Hakuna Mutanta

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 21. Februar – Die Idee zu dem titelgebenden Wortspiel verdanken wir einer Szene aus dem Disney-Epos “König der Löwen”, die ewig Junggebliebenen werden sich erinnern, “Hakuna Matata” ist Swahili und heißt soviel wie “Es gibt keine Probleme.” Hier zur Entspannung die polnische Variante. Nun mag “Hakuna Matata” für den Hausgebrauch eine ebenso nützliche Philosophie sein wie “Probiers mal mit Gemütlichkeit”, nichtsdestotrotz leben wir in verseuchten Zeiten und draußen vor der Tür mutieren die Viren, dass einem schwindlig wird. Zeit, dem Leben auch unter veränderten Bedingungen wieder eigeninitiativ entgegen zu treten. Etwa mit John Steinbeck, Bruce Springsteen und Tom Morello. “The Ghost of Tom Joad” stellt einmal mehr die Frage: Was will uns der Dichter damit sagen?

Hakuna MutantaUnd überhaupt, was will uns die derzeitige Situation sagen, die wir zwar nicht direkt verändern, aber durchaus wahrnehmen, verstehen und zum Anlass für unsere eigene Geschichte nehmen können? Was mutiert da alles vor sich hin, wenn wir “das Virus” als das begreifen, was es in seinem Wesen zutiefst ist: Information, die bei kleinster Veränderung bereits völlig neue Eigenschaften ausbildet? Die sich, wie im Fall des Influencer (Grippe) Virus jedes Jahr “in einem völlig anderen Gewand” zeigt? Mutieren nicht auch ganze Gesellschaften sowie ihre Staatsformen und Wirtschaftssysteme auf ähnliche Weise? Bisweilen kommt es mal zu einer Revolution gegen Gewalt und Unterdrückung – an der zugrunde liegenden Information wird etwas verändert und schwuppdiwupp – das gewalttätige Machtkonstrukt hat einen neuen Namen, aber es besteht weiter, erzählt viel von Freiheit und unterdrückt andersoder Andere.

Seit Jahrhunderten wird immer wieder aufs neue an einem Impfstoff gegen diese Art von Machtmutation gearbeitet, er heißt Demokratie, und er muss genauso ständig weiter entwickelt werden, wie das Machtvirus, schwuppdiwupp, vor sich hin mutiert. Der Vortrag “Demokratie erneuern” von Prof. Rainer Mausfeld bietet einen Einblick in diese Vorgänge. Sein erster Abschnitt trägt den Titel: “Das gesellschaftliche Gift unersättlicher Machtgier und das zivilisatorische Gegengift Demokratie.” Schön! Und wie wir unter diesen Vorzeichen leben könnenund wollen, das entwickelt Prof. Hartmut Rosa in seiner “Soziologie der Weltbeziehung” rund um den essentiellen Begriff “Resonanz”. Zum Schluss unserer heutigen Mutation noch die entsprechende Literatur/Filmempfehlung: Früchte des Zorns. Macht macht mobil

PS. Das Virus und das Immunsystem. Von Karl Lauterbach auch für “interessierte Nichtspezialisten” empfohlen. Na ja, ein bisserl Fachenglisch sollte man da schon …

PPS. In der Sendung haben wir, als eine Möglichkeit des Perspektivwechsels, davon gesprochen “was uns das Virus erzählen könnte”. Kurz darauf, am 2. März sendete ARTE den Dokumentarfilm “Corona: Sand im Weltgetriebe” von Alain de Halleux, der in seiner Dramaturgie just die Erzählperspektive des Virus einnimmt. Chapeau!

 

Angelo Branduardi

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 14. Februar – Bella Italia! Und überhaupt haben Italiener die schöneren Vornamen. Nicht Sepp (hüstel), Dietmar (gähn) oder Sebastian (würg) – vielmehr Dino (mmmh), Mario (mmhmmmh) oder eben Angelo (leckerlecker). Allein die Vorstellung, in sexueller Extase laut “Franz Ferdinand” zu rufen, sollte uns das verdeutlichen. Dann doch lieber “Michelangelo” – oder seid ihr denn alle komplett unmusikalisch? Wie dem auch sei – Italien gilt jedenfalls nicht grundlos als “Land der Oper” (und ist ob seines musikalischen Reichtums berühmt). Das zeigt sich auch im Klang der Sprache. Die seit Jahrhunderten unerreichtesten Geigen bauten folgerichtig die Herren Stradivari und Guarnieri del Gesù und nicht Niederredner und Klotz. Alles eine Frage der Musik, so wie unser heutiges Album.

Angelo BranduardiAngelo Branduardi ist ein zutiefst in der Musik beheimateter Künstler, der in Zusammenarbeit mit seiner Frau Luisa Zappa (ja wirklich, und du bist mein Sofa!) ständig neue Einflüsse (oft aus uralten Traditionen) über die Zeitläufe hinweg verschmilzt. So ist “Confessioni di un Malandrino”, seine erste Eigenkomposition (mit 18 Jahren), aus einem Gedicht des russischen Lyrikers Sergej Jessenin (1895 – 1925) entstanden. Eine Zeit lang, speziell in den 80er und 90er Jahren, waren seine Lieder auch hierzulande ziemlich populär. Kritiker sprachen von “weichgespültem Schmusesound” und sahen den spirituell veranlagten Künstler, der seine Arbeit selbst als “schamanisch” bezeichnet, im eher unernsten Umfeld des “esoterischen Wohlfühlkitsch”. Doch das wird der Vielfalt an Themen keinesfalls gerecht, die Angelo Branduardi in seinen nunmehr 50 Jahren als Vollblutmusiker ver- und bearbeitet hat. Der Mann springt aus dem Genreschachterl!

Im Rahmen des Projekts “Futuro Antico” sind inzwischen 8 Alben mit historischer Musik erschienen, darüber hinaus reicht Branduardis Passion für “Musik aus längst vergangener Zeit” von Walter von der Vogelweide über Franz von Assisi bis hin zu Hildegard von Bingen (auf dem aktuellen Album “Il cammino del’Anima” zu hören). Neben dem erwähnten Gedicht von Sergej Jessenin hat er noch zahlreiche Texte von anderen Poeten vertont und vorgetragen, so etwa auf “Branduardi Canta Yeats”.

Wir destillieren allerdings einen Auszug des typischen Angelo-Branduardi-Sounds. Balladen und Motive aus allen möglichen Epochen und Welten in Gestalt moderner Folk-Rock-Performance.