Die Kleingeldprinzessin

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 11. Oktober – Politisch, kritisch, Jazz, Folk, Klezmer, Liedermacherin, geile Texte, eigenes Label, im Duett mit Max Prosa – die Zuschreibungen sind so mannigfach wie die Zwischentöne dieser sehr speziellen Künstlerin, die mal solo, mal mit Band unterwegs ist. Nach ihrem Kurznamen DOTA heißt inzwischen auch das Gesamtprojekt so – und präsentiert sich vermittels einer erfreulich aufgeräumten Homepage. Von Dota Kehr ist hier natürlich die Rede, auch bekannt als Die Kleingeldprinzessin mit oder ohne Die Stadtpiraten. Wir spielen im Rahmen unserer Reihe Das ganze Album diesmal ihre CD „Immer nur Rosinen“, die uns im Ganzen als „die Rundeste“ – und vor allem textlich wesentlich erscheint. Aber ich lass jetzt lieber mal den Fachmann fürs „Eindrücke vermitteln“ ans Werk gehn:

immer nur rosinenEndlich!, rufe ich in die Nacht hinaus, in diese regenträge Nacht, und räume das Zimmer leer um Platz zu schaffen für die tausend Dinge, die ich schreiben möchte über dieses Album, welches schon viel zu lange auf der Vielleichtbank, der Irgendwanneinmalbank sitzt und der Gespieltwerdung harrt. Ich höre Dota Kehr, der Kleingeldprinzessin und ihren Stadtpiraten schon Jahre zu, ob es In anderen Räumen Blech + Plastik oder Immer nur Rosinen gibt, die jazzigen Klanggalaxien mit Bossa Nova und Klezmer-Einflüssen, umschließen mein Hörleben und zeigen immer wieder wie lebendig, wie lebhaft Liedermachen sein kann. Und wie so oft sind es die Texte, die mich von Anfang an aufhorchen ließen; die feinfühligen Beobachtungen, die zeitkritisch ziselierten Zusammenhänge in den vielschichtigen Geschichten, die umwerfende Umwälzung alltäglicher Wahrnehmungen, die Poesie flüchtiger Augenblicke, die Worte – hinter dem Sinn.

dotaIch warte hier, und mein Schreibtisch, Zeittisch, bloß von einer Wandlampe erhellt, so dass er zu meinem Mittelpunkt wird, meinem einzigen Bezugspunkt im grenzenlosen Schwarz, und ich höre Dotas Stimme, diese freundliche, einladende Stimme, folge der Musik, wohin auch immer; nach Berlin, in die Erdumlaufbahn, hinter die Lider, durchs Schlaraffenland. Für Proviant ist gesorgt, für Gesprächsthemen und Konversationsfunken sowieso, meine Siebenmeilenstiefel tragen mich weiter als gedacht; eine Motte wirft ihre Schatten auf die Tastatur, von draußen kein Geräusch, hier drinnen nur das Klimpern meiner Finger, nur mein stetes Flattern beim Formulieren, das Annähern, Andeuten, Skizzieren einer ganz eigenen Welt, die vertrauter nicht sein könnte.

Am Ende bleibt nur zu sagen: Höret selbst und begebt euch mit uns auf eine Reise in die Zwischentöne, Zwischenzeilen und Zwischenschluchten dieser facettenreichen, phantasievollen, verbindungsstiftenden – immer unvollendeten Symphonie.

 

Dicht & Doof

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 27. SeptemberIn Salzburg gab es noch nie eine deutschssprachige Punkband namens Thomas Bernhard. Und genau das ist einer der größten Fehler dieser Stadt. Denn während in Wien seit Jahrhunderten (von Nestroy bis Neuwirth) auch brutal selbstkritisches Liedgut zum guten wie zum schlechten Ton gehört, ergeht sich unser katholischer Kunstmarktflecken in der propagandistischen Beweihräucherung eigenen Schönscheins und Wichtigtums, dass einem so richtig schön schiach wird. Diese Stadt gehört schon längst nicht mehr uns. Im Musikvideo der zwei Wiener (!) Christoph & Lollo fehlen durchaus die Salzburger Örtlichkeiten im Abspann. Und das furchtbar süßliche (allerdings bitterböse) Grüß Gott Salzburg des Wieners (!) Ludwig Hirsch hat inzwischen auch schon 25 Jahre auf dem Buckel.

