Damalsheutemorgen

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 25. November“Nur wer die Vergangenheit kennt, kann die Gegenwart verstehen – und die Zukunft gestalten.” Dieses Zitat von August Bebel (Schriftsteller und Mitbegründer der deutschen Sozialdemokratie) gibt einen Aspekt der titelgebenden Wortschöpfung wieder. Wobei Damalsheutemorgen durchaus auch den Seinszustand von jemandem beschreiben könnte, für den das heutmorgendliche Aufwachen schon ziemlich lang her ist, aus welchen Gründen auch immer. Merke: Zeit ist ein Phänomen, dass sich oft gar nicht in Stunden messen lässt. Deshalb soll diese Sendung dem Zeitlosen gewidmet sein, das in früheren Zeiten Kultstatus hatte, sowie seiner zeitgemäßen Vermittlung im Hier und Jetzt, auf dass dieses reiche Vermächtnis auch für zukünftige Gestaltungen zur Verfügung stehe.

Damalsheutemorgen - "Der letzte Hahnenschrei" (Arik Brauer Privatsammlung)In würdiger Vertretung des Hasen begleitet mich Timna Pachner, die doch tatsächlich nach Arik Brauers Tochter benannt ist – und zudem in der Radiofabrik-Lehrredaktion das unerhört!-Magazin mit entwickelt. Gemeinsam wollen wir das kultige Erbe der Familie Brauer bereisen und einer der allezeit legendärsten Radiosendungen beiwohnen: dem Schalldämpfer von Axel Corti. Im Hintergrund lauert die Frage, was eigentlich so eine Kultsendung ausmacht, damals wie heute – und morgen. Oder, wie sich ein zeitloses Damalsheutemorgen bewirken ließe, als Gegengewicht zum vergangenheitslosen Aktualitätsgehechel der immer schneller werdenden medialen Beschleuderung… Nicht, dass wir diesen hochphilosophischen Fragenkomplex in der knappen Stunde, die uns zur Verfügung steht, hinreichend gründlich zerantworten könnten. Aber ein paar Gedanken- und (vor allem) Gefühlsanstöße zum Thema sollten sich schon ausgehen. Zwischen den Zeiten, zwischen den Zeilen, hinter den Gründen und auch unterm Bewusstsein. Mir ist es ja längst ein Bedürfnis, womöglich Wesentliches aus diesen Schätzen des Damals zu heben – und so den nächsten Generationen zu vermitteln.

Und deshalb versteht sich das “etwas andere Kunnst-Biotop” namens Artarium oder auch Nachtfahrt-Perlentaucher in seiner Gesamtheit als ein Archiv vieler rundherum angeschwemmter Spezialitäten in oft überraschenden Zusammenhängen. Da lassen sich dann zum Beispiel Sendungen mit Axel Corti oder Zitate von Arik Brauer sowie ein Album der Band Zeitzeuge finden.

 

Diese schamanische Reise

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 18. November – Dass die Auszeichnung der Radiofabrik heuer zum ersten Mal nicht als Schorsch, sondern als Georgina (also in weiblicher Gestalt) vergeben wurde, das hat viel mit Teresa Lugstein zu tun, der allzu zu früh verstorbenen Mädchenbeauftragten des Landes Salzburg und langjährigen Sendungsmacherin von Teresas Frauenzimmer. Als in der Programmkommission beraten wurde, ihr diesen Radiopreis als Anerkennung ihres medialen Lebenswerks posthum zuzusprechen, da fiel mir sogleich der Chumbawamba-Song “Georgina” ein. Die Parallelen zwischen Teresas Engagement und den Inhalten der britischen Band sind unüberhörbar, etwa bei Gleichberechtigung, Empowerment und Emanzipation. Und dann gibt es noch diese schamanische Reise, über deren Bericht ich stolperte:

