Jazz erst recht

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 29. Oktober – Unlängst – oder war es neulich – wurde auf 3sat der saugute Dokumentarfilm “Der Preis der Anna-Lena Schnabel” gezeigt. Und dadurch wurden wir schon wieder einmal in die – zugegeben eigenartige – Welt des Jazz hineingesaugt. Denn das rundum gelungene Filmportrait bietet nicht nur eine höchst zugängliche Darstellung des inneren wie äußeren Werdegangs der jungen Solistin (Saxophon, Querflöte), sondern auch erschreckende Einblicke in die Gepflogenheiten der Musikindustrie sowie in den peinlichen Eiertanz der öffentlich rechtlichen Sender zwischen Bildungsauftrag und Massengeschmack. Alles weitere dazu lässt sich in diesem erfrischend spitzzüngigen Artikel von Ulrich Stock nachlesen. Jazz ist also ein Minderheitenprogramm. Doch findet er im Freien Radio genug Platz?

jazz erst recht professor kerschekZur näheren Beleuchtung dieser Umstände haben wir den Radiofabrik- Musikredakteur und ausgewiesenen Jazzdoktor Nikolaj Fuchs ins Studio eingeladen. Und gemeinsam mit ihm wollen wir die diesbezügliche “Luft nach oben” einmal versuchsweise ausloten. Dem Thema entsprechend spielen wir dieses Mal ausnahmslos Virtuos_innen der etwas anderen Blasmusik, und zwar Herbert Könighofer mit K3, Anna-Lena Schnabel und ihr Quartett, den Soundrevolutionär Nils Petter Molvaer sowie Ian Anderson (von Jethro Tull) auf seiner legendär queren Flüüte, ein lebendes Relikt jener höchst ungrauen Vorzeit, in der die Musikgenres noch viel einträchtiger beisammen wohnten als dies heutigentags marktkonform zu sein hat. Viel Harmonie!

Es sei unserem Publikum hier nicht vorenthalten, wie der im eingangs erwähnten Film kritisierte NDR reagiert. Darauf kann man sich einen Reim machen – oder auch nicht. Ein gewisser medienpolitischer Nachgeschmack (wie von allerlei Wahlkrämpfen her) bleibt im Abgang haften. Irgendwie metallisch, so zwischen Kleingeist und Kleingeld. Wir jedenfalls finden die Zweckzwangsjacke merkantiler Verbenutzbarkeit scheiße.

Stattdessen wollen wir Projekte wie die Radiofabrik-Jazznacht weiter ausbauen, und setzen in dem Zusammenhang auf die Unterstützung unserer Hörer_innen, die das Freie Radio beim Wort nehmen – und selbst produzieren, was sie gern hören wollen.

Wir sind nämlich ein geiles Institut.

 

Bist du moped

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 22. Oktober – Wir haben die Wahl überstanden, mit einem weinenden und einem blauen Auge. Und mit ganz viel Humor, den braucht man grad jetzt wie einen Bissen Moped. Die nämlichen Gebrüder waren sogleich als Kommentatoren des austriakischen Volksaufstoßens im ARD-Morgenmagazin zu erleben, was dem hierorts stattgehabten Kasperltheater durchaus gerecht wurde. Auch ihre satirischen “Wahlplakate, die fehlen wie ein Bissen Brot” wurden dadurch einer um diese Uhrzeit gewiss ziemlich breiten Öffentlichkeit bekannt. Auf die Frage, was sie dem Wahlsieger jetzt empfehlen, kam reflexhaft die Antwort Stimmbruch”. Da wurde mir schlagartig bewusst, welch hohe Kunnst es erfordert, die Wirklichkeit (im Brecht’schen Sinn) bis zu ihrer Kenntlichkeit zu entstellen. Herzliche Glückwurst!

