Live vom 4553² Literaturfestival

> Sendung hören: Artarium vom Freitag, 29. AugustLIVE auf Radio B-138 (Wiederholung am Sonntag, 31. August von 17:00 bis 19:00 Uhr in der Radiofabrik) Sondersendung mit Livegespräch und Darbietungen zum 2. Oberösterreichischen Literaturfestival 4553² in Schlierbach. Auf Einladung unserer lieben Radiomacher-Kolleg_innen aus Kirchdorf an der Krems gestalten wir als Programmerweiterung am zweiten Festivalabend eine Themensendung rund um Brita Steinwendtners aktuellen Roman „An diesem einen Punkt der Welt“ und seine Hauptperson Bernhard „Bez“ Samitz, dessen Lebensjahre im Käfergraben die Autorin darin detailliert nachzeichnet. Also erwarten wir die Brita im ersten Teil der Sendung, im Anschluss an ihre um 20 Uhr stattfindende Lesung, zum persönlichen Gespräch über das Buch und seine Geschichte.

Den Roman selbst haben wir ja bereits im Artarium letzte Woche ausführlich vorgestellt. Nutzen wir die Gelegenheit des Gastauftritts doch zu einer eingehenderen Erforschung der Entstehung dieses Buchs und seiner Sprache! Und widmen wir uns im Gespräch auch der offenbaren Faszination des „Lamandergrabenlebens“, wie es der „Tom“ der Erzählung führte – und wie es einige von uns noch beim „Bez“ im Käfergraben kennen gelernt haben: „Freitags-Beisel, sagten sie dazu. Alle waren da, die immer da waren, und ein paar neue dazu. Das Haus zog Menschen an, junge und ältere, von überall her im Bezirk. Fahrräder lagen im Gras, Mopeds standen an den Bäumen, Ribisel reiften. Drinnen lachen, reden, debattieren. Galopp in Adern und Kopf. Teil sein, sich fallen lassen. Rauchen, tändeln, lieben. Silberarmband, Ohrmuschel und einer, der fragt. Händedunkel und Lichterfäden, Gitarre, Drums und Allesvergessen. Hunger nach Anerkennung und Widerstand.“ Dergestalt schildert es Brita im ersten Kapitel – mehr davon gibts hier als Leseprobe.

Um einen atmosphärischen Übergang vom Literaturprogramm in die spontane Freiheit der Nächte zu bewerkstelligen – ganz im Sinne des oben so trefflich beschriebenen Lebensgefühls und in freundschaftlichem Andenken an den echten Bez – werden wir im zweiten Teil unserer Sendung den Raum öffnen für Dichtung und Wahrheit abseits von Verlag und Verwertung. Für Unbekanntes aus dem kreativen Vakuum des Werdens und noch Unöffentliches aus dem saftigen Ideal des Fruchtgeschmacks. Von und für Gäst_innen und Weggefährtensuchende. Musik, Collagen und Gedichte, Songtexte und Statements, whatever. Was wäre die Essenz eines prophetischen Lebens denn anderes als: Spür mir zu – und mach was draus? Dazu ein plötzlicher Gedanke, der mich beim Aufbereiten dieses Themas ansprang: Wer vermag zu bemessen, wessen Lebenswortwerk wertvoll für die Welt – und wie weit es wesentlich für die Nachbarschaft ist, war, wird? Doch wohl die Berührten und über die Brücken der Bücher nach Neuland-Nirgendwo, in die Bio-Utopie des Selbstdenkmöglichen Verführten, die hilflos am Brustmund der Sprachschöpfung hängenden Einwohner von Phant-Asien, dem Land, in dem Milch und Honig fließen. Diese hin- und mitgerissenen Nachfahren ihrer gemeinsamen Erstbeschweigung. Es lebe der Erzengel Novotny!

Einen einstündigen Ausschnitt dieser Sendung (das ganze Gespräch mit der Autorin) gibt es jetzt ebenfalls unter dem Titel Brita Steinwendtner Backstage nachzuhören 😉

 

An diesem einen Punkt der Welt

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 24. August – Wir haben das neue Buch von Brita Steinwendtner gelesen – und wollen es euch in dieser Sendung wärmstens empfehlen. Warum? Weil wir, wie sich denken lässt, irgendwo zwischen überzeugt und begeistert sind davon. Und weil wir als freie Radiomacher sowieso nur das besprechen, was uns persönlich und unmittelbar berührt. Wovon wir also ein Bedürfnis haben, zu berichten – aus unserer Welt. Und so entwickelte sich auch unsere Beziehung zu dieser zutiefst lebenswerten Geschichte erst langsam, über einzelne Gespräche und Begegnungen, bis endlich aus immer mehr Zufälligkeiten ein überraschender Zusammenhang entstand: Denn die Hauptperson von „An diesem einen Punkt der Welt“ ist niemand anderer als der allzu früh verstorbene „Bez“ Bernhard Samitz, zu dessen Andenken wir bereits ein Radioportrait mit dem Titel Alternative kulturelle Schutzgebiete gestaltet haben…