Georgina und die schamanische ReiseEs sorgte damals schon für einiges an Aufsehen, dass die als unheilbar krank geltende Frau, die seit Jahren auf einen Rollstuhl angwiesen war, mit einem Mal wieder selbst gehen konnte. Wesentlich für diese, von ihr als “Wunder” erlebte Entwicklung, war eine schamanische Reise, auf die sie sich mit der Fragestellung “Wie kann ich ein stimmiges Leben führen?” begeben hatte. Über diese Form der “Heilung” berichten ein ORF III Beitrag von Bernhard Hain sowie ihre eigene Erfahrungsbeschreibung auf der Homepage der Foundation for Shamanic Studies in Europe. Diese, auf den Prinzipien des “Core-Schamanismus” nach Dr. Michael Harner aufbauende Praxis andersweltlicher Kommunikation unterscheidet sich für uns von den vielerlei eher obskuren Angeboten ähnlicher Namensprägung. Doch wo ziehen wir die Grenze zwischen seriöser Spiritualität und bloßer Gschaftlhuberei? Nach welchen Kriterien beurteilt die Programmkommission Sendungen zwischen persönlichem Empfehlen und kommerzieller Werberei? Wo endet der Bericht vom Interessanten jenseits des Üblichen und wo beginnt der Jahrmarkt der Eitelkeiten, die Abhängigkeit vom Esoterischen – oder das Kasperltum der Missionierung?

Als Beispiel dafür, wie angenehm unaufgeregt Teresa Lugstein eine schamanisch Praktizierende präsentiert hat, sei hier die Folge “Schamanismus als Herzensweg” aus Teresas Frauenzimmer empfohlen. So kann das gehen

 

Dying Surfer meets His Maker

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 11. November – Wir stellen euch diesmal das nämliche Album der genre-auflösenden Band All Them Witches vor. Sie kommen zwar aus Nashville, ihr Sound hat jedoch kaum etwas mit jener Musikwelt gemein, für die das Country-Mekka in Tennessee sonst so berühmt ist. Und auch die Einsortierer des zwangsviereckigen Schachterluniversums stoßen bei All Them Witches heftig an ihre Grenzen. Noch nie habe ich so viele verschiedene Bezeichnungen für ein spezielles Musikgenre gelesen, die allesamt nicht wirklich oder nur teilweise zutreffen. Anstatt den ganzen Schas von Klappersdorf hier abermals anzuführen, sei lediglich auf die Selbstbeschreibung der eigenwilligen Musikkapelle verwiesen: “Psychedelta”. Folgerichtig hat auch der Hase “Dying Surfer meets His Maker” eigenwillig erlebt:

Dying Surfer meets His Maker (Ausschnitt)Sterbender Wellengänger erfährt seine Schöpfung

all diese Hexen in ihren Baracken, den Schlössern der Obdachsuchenden, mit ihren versteckten Käfigherzen, ihren Leidtrögen, liegen gebettet auf Herbstlaub und zerlumpter Seide, geprüft und gefoltert vom Leben, vom Leben der Anderen, gestillt ihren Hunger mit Erde und Rausch, und beten allsamt zur Mutter der Berge, zum Vater der Flut, zum Kind der endlosen Leere, zum Getier in der Wirrnis der Wüste : dort suche ich tanzende Zeichen im Himmel, die mir das Auge versprach, das ich sah, als sich Rinde und Blattwerk erkannten : gekrönt sind wir nächtens von Licht : heiße mich Stern, heiße mich Schwärze, ich beiße nicht, ich bin leiser Verzicht, heiseres Eingestehen, unstetes Branden : du wartest in weißer Gewandung vor dem Schlund der sandenen Ödnis im Zwielicht deiner Erwartung, während der Sturm sich entfächert : wir im Zentrum, im innersten Gefecht, Gesicht, das wir zu sehen bereit sind, wenn wir uns hingeben den heilenden Wogen des Winds, die uns trügen zu unseren Schatten, die warten geduldig, un.fassbar : Asche zu Asche zu Asche zu Staub zu Wind zu Atem zu Haut zu Feuer zu Asche zu Staub der Sterne, im Sande der Wüste gespiegelt, in den Tränen der Dornen, der Gräser, Kakteen, dem Blut der Schamanen, dem Glänzen der fallenden Hülsen : wir schweigen uns aus : wir setzen den Stein : wir legen die Sicht : wir fürchten mutig nur uns : es bleibt stets anders, verformt, neugeflochten, immer wieder : langsam ernüchtern : vorbei am langen Schlaf, den Schlangen der Träume, den Rissen im Traum : scheinbar endlose Gänge durch welche wir ziehen; sich öffnende Tore : Atem wird seicht; keine Stimme zu rufen, zu plärren, zu donnern : Liebe zerstückelt, zerkaut : wir schlucken : uns sehen die Sterne : träge die sönnlichen Vorboten am Horizont : noch dunkel, noch Zeit, noch zweisam, noch weit die Ankunft des Tages : Ausströmen, Einströmen : spürst du es auch? spürst du die Wellen, die fingernden Wellen des Lichts? die sich graben in alles, die Sinne überwallen, die Grenzen entheben, die uns tragen, die uns töten, für eine Sekunde, eine Ewigkeit : wir sollten sie reiten, sollten gleiten : viel.leicht

