kopf eine Welt vorzustellen, die anders wäre als die mit Bosheit und Schwachsinn gepflasterte “unserer” herrschenden Realitäter*innen – das ist wahrlich ein Adventabenteuer. Die Welt, wie sie uns jahrein, jahraus alltäglich als alternativlos aufgezwängt wird zum Nutzen der Geldwechsler und Händler, gründlich auf den Kopf zu stellen, eine gänzlich neue Sicht auf die von irgendwo “da oben” herab verfügten Verhältnisse zu eröffnendas bringt Nährwert für die bedrückten Seelen. Nicht “Kunst” als hochglanzbejubelter Hochleistungssport. Nicht fälschlicher- und verschlagenerweise als “Kunst” bezeichnetes Wetthupfen im Geldgnadensack von Staat und Sponsohren. Kunst als Möglichkeitsform. Kunnst mit zwei N. “Kunnst dir a ganz a andere Welt vorstellen?” Und nicht “Eine Vorstellung besuchen – falls du dir das leisten kunnst.” To be or not to be – that is the Quetschen! The Zerquetschen von Menschen zwischen den Mühlsteinen der Geldgewalt. Ja sind wir ein Getreide?

Die wahren Adventeuer sind im KopfManches Korn entbrennt im Zorn. Und das zu Recht. Da möchte man manchmal durchaus die gute Stube der bürgerlichen Weltordnung, die uns die ganze Hoch- und Unkultur bescheret hat, pünktlich zum Fest der Liebe und des Friedens (was für eine Inszenierung) verbrennen. Wie gut, dass ich ein Künstler bin! Sonst könnte ich mich ja gar nicht mehr von und zwischen Wille und Vorstellung unterscheiden. Oder sind wir schon jenseits von Gut und Böse? Heilige Nacht, o Tannenbaum, Fragmentarium im Schleudergang postmoderner Beliebigkeit. Abendland ist abgebrannt – und Geld wird von Banken durch Bilanzverlängerung “geschöpft”. Soviel zur Schöpfungsgeschichte. Doch halt – war da nicht noch was? Da dahinter, da jenseits von jedem und unter allem hinaus? Heißt das nicht immer noch Herbergsuche? Viele scheinen stattdessen auf Herbertsuche zu sein. Es wird also erwogen, ein Beherbertungsverbot zu erlassen. Es wird scho glei dumper …

Die wahren Adventeuer sind im KopfAdventsingen 2021: “Wer klopfet an?” – “Schleich di, du Oaschloch!” Oder anders gesagt: “Wir haben vor lauter hektischem Stillstand keine Zeit für Fragen nach einem vielleicht dahinter liegenden Sinn. Also nimm dein Bett oder was du sonst noch dabei hast – und geh!” Liebes Publikum, so leicht kommt ihr uns nicht davumm. No one gets out alive. “Die wahren Adventeuer sind im Kopf – und sind sie nicht im Kopf, dann sind sie nirgendwo.” Das ist gar nicht so schrecklich. Nirgendwo kann ein sehr schöner Ort sein. Nicht verzagen – überstehn! Auch das Lied geht noch weiter: “Die wahren Adventeuer sind im Kopf, in euren Köpfen, und sind sie nicht in euren Köpfen, dann SUCHET SIE!” Und überhaupt: “Die Wirklichkeit, die Wirklichkeit, trägt wirklich ein Forellenkleid, und dreht sich stumm, und dreht sich stumm, nach anderen Wirklichkeiten um.” Dank an André Hellerfür diese Inspiration. Die begleitet uns seit Jahren durch jedes Artarium – seit dem ursprünglichen Trailer eins null neun.

Bleibts gsund!

 

Septemberteppichfransen

> Sendung: Die Perlentaucher Nachtfahrt vom Freitag, 8. Oktober – Es begann alles mit der Wahrnehmung eines etwas ausgefransten Sommers. Dann kamen die Übergänge zwischen Sommer und Herbst ins Spiel, welche immer wieder zwischen spätsommerlich wärmend und frühherbstlich fröstelnmachend wechselten. Recht regelmäßig wenigstens, ein Gruß des Beständigen in all dem Zerfall und Zerzausen rings um uns und mittendrin. Genau da drängt sich die Phantasie eines fliegenden Teppichs ins wunde Gemüt. Frei schwebend über all den grausligen Niedrigkeiten in seentiefem Blau nach innen sinken – und über all die zwingigen Klaustrophobien und Menschenkatastrophen hinweg im nur mehr Eigentlichen herum fliegen, dabei entspannt die flatternden Fransen bestaunen – also die Septemberteppichfransen.