Bist du mopedWobei, manchmal besorgts einem die Wirklichkeit selbst, wie diese Momentaufnahme des Wahlabends illustriert, welche hier auch nicht weiter kommentiert werden muss. Die Realitäter entlarven sich ja selbst und ringsum gegenseitig. Was nichts daran ändert, dass man mitunter doch ein Schauferl Satire nachlegen muss, um das eh schon Offensichtliche noch zu verdichten. An die AfD-geschockte deutsche Politlandschaft: “13 Prozent Rechtspopulisten – das wäre in Österreich der reinste Linksruck.” Und erst das geniale Video “Sebastian” mit dem Refrain “Ich will ein Kind von dir!” Dort heißt es: “Die inhaltliche Linie kann ich ihnen sagen – der erste Punkt ist Sebastian Kurz…” Die Gebrüder Moped kann man einfach nur liebhaben. Wir werden einiges von ihnen zu Gebräu bringen, bevor uns das Ohrenlicht ausgeht. Apropos, naturgemäß haben die Nebenwirkungen dieser Nationalratswahl (fragen sie doch ihren Wahlarzt) gerade auch bei uns ihre seelischen Spuren hinterlassen, weshalb wir versuchen, dagegen im Sinne erfolgreicher Verdauung anzudichten. Dazu haben wir den legendären Fred Sinowatz ausgegraben, weil ja oft alles noch viel komplizierter ist, als man es jemals nicht erklären kann…

WARNHINWEIS: Die Sendung enthält Scherz, Satire, Ironie und tiefere Bedeutung, wodurch humorallergischen Person_innen das Lachen im Hals stecken bleiben kann. Wie heißt es bei Apocalypse Now: “Das Grün ist gegangen – der Schmerz bleibt.”

 

Deprogramming Division

> Sendung: Das Artarium zum Wahlsonntag, 15. OktoberAlle wählen vom Reden. Wir aber spielen dem schwindlichmachenden Anlass entsprechende Musik. Nämlich die “Underwater Serenades” von Deprogramming Division, einem der vielfältigen Soundprojekte des umtriebigen Salzburgsohns Herwig Maurer, der einst aus seiner Heimatstadt auszog, um die dekadente Westwelt mit seinen Musikalien anzureichern. Nebst immer unzähliger werdenden Filmarbeiten (IMDb) sowie Veröffentlichungen von Alben und Soundscapes gibt es von ihm auch noch Kunstfotographie und demgemäß durchkonzipierte Bilderfluten zu entdecken – und zu erforschen. Dem kreativen Umtrieb so eines über die kommerzfeile Nachdepperei der allgemeinen Untenhaltung hinaus wollenden Menschenkinds kann die “Provinzkunstmetropole” halt nicht entsprechen.

Deprogramming DivisionWarum allerdings ausgerechnet der Titel Deprogramming Division und somit auch die Musikwahl auf unser Thema passt wie die sprichwörtliche Faust aufs Auge aller abgründlich genervten Betrachter? Na, weil die Ferngesteuerten, Programmierten oder eben “populistisch verblökten Mund auf und bitte schiab mas eini Schafe” selten so wahrnehmbar tief durch die Republik fliegen wie an diesem wahnsinnigen Wahlabend. Stermann und Grissemann werden forthin als Gute Nacht, Österreich auftreten und Thomas Bernhard hat mit “fürchterlicher Friedhof der Phantasien und Wünsche” aber noch sowas von untertrieben. Eine Erregung zur Beruhigung oder The Idiots are taking over von NOFX. Es ist alles schon oftmals ausgesagt worden, doch die Quasselödien glauben lieber den Massenblödien und Kassenschmähdien. Der Urheber ächzt: “Streit” und wir verklagen uns schon mal vorsorglich selbst. Seids ihr noch zu retten? Na guat, donn ned. Es is jo sowiaso olles ned woa oder vielleicht doch? Wir tauchen jedenfalls erstmal ab. Und wir laden euch ein, diese spirituelle Atempause mit uns gemeinsam zu verbringen. Mit einzusinken in diese instrumentale Phantasiewelt, erschaffen von einem, der wie wir davon überzeugt ist, dass jeglicher Kunst eine wesentliche soziale Funktion innewohnt. Siehe > Pacific Nexus Media

Am Freitag, 13. Oktober gibts unsere Perlentaucher-Nachtfahrt mit dem ebenso schönen wie passenden Titel “Unendlichkeitsversuch” – Guten Morgen, liebe Welt!

 

Fünfhundert Sendungen!