 

Eine Gesellschaft, die fällt…

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 21. Oktober“Dies ist die Geschichte einer Gesellschaft, die fällt. Während sie fällt sagt sie, um sich zu beruhigen, immer wieder: Bis hierher lief’s noch ganz gut. Bis hierher lief’s noch ganz gut. Bis hierher lief’s noch ganz gut. Aber wichtig ist nicht der Fall, sondern die Landung.” So heißt es am Ende des legendären Spielfilms “Hass – La Haine” von Mathieu Kassovitz. Genauso gut kann dieses Zitat als Motto unserer (der ganzen Welt) Gesellschaft dienen: Während wir längst im freien Fall auf unser Ende zu rasen, ignorieren wir diesen Umstand, und reden uns stattdessen lieber ein, dass bis jetzt eh noch nichts Schlimmes passiert ist. In diesem Szenario sind wir über den beliebten “Point of No Return“ schon hinaus, und da ist Selbstbeschwichtigung bis nach dem Aufprall ja durchaus naheliegend.

Das Ende der menschlichen GesellschaftDoch halt, Moment, wiewohl jede/r von uns individuell endlich, sprich sterblich ist, sind die Möglichkeiten zur Gestaltung des Gemeinwesens Gesellschaft sehr ungleich verteilt. Während uns fortwährend die große Freiheit der eigenen Entscheidung und Verantwortung eingesäuselt wird, scheißt man uns gleichzeitig mit vorgefertigten Umständen zu, an denen wir (als die Betroffenen) genau gar nichts ändern können. Und wir fallen immer weiter – aber bis hierher lief’s noch ganz gut… Irgendwie schon ziemlich verrückt. Geistesgestört, möchte man meinen. Womöglich sind wir alle zusammen psychisch krank? Wer bin ich – und wenn ja, warum nicht? Da trifft es sich doch, dass wieder mal ein Sachbuch zum Thema “Depression und ihre möglichen Ursachen” heraus gekommen ist. Nämlich “Lost Connections” von Johann Hari, worin der Autor eine nicht ganz neue These vertritt (die wir etwa aus der Antipsychiatriebewegung oder den Büchern von Arno Gruen kennen), nämlich, dass Depression in der Mehrzahl der Fälle nicht aus einem gestörten Gleichgewicht von Chemikalien im Gehirn heraus entsteht, sondern vielmehr aus einem gestörten Gleichgewicht von Gegebenheiten in der Gesellschaft. Das inflationäre Verschreiben von Antidepressiva ist somit nur in wenigen Fällen wirksam – und dient wohl eher den Interessen der Industrie.

Zur textmusikalischen Illustration unseres Unmuts über das Unrecht empfehlen sich die feinen Beobachtungen von Früchte des Zorns oder der Kleingeldprinzessin und ihren Stadtpiraten. Es ist doch immer irgendeine Industrie beteiligt, wenn man uns auf den Kopf scheißt.