SeptemberteppichfransenVor gut 10 Jahren erschien das Album Nervöse Welt – und dazu hieß es: “In einer Welt aus Papier will ich Flammenwerfer sein.” Ich würde das heutigentags etwa so abwandeln: “Auf einem fliegenden Teppich will ich flatternde Fransen beobachten.” Vielleicht lässt sich dabei der sprichwörtliche rote Faden finden. Womöglich gar der Ariadnefaden, nach dem wir alle fahnden wie die Verirrten. Wenn nicht, dann lässt sich immerhin erkennen, dass man kein Konsumschwammerl sein muss, um beim Betrachten von fraktalen Strukturen (wie eben Teppichfransen im Flugwind) ins Unendliche zu geraten. Es geht nur auf Umwegen ins Unendliche. Das Labyrhinth ist der Regelfall. Rechteckig sein ist Verbrechen an sich selbst: “Die bloße Vorstellung von so etwas wie einem normalen Menschen ist bereits das erste Symptom des Psychopathologischen.” So formuliert das ein Logotherapeut.

SeptemberteppichfransenDa führt nie ein gerader Weg von der Geburt bis zum Tod. Es sind die Verschlungenheiten, die uns auch mitunter zu verschlingen drohen, die das Wesen des Lebenswegs ausmachen. Der Umweg ist das Ziel – wenn überhaupt. Und daraus ergeben sich unendlich vielfältige Möglichkeitsformen. Der Blitz soll all die beim Scheißen treffen, die uns zu funktionsförmigen Jasag- und Mitmachtrotteln ihrer kranken Hochleistungsgesellschaft umwidmen und zurechtklonen wollen. Ruhen wir lieber im Zwischen, bevor wir uns entscheiden und beschneiden lassen. Lass fahren dahin, tausendjähriger Eierschas, und wenn die Welt voll Teufel wär, in der Ruhe liegt die Kraft, speziell mitten im Sturm: Lassen wir es flattern, rascheln und vibrieren. Lassen wir es tönen, tuten und verklingeln. Lassen wir es glitzern und uns satte Farben ins Aug schieben. Lasset uns bunt sein und schräg und schrill! Und Septemberteppichfransen!

SeptemberteppichfransenIch mag ja Französchisch. Und die Sprache ist auch sehr schön. La vie est belle. Fransen. Frans Ferdinand. Fransophonie. Qui vivra verra. Wir werden sehen… Nicht ohne Ironie! Un monde formidable. Doch nicht? Wir fahren also diesmal auf einem fliegenden Teppich durch die Nacht und versenken uns und euch in einige der Gedankenanstöße, die hier ausgedrückt wurden wie die Wimmerl unserer Jugendzeit. Und was uns sonst noch erwartet auf den verschlungenen Wegen des gemeinsamen Da-, Dort- oder überhaupt Seins – das wollen wir freudig erwarten und uns daraus einen Karl machen, den wir uns mindestens auf den Bauch hauen können – wenn wir ihn nicht sowieso unter den Armen verteilen. Wenn euch nicht gefallen hat, was heute hier stattfinden wird, dann reibts es uns doch unter die Nase – oder zeichnets es euch auf, lassts es euch schön einrahmen und hängts es euch z’haus übers Klo

Mahlzeit!

 

Unvollendete Symphonie …

> Sendung: Perlentaucher Nachtfahrt vom Freitag, 11. JuniFertig ist man nie. Das Unvollendete bleibt noch in der stimmigsten Schnittmenge der Zweisamkeit. Wer da behauptet, fertig zu sein – mit seiner Entwicklung, mit seinen Arbeiten, mit seinem Leben – der ist nichts anderes als genau das: “Du bist voll fertig, Oida.” Fix und fertig im Sinn von erledigt, erschöpft, verbraucht. Das Leben an sich ist immer unterwegs und erschafft sich selbst ständig wiederkehrend in jeweils neuer Gestalt. Das Lebendige, das diesem immer unfertigen Vorgang innewohnt, ist seinem Wesen nach unendlich. Vielleicht vollkommen vollendet. Unsere Aussagen darüber sind hingegen immer vorläufig. Einstweilige Verfügungen zur Herstellung eines fragilen Gleichgewichts mit uns selbst. Unvollendete Kompositionen, ständig im Entstehen.

