Dicht & Doof

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 27. SeptemberIn Salzburg gab es noch nie eine deutschssprachige Punkband namens Thomas Bernhard. Und genau das ist einer der größten Fehler dieser Stadt. Denn während in Wien seit Jahrhunderten (von Nestroy bis Neuwirth) auch brutal selbstkritisches Liedgut zum guten wie zum schlechten Ton gehört, ergeht sich unser katholischer Kunstmarktflecken in der propagandistischen Beweihräucherung eigenen Schönscheins und Wichtigtums, dass einem so richtig schön schiach wird. Diese Stadt gehört schon längst nicht mehr uns. Im Musikvideo der zwei Wiener (!) Christoph & Lollo fehlen durchaus die Salzburger Örtlichkeiten im Abspann. Und das furchtbar süßliche (allerdings bitterböse) Grüß Gott Salzburg des Wieners (!) Ludwig Hirsch hat inzwischen auch schon 25 Jahre auf dem Buckel.

hombuchdandlungAuch aus Salzburg sind ja seit Thomas Bernhards „Friedhof der Wünsche und Phantasien“ kaum noch kritische Töne zu vernehmen. Stattdessen Hofberichterstattung von Festspielhelgas Fetzenspielen oder vom volksbrauchbesoffenen Trachtenanfall Rupertikirtag quer durch alle Medien – vor allem aus dem devotionalen Landesstudio des österreichischen Unfugs

Da müssen halt auch wir auf die Altwiener Tradition des gepflegten Protestsongs zurückgreifen und den Wolfgang-Ambros-Text von Hoiba Zwöfe aus dem Jahr 1976 nachträglich versalzburgern, um dem hier vorherrschenden Dultdunst aus Bier und Bratwurst (der hier alles niederquatschenden Geldkunst aus Gier und Staatswurst) etwas halbwegs Ketzerisches entgegen zu theatern. Und das hört sich dann so an:

Von ana Szene kann ma bei uns übahaupt ned sprech’n,
ollas dasauft im Stieglbier, es is zum Erbrech’n.
In dera Beziehung is‘ bei uns zum Scheiß’n
und es schaut ned so aus ois ob’s es irgendwann g’neiss’n.
Oba wozu wüst di aufreg’n, so is des hoid,
am Best’n is‘ du schaust dazua und wirst recht schnö oid.
Stöh da amoi vua, dass bei uns a Konzert is
wo’st fia de Koat’n nur sovü zoist, wos a wert is!
Des tät uns jo des ganze Image vaderb’n
weu Soizbuag is und bleibt…
de Stodt zum Sterb’n!

 

Howling Wuif Project

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 20. SeptemberZu Gast im Studio ist diesmal Wolfgang Maria Gran, und zwar als namensgebender Frontman der Bluesformation Howling Wuif Project, welche am Freitag, 25. 9. um 19:30 im Oval ihr brandneues Album “Gspusi mitn Teufl” darbieten wird, als Auftakt einer gröberen CD-Release-Tour. Wir haben es uns schon vorab angehört – und sprechen mit dem Wuif über allerlei Hintergründe, etwa die Entstehung von aufhorchenmachenden Dialektpassagen wie „Zündts mi on und rauchts mi, wonn i geh” oder “Des F konn wirklich nix dafia, dass es im Land so strachelt, und dass des F vom Faymann mit da weißen Fahne wachelt”. Letzteres Zitat stammt aus dem bereits veröffentlichten “Wenn die Effen kläffen”, einem bissigen Stück Strachsprachkritik in der Mundartblues-Tradition von Dr. Kurt Ostbahn & Co.