 

Der Fall Hagenbuch

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 14. Oktober – – – Hanns Dieter Hüsch ist schlechterdings eine Ikone unter den deutschsprachigen Humoristen. Überhaupst unter den “sprachigen”. Denn die feinsinnige Musikalität seines in Jahrzehnten hervorgebrachten Wortreichs bleibt beispielgebend, auch über seinen Tod hinaus. Dem entsprechend haben sich so unterschiedliche Künstlerkollegen wie etwa Reinhard Mey, Konstantin Wecker oder Blumfeld im unerschöpflichen Fundus des rastlosen Weltenerfinders mit Inspirationen versorgt. So stolperte auch ich vor kurzem über eins seiner figurenvollen Kopftheater aus den frühen 80ern. Beim Anhören von “Der Fall Hagenbuch” musste ich immer wieder an die frühen Texte von Thomas Bernhard denken, zum Beispiel den rundum schrägen “Ein eigenwilliger Autor”

Abendlied Hüsch HagenbuchSchon in den 60ern war Hanns Dieter Hüschs Stimme omnipräsent, einerseits in Slapstick-TV-Serien wie Väter der Klamotte, Dick und Doof oder Männer ohne Nerven, andrerseits beim Quartett 67, einer schon etwas extremeren Politsatire. Später dann trug er seine eigenen Programme gern gestenreich aus Büchern vor, als welche dieselben auch oftmals erschienen. Worob er sogar als “Vorlese-Opa” verhöhnt wurde, was an seiner Performance allerdings gröblich vorbei schrammt. Uns geht es hier in erster Linie um seine gefühlvolle und nuancenreiche Wortkunst, auf die man frei nach Ernst Jandl (ich dir zitieren einen gedichten) nur mit einem ehrfurchtsvollen “was für ein sprach!” antworten kann. Und naturgemäß auch um sein weitläufiges Themenspektrum, das uns stets aufs neue überrascht – und erheitert. Speziell beim “Fall Hagenbuch” handelt es sich um eine Hochform des literarischen Kabaretts, in dem ganz und gar nicht auf tagesaktuellem Politikgeschehen herumgeritten wird, sondern die bedenklichen (Un)zustände unserer Gesellschaft zu Tage treten, wie sie sich in den Gedankengängen der im “Haus Geistesnot” befindlichen Patient_innen widerspiegeln. Und – sind wir nicht alle oft mehr oder weniger “seitlich umgeknickt”?

Wenn Hagenbuch am Höhepunkt seiner Erregung mit dem Tambourin in die Suppe haut – sofort springt mir die finale Szene aus Bernhards “Der deutsche Mittagstisch” vor mein inneres Auge: “Nazisuppe! Nazisuppe!” Dass die Fetzen fliegen…

 

Eine Sendung zum Beispiel

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 30. SeptemberUnerhört! Die Jubiläen fliegen einem nur so um die Ohren. Und erst die Zukünfte. Es darf sich wieder besonnen werden: Die Radiofabrik feiert am 5. Oktober ihr 20-jähriges Bestehen. Wenn das mal kein Grund für einen Anlass ist! Doch der Sender unseres Vertrauens will mehr als einfach nur da sein: Im Rahmen der neuen Lehrredaktion soll eine Infosendung namens „unerhört!“ entwickelt werden. Und wie wir aus gut unterrichteten Kreisen (so nennt man das, glaub ich) erfahren haben, werden die Teilnehmer_innen dieses Projekts auch bestehende Sendungen aufsuchen, um Eindrücke und Erfahrungen zu gewinnen. Da trifft es sich doch famos, dass die Perlentaucher-Nachtfahrt-Reihe gerade 10 Jahre alt geworden ist. Dazu gestalten wir eine Sendung – zum Beispiel.

Zum Beispiel unerhörtInhaltlich versammeln wir diesmal ein “Best of Perlen” aus unseren oft aufwändigen Tauchgängen in die Untiefen des angeschlammten Kulturguts: Etwa Audiocollagen aus Wort, Musik und Atmosphäre, Livelesungen eigener sowie auch angeeigneter Texte, Musikstücke, die uns persönlich berührt haben, zudem selbstredend spontanes Gespräch, kurzum, einen Rundflug durch das, was wir unter “Perlentauchen” verstehen. Unsere an jedem zweiten Freitag im Monat erlebbare “Musikliterarische Gefühlsweltreise mit tiefgründigen Themen” (so der Untertitel) stellt sich derzeit auch beim Radioschorsch-Jingle-Contest vor (da könnt ihr noch bis 1. Oktober mitwählen), vertiefende Informationen dazu nebst den Transkripten sämtlicher Textbeiträge findet ihr zum Beispiel in diesem Artikel mit dem Titel “Der Sender mit dem Schorsch”. Naturgemäß dreht sich bei dieser Werkschau vieles ums Zitat oder besser gesagt, ums Zitieren, ohne dem Publikum dabei allzusehr auf die Nerven zu gehen. Besserwisser, Klugscheißer und professorale Rechthaber sind ja allgemein eher unbeliebt – und das wollen wir auch wieder nicht sein. Wie hieß es noch bei den Nazis? “Es zitieren die morschen Knochen.” Na dann, nein danke!