Sendung: Artarium Feierstunde vom Samstag, 7. Oktober – Alle reden von Wahlen. Wir nicht. Oder vielleicht doch? Aufgrund eines 17-tägigen Programmschwerpunkts namens #Stimmlagen durften wir jedenfalls schon mal unseren gewohnten Sendeplatz (am Sonntag um kurz nach 17 Uhr) räumen. Unter anderem deswegen werden wir auch Georg Kreislers prophetisches Psychogramm “Bundeskanzler Irgendwer” darbieten. Nicht wenigen Mensch_innen war nämlich die Radiofabrik jahrelang eine willkommene Abwechslung zum tagesaktuellen Gleichstream der Lechzer und Hintnachhechler. “Wenn alle es machen, müssen wir es auch tun.” Solche Gedanken sind die Einführung des Quotentums durch die Hintertür, ärgert sich Sendungsgestalter Norbert K.Hund: “Das Wetteifern um Marktanteile widerspricht der Grundidee der Freien Medien.”

FünfHUNDert SendungenWir wollen ungeachtet dessen den Umstand würdigen, dass der alte Hund (anbei ein römisches Mosaik) in seiner fast 10-jährigen Präsenz auf diesem Sender immer wieder die entlegeneren Köstlichkeiten aus dem Sumpf der Kultur hervor geschnüffelt und daraus inzwischen zum 500. Mal eine Radiosendung zusammengerührt hat. Nicht ohne die Hilfe des treusorgenden Hasen, mit dem dies nunmehr auch schon über 350 mal gemeinsam gelungen sein wird. Und quasi zur Eröffnung der “selbstreferenziellen Wochen” im Artarium und in der Nachtfahrt nennen wir einige statistische Daten aus unserem Schaffensrausch, die man allerdings (mit was auch immer) vergleichen kann, die man jedoch keineswegs zu einem Wettbewerb um den jeweiligen “Marktwert” missbrauchen darf: Demnach existieren 500 ausgestrahlte Sendungen, 656 individuelle Signations, Jingles und Audiocollagen, 491 Beiträge im CBA-Archiv (mit 643 Dateien), von dort aus 7.829 Downloads und 12.708 Streams. Der Artariumblog umfasst heute 342 Artikel, der Nachtfahrt-Perlentaucher-Blog 95, und beide zusammen haben mittlerweile über 2,1 Millionen Aufrufe. – Das alles sagt naturgemäß nichts über den jeweiligen Inhalt aus – genau das sollte uns doch zu denken geben. Also: Wählt uns!” Oder auch nicht: “Bundeskanzler Austauschbar”

 

Es gibt, es gibt, es gibt

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 24. September – Es gibt einen geraden Weg, PeterLicht in der ARGEkultur (am Samstag, 30. September) – und überhaupst eine ganze Menge an Interaktion von Dichtkunst und Musik in der kommenden Woche, wovon hier ein Reden (und naturgemäß Hören) sein soll. Ein Kunnst- und Subkultur-Magazin, wie das Artarium seit seinen Anfängen vom Gründer Peter.W. immer so gern bezeichnet ward, darf, kann – ja, muss sogar gelegentlich über bevorstehende Umtriebe der heimischen wie überregional bedeutsamen Kunstschöpferei berichten. Und sich einen kritischen Seitenhieb erlauben auf die Lieb- und Inspirationslosigkeit, mit welcher derlei Veranstaltungen oft “beworben” werden, seitdem “das Internet” zunehmend von Kommerzkasperln durchseucht ist. Geld stinkt eben doch.

