Dicht & Doof

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 27. SeptemberIn Salzburg gab es noch nie eine deutschssprachige Punkband namens Thomas Bernhard. Und genau das ist einer der größten Fehler dieser Stadt. Denn während in Wien seit Jahrhunderten (von Nestroy bis Neuwirth) auch brutal selbstkritisches Liedgut zum guten wie zum schlechten Ton gehört, ergeht sich unser katholischer Kunstmarktflecken in der propagandistischen Beweihräucherung eigenen Schönscheins und Wichtigtums, dass einem so richtig schön schiach wird. Diese Stadt gehört schon längst nicht mehr uns. Im Musikvideo der zwei Wiener (!) Christoph & Lollo fehlen durchaus die Salzburger Örtlichkeiten im Abspann. Und das furchtbar süßliche (allerdings bitterböse) Grüß Gott Salzburg des Wieners (!) Ludwig Hirsch hat inzwischen auch schon 25 Jahre auf dem Buckel.

hombuchdandlungAuch aus Salzburg sind ja seit Thomas Bernhards „Friedhof der Wünsche und Phantasien“ kaum noch kritische Töne zu vernehmen. Stattdessen Hofberichterstattung von Festspielhelgas Fetzenspielen oder vom volksbrauchbesoffenen Trachtenanfall Rupertikirtag quer durch alle Medien – vor allem aus dem devotionalen Landesstudio des österreichischen Unfugs

Da müssen halt auch wir auf die Altwiener Tradition des gepflegten Protestsongs zurückgreifen und den Wolfgang-Ambros-Text von Hoiba Zwöfe aus dem Jahr 1976 nachträglich versalzburgern, um dem hier vorherrschenden Dultdunst aus Bier und Bratwurst (der hier alles niederquatschenden Geldkunst aus Gier und Staatswurst) etwas halbwegs Ketzerisches entgegen zu theatern. Und das hört sich dann so an:

Von ana Szene kann ma bei uns übahaupt ned sprech’n,
ollas dasauft im Stieglbier, es is zum Erbrech’n.
In dera Beziehung is‘ bei uns zum Scheiß’n
und es schaut ned so aus ois ob’s es irgendwann g’neiss’n.
Oba wozu wüst di aufreg’n, so is des hoid,
am Best’n is‘ du schaust dazua und wirst recht schnö oid.
Stöh da amoi vua, dass bei uns a Konzert is
wo’st fia de Koat’n nur sovü zoist, wos a wert is!
Des tät uns jo des ganze Image vaderb’n
weu Soizbuag is und bleibt…
de Stodt zum Sterb’n!

 

Howling Wuif Project

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 20. SeptemberZu Gast im Studio ist diesmal Wolfgang Maria Gran, und zwar als namensgebender Frontman der Bluesformation Howling Wuif Project, welche am Freitag, 25. 9. um 19:30 im Oval ihr brandneues Album “Gspusi mitn Teufl” darbieten wird, als Auftakt einer gröberen CD-Release-Tour. Wir haben es uns schon vorab angehört – und sprechen mit dem Wuif über allerlei Hintergründe, etwa die Entstehung von aufhorchenmachenden Dialektpassagen wie „Zündts mi on und rauchts mi, wonn i geh” oder “Des F konn wirklich nix dafia, dass es im Land so strachelt, und dass des F vom Faymann mit da weißen Fahne wachelt”. Letzteres Zitat stammt aus dem bereits veröffentlichten “Wenn die Effen kläffen”, einem bissigen Stück Strachsprachkritik in der Mundartblues-Tradition von Dr. Kurt Ostbahn & Co.