Unvollendete AssoziationenEin wunderbares Beispiel für dieses dauerhaft Einstweilige in seinem Leben und Werk ist der Komponist Anton Bruckner. Der hat nicht nur eine unvollendete 9. Symphonie hinterlassen, nein, er bearbeitete seine Schöpfungen sogar nach ihrer Veröffentlichung beständig weiter, so dass man heute oft gar nicht mehr sagen kann, “welche” Fassung man da gerade serviert bekommt. Was für ein grandioser Lebenswitz! Das würdigen wir mit einer ebenso unvollendeten Geschichte, die nie aufgeschrieben wurde und die sich daher immer wieder vollkommen neu erzählen kann, nämlich mit “Bruckners Buchtel”. Naturgemäß wollen wir danach auch einen Ausschnitt aus dem rekonstruierten Finale der 9. Symphonie anhören. Überhaupt war Anton Bruckner viel lustiger, als uns das die “offizielle Geschichtsschreibung” weismachen will, die ihn allgemein als einen verklemmt katholischen Bierernst voll staatsamtlicher Gottesschau darstellt. Aber das ist eben auch nur eine Möglichkeit.

Unvollendete OrientierungNicht weniger unvollendet ist das Lebenswerk von Hans Hölzl aka Falco, den Christian Ide Hintze einst als Lehrer fürs Songtexten zur Wiener Schule für Dichtung holte. Letzterer lebte einen derart “weit gefassten Poesiebegriff”, dass ihm noch die versammelten Gesichtsausdrücke von Pierluigi Collina ein Gedichtzyklus waren. Jedenfalls hat er Falcos Texte als das verstanden, was sie zutiefst sind: Sehr ernst zu nehmende Dichtkunst in vollendet unvollendeter Konstruktion. Und – wie jede gute Kunst – zeitlos. Daher ebenfalls prophetisch, wie wir am Beispiel “Europa” erfahren können. Was da beschrieben wird, die unvollendete Integration, sehen wir heute um vieles deutlicher als 1995. Wie Falco es damals beschrieben hat, das erscheint uns heute hellsichtig, vorausblickend, visionär. Vergleichen wir das mit der 2014 erschienenen “Eurovision” von Laibach, so entstehen Assoziationen und Zusammenhänge, die für Personen ohne eigenes Denken nicht geeignet sind.

Unvollendeter RomanWenn wir schon mit Dichtung und Wahrheit umgehen, dann soll hier auch der unvollendete Roman von Wolfgang Herrndorf gewiss nicht unempfohlen sein: “Bilder deiner großen Liebe” heißt das posthum veröffentliche Fragmentarium des legendären Autors von “Tschick”, dem wir an dieser Stelle Dirk von Lowtzow einen passenden Song nachrufen lassen. Und weil wir uns ganz absichtlich “Musikliterarische Gefühlsweltreise” nennen, wird diese Sendung in viel mehr Musik gebettet sein, als das die angeführten Empfehlungen vermuten lassen. Wobei, da wäre noch PeterLicht zu erwähnen, der auf seinem jüngsten Album “Beton und Ibuprofen” wieder ein sehr spezielles Stück “Spoken Word over Music” mit dem Titel “Lost Lost Lost World” dargereicht hat. Zu Riesen und Nebenwirkungen fragen sie ihre Maria – oder werfen sie sich ihr durch die Wand. Jetzt müsste man sich nur noch einen “weit gefassten Symphoniebegriff” zulegen – und schon geht es um jedweden “Zusammenklang”.

Sind wir nicht alle irgendwie unvollendete Menschen?

 

Alt und Jung und Jung und Alt

> Sendung: Perlentaucher Nachtfahrt vom Freitag, 14. Mai“Aber ihr seid beides!” Dieses Apocalypse-Now-Zitat veranschaulicht unser aller Zwischenheit trefflich. Von Beginn an vergehen wir. Und bis zuletzt leben wir. Da ist immer beides zugleich. Alt und Jung sind untrennbar miteinander verbunden. Auch wenn das im Jugendclub wie auch im Altersheim zunächst anders ausschaut. Apropos, geht es alten Menschen besser, wenn sie plötzlich Senioren heißen? Oder Senior*innen? Best-Ager gar? Na also. Bitte. Danke. Pubertäter aller Länder, begreifet euch! Und Insass*innen aller Altersendlager, werdet euch bewusst: Jung ist der, der Junges tut. “Ihr seid am Leben. Das ist alles, was zählt. Ihr seid am Leben!” Darauf lässt sich dann, egal ob alt oder jung, nur noch eins erwidern: “Das ist die Wahrheit.”

