Da Stascheißa Koarl

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 27. Februar – Die fast schon legendäre Antwort auf die zu vermeidende Frage “Wer?” aus Josef Haders Soloprogramm “Privat” führt uns in die entlegeneren Gegenden angewandter Dialektologie. Mundartwischensaft sozusagen. Ich verwende hier die wienerische Fassung, wie man sie etwa auf der CD (Live im Audimax Wien) findet. Weit verbreitet ist auch der “Stoascheißer Koarl”, eine allgemeinbajuwarische Variante, die weder Dirk Stermann noch Peter.W. richtigrum aussprechen können, ganz ähnlich wie “Oachkatzlschwoaf”. Daher soll Josef Hader in Teilen Deutschlands auch vom “Steinscheißer Karli” erzählt haben. Wie all dem sei (mit den Feinheiten der phonetischen Schreibweise wollen wir gar nicht erst anfangen), dem Hervorbringer desselben sei jedenfalls herzlich zum 60. Geburtstag gratuliert.

Da Stascheißa KoarlDas ist uns ein Bedürfnis und so spielen wir einige Ausschnitte aus seinem wegweisenden Programm “Privat”, mit dem vor nunmehr über 25 Jahren das Kabarettgenre einer regelrechten Revolution ausgesetzt wurde. Es ist bestimmt kein Zufall, dass genau dieses Programm das meistgesehenste der heimischen Satireszene wurde. Ich kann mich auch noch erinnern, wie es in jeder gut sortierten Wohngemeinschaft der 90er Jahre anzutreffen war und für viele meiner Bekannten ein inspirierendes Vademecum durch die Irrungen und Wirrungen der damals um sich greifenden Globalisierung darstellte. Erlösendes Lachen inmitten erodierender Weltbilder drang tröstlich vergnügt durch ein österreichisches Seelenvakuum, das sich seiner eigentlichen Bodenständigkeit im Dreck des Menschlichen weitgehend entfremdet hatte. Eine Anstiftung zum Heimischwerden in sich selbst – trotz alledem.

Meiner Meinung nach lebt dieses Programm (das in Wirklichkeit ein “Stück” ist) von den zahllosen Begegnungen und Interaktionen seines Autors mit einem Publikum, das er in den 80ern immer wieder spontan auf der Straße “bespielte”. Die immense Tiefe und Weite von “Privat” (die mir gerade beim Wiederhören auffällt) schöpft aus einem so breiten Spektrum von verschiedenen Gestalten, wie sie einem eben nur “auf der Straße” widerfahren können. Diese alle in den Stimmungen, Handlungen und Personen seines Kopftheaters zu verdichten ist seine wahre Meisterleistung.

Oder wie Uwe Dick über sein Einpersonenstück “Der Öd” sagte: “Es gibt kein Ich und in jedem von uns streiten sich mehrere Stimmen. Ein Psychodrama. Die Summe vieler, die ich täglich aushalten muss.” Wir sehen, die Idee ist nicht neu – doch die Umsetzung ist einzigartig – und “Privat” ist nach wie vor hoch wirksam. Daher empfehlen wir die Einnahme dieses Gewaltheilmittels wiederholt durchzuführen, am besten ohral (also über die Ohren), weil beim bloßen Hören (ohne begleitendes Bild) unsere Vorstellung dazu angeregt wird, sich die phantastischen Szenarien in aller Dichtheit auszumalen.

Und wie erscheint Josef Hader selbst die heutige politische Großwetterlage?

“Einerseits wissen wir genug, um uns zu fragen, was das Ganze soll. Andererseits sind wir zu deppert, um eine Antwort darauf zu finden. Das ist eigentlich eine Gemeinheit.”

Auf dem Weg in die Altersweisheit hier im profil-Artikel. Wie gesagt, wir gratulieren.

 

Heidelbeeren

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 20. Februar – Eine Sendung für den Frieden. Was das mit Heidelbeeren zu tun hat, wird sich noch zeigen. Homo sapiens soll ja eigentlich “gescheiter Mensch” heißen – doch wenn man sich so umschaut auf der Welt, wären Homo rapiens, Homo destruktivus oder auch Homo Bscheißerle die viel trefflichere Beschreibung. Vor allem, wenn wir das Phänomen Krieg betrachten: “Seit Beginn unserer Zeitrechnung gab es weltweit zusammengerechnet nur etwa 18 Monate Frieden. Frieden? Abwesenheit definitiv kriegerischer Auseinandersetzungen, möchten wir ergänzend hinzufügen. Ausbeutung und Unterdrückung der Schwächeren durch die Stärkeren gab es ja wohl trotzdem. Also, wie verhält sich Krieg zu Nichtkrieg – und was wäre wirklich Frieden – womöglich?” Aus “Krieg und Frieden” von 2014.

