> Sendung: Artarium vom Sonntag, 12. April – Unlängst stolperte ich fernsehend (endlich wieder einmal) über eine etwas SEHR andere Dokumentation. „Des Kaisers schmutzige Wäsche“ beleuchtet die Harden-Eulenburg-Affäre (Eine Medienkampagne mit daraus folgenden Gerichtsverfahren rund um einige homosexuelle Freunde und Berater des deutschen Kaisers Wilhelm II. kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs). Dies gelingt Autor und Regisseur Claus Bredenbrock hier allerdings auf so spektakulär unbelehrende und zum eigenen Weiterdenken anregende Weise, dass er gleich vom Bund Lesbischer & Schwuler JournalistInnen mit dem Felix-Rexhausen-Preis ausgezeichnet wurde. Über diese in vielerlei Hirnsicht [sic] Aufsehen erregende Produktion möchte ich also zu Beginn unserer Sendung berichten:
Im deutschen Kaiserreich waren (anders als in anderen Ländern zu dieser Zeit) homosexuelle Handlungen seit 1872 wieder durch den § 175 des Strafgesetzbuchs kriminalisiert. Aufgrund dieser Rechtslage musste sich Wilhelm II. nach wiederholten öffentlichen Bezichtigungen (siehe nebenstehende Karikatur) von vielen seiner bis dahin einflussreichen Berater trennen, um nicht selbst solcher „sodomitischer Schmutzereien“ verdächtigt zu werden. Die geradezu hysterische Abgrenzung von allen auch nur entfernt im Geruch der Unmännlichkeit stehenden Personen führte mittelbar bis zur Abberufung des Reichskanzlers Bernhard von Bülow, übrigens ein Verwandter des von uns hoch geschätzten Loriot (Krawehl, Krawehl). Und schon sind wir mitten in der spannenden These der Dokumentation: Die (zum Teil tatsächlich) homosexuellen Schöngeister aus dem „Liebenberger Kreis“ waren allesamt Teil einer informellen Friedenspartei und strebten die Aussöhnung mit Frankreich sowie ein geeintes Europa an. Durch deren Entmachtung gewannen die Militärs der Kriegspartei nun die Oberhand im Einflussbereich des Kaisers – und steuerten Deutschland zielstrebig in den Ersten Weltkrieg. Doch dieser hätte womöglich überhaupt nicht stattgefunden – wenn Homosexualität damals eben nicht strafbar gewesen wäre!
Was wir uns da nicht alles erspart hätten! Den zweiten Weltkrieg gleich noch dazu, den Hitler, den Holocaust, überhaupt die Nazidiktatur – und mit ihr die krankhafte Verfolgung von allem und jedem, was nicht in ihre Normvorstellung paste. Nicht zuletzt – und hier schließt sich der Kreis – die Ermordung der sexuell normabweichenden Männer in den Konzentrationslagern. Das Klima gegenüber dieser NS-Opfergruppe ist in unserer Gesellschaft auch 70 Jahre nach Ende dieses speziellen Wahnsinns immer noch verstörend gleichgültig. Am Gelände des ehemaligen KZ Mauthausen wurde immerhin „schon“ 1984 die abgebildete Gedenktafel angebracht. Ein freistehendes Denkmal im öffentlichen Raum für die wegen ihrer Homosexualität Verfolgten ist hingegen nach wie vor nicht verwirklicht (Artikel Verein Gedenkdienst). Und in Salzburg wurden gar erst seit 2012 inzwischen 7 „rosa“ Stolpersteine verlegt. Rosa, weil „Rosa Winkel“ die KZ-Kennzeichen für inhaftierte Homosexuelle waren. Davon berichtet abschließend das gleichnamige Radiofeature von Georg Wimmer, das wir hier auch wegen seines journalistischen Engagements sehr gern wiederholen.
Ach, hätte Wilhelm II. doch nur sagen können: „Das Sexuelle ist reine Privatsache!“