hombuchdandlungAuch aus Salzburg sind ja seit Thomas Bernhards „Friedhof der Wünsche und Phantasien“ kaum noch kritische Töne zu vernehmen. Stattdessen Hofberichterstattung von Festspielhelgas Fetzenspielen oder vom volksbrauchbesoffenen Trachtenanfall Rupertikirtag quer durch alle Medien – vor allem aus dem devotionalen Landesstudio des österreichischen Unfugs

Da müssen halt auch wir auf die Altwiener Tradition des gepflegten Protestsongs zurückgreifen und den Wolfgang-Ambros-Text von Hoiba Zwöfe aus dem Jahr 1976 nachträglich versalzburgern, um dem hier vorherrschenden Dultdunst aus Bier und Bratwurst (der hier alles niederquatschenden Geldkunst aus Gier und Staatswurst) etwas halbwegs Ketzerisches entgegen zu theatern. Und das hört sich dann so an:

Von ana Szene kann ma bei uns übahaupt ned sprech’n,
ollas dasauft im Stieglbier, es is zum Erbrech’n.
In dera Beziehung is‘ bei uns zum Scheiß’n
und es schaut ned so aus ois ob’s es irgendwann g’neiss’n.
Oba wozu wüst di aufreg’n, so is des hoid,
am Best’n is‘ du schaust dazua und wirst recht schnö oid.
Stöh da amoi vua, dass bei uns a Konzert is
wo’st fia de Koat’n nur sovü zoist, wos a wert is!
Des tät uns jo des ganze Image vaderb’n
weu Soizbuag is und bleibt…
de Stodt zum Sterb’n!

 

Mey Wader Wecker – Das Konzert

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 13. September – Es haben ja andauernd irgendwelche Menschen oder Sendungen Geburtstag (Sieben auf einen Streich). Warum also nicht gleich auch noch ein „Happy Birthday, lieber Hannes“13 Jahre nach jenem legendären Konzert zu Hannes Waders 60. Geburtstag (gemeinsam mit Reinhard Mey, Konstantin Wecker und Jo Barnikel), das 2003 als über 2-stündiges Live-Doppelalbum erschienen ist – und einen einzigartigen Höhepunkt im Wirken der drei unverwüstlichen Veteranen darstellt. Denn in dieser Konstellation wächst nicht bloß jeder für sich über sich hinaus, sondern alle zusammen über das Gemeinsame. Da jammen an die 150 Jahre Bühnenerfahrung in einer harmonischen Vielstimmigkeit, dass es eine helle Freude ist! Wir spielen das Schlussdrittel einer Ausnahmesession:

albumcoverJetzt eine Insel finden, einen stillen Ort, mich zurückziehen können, vergessen welche Stürme mein Leben umgiften, und einfach schreiben – über dieses Album, dieses Konzert dreier Poeten, dreier so wichtiger Menschen, dreier grandioser Denker unserer Zeit. Was könnte ich sagen, was gäbe es zu berichten, wie könnte ich die Atmosphäre in Worte kleiden, was bewegte mich, was regte sich in mir beim Lauschen der handgemachten Klänge? Im Dunkel meines Zimmers schläft meine Nichte, die externe Festplatte summt, ich höre die Stimmen meiner Familie im Wohnzimmer über all das reden, diskutieren was heute binnen weniger Stunden über uns kam wie aus dem Nichts, während ich nur an die Musik denken kann, die mich so eigentümlich berührte, mich ruhig werden ließ, verträumt – und die mir manchmal eine Träne entlockte.

Ich möchte mich nicht ergehen in analytischem Gebrabbel oder unzulänglichen Beschreibungen, die niemals einfangen können worum es wirklich geht, möchte lieber über den Flügelschlag einer Libelle erzählen oder das Aufhorchen meiner Seele als der erste Akkord verklang, vielleicht sind es die Gedanken und Erinnerungen, die eruptiv in mir hervor traten, während Wader über seine Jugend sang, oder die Erkenntnis, dass es da draußen ja doch noch Menschen gibt, die Nein sagen oder authentisch über Liebe dichten, und mein Bauch vibriert, Ganzkörpergänsehaut, einmaliger Dreisang jener sprachverliebten Art, Eingesaugtwerden in einen Strom von Emotionen, eine Reise durch Schluchten der menschlichen Existenz, über Berge politischer Absurditäten, vorbei an den Häusern innerer Einkehr, hinein in die Boote, die uns tragen über stürmische Zeiten – und vielleicht singt Orpheus dann vom Frieden.

