Als der eiserne Vorhang fiel

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 27. Oktober“Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten”, sprach einst Walter Ulbricht. Kurz darauf mauerte und zäunte sich die DDR erst so richtig ein. Von 1961 bis 1989 erhob sich die Berliner Mauer als (fast) unüberwindbare Barriere zwischen Ost und West, dazu noch ein ebenso (fast) undurchdringlicher Zaun entlang der gesamten innerdeutschen Zonengrenze als Teil des eisernen Vorhangs zwischen kommunistischen und kapitalistischen Ländern. Am 9. November 1989 (also vor 30 Jahren) wurde die Berliner Mauer wieder geöffnet, und mit ihr “fiel“ nach und nach auch der restliche “eiserne Vorhang”. Aber auch vor diesem “Fall” versuchten Menschen aus verschiedenen Gründen, die Systemgrenze durchlässig zu machen. Und das waren in den meisten Fällen keine Berühmtheiten…

Als der eiserne Vorhang fielZum 30. Jubiläum dieses Vorgangs überschlagen sich die Amtsmedien wieder mal mit Gedenksendungen, dass einem dabei schwindlig wird. Mich verdrießt aber bei dem ganzen Tohuwadoku, wie Jahr für Jahr die immergleichen Prominent*innen ihre längst bekannten Erinnerungen in alle verfügbaren Kameras sülzen, wohingegen die “einfachen Leute” dabei so gut wie nie vorkommen. Als ein braves freies Medium, in dem vorzugsweise auch jene zu Wort gelangen, “die in den sonstigen Medien unterrepräsentiert sind”, bringen wir diesmal eine der vielen “kleinen” Geschichten zu Gehör, aus denen die “große” Geschichte ja ursprünglich besteht, bevor sie von den “Siegern” für ihre Zwecke interpretiert werden kann. Und diese “erzählte Wirklichkeit”, umrahmt von künstlerischen Darstellungen ihrer Zeit, soll einen geistigen Freiraum bewirken, in dem sich vortrefflich vorstellen lässt, wie es auch noch ganz anders sein könnte. Beziehungsweise, was Grenzen bedeuten. So wollen wir auch auf die etwas andere Gedenkveranstaltung “mauern MAUERN” der SAG am 4. 11. im Salzburger Literaturhaus hinweisen, bei der Mauerfall sowie eiserner Vorhang der Befragung durch dichterische Phantasie unterzogen werden.

Eine große Inspiration war und ist uns der Song “Sommer 89” von Kettcar. Danke!

Zur Einstimmung gäbs hier noch zwei Zeitzeugenberichte: “Flucht in die Zukunft” aus der Perspektive burgenländischer Fluchthelfer- und Unterstützer*innen sowie “Tausend Augen auf dem Kassettenabspielgerät” aus Erinnerungen der Rockband Silly im Hinblick auf Songtexte und Zensur in der DDR.

 

Jedermann Reloaded (Teil zwei)

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 20. Oktober – Wie wir in der letzten Sendung versprochen haben, gibts diesmal den zweiten Teil von Jedermann Reloaded gut zu hören. Philipp Hochmair & Die Elektrohand Gottes haben das altehrwürdige Stück des Hugo von Hofmannsthal in eine sehr zeitgemäße Fassung gebracht und neben zahlreichen furiosen Liveauftritten nun auch als Studioalbum aufgenommen. Dessen Länge von eineinviertel Stunden hat uns zur Zweiteilung dieses “ganzen Albums” bewogen, und so beginnen wir diesmal mit derselben Tischgesellschaft, mit der die vorherige Sendung (hier nachzuhören) endete. Und wir begleiten das Sterben des reichen Mannes vom ersten Gewahrwerden des nahenden Todes bis zu seinem unvermeidlichen Ende. Irgendwer ruft: “Jedermann, deine Tage sind gezählt…”

Philipp Hochmair Jedermann Reloaded 2Philipp Hochmair verkörpert bei dieser Reloaded-Version sämtliche Rollen selbst und interpretiert den (fast) unredigierten Originaltext in kongenialer Zusammenarbeit mit den entfesselten Klangkünstlern der Elektrohand Gottes als einen derart dichten Monolog, dem wir sogleich das Prädikat “Kopfkino” zuerkennen. Denn noch nie war der Jedermann deutlicher und zugleich freier aufzufassen als in der Gestalt dieses fulminösen Hörtheaters. Da gab es bislang nur eine (sehr freie) Nachdichtung, die das von vielen als gar zu christlich-konservativ erlebte Mysterienspiel radikal entstaubte und aus seinem historischen Kontext in die Gegenwart der Globalfinanz schmiss, nämlich “Ein Jedermann” von Felix Mitterer. Den ursprünglichen Text jedoch beizubehalten und ihn dabei so darzustellen, dass er auch vom katholischen Diktat abweichende Interpretationen zulässt, das gelingt diesem Jedermann-Reloaded-Projekt auf ganz beeindruckende Weise. Oder? Jedenfalls in unseren Ohren ist das der Fall, und es ist auch bestimmt sinnvoll, sich in weiterer Folge eigene Gedanken dazu zu erlauben…

