Demokratie? Rainer Mausfeld

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 25. April – In dem von uns bereits mehrfach empfohlenen ARTE-Dokumentarfilm “Corona – Sand im Weltgetriebe” (worin der Virus selbst als hinterfragender Erzähler durch die Geschichte führt) kommt auch ein gewisser Prof. Rainer Mausfeld zu Wort – und spricht über die “Verschleierung der Machtverhältnisse”. Und zwar in dem System, in dem wir hier und jetzt leben – und das wir politisch als Demokratie begreifen. Der Virus erzählt uns von Demokratie als Impfstoff gegen “die Maschine” – und das ist eine wunderbare Metapher für jenen menschgemachten Moloch, der unsere Lebensgrundlagen schon bald vollends zu zerstören droht. Wir wollen mehr über den emeritierten Psychologieprofessor aus Kiel erfahren, dessen Bücher und Vorträge derzeit so viel Aufmerksamkeit genießen.

Demokratie? Illusion?Und kontrovers diskutiert werden: Ist das noch Erkenntnis oder schon Verschwörungstheorie? Ich sehe das so: Nicht für jedes erkennbare Zusammenwirken Mehrerer zum Nachteil von Vielen bedarf es einer realen Verabredung von fassbaren Personen (einer Verschwörung). Oft reichen dafür Gruppendruck oder andere menschliche Schwächen, Sachzwänge, Abhängigkeiten … Psychische Mechanismen also, welche gerade ein lebenslang mit “Wahrnehmungserforschung” beschäftigter Professor erklären können sollte. Und das tut er auch, etwa im Rahmen des zweitägigen Symposions “Demokratie erneuern!” im DAI Heidelberg, aus dem wir, um euch Appetit auf mehr davon zu machen, hier einige Ausschnitte vorstellen können. Der Einführungsvortrag dazu steht in voller Länge auf YouTube zur Verfügung. Des weiteren haben wir dort auch die Vorträge “Warum schweigen die Lämmer” (mit Bezug auf sein bekanntes Buch mit dem nämlichen Titel) sowie seine Rede in der Kreuzkirche Dresden zum Thema “30 Jahre Mauerfall” angefunden – und wir empfehlen selbige ausdrücklich denjenigen, die sich dazu entschieden ihre eigene Anschauung gestalten wollen.

Die aktuellen Erscheinungsformen von “Demokratie” zu hinterfragen ist wahrlich nicht antidemokratisch. Vielmehr ist es der Verwirklichung von Demokratie förderlich, sich ihre grundlegenden Ideen und Ideale immer wieder ins Bewusstsein zu rufen – und diese sodann mit den Realitäten unserer jeweiligen Verfassung zu vergleichen. Nur wenn wir wissen, was (noch) nicht so funktioniert wie es sollte, können wir den “Impfstoff Demokratie” (gegen Machtmissbrauch und Gewaltexzess) ständig weiter entwickeln, so dass er auch gegen die neoliberale Mutante des Machtvirus wirkt.

Um unser eigenes Denken, Fühlen und Verstehen kommen wir dabei sowieso nicht herum. Entweder werden wir in Resonanz gehen und uns die Welt “anverwandeln” – oder das vorgekaut Verordnete nachbeten, nur damit wir nicht ungut auffallen

 

Mensch Masse Material

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 18. April – Wo hört Mensch auf? Und wo fängt Masse an? Eine entscheidende Voraussetzung für die herrschende Weltreligion vom unendlichen Immernochmehr ist die Vorstellung von Menschen (in unüberschaubar großer Anzahl) als Masse. Wie das Verhältnis von Masse und Macht funktioniert, hat zum Beispiel der große kleine Elias Canetti eingehend untersucht. Und wie sich eine Masse emotional steuern und so den jeweiligen Interessen der Wirtschaft und/oder der Regierung nutzbar machen lässt, das hat Edward Bernays in seinem Hauptwerk “Propaganda” ausführlich erklärt. Nachdem aber Joseph Goebbels als diabolischer Rumpelzwerg der Nazidiktatur andauernd mit dieser Technik (und auf diesem Begriff) herumgehupft ist, benannte man ihn flugs um – in “Public Relations”, abgekürzt PR.

Mensch Masse MaterialDabei gehen die Beobachtung und Erforschung von Masse und Macht weit zurück, so machte sich bereits im 5. vorchristlichen Jahrhundert Thukydides darüber Gedanken.

Wir ergänzen hierzu die Gefühle und Wahrnehmungen einzelner Menschen, die sehr unangenehm ausfallen können, sobald sich die manipulative Absicht hinter der Massenmenschhaltung offenbart. Hierbei untersuchen wir aber nicht die zeitlich befristete Entgrenzung durch “Aufgehen in der Menge” (oder eben “Masse”), wie sie bei Demonstrationen, Fußballspielen, Livekonzerten oder auf Musikfestivals stattzufinden pflegt. Nein, uns interessiert das dauerhafte Betrachtet- und somit Behandeltwerden des Individuums Mensch als anonymer Teil einer anonymen Masse. Entfremdung, Entmachtung, Entpersönlichung im industriellen Maßstab – durch ein neoliberales globalkapitalistisches System.