Howling Wuif GspusiDie allhier amtierenden Herren Blueswürdens des Howling Wuif Projects verfügen allesamt über bemerkenswerte Musikerfahrungund das hört man auch! Unter den Collaborations der Bandmitglieder finden sich so unterschiedliche Namen wie zum Beispiel: Willi Resetarits, Ray Charles, Göteborg Symphonie Orchester, Shakira, James Brown, Roger Chapman (um nur ein paar zu nennen) und – wie könnte es denn anders sein – der “Godfather des Austro-Blues“ Heli Deinboek. Der hat, wie man hört, wiederum einiges mit der Gründung des gegenwärtigen Wuifsrudels zu tun. Aber mindestens genauso interessant wie die musikalische Qualität der Mitwirkenden (vor allem für die nicht allzu eingefleischten Blues-Fans unter unseren Hörer_innen) dürfte die gesellschaftskritische Ausrichtung dieser Produktion sein. Hier wird der traditionelle Individualjammer eines an sich oft eher traditionslastig verhandelten Genres in den Spiegelwelten der uns umgebenden (familiären, medialen, politischen) Einwirkungen gebrochen, was sich speziell in der stilistischen Vielfältigkeit der Arrangements angenehm auswirkt. Schon Arno Gruen betonte ja, dass jedwede Therapie immer auch die Ursache des Leidens im sozialen Umfeld zu benennen habe. In diesem Sinne also – eine gute Katharsis!

 

Mey Wader Wecker – Das Konzert

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 13. September – Es haben ja andauernd irgendwelche Menschen oder Sendungen Geburtstag (Sieben auf einen Streich). Warum also nicht gleich auch noch ein „Happy Birthday, lieber Hannes“13 Jahre nach jenem legendären Konzert zu Hannes Waders 60. Geburtstag (gemeinsam mit Reinhard Mey, Konstantin Wecker und Jo Barnikel), das 2003 als über 2-stündiges Live-Doppelalbum erschienen ist – und einen einzigartigen Höhepunkt im Wirken der drei unverwüstlichen Veteranen darstellt. Denn in dieser Konstellation wächst nicht bloß jeder für sich über sich hinaus, sondern alle zusammen über das Gemeinsame. Da jammen an die 150 Jahre Bühnenerfahrung in einer harmonischen Vielstimmigkeit, dass es eine helle Freude ist! Wir spielen das Schlussdrittel einer Ausnahmesession:

albumcoverJetzt eine Insel finden, einen stillen Ort, mich zurückziehen können, vergessen welche Stürme mein Leben umgiften, und einfach schreiben – über dieses Album, dieses Konzert dreier Poeten, dreier so wichtiger Menschen, dreier grandioser Denker unserer Zeit. Was könnte ich sagen, was gäbe es zu berichten, wie könnte ich die Atmosphäre in Worte kleiden, was bewegte mich, was regte sich in mir beim Lauschen der handgemachten Klänge? Im Dunkel meines Zimmers schläft meine Nichte, die externe Festplatte summt, ich höre die Stimmen meiner Familie im Wohnzimmer über all das reden, diskutieren was heute binnen weniger Stunden über uns kam wie aus dem Nichts, während ich nur an die Musik denken kann, die mich so eigentümlich berührte, mich ruhig werden ließ, verträumt – und die mir manchmal eine Träne entlockte.

Ich möchte mich nicht ergehen in analytischem Gebrabbel oder unzulänglichen Beschreibungen, die niemals einfangen können worum es wirklich geht, möchte lieber über den Flügelschlag einer Libelle erzählen oder das Aufhorchen meiner Seele als der erste Akkord verklang, vielleicht sind es die Gedanken und Erinnerungen, die eruptiv in mir hervor traten, während Wader über seine Jugend sang, oder die Erkenntnis, dass es da draußen ja doch noch Menschen gibt, die Nein sagen oder authentisch über Liebe dichten, und mein Bauch vibriert, Ganzkörpergänsehaut, einmaliger Dreisang jener sprachverliebten Art, Eingesaugtwerden in einen Strom von Emotionen, eine Reise durch Schluchten der menschlichen Existenz, über Berge politischer Absurditäten, vorbei an den Häusern innerer Einkehr, hinein in die Boote, die uns tragen über stürmische Zeiten – und vielleicht singt Orpheus dann vom Frieden.

Ich weiß nicht, worüber ich schreiben möchte, doch eines ist klar: Selten hat mich ein Album so in seinen Bann gezogen, selten haben es Künstler vermocht, mich so allumfassend zu rühren, selten hat Musik in mir so bleibende Spuren hinterlassen, farbenfrohe Narben voll Poesie.