Alt und Jung und Jung und Alt AusblickNaturgemäß blicken Menschen unterschiedlichen Lebensalters jeweils anders in die Welt. Sie haben ja auch verschiene Interessen und Schwerpunkte. Kein Jugendlicher wird jemals abgeklärt und reich an Lebenserfahrung die Entwicklung des Weltgeschehens im Rückblick kritisch würdigen. Kein noch so agiler Herangereifter wird jemals mit Entwürfen für seine Zukunft schwanger gehen und dabei auch noch berauscht die Nacht durchtanzen. Drecksbiologie! Da kann man möchten was man will. Was man aber kann, ist in einen Dialog treten, über die genannten Grenzen hinaus. Was man auch kann, ist miteinander in Resonanz geraten, da lösen sich ja viele dieser Genregrenzen, Geschlechtergrenzen, Generationengrenzen auf, ohne dass man sie künstlich unterdrücken, wegverdrängen oder zuschütten muss. Das ist ein Anflug von Demokratie – gegenläufige Interessen unter einen Hut zu bringen.

Alt und Jung und Jung und Alt GezeitenDem Anfang wie dem Ende wohnt ein Leben inne. Und wie sehr erst dem Dazwischen! Kein Funktionieren, keine Staatsbürgerschaft, kein verregeltes Verrinnen von Lebenszeit. Staat dessen Denken und Fühlen und Fragen und Ergründenwollen. Neugier und Forschergeist und unstillbare Sehnsucht nach lebendiger Antwort. Nach Wahrnehmung. Als Mensch, nicht als Molekül. Das Grundbedürfnis, den elementaren Prozess des eigenen in die Welt Wachsens “zu einem guten Ende” zu bringen. Das in jedem einzelnen Vorgang des Lebens tobende Verlangen, von etwas, von jemand, überhaupt angesprochen zu werden. Und die Reaktion zu erfahren, die der Fragestellung entspricht. Wenn das nicht geschieht, stirbt etwas ab im Lebendigen. Noch bevor es hinreichend alt geworden ist, um wiederum Junges zu inspirieren. Noch bevor es jung genug ist, um überhaupt alt zu werden. Die herrschenden Weltverhältnisse der Macht zerstören nicht nur das bereits vorhandene Leben – sie vernichten es schon vor seiner eigentlichen Entstehung. Das Menschsein wird wortwörtlich “im Keim erstickt”. Wem das nicht mehr weh tut, der/die ist zu einem Teil der Banalität des Bösen” geworden.

Alt und Jung und Jung und Alt MusikBöses zerteilt und zertrennt das Große und Ganze nämlich so weit, bis die Lebensfrage nach Antwort genau gar nichts mehr vorfindet, sich daran zu verstehen. Das ist, was Hannah Arendt insgesamt mit dem Begriff meint: Die Weigerung, selbst Verantwortung zu tragen, zerbröselt jedes Verstehenwollen ins schiere Nichts, ist also seinem Wesen nach Vernichtung. Ist also selbst nichts anderes als Nichts. Auf Nichts lässt sich auch nichts antworten, es sei denn man ist ein Hupfhans und Hampelzwerg im Scheinweltgedümmel der Imageindustrie. Nichts als Etwas zu verkaufen, noch dazu für echte Arbeit, echten Schweiß und echte Lebenszeit, das hat wiederum durchaus was Diabolisches. Ist das die große Weltverschwörung zum Untergang und zum Zerfall des Lebendigen? In Abwandlung von Jan Josef Liefers könnte man sagen: “Verzweifeln sie nicht. Aber zweifeln sie bitte weiter!”

Oder auch: “Werden sie ruhig alt. Aber bleiben sie jung dabei!”