Ich weiß nicht, worüber ich schreiben möchte, doch eines ist klar: Selten hat mich ein Album so in seinen Bann gezogen, selten haben es Künstler vermocht, mich so allumfassend zu rühren, selten hat Musik in mir so bleibende Spuren hinterlassen, farbenfrohe Narben voll Poesie.

Überzeugt euch sebst! Hier gibts nun Das Konzert CD1 sowie Das Konzert CD2

 

Abie Nathan – The Voice of Peace

> Artarium vom Sonntag, 30. August – Das Double-Feature hier zum Nachhören:

Erster Teil: From somewhere in the Mediterranean (Playing the Peace-Ship today)

Zweiter Teil: Abie Nathan – The Voice of Peace (Feature-Collage – Ein Vermächtnis)

Ein Mann und sein Lebenswerk, heute fast nur noch Eingeweihten oder Zeitzeugen bekannt, erfahren hier eine längst überfällige Würdigung. Denn der israelische Radiopirat und Friedensaktivist Abie Nathan betrieb zwischen 1973 und 1993 von seinem Sendeschiff aus die coolste Musikstation im östlichen Mittelmeer. The Voice of Peace hatte zu Spitzenzeiten über 30 Millionen Hörer_innen und wurde so schnell zum Soundtrack einer ganzen Generation. Ganz nebenbei pflanzte ihr umtriebiger Gründer auch seine Friedensvisionen in deren Ohren – und Herzen. Dies alles wäre wohl auch uns weithin unentdeckt geblieben, wenn nicht Eric Friedler 2014 den Grimme-Publikumspreis der Marler Gruppe erhalten hätte, für seinen genialen Dokumentarfilm The Voice of Peace – Der Traum des Abie Nathan:

The Voice of PeaceDadurch fand das für den NDR produzierte eineinhalbstündige Portrait seinen Weg in die üblich verdächtigen Fernsehkanäle und gelangte so letzten Endes auch zu uns. „Ich hätte Abie gern persönlich kennengelernt und wäre am liebsten auch beim Radiosender mit dabei gewesen.“ erklärt Eric Friedler in dem sehenswerten Interview zur Entstehung seines Films mehr als nur einmal. Dem haben wir nichts hinzuzufügen – das unterschreiben wir sofort – mit unserem Herzblut! Also verwandeln wir uns in der ersten Stunde unserer Hommage an den versenkten Sender einer nicht totzukriegenden Botschaft zeitlos in zwei Voice-of-Peace-DJs und senden aus dem Dampfraum der Radiofabrik als wärs im Hochsommer vor Tel Aviv. Dabei wollen wir aber nicht mit der Musik von damals dem Geist jener verflossenen Zeit nachweinen, sondern uns mit Phantasie in die Situation versetzen, wir seien ungeachtet jedweder Realität wirklich auf dem Friedensschiff und spielten die Musik, die uns dazu einfällt. So entsteht eine Verbindung aus historischen Jingles und Songs mit ganz neuen thematischen Assoziationen rund um die eisernen Vorhänge in unserer Vorstellung. Und eine Atmosphäre von Zeitlosigkeit, die es uns ermöglicht, das Wesentliche an Abie Nathans Peace-Messages zu erspüren – von gestern – für heute – und morgen

Abie Nathan 1961In der zweiten Stunde stellen wir den Menschen hinter seinem Projekt vor – und wundern uns, weshalb dieser radikale Visionär einer friedlicheren Welt heute fast schon mit Vehemenz verdrängt und vergessen wird. Es ist mit Sicherheit der überragende Verdienst von Eric Friedlers Dokumentation, dass sie den Politpoeten, den Provokations- und Aktionskünstler Abie Nathan solchem Vergessen entreißt und darüber hinaus dessen Lebenswerk einem erweiterten Kreis von potenziellen Mitstreiter_innen nachvollziehbar macht. Auch wir im Freien Radio können uns zum Beispiel fragen, was uns dieser verspielte Bruder eines glückhaften Zeitfensters so hinterlassen hat. Kann es genügen, um die eigene Existenz zu kämpfen, damit es einen halt gibt? Was ist unsere Botschaft? Wovon sind wir besessen, wofür sind wir bereit, im Wortsinn alles zu riskieren? Worin besteht die große Spaltung unserer Gesellschaft? Ist unsere Wirtschaft nicht längst Krieg? Krieg zwischen Arm und Reich? Die einen gehen daran zugrunde, die anderen gewinnen alles? Und dann? Wenn wir nicht über das scheinbar Unhinterfragbare hinaus zu denken wagen, dann wird uns das tatsächlich Unvermeidliche einholen. Alternativlos! Fragen zu stellen ist also schon mal ein guter Anfang. Und auch, etwas zu hören, das nicht in unseren Geschichtsbüchern steht.