Überzeugt euch sebst! Hier gibts nun Das Konzert CD1 sowie Das Konzert CD2

 

Abie Nathan – The Voice of Peace

> Artarium vom Sonntag, 30. August – Das Double-Feature hier zum Nachhören:

Erster Teil: From somewhere in the Mediterranean (Playing the Peace-Ship today)

Zweiter Teil: Abie Nathan – The Voice of Peace (Feature-Collage – Ein Vermächtnis)

Ein Mann und sein Lebenswerk, heute fast nur noch Eingeweihten oder Zeitzeugen bekannt, erfahren hier eine längst überfällige Würdigung. Denn der israelische Radiopirat und Friedensaktivist Abie Nathan betrieb zwischen 1973 und 1993 von seinem Sendeschiff aus die coolste Musikstation im östlichen Mittelmeer. The Voice of Peace hatte zu Spitzenzeiten über 30 Millionen Hörer_innen und wurde so schnell zum Soundtrack einer ganzen Generation. Ganz nebenbei pflanzte ihr umtriebiger Gründer auch seine Friedensvisionen in deren Ohren – und Herzen. Dies alles wäre wohl auch uns weithin unentdeckt geblieben, wenn nicht Eric Friedler 2014 den Grimme-Publikumspreis der Marler Gruppe erhalten hätte, für seinen genialen Dokumentarfilm The Voice of Peace – Der Traum des Abie Nathan:

The Voice of PeaceDadurch fand das für den NDR produzierte eineinhalbstündige Portrait seinen Weg in die üblich verdächtigen Fernsehkanäle und gelangte so letzten Endes auch zu uns. „Ich hätte Abie gern persönlich kennengelernt und wäre am liebsten auch beim Radiosender mit dabei gewesen.“ erklärt Eric Friedler in dem sehenswerten Interview zur Entstehung seines Films mehr als nur einmal. Dem haben wir nichts hinzuzufügen – das unterschreiben wir sofort – mit unserem Herzblut! Also verwandeln wir uns in der ersten Stunde unserer Hommage an den versenkten Sender einer nicht totzukriegenden Botschaft zeitlos in zwei Voice-of-Peace-DJs und senden aus dem Dampfraum der Radiofabrik als wärs im Hochsommer vor Tel Aviv. Dabei wollen wir aber nicht mit der Musik von damals dem Geist jener verflossenen Zeit nachweinen, sondern uns mit Phantasie in die Situation versetzen, wir seien ungeachtet jedweder Realität wirklich auf dem Friedensschiff und spielten die Musik, die uns dazu einfällt. So entsteht eine Verbindung aus historischen Jingles und Songs mit ganz neuen thematischen Assoziationen rund um die eisernen Vorhänge in unserer Vorstellung. Und eine Atmosphäre von Zeitlosigkeit, die es uns ermöglicht, das Wesentliche an Abie Nathans Peace-Messages zu erspüren – von gestern – für heute – und morgen

Abie Nathan 1961In der zweiten Stunde stellen wir den Menschen hinter seinem Projekt vor – und wundern uns, weshalb dieser radikale Visionär einer friedlicheren Welt heute fast schon mit Vehemenz verdrängt und vergessen wird. Es ist mit Sicherheit der überragende Verdienst von Eric Friedlers Dokumentation, dass sie den Politpoeten, den Provokations- und Aktionskünstler Abie Nathan solchem Vergessen entreißt und darüber hinaus dessen Lebenswerk einem erweiterten Kreis von potenziellen Mitstreiter_innen nachvollziehbar macht. Auch wir im Freien Radio können uns zum Beispiel fragen, was uns dieser verspielte Bruder eines glückhaften Zeitfensters so hinterlassen hat. Kann es genügen, um die eigene Existenz zu kämpfen, damit es einen halt gibt? Was ist unsere Botschaft? Wovon sind wir besessen, wofür sind wir bereit, im Wortsinn alles zu riskieren? Worin besteht die große Spaltung unserer Gesellschaft? Ist unsere Wirtschaft nicht längst Krieg? Krieg zwischen Arm und Reich? Die einen gehen daran zugrunde, die anderen gewinnen alles? Und dann? Wenn wir nicht über das scheinbar Unhinterfragbare hinaus zu denken wagen, dann wird uns das tatsächlich Unvermeidliche einholen. Alternativlos! Fragen zu stellen ist also schon mal ein guter Anfang. Und auch, etwas zu hören, das nicht in unseren Geschichtsbüchern steht.