Vor allem gehts doch darum, WAS man auswählt – und IN WELCHEN KONTEXT man es wiederum stellt. Das ist zum Beispiel die inhaltliche Seite von Medienkompetenz.

Was sagst du?

 

Der Watzmann ruft

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 16. September – Jetzt ist schon wieder was passiert. Der Bua ist tot. Weil der Berg, der hot koa Einsehn nit. Und schuld an dem ganzen ist die Gailtalerin, das weiß doch jeder, die tragt auch feuerrote Unterröck. Seit den frühen 70ern begleitet uns “Der Watzmann ruft” nun schon durch das eher spezielle Verhältnis des allgemeinen Österreichers zu seiner ländlichen Volkskultur. Ein vielschichtiges Stück Musiktheater, an dem jede Genrezuordnung zerplatzt, wie sich mit erheblichem Lustgewinn feststellen lässt, wenn man diverse Doktorarbeiten zum Thema besucht. Von einem “Definitionsmoloch” ist da die Rede, und nicht ein Wissensgschaftler kann endgültig sagen, worum es sich dabei genau handelt. Ist es ein Hörspiel, ein Konzeptalbum, ein Popmusical oder eher eine Dialekt-Rockoper?

Der Watzmann ruftDa verrenken sich die lieben Kolleg_innen aber den Hirnarsch beim Schachterlscheißen. Lassen wir doch einen der Hervorbringer dieses über Generationen hinfort wirkenden Kunst-Stücks zu Wort kommen! Herr Ambros, was genau ist denn “Der Watzmann ruft”? “Ein ganz ein eigenes Format. Man kann ja net amoi sogn a Musical, sondern es is a Musiktheater oder ein Theaterstück mit erklärendem Bänkelgesang oder wos a immer. Auf jeden Foi ka richtigs Musical. Es gibt nix Vergleichbares. Und i denk, des hod natürlich a sein Grund.” Aha. Und wie ist das alles zustande gekommen? “Wir haben ein Jahr lang so gredt (“Wie schallts von der Höh? Hollorödulliöö!”), sind dann sogar Bergsteigen gangen und sind total auf den Karl-Heinrich Waggerl und den Luis Trenker abgfahren. Wir haben schon an echten Huscher ghabt. “Der Watzmann ruft”, das ist von einem winzigen Kern ausgangen, von einem Hund namens Watzmann, und dieses Ur-Gerippe hat sich weiter entwickelt zur Plattenversion und zur Bühnenfassung.” Das klingt doch einigermaßen lustig! “Die Geschichte unserer eingrauchten Nächte seit 1972.” (Sämtliche Zitate aus Worte, Bilder, Dokumente von 1987). Was uns die 3 Herren Ambros, Tauchen, Prokopetz hier hinterlassen haben, ist mehr als einfach nur ein “Rustical”. Wir spielen daher die aufgefrischte Original-Version dieses hypnotischen Hörweltspiels.

PS. Einen wohl noch schicksalsträchtigeren Gipfelsturm gibts demnächst in Salzburg zu besichtigen, wenn sich die EU-Staatsoberhäuptlinge zum Thema Migration treffen. Das Thomas Bernhard Institut setzt schon am Mittwoch, 19. September eine Nacht der Künste dagegen. Näheres dazu erfahrt ihr auch in diesem Nachtfahrtblogartikel.

 

Dichtkunst oder Humor?