Es gibt das Sausen der WeltJe mehr wirtschaftliche Interessen ins Spiel kommen, je mehr es um die gewinnbringende Vermarktung der Veranstalterei geht, umso fader, phantasieloser und schlichtweg austauschbarer werden sogleich diesbezügliche Ankündigungen gefühllos automatisiert hingeklopft. Es gibt kaum noch originär eigenes Gedankengut, nur mehr Copy und Basta. Dem gegenüber sei hier nun aus vollstem Engagement für den Sinngehalt der entsprechenden Veranstaltungen eingetreten! So entstammt unser vielsagendes Artikelfoto (von Alexi Pelekanos) dem Kulturblog Mottingers-Meinung.at und zeigt die Arbeiten an PeterLichts “Das Sausen der Welt” im Wiener Schauspielhaus. Und statt der seit Jahren üblichen PeterLicht-Standardvideos (gähn!) könnt ihr euch hier schon mal einen Eindruck von der öffentlichen Zeitauflösung des Lieds “Gerader Weg” machen. Und wenn ihr dem LeseKonzert von PeterLicht am Samstag in der ARGE beiwohnen (was wir durchaus empfehlen) und mit ihm “Die Emotionale” singen wollt, dann vermittelt diese WDR-Sendungsbeschreibung einen zutreffenden Eindruck von manchem, was euch da erwarten könnte. Es gibt nämlich Performance in Progress

Es gibt TauDarüber hinaus gibt es in den nächsten Tagen noch ein paar weitere Termine der gediegenen Art und zur gepflegten Begegnung mit Wort & Klang. So sind bereits am Montag, 25. September von 22 bis 00 Uhr die Jungautoren Thomas Mulitzer und Christopher Schmall in der Radiosendung mit der etwas spezielleren Musikauswahl, dem gehobenen Late Night Talk namens TALK2MUCH, live lesend gut zu hören. Ersterer (nebstbei von Detailsinn dargestellt) präsentiert am Freitag, 29. September um 19:30 Uhr im Salzburger Literaturhaus seinen Debutroman “Tau” (eine Replik auf Thomas Bernhards “Frost”, erschienen bei Kremayr & Scheriau), nicht ohne im Anschluss als TWO ON GLUE (zusammen mit Wolfgang Posch) zu konzertieren. Selbigen beiden verdanken wir übrigens auch eine recht schöne Doppelsendung über Ilija Trojanow. Zweiterer (der Artariumhase), inzwischen Obmann der Salzburger Autorengruppe SAG, tritt wiederum bei deren Anthologie-Vorstellung am Dienstag, 26. September ab 20 Uhr in der Panoramabar der Stadtbibliothek als beitragender Dichtkünstler auf. Viel Spaß mit den vielen Links! Wir wollen unser Publikum ja auch mal überfordern.

 

Buchhändler unseres Vertrauens

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 17. September“Er hat meinen Einband geknickt! Er hat meinen Einband geknickt!“ So lamentiert ein aus dem Regal gefallenes Bändchen von Alfred Döblin eines Nachts laut und vernehmlich in Jochen Malmsheimers Bibliothek. Was sich dortselbst des weiteren abspielt, sobald seine Bücher (die ja ihrer Natur nach von Leben erfüllt sind), auch noch zu sprechen und miteinander zu streiten beginnen, das ist hier und heute im titelgebenden Auszug aus dem Programm “Flieg, Fisch, lies und gesunde…” gut zu hören. Was jedoch einen Buchhändler unseres Vertrauens genau ausmacht, das wird sich dem geneigten Ohre erst in der Zusammenschau eröffnen! Denn wie beim Lesen können auch beim Hören hirneigene Bilder und Assoziationen entstehen – sofern der dazu nötige Freiraum nicht vom dichten Gedudel verstopft wird.

BuchhändlerOder vom klebrigen Werbebrei in eigener Absicht, der uns im penetranten Befehlston und mit immer noch supereren Superlativen so derart das Aufmerken zuscheißt, dass gar kein Platz mehr fürs eigene Empfinden bleibt, nur noch fürs Befolgen der Denkanweisung. Diesem Dummtum der digitalen Demagogie setzen wir schön geschichtete Sendungen zuwider, in denen der lyrische Kosmos unserer Mitreisenden aufblühen und wuchern kannSchön geschraubt! Man könnte jetzt einfach auch nur “Scheißkommerz” schreien, jedoch war mir dieser reaktive Flachsprech einer sogenannten alternativen Rebellen- oder Punkszene von Anfang an verdächtig, und im höchsten Maße unsympathisch. Bäh! Sehr sympathisch ist mir im Gegenzug jenes Selbstverständnis, mit dem etwa Klaus Seufer-Wasserthal die Vorstellung “wirklich Buchhändler zu sein” zum Leben bringt. Dass nämlich im persönlichen Gespräch mit den Kund_innen (und das sind ja stets auch Leseinteressierte) die Empfehlungen der von ihm selbst gelesenen Bücher eine ganz wesentliche Rolle spielen. Dieser tröstliche Gedanke erinnert mich an meinen Lehrlings-Ausbildner in der ehemaligen “Buchzentrale”, den nachtaktiven und darob auch legendenumrankten Herrn Huber, der bei jeder Gelegenheit zu sagen pflegte: “Sie wollen ja Buchhändler werden, also müssen sie lesen, lesen, lesen.” Deshalb kam er selbst wohl erst spätnachmittags in die Firma – um nächtelang ungestört zu lesen