Abie Nathan starb am 27. August 2008. We give voice to forgotten memory. Shalom!

Eine ausführliche Artikelserie von Hans Knot beleuchtet noch weitere Hintergründe…

 

The Pervert’s Guide to Slavoj Žižek

> Sendung: Artarium vom Sonntsg, 23. August Ein Film über Filme für die Menschen, die dem herrschenden Konsumismus kritisch gegenüber stehen – und die den dahinter steckenden Ideologien umfassend auf die Spur kommen wollen. Das Portrait eines Philosophen, dessen provokant zugespitzte Thesen oft in der schieren Masse seiner Veröffentlichungen untergehen. Und dessen unterhaltsame Ideologiekritik gern hinter Jaques Lacans einigermaßen vertrackter Psychoanalyse verschwindet. Wir wollen euch jedoch diesen Film gerade deshalb empfehlen, weil er es auf höchst kunstvolle Weise bewerkstelligtt, etliche der Höhepunkte aus dem atemlosen Schaffen des Slavoj Žižek verständlich zu machen. Zunächst ein Auszug aus unserem Artikel zur Reisen-Nachtfahrt vom Freitag, 14. August als eine erste Inhaltsandeutung:

perverts guideBeim gegenständlichen Filmtipp der Artarium-Redaktion handelt es sich um: The Pervert’s Guide to Ideology von Sophie Fiennes. Wer sich, mit oder ohne sonstige Drogen (siehe Artwork) Slavoj Žižek, einen der letzten freifliegenden Philosophen der Popkultur, in die Pfeife stopfen will, wird und ist hiermit wunschgemäß bedient! Auf seinem Parforceritt durch die Geschichte populärer Filmwerke entlarvt er einige der uns innewohnenden Scheinwelten als das, was sie letztendlich sind – und immer schon waren – Ideologien! Von Leni Riefenstahls “Triumph des Willens” (1936) über den Salzburgschwachsinn The Sond of Music” (1965) oder Michelangelo Antonionis Zabriskie Point” (1970 & geniale Filmmusik von Pink Floyd) bis zu neueren Kinoerfolgen wie James Camerons “Titanic” (1997) sowie Christopher Nolans “The Dark Knight” (2008) zerpflückt er 25 Spielfilme – und einige Werbespots. Besonders gelungen und hier zum Appetitmachen verlinkt: John Carpenters “They Live” (1988). Und jetzt setz die Sonnenbrille auf! Aber auch die Hinterfragung der christlichen Heilslehre anhand von Martin Scorseses „The Last Temptation of Christ“ ist ein paar eigene Überlegungen wert. Hierbei möge die folgende deutsche Übertragung helfen:

„Ich denke aber, man kann die Haltung des Christentums noch viel radikaler verstehen. Genau das vermittelt uns die Kreuzigungsszene in Scorseses Film: Was da am Kreuz stirbt, ist die Sicherheit (der Existenz) eines „großen Anderen“. Hier ist die christliche Botschaft also radikal gottlos, sprich atheistisch. Sie bedeutet, der Tod Christi ist kein Freikauf oder Handel, in dem Sinn, dass er durch sein Leiden für unsere Sünden bezahlt. (Wem bezahlen? Wofür genau? Und so fort…) Sie bedeutet schlichtweg die Auflösung des Gottes, der uns den Sinn unseres Lebens sicherstellt. Das bedeutet auch der bekannte Ausspruch: „Eli, eli, lama sabachthani – Vater, warum hast du mich verlassen?“