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 9. September – Neulich suchte ich in meinem Computer nach alten Tonaufnahmen von Max Goldt – und wähnte diese im Ordner namens Humor. Dort waren sie aber nicht, stattdessen fand ich sie in einem anderen Ordner namens Dichtkunst. Ich glaube zwar nicht, dass dieser Umstand Endgültiges über die Zuordnung von Max Goldts Werken aussagt, aber ein Körnchen Wahrheit wohnt ja in jedem noch so blinden Huhn. So heißt Max Goldt ursprünglich Matthias Ernst und nicht etwa Franz Lustig, was schon mal ein dezenter Hinweis sein könnte. Ganz und gar erschüttert war ich dann allerdings über seinen fast seriösen Auftritt in “Druckfrisch”. Was haben wir uns früher nicht zerpeckt über herrliche Wortgetüme wie Spinnenabdomensalat, Seepockensperma oder Leihmumienanalsex!

Max Goldt - Dichtkunst UND HumorSelbige finden auch in einer sehr frühen Artarium-Ausgabe statt, in der unser Anstifter Peter.W. 2007 ein paar dadaeske Lesungen von Max Goldt mit Liedern von Funny van Dannen zu einer Art kleiner Hirnfeuerschau montiert hat. Und nun, gut 11 Jahre später, wollen wir dem knallbumsen Frühwerk des einstigen Songschreibers sowie Titanic-Kolumnisten auf ähnliche Weise, jedoch speziell unter dem Aspekt der Dichtkunst, unsere Resonanz erweisen. Dazu schneiden wir Songs seiner legendären Band “Foyer des Arts” ins Programm, vor allem aus dem Album “Ein Kuss in der Irrtumstaverne” von 1988. Dort finden sich Sprachperlen wie zum Beispiel: “Der Islam nervt und meine Hose ist zu eng.” Oder aber: “Zwei Leute heiraten. Die Frau riecht nach Niveacreme und der Mann findet das toll.” Das sind zugegeben nicht die Refraintexte, die damals in Mädchentoiletten gekritzelt wurden und von denen Bettina Dunkel in ihrem persönlichen Statement berichtet. Aber auf jeden Fall Indizien dafür, dass sich im poetischen Gesamtwerk von Max Goldt die Kategorien Humor UND Dichtkunst ganz vortrefflich verbinden.

Und Bettina Dunkel stellt fest: “Nachfolger hat die Band ohne Vorbild nie gefunden. Für mich allerdings wurde sie zum Vorbild in Sachen Selbstständigkeit. Max Goldt, der später als Schriftsteller die Kunst des Abschweifens perfektionierte, ist seitdem mein Zöllner an der Grenze zum guten Geschmack. Und wird es auch immer bleiben.”

 

Vom Ende des Zuhörens

> Sendung: Artarium am Sonntag, 29. Juli – Wenn das Ende des Zuhörens gekommen sein wird, erübrigt sich auch die Radiomacherei. 20 Jahre sind genug. Oder war da noch was? Justin Sullivan, unter anderem Sänger von New Model Army, schreibt in einem Nachruf auf den Radiopionier John Peel, wie dieser ihm einst “die Idee des Underground nahebrachte, wo seltsame Menschen erstaunliche Aufnahmen aus rein künstlerischer Motivation herstellten”. John Peel vertrat Zeit seines Lebens Ansichten, “die dem Zeitgeist fundamental entgegen strebten”, so etwa, “dass Musik einfach nur Musik ist, und dass jedweder Celebrity-Kult dafür vollkommen bedeutungslos ist, wie übrigens auch für alles andere”. Der Mann hat die Entwicklung der Medien- und Musikkultur immerhin schon seit den Sixties aktiv mitgestaltet…

Vom Ende des ZuhörensWas soll das allerdings heute, wo die einheimische Piratenszene vor gut 20 Jahren ein legal lizenziertes, kommerzfreies Gemeinwesenradio erstritten hat? Was machen wir hier in postmodernen Zeiten, in denen “das dialogische Prinzip” ja kaum noch von Mensch zu Mensch seine Gültigkeit hat? Wo stattdessen der von Pier Paolo Pasolini prophetisch vorhergesehene Konsumismus um sich greift und alles Individuelle zur massenblöden Mitmacherei niedertrumpelt? Wo es nicht mehr darum geht, dass man bekommt, was man braucht, sondern einem nur noch irgendein Event angedreht wird, der den Eindruck vermittelt, man sei irgendwie “Part of the Game”. Verdummt in alle Ewigkeit! Heilsverbrechen, wohin man schaut. Die Menschheit besteht aber nicht nur aus dem, was sich normieren und social engineeren lässt, sie ist so vielfältig wie das Leben selbst. Der Massengeschmack des Mehrheitsmainstream schädigt nicht bloß den Umgang der Menschen miteinander, er korrumpiert zudem das Selbstwertgefühl jedes Einzelnem, indem er uns alle kommerziell zweckwidmet und in die Nutzbarkeit der Gewinnstreber quetscht. Auweh! Viele Jäger waren schon immer des Hasen Tod. Umso wichtiger sind daher heute Überlebens-Soziotope wie etwa das “Freie Radio”.