Um Ideen und Inhalte zu vermitteln! Auch mein selbstgewählter Bildungsauftrag: PeterLicht am Samstag, 30. 9. in der ARGEkultur – Worte wollen, Worte können. Kunnst?

 

Weiße Liebe

> Sendung: Artarium vom 10. SeptemberAnsa Sauermann aus Dresden hat unlängst (am 18. August) sein erstes Album “Weiße Liebe” veröffentlicht. Und er kommt am Freitag, 15. September zum “Take the A-Train” Musikfestival beim Salzburger Hauptbahnhof, wo unter anderem auch Fiva, Nigrita sowie Scheibsta & Die Buben auftreten werden. Da können wir also wieder einmal gaaanz aktuell sein – und ein quasi ofenfrisches Debutalbum aus unserem Hasenhut zaubern, um es euch nicht nur vorzustellen, sondern sogar zu empfehlen. Weiße Liebe hält nämlich eine feine Balance zwischen Ansas Singer-Songwritertum und dem Volles-Brett-Sound seiner phantastischen Band“Meine Hoffnung fleht hoffnungslos leise nach mir”, das ist wahrlich ein höchst poetisches Selbstzeugnis – in einem sonst eher räudigen Jahr.

Weiße Liebe CoverIn unseren Breiten machte der kellnernde Jungmusiker erstmals mit einem schmerzzerreißenden Lied über die Hassliebe zu seiner Heimatstadt auf sich aufmerksam. Der Song “Tal der Ahnungslosen” bezieht sich in seinem Titel auf jene informationsreduzierten Gebiete der ehemaligen DDR, in denen der Empfang des Westfernsehens aus Gebirgs- und Entlegenheitsgründen nicht möglich war. Und er reflektiert die Fassungslosigkeit zahlreicher Menschen in der “verirrten Stadt mit zwei Gesichtern”, angesichts des rechtsextrem organisierten Wutbürgertums, das seit geraumer Zeit unter der Bezeichnung PEGIDA durch eine inzwischen gesamtdeutsche Medienlandschaft gespenstert. Doch er vermag seinen begründeten Unmut eben nicht nur “volles Brett” auf entsprechenden Kundgebungen auszuspeien, er kann ihn durchaus auch auf den Samtpfoten der Straßenmusik leise (und somit fast noch wirksamer) zum Ausdruck bringen. Das veranschaulicht dieses Unplugged-Video. Und sein Debutalbum Weiße Liebe verwebt beide Facetten seiner Kunst zu einem gelungenen Gesamtwerk. Darin begegnet uns eine Gefühlstiefe, die jenseits der üblichen Hieb- und Stichwörter wie Authentizität oder Street-Credibility von der Fähigkeit zeugt, sich mittels eigener (oft auch leidvoller) Erfahrungen in die Lebenswirklichkeit anderer hinein zu versetzen.

Der wahre Reichtum eines Menschen, einer Beziehung, ja einer ganzen Gesellschaft ist und bleibt eben das EinfühlungsVERMÖGEN. Und zwar steuerfrei!