 

Frühlingsfest der Endlichkeit

>>> Sendung: Perlentaucher Nachtfahrt vom Freitag, 9. April – Er ist wieder da! Der kleine Tod, mit dem Andreas Vitàsek schon immer ein hochgradig ambivalentes Zwiegespräch pflegt. So abgründig liebevoll und schaurig vertraut wie vermutlich eh meistens im sonderlichen Sein des Homo Säugetier. Die vereinfachte Darstellung des Todes als bloßer Gegenpol zum Leben (was schon auch zutrifft) erhellt eben nur einen Aspekt des vielfältig Möglichen zwischen Frühlingsfest und Abschiedsleid. Vom “dünnen Firnis der Kultur, der uns von der Barbarei trennt” sprach der legendäre Jurist Fritz Bauer. Wie fest wäre hingegen der Firnis einer Kultur, die sich aus dem gleichzeitigen Vorhandensein widerstrebender Gegensätze speist? Einer Kultur des Sowohl-als-Auch, der wir diesmal im Strom der Gezeiten eine Insel stiften werden.

Frühlingsfest der EndlichkeitVor genau 10 Jahren haben wir mit “Frühlings Erwachen” der Zwiefalt von Leben und Tod eine Sendung gewidmet. Deshalb haben uns auch diese Szenenfotos der Schauburg in München trefflich inspiriert. Aber diesmal interessieren wir uns mehr für das, was entstehen kann, wenn die gegeneinander wirkenden Pole Lebenslust und Todessehnsucht eine Zeit lang und im selben Raum vorhanden sein und sich auswirken dürfen – ohne dass Entscheidungen getroffen werden müssen. Somit sollen Musik, Texte und Themen vorkommen, die entweder Frühling, Sonnenlicht, Liebe oder Angst, Trübsal, Untergang darstellen. Natürlich dazwischen auch solche, die bereits im Sowohl-als-Auch daheim sind – und von dort aus Fragen aufwerfen: Was ist Gegenwart (einmal abgesehen von Vergangenheit und Zukunft) anderes als Anwesenheit? Müsste sie dann nicht bei manchen Philosophen und Sprachwissenschaftern Abwesenheit heißen? Von wegen Geistesgegenwart

Frühlingsfest der Endlichkeit“Den Leibern, die hier umgehen, ist jeder Geist Gespenst.” So Uwe Dick in der Vorrede seiner szenischen Lesung “Der Öd”. Ja fürwahr, es scheint uns das “Hordiotentum” einer “perfekt blöd gemachten Rasse” dergestalt zu umbrodeln, dass Homo gewiss nicht sapiens heißen kann, bestenfalls Brotteig, Knetmatsch oder Massenblubb. Da ist es wieder, dieses Zwischen dem Glauben an die Menschheit und dem Verzweifeln an den Verhältnissen. Die Unsicht der Gestaltigen im Umgang mit der Welt wird eines Endes unser Untergang sein. Kein schönes Erwachsen! Kein Frühlingsfest der gemischten Gefühle für Anfängys und Fortgelaufene. “Und jedem Anfang wohnt ein Ende inne”, um es mit den Worten des Dichters weiter zu denken. “Mein Herz schlägt mich innerlich tot.” Und zwar schon seit vor meiner Geburt. “Liebe An- und Verwesende …”, das ist das Ende der Legende vom “ewigen” Wachstum im Hier und Jetzt. Schon ein Trost!

Frühlingsfest der EndlichkeitLeben und Endlichkeit sind die zwei Seiten derselben Medaille, untrennbar ineinander verknüpft. Warum nicht beides annehmen – und feiern, wie der Frühling fällt. Dazu bedarf es keines Auflaufs in der Außenwelt. Dazu bedarf es keiner Zusammenrottung und keines öffentlichen Almauftriebs. Der eigenen Endlichkeit endlich einmal so richtig zu obliegen, sie sich bewusst werden zu lassen, ihr Raum im Leben zu gewähren, ihr zu huldigen, weil sie die längst vorhandene zweite Hälfte des eigenen Selbst ist, das würde uns viel deppertes Festbatzen an unserem Traum vom perfekten Glückskeks ersparen! Das letzte Wort soll nun eine Französin (Roxanne aus Apocalypse Now) haben: Er wütete und er weinte, mein verlorener Soldat. Und ich sagte zu ihm: In dir wohnen zwei Seelen, weißt du das? Eine, die tötet – und eine, die liebt. Und er sagte zu mir: Ich weiß nicht, ob ich ein Tier bin oder Gott.Aber ihr seid beides …“

Frühling? – Gutes Wetter für Luftangriffe.