Elektrohand Gottes_Elisabeth Fuchs_Philipp Hochmair © Stephan BrücklerDie nächste Erscheinungsform des postpsychedelischen Spektakels wird jetzt am 24. und 25. Oktober (jeweils um 19:30 Uhr im großen Festspielhaus) ans Licht kommen: Jedermann Reloaded Symphonic zusammen mit der Philharmonie Salzburg und der Chefdirigentin Elisabeth Fuchs. Für den Termin am 24. Oktober (Zusatzvorstellung) sind derzeit noch Eintrittskarten erhältlich. Die Fotos zu unseren Artikeln (sofern nicht anders vermerkt) stammen aus der Galerie der Projekthomepage und wurden uns von Heike Blenk zur Verfügung gestellt. Der Jedermann (ein fester Festspielflash) wird uns auch im nächsten Jahr heimsuchen, da feiert das Establishment seine hundertste Wiederkehr am Domplatz. Und wenn wir nicht gestorben sind, dann verabschieden wir die Frau Präsidentin geräuschvoll in den Ruhestand. Wer anderen auf die Hose klopft – aber seht es euch selbst an.

 

Jedermann Reloaded (Teil eins)

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 13. Oktober – Man kommt ihm einfach nicht aus, dem Jedermann. Jahr für Jahr zur Festspielzeit schallt es von der Höh und jedem hier aufgewachsenen Kind ist dieser seltsam schaurige Ruf schon bald genauso vertraut wie das Läuten der Kirchenglocken oder das Böllern der Prangerstutzen. Ein Teil des Klangbilds dieser Stadt. Und ein Teil der kulturellen Identität. Oder des Marketings? Geht es hier um Sein oder Schein? Auch wenn uns die Vermarktstandelung unserer Heimat durch Nutz und Zweck zutiefst abstößt, und auch wenn wir uns der geistigen Eingemeindung in ein prosperierendes Verkaufsimage als “Mozartstadt” entziehen, wenn irgendwer das hier angeschwemmte Kulturerbe so erfrischend aufbereitet wie Philipp Hochmair & Die Elektrohand Gottes – dann macht uns das schon hellhörig.

Jedermann ReloadedDieses Jedermann-Projekt wird als ein Work-In-Progress fortwährend weiter entwickelt, nachdem es 2013 im Rahmen der YDP-Inszenierung von Bastian Kraft seinen Anfang nahm. Die inzwischen entstandene Rock-Performance ist seit Jahren erfolgreich auf Tournee und auch als CD-Album verfügbar. Am 24. und 25. Oktober (jeweils um 19:30 Uhr) wird jetzt eine weitere Stufe atemberaubender Verbearbeitung erklommen, nämlich “Jedermann Reloaded Symphonic” zusammen mit der Philharmonie Salzburg. In deren Presseaussendung heißt es: “Die Philharmonie Salzburg wird mit Jedermann musikalisch in Dialog treten. Wir werden die bestehenden Elektrosounds der Band klanglich verstärken und verändern, Zitate aus der klassischen Musikwelt mitbringen, frei improvisieren und auch als Orchester szenisch in Aktion treten.” Wenngleich das Konzert im großen Festspielhaus stattfindet, wird dabei ein recht gemischtes, zum Teil auch junges Publikum erwartet. Oder wie Dirigentin Elisabeth Fuchs es vor der gemeinsamen Arbeit formuliert hat: “Wenn die Energie passt, funktioniert Crossover, und das mag ich.” Man darf also durchaus gespannt sein, nicht nur als Freund*in des klassischen Schauspiels, der symphonischen Musik oder des Post-Industrial an sich – sondern über alle Genregrenzen hinweg – und überhaupt: Viel Vergnügen!

Wir spielen in dieser Sendung den ersten Teil des Studioalbums (vom Prolog bis zur Tischgesellschaft). Den zweiten Teil (von der Tischgesellschaft bis zum Ende) gibt es dann in unserer nächsten Sendung.