 

Werbung in eigener Sache

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 27. August – In unserer nächsten Nachtfahrt werden wir ein Live-Konzert von Peter Gabriel spielen, und zwar in vollster Länge. Dafür – und für jene illustre Sendereihe, die demnächst in ihr 10. Jahr geht – werben wir hier und jetzt einmal so richtig angenehm. Da ist nämlich durchaus ein Unterschied zwischen gepflegter Kundmachung und penetrantem Einidrucken. Einen Eindruck von etwas kann ich mir ja selbst machen, dazu brauch ich keinen Dauerbeschwall von wegen was gerade “in” ist, was “man” heute so hörtund was ich kaufen soll, weil irgendein Oaschlochverein damit sein Geld drucken will. “Man merkt die Absicht und man ist verstimmt.”  Außer man steht drauf, dass man fortwährend fremderseits eingefickt kriegt, was man denken, fühlen, glauben – was man tun und lassen soll…

Peter GabrielIn Zeiten wie diesen, in denen uns der räudigste Autotunescheiß als ultimatives Live-Erlebnis verkauft wird, in denen die austauschbaren Hupfsackeln uns von oben auf der Bühne herab anschaffen, was wir mit unseren Händen zu tun hätten, in diesen Zeiten der gleichförmigen Grinsklone und profitoptimierten Lächelzombies sehnen wir uns nach dem authentischen Menschen, der einfach seine Musik darbietet, weil sie ihm wichtig ist, weil sie ihn bewegt. “Ich singe, weil ich ein Lied hab, nicht weil ihr es bei mir bestellt…” Dieses Zitat von Konstantin Wecker mag uns als Motto dienen bei der Abgrenzung des Echten vom Scheinbaren. Der seelenleere Industriedreck, der uns massenmedial um die Sinne gehauen wird, kann einfach genau gar nichts. Man wird damit zugestopft und fühlt sich danach noch hungriger als zuvor. Genau darum geht es den Betreibern des Konsumismus oder “Wollt ihr die totale Abhängigkeit?” Doch Schreck beiseite, wir als Bewahrer des Originären stellen den Verdummten dieser Erde sogleich eine Entficklungshilfe für Herz und Hirn zur Verfügung. Und Peter Gabriel, der schon bei seinem Ausstieg aus Genesis das Künstlerische über das Kommerzielle stellte, ist da ein gutes Vorbild.

Wie es dazu kam? Unlängst sah ich Ausschnitte aus seiner Back to Front Tour (25 Jahre nach der erfolgreichen “So” Tornee und wieder in der damaligen Besetzung) Dabei dachte ich: “Was für einen Riesenspaß diese doch schon recht alten Gestalten da offenbar beim Herumhupfen haben. Woran das wohl liegen mag?” Einige mögliche Antworten lassen sich gewiss auch aus dieser Sendung destillieren. So man das mag…

PS. Foto/Lizenz von Jürgen Heegmann (Wikimedia Commons)

 

Das erzählte Mittagessen

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 20. August“Wir sind auf einem überfüllten Planeten, auf dem zurzeit sieben Milliarden – und es sollen noch zehn Milliarden werden – darum kämpfen, einen Platz an der Sonne zu behalten und genügend Wasser zu trinken und genügend Öl zu verpulvern und genügend Strom zu verpulvern. Wir verhalten uns ja, als ob wir noch vier weitere Erden vor uns hätten. Die Sparsamkeit, zu der auf Umweltkonferenzen immer wieder aufgefordert wird, findet ja nirgends statt, die Chinesen und die Inder wollen endlich genauso reich werden wie die Amerikaner, also das ist eine düstere Zukunft.” So formuliert es der rastlose Sprachkritiker Wolf Schneider unlängst in einem Interview auf Deutschlandfunk Kultur. Er prägte auch jenen famosen Titel mit dem erzählten Mittagessen. Höchste Zeit also, selbst wieder eine Insel zu finden.

MittagessenIm Medium Radio dergestalt von Geschmäckern und Gerüchen zu erzählen, dass den Zuhörenden das Wasser im Mund zusammen läuft oder andere körperliche Effekte widerfahren, ist schon eine echte Herausforderung. Genauso ist es wohl auch bei Bildern, Filmen und überhaupt allem, was nicht von sich aus klingelt, scheppert oder tönt. Wie sich dennoch davon erzählen ließe, das wollen wir diesmal ausprobieren, und zwar am nahen Beispiel einiger Filme, die uns speziell begeistern. Nun mag man (oder jederfrau) sich fragen, was eigentlich ein Spielfilm mit dem erwähnten Mittagessen zu tun haben könnte. Und wir verweisen auf den Begriff der Insel, den wir, wenn auch im übertragenen Sinn, gern als zeitweilen Fluchtort vor dem grausen Weltgedümmel wählen. Klartext: Es muss Schutzzonen geben (egal ob zeitlich, räumlich, thematisch, sozial), wohin man sich zurückziehen kann vom Dauerstress immernder Nutzbarkeit, der einen allenthalben förmlich zuscheißt mit … da capo. So können zwei Stunden zum Abtauchen in die Opulenz der Bilderfluten schon äußerst hilfreich sein. Folglich versuchen wir, euch ein paar solcher Inseln zu vermitteln, indem wir von ihnen erzählenund sie (nebst Filmmusik) empfehlen