Abie Nathan starb am 27. August 2008. We give voice to forgotten memory. Shalom!

Eine ausführliche Artikelserie von Hans Knot beleuchtet noch weitere Hintergründe…

 

Der Herr Hund

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 9. August – Es entspricht dem Wesen eines Hundes, dass dieser mehr oder weniger überall seine neugierige Nase hineinsteckt – auch wenns ein Haufen Scheiß ist. Und so gestalte ich in Entbehrung des auswärts abenteuernden Chriss diesmal wieder ein Soloprogramm aus allerlei hier wie dort zusammengeklau(b)ten Duftproben. Von japanischer Popkultur über den Primat der Ökonomie bis zum Gitarrensound der 90er lasse ich ein paar illustre wie obskure Zaunzeugen des Weltgehens ihr Charmebein schwingen: Pizzicato Five, Joesi Prokopetz, Frank Zappa, PeterLicht, Abie Nathan, Hanns Dieter Hüsch, Eroc (Grobschnitt) sowie Busch (die Band). Und weil genug niemals genug sein kann, lass ich auch mich selbst noch auf uns los – und zu Wort kommen. Kleiner Vorgeschmack gefällig?

Der Herr HundGenial trifft es etwa PeterLicht, der 2006 sein Album „Lieder vom Ende des Kapitalismus“ nannte und darin die folgende realexistierende bundesdeutsche Presseaussendung zum Kultsong erhob: „Die Arbeitgeberverbände befürworten Benimmunterricht an den Schulen. BDA-Präsident Hundt sagte: Schulabgängern fehlt oft die Kenntnis einfacher Regeln des Zusammenlebens.“

Ich für meine Person distanziere mich hier ganz ausdrücklich von jeder Namensvelwechsrung!

Es ist sowieso nicht einfach, das Wesen des Hundes in der Popkultur zu erfassen. Wo riechen wir hin, was brunzen wir an – und wen beißen wir? Die Rolle des Wachhunds (und kommissarischen Hüters) der Errungenschaften des freien Radios erfülle ich ja (nomen est omen) durchaus gern mit Leben – dem, das ich bin. Jedoch worin bestehen diese Errungenschaften – im Gegensatz zum Grund- und Bodensitz privatöffentlich-kommerzrechtlichen Verallgemainstreams? Oder – im Spannungsfeld zwischen der freien Meinung und einem Thema? Lassen wir uns dazu am besten eine Collage dreier Statements aus dem Land der lebenden Phantasie in die Seele sickern: „The Voice of Peace – ein Kunnst-Biotop – zwei Welten, eine Familie“ und machen wir uns wieder einmal in bewährter Weise selbst einen Reim daraus!

Denn solang wir darauf warten, dass uns die Irgendwers den Weg zeigen, solang warten wir darauf

PS. Der gegen Ende der Sendung in Auszügen verlesene Artikel von Erhard Glötzl findet sich übrigens in der Zeitschrift für Sozialökonomie (1999) – hier als PDF-Download.

 

Die Strandpiraten

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 26. JuliWir spielen die Hitz! Und während uns die Salzburger Saunatemperaturen von Strandbädern und Karibikurlauben träumen lassen, durchstöbern wir Strandpiraten das angeschwemmte Treibgut der Kulturgeschichte auf der Suche nach Sinn und Zusammenhang. Vielleicht lässt sich aus einigen Perlen unserer Sammlung sogar etwas Erfrischendes basteln, das uns Erleichterung verschafft beim schweißnassen Dahinschmelzen. Wie dem auch sei, dieserlei Fundkünste unserer Hirnwanderung gießen wir euch fein vermischt in den Äther, der die Welt bedeutet. Und wir hoffen dabei durchaus, dass die kryptischen Botschaften aus der Flaschenpostille zu so manch erquicklicher Erheiterung bei unseren geneigten Mitschwitzenden führen. Nun also dann, Vorhang zu, Getränke auf – und: „Allora, andiamo, ventilazione“