analyze slavojIm Augenblick vor seinem Tod erfassen wir, was man in der (Lacan’schen) Psychoanalyse „subjective destitution“ oder „Entmachtung des Ich“ nennt – das vollkommene Heraustreten aus der Herrschaft der symbolischen Autorität, aus dem gesamten Bereich des „großen Anderen“. Naturgemäß kann niemand wissen, was „Gott“ von einem will – weil es keinen Gott gibt. Das ist jetzt der Jesus Christus, der unter anderem sagt: „Ich bin nicht gekommen, Frieden zu bringen, sondern das Schwert. Wer nicht seinen Vater, seine Mutter,.. hasst, der kann nicht mein Jünger sein.“ Freilich heißt das nicht, man soll seine Eltern jetzt aktiv hassen oder töten. Ich denke, dass „Famile“ hier alle hierarchischen sozialen Beziehungen repräsentiert. Die Botschaft von Jesus Christus lautet also: „Ich sterbe, aber mein Tod selbst ist die gute Nachricht. Er bedeutet, dass ihr jetzt allein seid – und euch frei entscheiden könnt. Bleibt in diesem heiligen Geist, der eben die Gemeinschaft der Glaubenden ist.“

Es ist falsch, zu meinen, die „Wiederkunft Christi“ würde in der Form stattfinden, dass der irgendwie als menschliche Gestalt in Erscheinung tritt. Christus ist längst anwesend, sobald Glaubende eine emanzipative Gemeinschaft bilden. Deshalb behaupte ich auch, dass der einzige Weg, wirklich Atheist zu sein, derjenige durch das Christentum hindurch ist. Das Christentum nämlich ist viel atheistischer als der übliche Atheismus, der zwar dafür eintreten mag, dass Gott nicht existiert, dessen ungeachtet aber immer ein gewisses Vertrauen in ein „großes Anderes“ beibehält. Dieser oder dieses „große Andere“ kann entweder natürliche Notwendigkeit heißen oder Evolution oder was auch immer. Als Menschen bleiben wir nichtsdestoweniger reduziert auf unsere Stellung innerhalb einer „zusammenstimmenden Aufforderung zur Entwicklung“ oder so etwas ähnlichem. Wirklich schwierig zu akzeptieren ist jedoch – noch einmal – dass es überhaupt nichts „großes Anderes“ gibt, und somit keinerlei Bezugspunkt, der uns Sinn und Bedeutung garantiert.“

Nicht einmal Slavoj Žižek 😉

 

Thunder and Consolation

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 16. August – Das ganze Album zum Ende der Hitzeperiode heißt also “Donner und Trost”. Wie wahr, wie wahr. Gutes Gewitter! New Model Army haben wir wohlbegründet schon wiederholt zu Gehör gebracht, etwa als Raw Melody Men oder Live …& Nobody Else. Nunmehr ein 1989 erstmals veröffentlichtes Studiowerk, welches wir genau in der Tracklisting-Reihenfolge seiner Vinyl-Erstausgabe spielen werden, nebst zweier Bonus-Tracks der 2005 erschienenen Remastered-Doppel-CD. Dies unternehmen wir aber nicht aus reiner Sentimentalität oder Vergangenheitsverklärung, sondern weil wir davon ausgehen, dass die Magie dieser Musik für den einen oder die andere von erheblichem Nutzen sein könnte, so sie nur gut aufbewahrt – und in Zeiten des Bedarfs mit Bedacht angewandt wird…