Dazu dienen uns drei Ausgangspunkte: Erstens das Empfinden, als individuelle Menschen zunehmend (von unbekannten Mächten – oder kennt man die doch?) wie maßstabgetreue Modellbaufiguren behandelt zu werden. “Ein Sackerl Fahrgäste”, hieß das früher bei der Märklin-Eisenbahn. Inzwischen finden sich die lebensecht dekorativen Plastikwichtel in allen Lebenslagen allüberall, wo die schöne neue Bevölkerung dargestellt werden soll. “And the’re all made out of Ticky-Tacky …”

Zweitens die Darstellung von “modernen Siedlungsformen” für die “breite Masse der Werktätigen”, wie sie in dem Malvina-Reynolds-Song “Little Boxes” (hier die Pete-Seeger-Version mit Bildern) punktgenau kritisch hinterfragt wird. Zu jeder Zeit wird der jeweils aktuelle Fortschritt zunächst begeistert bejubelt. Der Horror eines derart generalstabsmäßig geplanten (und verordneten) Glücks schleicht sich später ins gründlich getäuschte Gemüt. Noisy Pride – Little Boxes & Working Class Hero

Und drittens die doch wirklich vieles entlarvende Sprache oder wie Christopher Schmall bei seinem lyrischen Statement “Demaskieren der Gesinnung” auf die Begriffe “Humanressource” und Humankapital” kommen MUSSTE. Unternehmen wir den Selbstversuch: Was macht das mit uns, wenn wir so als die breite Masse, Marktteilnehmer, Wirtschaftsfaktor, ZielgruppeHilfsempfänger, Leistungsträger, als systemrelevant oder statistisch vernachlässigbar angesprochen werden?

Menschenmaterial

 

Georg Danzer

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 11. April“Wie i so drüber nachdacht hab, dass i jetzt ja bald 60 sein werd, und ob so meine Wunschträume und meine Träume, die ja jeder Mensch im Leben hat, ob des a bissal aufgangen is – und auf a gewisse Art und Weise hab i ma dann dacht, is es ned aufgangen – aber andererseits doch.” Mit diesen weisen Worten kündigte Georg Danzer bei seinem letzten Konzert mit Freunden (am 16. April 2007 in der Wiener Stadthalle) das für ihn geradezu programmatische Lied “Träumer” an, dem er dazu noch eine Betrachtung der verschiedenen Bedeutung des Wortes Träumer im Deutschen und im Englischen sowie eine spezielle Würdigung von John Lennons “Imagine” voranstellte: “You may say that I’m a dreamer …”, halt im Sinne von Menschen, die Utopien haben – wie etwa vom Frieden auf der Welt.

Georg DanzerWir haben uns jedenfalls dazu entschlossen, Georg Danzer nicht durch einen Ausschnitt aus jenem “letzten Konzert” ins Gedächtnis zu rufen, zumal das ja einerseits als Geburtstagsfest mit Freundys (zum 60er) – und andererseits schon als Hommage an einen Todgeweihten konzipiert war. Der hierbei gefeierte Künstler verstarb bekanntermaßen nur gut 2 Monate später. Nein, wir wollen Georg Danzer in der Gestalt aufleben lassen, in der er Anfang der 90er als nach Auslandsreisen weltläufiger Dichter, Musiker und Aktivist die österreichische Geräuschkulisse mit seinen unverwechselbaren Beiträgen zu einem etwas helleren, menschlicheren und ja, utopiefähigeren Gesamtklang erweitert hat. So haben wir einige Musikstücke und Erzählungen aus seiner Solo-Tournee 90/91 ausgewählt, deren Höhepunkte auf dem Album “Echt Danzer!” veröffentlicht sind. Dabei war es uns ein Anliegen, besonders die Vielseitigkeit des unbeugsam engagierten, schonungslos liebenden und stets humorvoll selbst- wie sozialkritischen Dialektdichters zur Geltung zu bringen, der eben auch die Hochsprache bei Bedarf nicht verschmähte. Wir möchten etwas davon in unsere heutige Zeit mitnehmen – als Besinnungsinsel im schwindligen Getreibe einer immer unwirklicher zubereiteten “Realität”, die uns in Wirklichkeit nur verwirrt:

I hoits jetz nimma länga aus
und die Entscheidung foid ned schwer,
da Boch hod Sehnsucht noch am Fluss,
da Fluss hod Sehnsucht noch’m Meer.

Mei Lebn – is mei Lebn.
Mei Lebn – des ghead mir.
Keinem Vater, keinem Lehrer,
keinem Meister, keinem Staat.

Mei Lebn – ghead mir!

Georg Danzer – Mein Lebn (1990 Solo-Version)