 

Licht Kind Schatten

> Sendung: Perlentaucher Nachtfahrt vom Freitag, 12. März – Auf unserer heutigen Expedition ins Zwischenreich aus Licht und Schatten vertrauen wir uns dem einzigen “Führer” an, der in dieser Schwurbelwelt aus Entweder und Oder noch zuverlässige Perspektive verheißt, nämlich dem Kind. Die besondere Auffassungsgabe oder eben emotionale Perzeption von Neugeborenen wurde in zahlreichen Studien untersucht und von humanistischen Psychologen wie zum Beispiel Arno Gruen als Grundlage in ihre Arbeiten integriert. Das Kind blickt sozusagen durch, wo die verwachsenen Darsteller_innen sich im Gewirr von Gut und Böse verstricken und dann vor lauter erwünscht geglaubter Programmabspulung kaum noch in der Lage sind, dem Leben ohne Vorbehalt zu antworten. Kein Wunder also, dass “die Welt” so ausschaut …

Licht Kind SchattenDer große österreichische Sänger und Menschenfreund Georg Danzer hat die Situation so beschrieben:

es gibt so fü leiwaunde kinder
und mit jedn tag werns mehr
und es stöhd sich die peinliche frage
wo kumman de dumman erwachsenen hea

Hier die neue Version der Blau AG

Und das ist beileibe kein Zeitgeistrülpser aus den ach so freizügigen 70ern, das ist ein ebenso zeitloser wie ernst zu nehmender Befund, der uns (als Einzelne und auch als Gesellschaft) ein Wegweiser durch den Irrgarten der Zivilisation sein sollte. Und dann hör ich die aktuelle Wirtschaftsministerin sagen: “Die Gymnasien produzieren oft am Markt vorbei.” Bitte? Welcher Markt? Was ist das für ein Weltbild? Oder sind “die Gymnasien” doch nichts anderes als Produktionsstätten für das Humankapital “der Wirtschaft”, das gefälligst wunschgemäß zu funktionieren hat? Schwachsinn!

Kind Licht Schatten“Das versteht doch jedes Kind…” Oder wie es ein gewisser Jesus ausgedrückt haben soll: “Wenn ihr nicht umkehrt und werdet wie die Kinder, dann werdet ihr nicht an der Welt teilhaben, in der Liebe, Frieden und Gerechtigkeit herrschen.” (Frei übersetzt nach Matthäus, Kap. 18) Die heutige Generation der Kinder und Jugendlichen drückt das ganz ähnlich aus: “Hörts endlich auf, den Planeten zu ruinieren, und machts es einfach richtig, sonst haben wir nämlich alle keine Zukunft mehr.” Woraus folgt, dass Menschen, die so weitermachen wie bisher, zu Mördern ihrer eigenen Kinder werden. “Jetzt reichts aber. Das geht zu weit. Kreuzigt ihn!” Wir befinden uns zwischen der Phantasie und dem bodenlosen Abgrund. Zeit, der spielerischen Kraft des inneren Kindes zu obliegen, die es auch in Heranwachsenden und sogar noch in vollständig Ausgewachsenen zuwege bringt, sich die vorgefundene Welt im Einklang mit den eigenen Wünschen und Bedürfnissen vorzustellen. The Expert is the Freestyler!

Schatten Kind LichtBleibt allerdings immer noch die peinliche Frage, wo die dummen Erwachsenen her kommen. Oder besser gefragt, was denn eigentlich so dumm macht. “Massenblödien, Quasselödien, Kassenschmähdien!” Eh klar, die Umweltbedingungen. Oder der Calvinismus. Der Markt. Das Unterbewusstsein? Da wirds interessant, gelangen wir da doch zum Verdrängten, in den Schatten (wie C. G. Jung das bezeichnete). Unsere Gedankengänge gehen doch immer von den selben Anfangspunkten (oder Befestigungen, Verankerungen) aus – und führen auch wieder zu ihnen zurück. Wenn wir eigenständig denken und nicht “denken lassen”. In dem Fall sind die Denkpunkte nah an der Oberfläche befestigt, in fremdbestimmten und vorgefertigten Bereichen wie Mode, Meinung, Zeitgeist oder Parteizugehörigkeit. Ein tiefgründiges Denken erfordert hingegen tiefer im eigenen Selbst begründete Ausgangspunkte. Und das auch hinter der Grenze zum Unbewussten, an der Scham und Schuldgefühl lauern.

Also, mitten hinein! Aber wie? Keine Ahnung – doch wir sind die Perlentaucher …