Bonaire„A story of aspiration and salvation, the spirit of 2008 revived and taken to the max. Let Oberbama amaze you, take you on a journey to understanding. Many are called, chosen are few. Ask yourself „Why me? What part can I play?“ The answer is easy: Share with your loved ones as well as your enemies. For Oberbama is the light.“ Wers gern mag, dass ihm/ihr die Erlösung vom Himmel hoch geradewegs vor die Füße fällt: Oberbama – Barack Obama Dildulo

Was für ein Video! In dem einen oder anderen verschrobenen DJ-Set soll ja sogar schon die gleichnamige (als Single produzierte) Radio-Version aufgetaucht sein. Der Text dürfte wiedererkennbar sein, besteht er doch ausschließlich aus dem Titel selbst … Wohingegen der Text von Was tut man um zu sein (das meines Erachtens mit Abstand schrägste der “Vorletzten Lieder” von Georg Kreisler) durch seine fast schon atemlose Komplexität besticht. Wem bis jetzt noch nicht heiß oder schwindlig geworden ist, möge sich mit diesem Aufguss zur Einstimmung anschütten:

Was tut man, um zu sein?
Man schaltet’s Fernsehn ein
und setzt sich in den Sorgensitz
und sorgt sich über Fernsehwitz
und lässt das Fernsehn schrein.
Das tut man, um zu sein!

Ist das Leben ein Schlauch,
füll dir mit Coca Cola den Bauch.
Wodka tut’s auch!
Hey!

Wo im Mai schon der Schnee fällt,
fahr’n die Eskimos Ski.
Ein vierblättriges Kleefeld
garantiert den Treffer in der nächsten Lotterie.

Bayern, Hessen, Schleswig-Holstein
Bockwurst, Bier und Brüder Grimm…
Mandelbaum und Kohn und Goldstein
schlummern tief in Oświęcim…

 

Lieber Griechen

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 19. Juli – Verstehen sie denn nicht, dass diese Menschen eine eigene Kultur haben? Ja, das ist dann hier wohl die Frage, wenn wir sprachlos die jeweils neuesten Nachrichten von der Europäischen Finanzplanierung Griechenlands hören und sehen. Weil einem genau das dabei zu vergehen droht, ist – allein schon aus gesundheitlichen Gründen – eine Rückbesinnung auf ein paar Besonderheiten der griechischen Kultur geboten. Und was würde sich in diesem etwas anderen Kafenion dafür besser eignen, als Geschichten darüber zu erzählen? Zum Beispiel die vom Jorgos (ein legendärer Wirt in der Schönbrunnerstraße), bei dem wir einst alle anschreiben ließen, und den es doch immer wieder verwunderte, wenn einer von uns dann seine Schulden bezahlte. Eine ganz eigene Kultur eben…

UND GUSCHOder auch die vom Grosser Michi (mein über alles geliebter Pfadfinder-Gruppenleiter), der zur Zeit der griechischen Militärdiktatur als Jugendlicher in Piräus Spottlieder auf Papadopoulos sang und dafür letztendlich nur fast verhaftet wurde! Warum wohl zog es jahrzehntelang gerade die etwas anderen Kinder nach Griechenland, einem Synonym für Freiheit und Abenteuer? Was war etwa eine Maturareise dorthin – in jenem historischen Zeitalter vor der Erfindung allinklusiver Rundumbehupfung? Darin könnte uns die Episode vom plötzlichen Verschwinden des Schneider Gü (mein Altgriechisch-Professor) wohl einige Einblicke eröffnen. Oder auch eine von Georg Danzer meisterlich selbst erzählte. Naturgemäß dürfen dabei die drei bekanntesten Vertreter der austro-hellenischen Freundschaft nicht fehlen, nämlich Steinbäcker, Timischl und Schiffkowitz. Aus dem wunderbaren zweisprachigen O Xenos (Gert Steinbäcker, Panos Falaras) hier nun die Übersetzung der griechischen Passagen quasi als Einstimmung – oder zum Schluss:

Mein Sohn fragt mich, ob du früher kommst.
Ich sagte ihm, im Mai wird er bei uns sein.
Tausende von Problemen haben wir und Steuern sogar noch mehr.
Aber mit einem Freund bei dir erträgst du das Leben.