Beim TortenmacherDas ist Biographie: die tausend tanzenden Sonnenpunkte in uns – denn, ja, weißt du, wie ich mich gerne beschrieben sähe? Als Erzählung – als Roman -, als Text, der mit mir macht, was er will, denn – ja, Parmenides, ich möchte leben wie ein ausufernder Text, möchte Literatur werden – 

Was Tom zu Hause schrieb und dachte, wenn die Dissonanzen in den Saiten hingen und man im Grau des Nebels keinen grauen Engel finden konnte, ist nicht zu wissen. Der Lamanderbach schickte gleichmütig sein Wasser in den Wildgänseweiher und weiter in den Fluss und immer weiter,

     und Tom mischte ein Dorfleben auf wie nebenbei, es ging ins Leere und es gelang, je nachdem, aber er gab ein Beispiel, das über den Tag hinaus wirkte. Erhob den Einspruch des Poetischen gegen die traurigen Verhältnisse des Realen, lebte die Skepsis gegen simple Kausalitätsordnungen, und war, so Matthias, „dem Streit nicht zugetan, der Umarmung mehr und dem Liebkosen, wenn es um Gedanken ging“.

An diesem einen Punkt der WeltEs entspricht wohl auch mehr unserer Wesensart, nicht gar so viel über ein Buch zu reden, wenn wir es euch vorstellen, sondern es statt dessen lieber für sich selbst sprechen zu lassen (Textauszug oben Seiten 170 und 208, unten Seite 163). So wollen wir uns zwar über unsere Erlebnisse beim Lesen unterhalten, ansonsten aber Passagen daraus vortragen und in Gestalt einer Reise durch den Roman Musikstücke dazu assoziieren. Zu Entstehung und Hintergrund dieses ebenso lesens- wie liebenswert verdichteten und vielgestaltigen Entwicklungs-Roadmovies aus der Innenwelt eines integrierten Außenseiters und radikal friedvollen Poesiepropheten melden wir uns am Freitag, 29. August Live vom 4553² Literaturfestival in Schlierbach/Oberösterreich, wobei wir auch Brita Steinwendtner im Anschluss an ihre Lesung zu einem Gespräch erwarten. Die zweistündige Sondersendung beginnt auf Radio B-138 um 22 Uhr und wird am Sonntag, 31. August auf der Radiofabrik ab 17 Uhr wiederholt. Hier noch das Veranstaltungsprogramm der Literarischen Nahversorger. Bis dahin muss es genügen, wenn wir mit Denis Scheck sagen: „Vertraut uns, denn wir wissen, was wir tun!“ Und lest dieses Buch selbst – denn wer Ohren hat zu fühlen…

Wohin wollte er? Raus aus dem Dorf, dem Haus, dem Graben? Waren sie sein Gefängnis oder seine Geborgenheit? Äußerer Ring von Bäumen um seine Augen, innerer von Verstärkern, Gitarren und Büchern um seinen Atem, Bücher als Metastasen, so Matthias, sie wohnten überall, auf Tischen, Stühlen, am Boden, im Bett, im Auto, ein Haus als Depot für Schrift mehr denn eine Wohnstatt. Lese-Marathons bis spät in die Nächte hinein, Hunger nach dem unmessbaren Zauber von Sprache, weltvergessenes Lesen ohne Ziel und Verwertbarkeitsstatistik, ein dadaistisches Spiel, um die Welt auf den Kopf zu stellen. Vielleicht auch, um sich zu wappnen gegen alles Diktatorisch-Tyrannische, weg von allen Autoritäten und alten Bindungen. Von der Mutter, Dem Vater. Den Professoren. Dem Müssen. Dem Erreichen-, Glauben- und Erfüllen-Müssen.