HeidelbeerenDie meisten Menschenleute würden sich wohl lieber in die Heidelbeeren setzen und mit ihren Zehen spielen, als mitsamt ihrer jeweiligen “kleinen Welt” in einem Krieg verwüstet und zerstört zu werden. Und das betrifft jede Art von Krieg, nicht nur den der einen gegen die anderen, sondern auch den des Menschen gegen das biologische Gleichgewicht der Erde. Krieg ist immer gegen die Natur.

Und Frieden? Was wäre das, wenn nicht die bloße Abwesenheit von dem, was wir als Krieg zu verstehen gelernt – wurden? Müssen wir den Krieg bekämpfen? Müssen wir uns organisieren, um Krieg zu führen – gegen den Krieg? Oder genügte es nicht schon, wenn wir uns alle dem Krieg verweigern und uns stattdessen in eine friedliche Metapher setzen, “in Ruhe gelassen sein” wollen von jederlei fanatischem Geplärr – und mit all dem betrügerischen Vorherrschaftsgeschwurbel nichts zu tun haben? Wollen wir uns das titelgebende Bild von Arik Brauer einmal etwas näher anschauen:

I hea im Woid den Auerhohn und setz mi hinta an Buschn
Da siech i zwa Fanatika voi Zuan ins Dickicht huschn
Und wia sa se donn rafn, die Messan einestechn
Do friss i a boa Heidlbeern und spü mi mit die Zechn

Oho – o, halalali

 

André Heller – Mein Hauskonzert

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 13. Februar“So, ein Lied übers Sterben – Sterben, eines meiner freudigsten Themen.” Der Wiener Allroundkünstler und Zeit seines Lebens Poet und Chansonnier André Heller feiert demnächst seinen 75. Geburtstag. In einem jetzt schon legendären Hauskonzert (es war am 6. Januar auf ORF III zu sehen), von dem es bald hieß, es sei “das eigentliche Neujahrskonzert” gewesen, gelingt ihm die erstaunliche Verschmelzung der Genres und Generationen, die seinen musikalischen Lebensweg geprägt haben. Und zwischendrin erzählt er Geschichten, die alle Grenzen zwischen damals und heute, Diesseits und Jenseits, Realität und Phantasie auflösen – in dem einen rauschhaften Moment gelingenden Lebens, der wie das Leben selbst hier und jetzt stattfindet. So wie in “Papirossi”

André Heller - Mein HauskonzertDas inwendige “Sowohl als auch” von Freude und Traurigkeit, Liebe und Verlust, Wehmut und Seligkeit in der Themenauswahl verdankt er auch der Wiederentdeckung seiner jüdischen Kulturtradition. In Liedern wie “Leon Wolke”, “Onkel Jakob” oder einem genial neu arrangierten “Dem Milners Trern” kommt jene Lebensweisheit ganz unaufgeregt wieder zum Vorschein, die wir heute in Österreich so schmerzlich vermissen. Und weil das schöpferische Grenzgängertum des André Heller auch an den eigenen Übergängen von Leben und Tod rüttelt, und wir gerade unseren lieben Kollegen Roman Reischl verloren haben, spielen wir diesmal einen Zusammenschnitt von besonderen Momenten aus dem besonderen Hauskonzert. Live und unplugged mit Robert Rotifer, Ernst Molden, Der Nino aus Wien, Voodoo Jürgens, Marwan Abado und den Neuen Wiener Concert Schrammeln et cetera pp.

Ebenfalls zu hören André Hellers Anekdote vom “toten Hundertwasser”, in welcher er mehrfach vom Wienerischen ins Hochdeutsch wechselt – und wieder zurück:

I bin in a Taxi eingstiegn – jedes Wort ist wahr, das ich jetzt erzähle – und da Taxler schaut mi on und sogt: „So a Ehre fia mi, doss sie mit mia foan, Herr Hundertwasser.“ I sog goa nix. I sog goa nix und denk ma, wonna wü, doss i da Hundertwasser bin, bin i da Hundertwasser.

Wir foan los, i schau – in seinem Rückspiegel die Entwicklung seines Gesichtes an – ea foad, und plötzlich merk i – da braut sich ein Gedanke zusammen in dem Taxifahrer – und i waaß ned, denk ma, boid wiada irgendwos sogn, vielleicht kummda auf wos drauf oda wos – und dann macht er was ganz Gefährliches: während ea so foad dreht er sich so um zu mir – und sogt: „Es is mia jetz so unongenehm – sie sand jo scho tot.“

Und i bin weidagfoan und ea woa sicha, do hintn sitzt da dode Hundatwossa und die Gschicht hod si.

In diesem Sinn …