Howling Wuif GspusiDie allhier amtierenden Herren Blueswürdens des Howling Wuif Projects verfügen allesamt über bemerkenswerte Musikerfahrungund das hört man auch! Unter den Collaborations der Bandmitglieder finden sich so unterschiedliche Namen wie zum Beispiel: Willi Resetarits, Ray Charles, Göteborg Symphonie Orchester, Shakira, James Brown, Roger Chapman (um nur ein paar zu nennen) und – wie könnte es denn anders sein – der “Godfather des Austro-Blues“ Heli Deinboek. Der hat, wie man hört, wiederum einiges mit der Gründung des gegenwärtigen Wuifsrudels zu tun. Aber mindestens genauso interessant wie die musikalische Qualität der Mitwirkenden (vor allem für die nicht allzu eingefleischten Blues-Fans unter unseren Hörer_innen) dürfte die gesellschaftskritische Ausrichtung dieser Produktion sein. Hier wird der traditionelle Individualjammer eines an sich oft eher traditionslastig verhandelten Genres in den Spiegelwelten der uns umgebenden (familiären, medialen, politischen) Einwirkungen gebrochen, was sich speziell in der stilistischen Vielfältigkeit der Arrangements angenehm auswirkt. Schon Arno Gruen betonte ja, dass jedwede Therapie immer auch die Ursache des Leidens im sozialen Umfeld zu benennen habe. In diesem Sinne also – eine gute Katharsis!

 

Mey Wader Wecker – Das Konzert

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 13. September – Es haben ja andauernd irgendwelche Menschen oder Sendungen Geburtstag (Sieben auf einen Streich). Warum also nicht gleich auch noch ein „Happy Birthday, lieber Hannes“13 Jahre nach jenem legendären Konzert zu Hannes Waders 60. Geburtstag (gemeinsam mit Reinhard Mey, Konstantin Wecker und Jo Barnikel), das 2003 als über 2-stündiges Live-Doppelalbum erschienen ist – und einen einzigartigen Höhepunkt im Wirken der drei unverwüstlichen Veteranen darstellt. Denn in dieser Konstellation wächst nicht bloß jeder für sich über sich hinaus, sondern alle zusammen über das Gemeinsame. Da jammen an die 150 Jahre Bühnenerfahrung in einer harmonischen Vielstimmigkeit, dass es eine helle Freude ist! Wir spielen das Schlussdrittel einer Ausnahmesession:

albumcoverJetzt eine Insel finden, einen stillen Ort, mich zurückziehen können, vergessen welche Stürme mein Leben umgiften, und einfach schreiben – über dieses Album, dieses Konzert dreier Poeten, dreier so wichtiger Menschen, dreier grandioser Denker unserer Zeit. Was könnte ich sagen, was gäbe es zu berichten, wie könnte ich die Atmosphäre in Worte kleiden, was bewegte mich, was regte sich in mir beim Lauschen der handgemachten Klänge? Im Dunkel meines Zimmers schläft meine Nichte, die externe Festplatte summt, ich höre die Stimmen meiner Familie im Wohnzimmer über all das reden, diskutieren was heute binnen weniger Stunden über uns kam wie aus dem Nichts, während ich nur an die Musik denken kann, die mich so eigentümlich berührte, mich ruhig werden ließ, verträumt – und die mir manchmal eine Träne entlockte.

Ich möchte mich nicht ergehen in analytischem Gebrabbel oder unzulänglichen Beschreibungen, die niemals einfangen können worum es wirklich geht, möchte lieber über den Flügelschlag einer Libelle erzählen oder das Aufhorchen meiner Seele als der erste Akkord verklang, vielleicht sind es die Gedanken und Erinnerungen, die eruptiv in mir hervor traten, während Wader über seine Jugend sang, oder die Erkenntnis, dass es da draußen ja doch noch Menschen gibt, die Nein sagen oder authentisch über Liebe dichten, und mein Bauch vibriert, Ganzkörpergänsehaut, einmaliger Dreisang jener sprachverliebten Art, Eingesaugtwerden in einen Strom von Emotionen, eine Reise durch Schluchten der menschlichen Existenz, über Berge politischer Absurditäten, vorbei an den Häusern innerer Einkehr, hinein in die Boote, die uns tragen über stürmische Zeiten – und vielleicht singt Orpheus dann vom Frieden.

Ich weiß nicht, worüber ich schreiben möchte, doch eines ist klar: Selten hat mich ein Album so in seinen Bann gezogen, selten haben es Künstler vermocht, mich so allumfassend zu rühren, selten hat Musik in mir so bleibende Spuren hinterlassen, farbenfrohe Narben voll Poesie.

Überzeugt euch sebst! Hier gibts nun Das Konzert CD1 sowie Das Konzert CD2