 

Felixwillkommen

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 17. August – Wenn jemand eine Reise tut, so kann er was verzählen. Und unser Studiogast Felix Steinhauser ist ja erst unlängst von seiner Erlebnisfahrt in diverse europäische Städte zurück gekommen. Da wollen wir doch einmal nachspüren, wie sich solches Reisen auf die kreative Gestaltung der Wortkunst auswirken kann, wie sich die Eindrücke zu Ausdrücken verdichten im Nachhall vergehender Zeit. Poesie ist nämlich zuallererst schöpferische Selbstwerdung beim Wahrnehmen der Welt, und erst danach – vielleicht, womöglich – ein Beruf aus Berufung. Dichterwerdung ist kein berechenbares Geschäft mit dem Geldwert des Marktworts – das ist billiges Geklingel, bloßes Kunstmundwerk für kommerzamtliche Literaturverbraucher. Davon zum Glück noch weitgehend unbepatzt, empfehlen wir also eine etwas andere Betrachtungsweise:

FahrtwindWir sind nackt und hilflos
unter einem brennenden Himmel
voller Sternschnuppen
das erste Mal die Einsamkeit verloren
ich hatte sie doch so lange gesucht
du hast sie mir gestohlen
Trickbetrüger
jetzt können wir gehen
meine Reise endet hier
aber unsere hätte erst begonnen

DraussenObiger Text mit dem Titel G entstand nach Felix‘ Rückkehr ins heimatliche Salzburg. Er ist auch auf seinem Blog thereisnocureforhumans zu finden, woselbst viele Wortbildkreationen zur Ausdrucksform seiner Innenwelt werden. Frühere Texte waren bereits in der Sendung Denk mal fairkehrt zu hören. Doch diesmal werden wir ihren Autor noch näher kennenlernen

Fleischlustfleischlust

das blut sei sein blut
das fleisch sei sein leib

ich gebe dir gerne war mir gehört
ich lasse mich gerne ausbeuten
ich lasse mich gerne aussperren
ich lasse mich gerne unterordnen

denn alles was er ist ist gut

diese welt ist unerhört
kein mensch darüber empört

kindergekreisch blutbeschmiert
ikea handtuch
wasser gespritzt
bauch verkümmert

 

Rainald Grebe – auch mit Band!

> Stream/Download: Artarium vom Sonntag, 10. August – „Dem Mann tut eine Band gut“ haben wir erst unlängst konstatiert. Zwar ist Rainald Grebe auch solo am Klavier ein gscheites Kasperltheater, vor allem, wenn man seinen einzigartigen Grimassenfundus dabei auch synchron zu sehen bekommt, wie zum Beispiel in den bekannten Livevideos „Künstler“ oder „Der Kandidat“. Dass der gestandene Schauspieler und Schwurbelkomiker (er trat am Anfang seiner Karriere in Sendungen für brachialen deutschen Plemplemhumor auf) inzwischen auch in den tieferen Themen des Tragikomischen angekommen ist (und dort durchaus der Sozialkritik eines Georg Kreisler nahekommt), das beweisen Nummern wie „Gilead“ und „Auf der Flucht“ in geradezu abgründiger Weise. Unserer Ansicht nach kommt dieser Vollblutmusiker allerdings inmitten des komplexeren Arrangements einer ordentlichen Musikkapelle noch weitaus besser zur Geltung:

rainals grebe massenkompatibelDas hat sich schon bei den ersten fürs Fernsehen aufgezeichneten Auftritten mit dem Duo „Kapelle der Versöhnung“ abgezeichnet, so etwa hier in „Massenkompatibel“, wo es gleich so richtig psychedelisch zur Ursache geht, wenn er da singt:

„Denn wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, denn wo zwei oder drei versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen. Dieser Satz von Jesus, der war mir immer schon, der war mir immer schon popelig erschienen. Ich bin massenkompatibel, massenkompatibel, la la la la…“

Doch damit nicht genug, die um einige oder oft auch mehrere Musiker erweiterte Begleitband heißt nunmehr „Orchester der Versöhnung“ und spielt zu jedwedem Anlass meisterlich auf! Das wollen wir gern mit einigen Titeln aus deren gleichlautendem Studioalbum von 2011 unterstreichen. Davor gibts noch ein paar Solonummern aus dem „Rainald Grebe Konzert“ – We show you both best sides of this good man. Das allerneueste Orchesterprogramm „Berliner Republik“ bieten wir hingegen hier als wohlformulierten Audienzbericht zum Lesen an. Und spielen einen einzigen Titel daraus in unserem imaginären Best Of Album, nämlich das Kinderlied Dankwart ist Tankwart: „Bushido, Bushido – Bushido, lutsch meinen Schwanz. Was du kannst, kann ich auch, ich will auf den Index! Tötet, tötet, tötet Markus Lanz!“ 😀