Oder der erwähnte “Underground”, wo Menschen einfach etwas machen, weil sie es gut finden, und nicht, weil damit massenkompatibel Gewinn erzielt werden kann. Das Freie Underground Radio, wie wir es verstehen, ist eine Schutzzone zur Erhaltung der Artenvielfalt von Kunst und Kultur. Ein kommerziell nutzfrei gestelltes Gebiet, in dem sich der zwischenmenschliche Ausdruck wieder ungehindert entfalten kann. Feiern wir daher den Fortbestand des Zuhörens mit diesem Zitat von John Peel: “…dass das Radio ein viel mächtigeres Medium als das Fernsehen ist (und auch immer sein wird), weil es die Phantasie des Publikums erblühen (im Sinn von gedeihen) lässt.”

 

Dunkelbunt Sommertag

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 22. Juli – Seit ich zum ersten Mal von ihm erfahren habe, fasziniert mich der Name eines bestimmten österreichischen Künstlers, und zwar Friedensreich Regentag Dunkelbunt Hundertwasser. Vor allem das Wort Dunkelbunt schillert in allen unmöglichen Farben und stiftet so schon ganz von allein unsere Phantasie zum Selbstschaffen an. Dazu gibts noch allerlei Geschichten und Gerüchte, rund um des Meisters Verhältnis zum Abfall an sichhier etwa eine sehr schöne Darstellung seines Manifests “Scheißkultur – die heilige Scheiße”. Das mit der Künstlerkacke “Merda d’artista”, die letzten Endes mehr Wert besitzen sollte als Gold, das war allerdings der italienische Konzeptkünstler Piero Manzoni. Dazu soll ihn sein Vater inspiriert haben, indem er ihm einst vorhielt: “Deine Arbeit ist Scheiße!”

Dunkelbunt SommertagKommen wir nun zum zweiten Begriff in unserem Sendungstitel, dem Sommertag. Der assoziiert ja seit Erfindung der Sommerferien alles Vorstellbare rund um Freibad, Freiheit und Freizügigkeit. Oder lieber Freibier? Was auch immer… Dennoch wohnt dem Sommersein oft nicht nur Schönes und Helles inne, sondern auch Abgründiges. Dann wirds dunkelbunt. Gisbert zu Knyphausen drückt dies in seinem Lied “Sommertag” zum Beispiel ganz vortrefflich aus. Oder aber Volker Strübing, der seinen alten Slamtext “Sommer ist Scheiße” für Kloß & Spinne (feat. Norbert) wieder aufbereitet hat. Ob ironisch überdreht oder dezent angedeutet: Jede Extase trägt immer auch den Absturz in sich, so wie das Bittere auch immer mit dem Süßen vermengt ist. Plattitüdeldüü. Doch was hat das alles mit der Sommersendung” zum kommenden Sonntag zu tun? Schuld ist vor allem wieder einmal der Wetterbericht, der für diesen Stimmungshöhepunkt des Sommergenießens gröbliche Kälte sowie Regen vorhersagt. Wo wir doch eh schon aus dem provisorischen Rumpelkarma der Radiofabrik senden – und zudem an einem erheblichen thematischen Sommerloch laborieren. Was also anfangen mit solch ambivalentem Seinszustand im Zwischen?

Aus der Not eine Tuchent machen (oder wie das heißt) und den Pros and Cons der wortwörtlichen Sommerfrische auf den Grund spüren! Natursache, eine Andeutung. Dunkelbunt, urgemäß.