Die Herzen sind ohne Grenzen, sie haben den gleichen Himmel.
Die gleichen Monde in einer Welt, fremd, leer und dunkel.
Heimat ist der Traum der Menschen, der die Seelen verbindet.
Und die Freunde, wie du weißt, zeigen sich in schwierigen Zeiten.

Darauf erst mal einen Ouzo!

 

Αγγελική Ιονάτου

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 14. Juni – Wir spielen das ganze Album O Erotas der griechisch-französischen “Compositrice et Chanteuse” Angélique Ionatos, das der gute Christopher unlängst im H.C. (Artmann) Café des Literaturhauses zu Salzburg entdeckt hat. Die bei uns weithin unbekannte Künstlerin verbindet in ihrem musikalischen Werk verschiedenste Einflüsse mediterraner Kulturtradition zu einer ganz eigenen, berührend faszinierenden Klangwelt. Wir fühlen uns da in einen lyrischen Kosmos entführt, in dem „das Bittere stets mit dem Süßen vermengt ist“, wie es bereits in einem altgriechischen Sprichwort heißt. Das titelgebende Lied des Albums O Erotas ist übrigens ein von ihr vertontes Gedicht des griechischen Literaturnobelpreisträgers Odysseas Elytis. „Kunst und Liebe sind stets auch politisch“, so empfinden es wir…

o erotas cover„Die Schwarzweiß-Photographie einer herzhaft lachenden Frau mit lockigem Haar und Lederjacke. Darunter blassblaue Zeichen, die einen Namen formen: Angélique Ionatos. Die Engelhafte.

Und daneben in kleiner weißer Schrift: O Erotas. Die Liebe. Ich stöberte im Regal mit den CDs, die über die Jahre von verschiedenen Menschen zusammengetragen worden sind und entdeckte dabei dieses sommernachtstraumhafte Album.

Spätestens als Ionatos den ersten Ton freigab, war ich verzaubert, wurde verwandelt, fiel in ihren Bann. Es liegt auf der Hand: Mischt man eine dunkelwarme Stimme, welche griechische Poesie wie Beschwörungen singt, mit einer eigensinnlichen Musik, die manches Mal auch in den Hintergrund tritt, wie um die Worte zu stärken, so kann daraus eigentlich nur ein außergewöhnlicher Genuss entstehen.

Also, lasst uns ein Stück Hörwelt teilen und gemeinsam Klangwege beschreiten. Das Leben ist zu kurz für schlechte Musik!

 

Alles Gute!

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 24. Mai„Ja, so sind die Menschen, sie sind unterschiedlich – manche sind zart, und andere sind unverwüstlich.“ Mit diesem Zitat der Wiener Kapelle Das trojanische Pferd eröffnen wir die heutige Veranstaltung der Aktion „Das Gute Lied“. Darüber hinaus wollen wir uns ganz entschieden dem Guten, Wahren und Schönen in unserer eigenen Welt zuwenden, allein schon aus Gründen gesundheitlicher Generalprävention, in diesen Zeiten, wo die Euro-Video-Songcomtess ausgerechnet in Wien hofhält UND dazu noch ringsum das katholische Firmbimbam vor sich hin dröhnt. Jössasmarandjosef, da werden einem zwischen Parfum und Pailetten, Pfingstochs und Pfaffenspray die Außenweltnachrichten einfach zu unschön. Also ziehen wir uns zurück – auf ein gutes Buch, eine gute Idee, einen guten Menschen.

Guter HaseGönnen wir uns eine hasenreiche Auszeit von den vielen Anlässen und Aufmärschen des allweiligen Reizreaktionstrullala. Und widmen wir uns doch den Kunstgenüssen, die so überhaupt nichts mit all dem anstrengenden Plärr, Blink und Blah zu tun haben, dem die volksfesch zurechtgezupften Mitlinge fromm johlend und andachtsvoll nachhupfen. Brimborium in Schubidu Trihulliö! Ob Stadthalle oder Dom, ob Pfarrkirche oder TV – alles ein veritables Hochamt des Mitdazugehörens, des sich Auflösens in der anonymen Knetmasse der allallerweil Gleichklingenden. Nein, wir sind angewidert vom scheinewigen Immerdar und von der jährlichen Wiederkehr des uns zur Hingabe Verordneten. Es ist genug, oder? „Jetzt kann nur noch die Phantasie die Sterbenden vom Eis befrein.“  Konstantin Wecker Zum Schluss die Lesung aus dem Buch der Weisheit. Möge die Wurst mit euch sein!