 

DÖF – Das ganze Album

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 13. August – Die Welt ist voller Anekdoten, da wollen wir auch wieder mal ane doktern. Oder ein Sackl. Denn die Perle aus dem Jahr 1983, die wir allhier und jetzt zu Geöhr bringen, hat es diesbezüglich wohl faustdick hinter denselben: Das schlicht DÖF betitelte und von Manfred Deix kongenial illustrierte Debutalbum des Wiener Kunstschmähprojekts Tauchen & Prokopetz (das darobhin als “Deutsch-Österreichisches Feingefühl” bekannt ward) steckt voller idealer Ideen. Und interessanter Referenzen, wenn man sowas mag. Der Hase meint zwar, dass ihn derlei Detailrecherche weniger anspricht, ich hingegen werd bei so Reminiszenzen im Umfeld meiner eigenen frühen Soundbasteleien unweigerlich zum Jäger und Sammler.

DÖFZur Vorgeschichte: Entsprechende Würdigungen der Herren Tauchen und Prokopetz – speziell als Dichter und Darsteller von Hörspielwelten gemeinsam mit Wolfgang Ambros – entnehme man zum Beispiel unseren Sendungen über den Augustin oder das Schaffnerlos. Die bei DÖF als Produzentin firmierende Ex-Ideal-Sängerin Annette Humpe setz ich einfach mal als eh bekannt voraus. Sie ist bloß weder verwandt noch verschwägert mit ähnlichlautender finnischer Musikrichtung. Warum aber, abgesehen von Nostalgiekitsch sowie der eher flachen Genrezuschreibung “Neue Deutsche Welle” (was bedeutet, dass uns auf jeder 80er-Party für nicht mehr ganz Taufrische der damalige Hit Codo in die Ohren gezwängt wird) – warum also ist ausgerechnet dieses Album heutigentags noch/wieder gut zu hören? Da gibt es einige Argumente, die einen neugierig machen könnten: Zuallererst das Soundbild, das jenen Quantensprung in der Audioproduktion wiederspiegelt, als erstmals Digitaltechnik in den führenden Topstudios zur Anwendung kam. Da ist es schon bemerkenswert, dass Richard III. (oder eben Oesterreicher Jr.) zum Abmischen und Finalisieren der von ihm in Wien gemachten Aufnahmen die legendären Hansa-Studios in Berlin auserkor, wo bereits David Bowie (mit Blick auf die Mauer) seine Berlin-Trilogie produziert hatte…

Zudem geben sich schon bei der Entstehung von DÖF einige Studiomusiker die Klinke in die Hand, die man getrost als die sehr erste Riege ihrer Zunft bezeichnen kann, etwa Peter Vieweger, Thomas Rabitsch, Peter (Animal) Koller und Robert Pistracher (der hier seltsamerweise mit weichem B aufscheint – und dessen Links deshalb ins Nichts führen), sie haben unter anderem jahrelang bei Hansi Lang, Drahdiwaberl, Harri Stojka und Falco mitgewirkt. Also auch rein handwerklich eine genussverheißende Auswahl. Und last but not least die inhaltliche Mischung aus Kabarett und Popsong, die einem nach wie vor (also alterslos) ein Kopftheater der Extraklasse verursacht. Gut zuhören! Und wir würdigen but not allerleast Laura, unsere frischgebackene Mädchenfachfrau, mit einer fettfröhlichen Signation und warten seither aufs unvergessene Taxi (Video).

PS. Die Laura ist aber schon immer sehr freundlich am Telefon…