Thunder and ConsolationMeine persönliche Geschichte mit diesem Album reicht in die frühen 90er zurück, als mir eine sehr gute Freundin eins ihrer kostbaren Tapes anvertraute. Damals wohnte ich im Wald und kochte auf offenem Feuer. Und ich hatte den Trost der schwer einzuordnenden Lieder aus Wut und Ergebung in den Gewittern meiner Einsamkeit bitter nötig. Sie berührten und begleiteten mich von da an über 15 Jahre hinweg. Ich begriff den Wert unverstellter Emotionen – und fing selbst wieder mit dem Schreiben an. Mehr noch, ich konnte mich durch das Einfühlen in die emotionale Ausdruckswelt von “Thunder and Consolation” als einen Menschen erfahren, der ein Lebensrecht auf Übereinstimmung seiner inneren mit der äußeren Welt besitzt. Und ich konnte mir auf einmal auch eine ganz andere Welt vorstellen, als die der käuflichen Realitäten und erzwungenen Prostitution, die mich tagtäglich bis zum Zerbrechen umflutete und in den Abgrund ihres Widersinns hinunter zog. Ich hegte also wieder Hoffnung, dass es Hoffnung gibt. Und das hält einen Menschen bekanntlich am Leben. Gelinde gesagt verdanke ich dem Erleben dieser Musik 20 Jahre Perspektive und geistige Gesundheit, aller Verneinung zum Trotz. Daher auch meine berechtigte Hoffnung, solches Erleben möge sich – für die eine oder den anderen – ganz ähnlich auswirken…

 

Der Herr Hund

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 9. August – Es entspricht dem Wesen eines Hundes, dass dieser mehr oder weniger überall seine neugierige Nase hineinsteckt – auch wenns ein Haufen Scheiß ist. Und so gestalte ich in Entbehrung des auswärts abenteuernden Chriss diesmal wieder ein Soloprogramm aus allerlei hier wie dort zusammengeklau(b)ten Duftproben. Von japanischer Popkultur über den Primat der Ökonomie bis zum Gitarrensound der 90er lasse ich ein paar illustre wie obskure Zaunzeugen des Weltgehens ihr Charmebein schwingen: Pizzicato Five, Joesi Prokopetz, Frank Zappa, PeterLicht, Abie Nathan, Hanns Dieter Hüsch, Eroc (Grobschnitt) sowie Busch (die Band). Und weil genug niemals genug sein kann, lass ich auch mich selbst noch auf uns los – und zu Wort kommen. Kleiner Vorgeschmack gefällig?

Der Herr HundGenial trifft es etwa PeterLicht, der 2006 sein Album „Lieder vom Ende des Kapitalismus“ nannte und darin die folgende realexistierende bundesdeutsche Presseaussendung zum Kultsong erhob: „Die Arbeitgeberverbände befürworten Benimmunterricht an den Schulen. BDA-Präsident Hundt sagte: Schulabgängern fehlt oft die Kenntnis einfacher Regeln des Zusammenlebens.“

Ich für meine Person distanziere mich hier ganz ausdrücklich von jeder Namensvelwechsrung!

Es ist sowieso nicht einfach, das Wesen des Hundes in der Popkultur zu erfassen. Wo riechen wir hin, was brunzen wir an – und wen beißen wir? Die Rolle des Wachhunds (und kommissarischen Hüters) der Errungenschaften des freien Radios erfülle ich ja (nomen est omen) durchaus gern mit Leben – dem, das ich bin. Jedoch worin bestehen diese Errungenschaften – im Gegensatz zum Grund- und Bodensitz privatöffentlich-kommerzrechtlichen Verallgemainstreams? Oder – im Spannungsfeld zwischen der freien Meinung und einem Thema? Lassen wir uns dazu am besten eine Collage dreier Statements aus dem Land der lebenden Phantasie in die Seele sickern: „The Voice of Peace – ein Kunnst-Biotop – zwei Welten, eine Familie“ und machen wir uns wieder einmal in bewährter Weise selbst einen Reim daraus!

Denn solang wir darauf warten, dass uns die Irgendwers den Weg zeigen, solang warten wir darauf

PS. Der gegen Ende der Sendung in Auszügen verlesene Artikel von Erhard Glötzl findet sich übrigens in der Zeitschrift für Sozialökonomie (1999) – hier als PDF-Download.