Ich ziehe meinen Hut vor jedem heterosexuellen Menschen, der bei der Klärung seiner diesbezüglichen Identität/Orientierung einen genauso anspruchsvollen Weg zurückgelegt hat wie etwa ein Homosexueller…

 

Wos i (ned) gern hör

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 17. Mai – Wenn man immer wüsste, was die lieben Kolleg_innen mit unserer Studioeirichtung so alles aufführen – dann würde man sich womöglich gar nicht mehr soo unbefangen ans Mikrofongitter schmiegen, wie man das eigentlich gern gewohnt wäre. Gut, die wirklich abseitigen Sachen finden wohl wegen der Videoüberwachung überhaupt nicht statt (und das wär mir hier jetzt viel zu unappetitlich). Nichtsdestoweniger geschehen in unserem Sendestudio und somit auch auf unseren Frequenzen immer wieder recht denkwürdige Seltsamkeiten, wo ich mich dann eigentlich schon frage, wie ich die atmosphärischen Überreste von derlei sagen wir mal spirituellen Sozialorgien wieder aus der diversen Hardware heraus bekomme. Die Stimmen der Anderen, einmal kritisch hinterfragt. Ein Reinigungsritual

Kommissar HundGerade überlegen wir etwa in der Programmkommission, welche Sendereihen wir in den beiden Sparten Kunst/Kultur sowie Gesellschaft/Politik mit dem Radioschorsch 2015 dafür auszeichnen, dass sie den im Radiofabrik-Leitbild formulierten Grundwert des Offenen Zugangs beispielhaft, engagiert und zukunftsweisend verwirklichen. Wörtlich heißt es dort: „Bei uns kann jede und jeder Radio machen, besonders jene, die in anderen Medien unterrepräsentiert sind.“ Das ist eine vorzügliche Zielsetzung, hinter der zu stehen für mich als Sendungsgestalter mehr als nur selbstverständlich ist, nämlich im wesentlichsten Sinn identitätsstiftend. Und das gilt insgesamt für die Institution der Freien Radios an und für sich. „Personen und Gruppen bewusst zu bevorzugen, die beispielsweise aufgrund ihrer Abstammung, ihrer Denkweise, ihrer Hautfarbe, ihrer politischen Einstellung, ihrer Sexualität etc. in anderen Medien diskriminiert werden“ – das ist doch die Grundsubstanz für unser Selbstverständnis. (Zitat sinngemäß wiedergegeben aus der Charta der Freien Radios in Österreich)

ZwischenfragenEs sind also diese Menschen und Gruppen, für die wir einstehen (und die wir ja großteils auch selbst sind), die in den vom gesellschaftlichen Mainstream geprägten Medien gar nicht, und wenn, dann nur am Rande oder verzerrt dargestellt vorkommen. Dies gilt sowohl für den öffentlich-rechtlichen wie auch den privat-kommerziellen Sektor in gleicher Weise, da sie beide dem Einfluss mächtiger Interessensgruppen ausgesetzt sind (Wirtschaft, Parteien, Kirchen…) und diesem auch nachgeben müssen, weil sie ihre jeweilige Position behaupten wollen. Was aber geschieht mit unserem, sich davon in so angenehmer Weise abhebenden Selbstverständnis, wenn sich quasi durch die Hintertür der Meinungsfreiheit genau die selben gesellschaftsprägenden Einflussnahmen auch bei uns einschleichen? Wenn vielleicht esoterische Zirkel den Besuch ihrer eindeutig privatwirtschaftlichen und knallhart kostenpflichtigen „Lebenshilfe“-Seminare im Freien Radio anpreisen? Oder wenn sich gar ein bekannt homophober Hilfsbischof mit seinem ewiggestrigen Menschenbild bei uns ganz nach Laune Witz erzählend und segnend ausbreitet?

Hallo? Was hör ich da? Der hat in MEIN Mikrofon hinein gesegnet? Na, dem werden wir den Teufel schon mit dem Brezelbub austreiben! Holt sofort einen Sexorzisten!