 

Die Strandpiraten

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 26. JuliWir spielen die Hitz! Und während uns die Salzburger Saunatemperaturen von Strandbädern und Karibikurlauben träumen lassen, durchstöbern wir Strandpiraten das angeschwemmte Treibgut der Kulturgeschichte auf der Suche nach Sinn und Zusammenhang. Vielleicht lässt sich aus einigen Perlen unserer Sammlung sogar etwas Erfrischendes basteln, das uns Erleichterung verschafft beim schweißnassen Dahinschmelzen. Wie dem auch sei, dieserlei Fundkünste unserer Hirnwanderung gießen wir euch fein vermischt in den Äther, der die Welt bedeutet. Und wir hoffen dabei durchaus, dass die kryptischen Botschaften aus der Flaschenpostille zu so manch erquicklicher Erheiterung bei unseren geneigten Mitschwitzenden führen. Nun also dann, Vorhang zu, Getränke auf – und: „Allora, andiamo, ventilazione“

Bonaire„A story of aspiration and salvation, the spirit of 2008 revived and taken to the max. Let Oberbama amaze you, take you on a journey to understanding. Many are called, chosen are few. Ask yourself „Why me? What part can I play?“ The answer is easy: Share with your loved ones as well as your enemies. For Oberbama is the light.“ Wers gern mag, dass ihm/ihr die Erlösung vom Himmel hoch geradewegs vor die Füße fällt: Oberbama – Barack Obama Dildulo

Was für ein Video! In dem einen oder anderen verschrobenen DJ-Set soll ja sogar schon die gleichnamige (als Single produzierte) Radio-Version aufgetaucht sein. Der Text dürfte wiedererkennbar sein, besteht er doch ausschließlich aus dem Titel selbst … Wohingegen der Text von Was tut man um zu sein (das meines Erachtens mit Abstand schrägste der “Vorletzten Lieder” von Georg Kreisler) durch seine fast schon atemlose Komplexität besticht. Wem bis jetzt noch nicht heiß oder schwindlig geworden ist, möge sich mit diesem Aufguss zur Einstimmung anschütten:

Was tut man, um zu sein?
Man schaltet’s Fernsehn ein
und setzt sich in den Sorgensitz
und sorgt sich über Fernsehwitz
und lässt das Fernsehn schrein.
Das tut man, um zu sein!

Ist das Leben ein Schlauch,
füll dir mit Coca Cola den Bauch.
Wodka tut’s auch!
Hey!

Wo im Mai schon der Schnee fällt,
fahr’n die Eskimos Ski.
Ein vierblättriges Kleefeld
garantiert den Treffer in der nächsten Lotterie.

Bayern, Hessen, Schleswig-Holstein
Bockwurst, Bier und Brüder Grimm…
Mandelbaum und Kohn und Goldstein
schlummern tief in Oświęcim…

 

Lieber Griechen

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 19. Juli – Verstehen sie denn nicht, dass diese Menschen eine eigene Kultur haben? Ja, das ist dann hier wohl die Frage, wenn wir sprachlos die jeweils neuesten Nachrichten von der Europäischen Finanzplanierung Griechenlands hören und sehen. Weil einem genau das dabei zu vergehen droht, ist – allein schon aus gesundheitlichen Gründen – eine Rückbesinnung auf ein paar Besonderheiten der griechischen Kultur geboten. Und was würde sich in diesem etwas anderen Kafenion dafür besser eignen, als Geschichten darüber zu erzählen? Zum Beispiel die vom Jorgos (ein legendärer Wirt in der Schönbrunnerstraße), bei dem wir einst alle anschreiben ließen, und den es doch immer wieder verwunderte, wenn einer von uns dann seine Schulden bezahlte. Eine ganz eigene Kultur eben…

UND GUSCHOder auch die vom Grosser Michi (mein über alles geliebter Pfadfinder-Gruppenleiter), der zur Zeit der griechischen Militärdiktatur als Jugendlicher in Piräus Spottlieder auf Papadopoulos sang und dafür letztendlich nur fast verhaftet wurde! Warum wohl zog es jahrzehntelang gerade die etwas anderen Kinder nach Griechenland, einem Synonym für Freiheit und Abenteuer? Was war etwa eine Maturareise dorthin – in jenem historischen Zeitalter vor der Erfindung allinklusiver Rundumbehupfung? Darin könnte uns die Episode vom plötzlichen Verschwinden des Schneider Gü (mein Altgriechisch-Professor) wohl einige Einblicke eröffnen. Oder auch eine von Georg Danzer meisterlich selbst erzählte. Naturgemäß dürfen dabei die drei bekanntesten Vertreter der austro-hellenischen Freundschaft nicht fehlen, nämlich Steinbäcker, Timischl und Schiffkowitz. Aus dem wunderbaren zweisprachigen O Xenos (Gert Steinbäcker, Panos Falaras) hier nun die Übersetzung der griechischen Passagen quasi als Einstimmung – oder zum Schluss:

Mein Sohn fragt mich, ob du früher kommst.
Ich sagte ihm, im Mai wird er bei uns sein.
Tausende von Problemen haben wir und Steuern sogar noch mehr.
Aber mit einem Freund bei dir erträgst du das Leben.

Die Herzen sind ohne Grenzen, sie haben den gleichen Himmel.
Die gleichen Monde in einer Welt, fremd, leer und dunkel.
Heimat ist der Traum der Menschen, der die Seelen verbindet.
Und die Freunde, wie du weißt, zeigen sich in schwierigen Zeiten.

Darauf erst mal einen Ouzo!

 

Schaffnerlos

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 12. Juli – Mit dem diesmonatlichen Ganzen Album wollen wir einen wesentlichen Mitverursacher des Phänomens Austropop würdigen – und ihn speziell für die jüngere Generation den allzu schlappen Genrezuordnungen wie etwa „Musiker, Darsteller, Kabarettist“ entreißen. Denn Joesi Prokopetz schrieb nicht nur die Texte der meisten frühen Ambros-Hits (Da Hofa, Es lebe der Zentralfriedhof), sondern erschuf auch (im Produnktionskollektiv Ambros, Tauchen, Prokopetz) bis dato in Österreich einzigartige Konzeptalben respektive Hörspielwelten: „Der Watzmann ruft“, „Augustin“ – und eben das hier nun zu erlebende „Schaffnerlos“. Ein viel zu lang schon auf Kleinkunst und Blödelspaß reduzierer Textdichter, dessen hintergründige Beobachtungen inzwischen endlich auch in einer Dissertation gewürdigt wurden.

schaffnerlos 1978Es ereignen sich so wunderliche Szenen wie zum Beispiel diese: „Passns auf, do kennt jo jeda kumma und ma wos vo seim Sackl vuawanan und donn zwa Stationen umasunst foan! Bei mir lösen sie sich einen Fahrschein und donn kemma weida redn.“ – „Aso, so woin sie des drahn? Sie woin mi bezichtign, vo mia aus bleibns stehn mit ihnan Kibl!“ – „Sogns ned nu amoi Kibl zu meim Beiwogn!“ – „Kibl sog i.“ – „Sogns es ned nu amoi!“ – „Kibl sog i, jawoi, Kibl! Kibl! Kibl! Kibl!“ – „Ka anzichs Moi mea!“ – „Kibl! I hob jo gseng, doss eas gseng hot. Ea hots jo duat hin gstöd, ned.“ – „Jo ich bitt sie, so gehns doch weiter, wie kommt man denn dazu, der Herr Schaffner ist doch auch nur ein Mensch.“ – „Wos is a? A Mensch is a? A Sackldiab is a!“ – „Schauns, dass aussikumman, jo, jetzt is genug!“ – „So gehns doch weiter, sie Rüpel!“ – „Mischns ihna ned dauernd ein, sie Funzn, sie oide. Mundraub is des, jawoi, Mundraub. Mundraub!“ Wen wunderts, dass derlei atemberaubender Disput letztendlich in einem anarchischen Ausbruch der lebenslang unterdrückten Emotion kulminiert: „Von mia aus kennan mi olle umasunst am Oasch leckn!“ Das einfühlsam gezeichnete Psychogramm des echten Wieners zwischen Anpassung und Aufbegehren, oder, wie es Uwe Dick in der Vorrede zum Öd formulierte: „Die Summe derer, die ich täglich aushalten muss.“

Wir wünschen viel Vergnügen!