Thomas Bernhard Sprachlandschaften

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 29. AprilZur 80sten Niewiederkehr der Salzburger Bücherverbrennung von 1938 (Stichtag ist die Walpurgisnacht) bringen wir heute die SAG-Gruppenlesung “Thomas Bernhard Sprachlandschaften” vom November 2017 zu Gehör. Gründe dafür gibt es mannigfache. So hat die Salzburger Autorengruppe im Jahr 1987 (damals mit Erich Fried gemeinsam) damit begonnen, das Erinnern an diesen geisttötenden Naziaufmarsch dem Vergessen zu entreißen. Auch wir haben dieses Thema immer wieder in Gestalt von Radiosendungen aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchtet, so zum 75. Gedenken durch “Stimmen aus dem Massengrab” oder anlässlich der schier ewigwährenden Mahnmal-Zerplanerei durch unser Double-Feature-Projekt “ERINNERN VERGESSEN” vom April 2016.

Thomas Bernhard LandschaftInzwischen ist der hier jahrelang umtriebige Christopher Schmall zum Obmann der SAG gewählt worden – und in dieser Funktion auch für diverse Themenarbeiten mit verantwortlich, wodurch sich Vergangenes und Zukünftiges im Hier und Jetzt wieder begegnen. Das scheint mir auch die Essenz dieser Gruppenlesung zu sein, in der es ja darum geht, einen “toten Dichter” durch die Beschäftigung mit seinem Werk “ins Leben zu schreiben” und so aus dem erstarrten Erinnern an Thomas Bernhard eine fortwährende Zwiesprache herzustellen. Ganz ähnlich hat dies die SAG bereits in der Literaturhaus-Veranstaltung “Salzburg Seelen” (zum Allerseelentag) verwirklicht, in deren Rahmen Christine Haidegger ihre viel zu früh verstorbene Tochter Meta Merz würdigte. Waren hierbei noch alle möglichen “von uns gegangenen” Wortschöpfer_innen Gegenstand der Verbearbeitung, so legten die “Thomas Bernhard Sprachlandschaften” (bei den Kritischen Literaturtagen in der ARGEkultur) den Schwerpunkt ausschließlich auf den prominenten Namensgeber und “wie verschieden sie dann sind“. Denn all die mit-schreibenden und -lesenden Autor_innen befassten sich auf ihre jeweils eigene Art und Weise mit demselben…

Dichter_innen sind nun einmal naturgemäß Zeitreisende, in dem Sinn, dass sie nicht nur Zukünftiges ausdenken, sondern auch Vergangenes erzählen können. Und auch das Wort “Geschichte” hat diese zwei Bedeutungsebenen. Ich behaupte somit, dass “die Geschichte” aus lauter “Geschichten” besteht, andernfalls gäbe es sie gar nicht. Womit wir wiederum bei einer wesentlichen Aufgabe jedweder Dichtkunst angelangt sind: beim Erdenken, Bewahren und Weitergeben von allem, was war, ist und sein könnte, also zusammenfassend – beim Geschichte(n)erzählen! Soviel erstmal dazu.

“Ich bin der Vogel, den sein Nest beschmutzt.” Karl Kraus

 

COPY RIOT!

 

Hitler? Gott? Somuncu…

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 22. AprilEndlich gibt es mal wieder ein Theater-Skandälchen, am Stadttheater zu Konstanz immerhin, wo justament zum “Gebortstag des Föhrers” die Farce/Groteske “Mein Kampf” von George Tabori Premiere hat, noch dazu in einer gegenwartsnahen Inszenierung des notorischen Kabarett-Rabauken Serdar Somuncu. Den kennen wir ja seit unserer Sendung “Urheber rechts” als todesmutig aus Hitlers schwindligem Original vortragenden Theaterdonnerer, der sich, vor allem durch seine kritischen Kommentare dazu, sechs Jahre lang mit Alt-, Neu- und Möchtegernnazis anlegte. Und nun sollen die Theaterbesucher in Konstanz auch noch Judensterne (wenn sie Eintritt zahlen) oder Hakenkreuz-Armbinden (wenn sie gratis reinkommen) tragen! Ein Skandal, oder?

Serdar Somuncu - Der Adolf in mirIn einer Talkshow des deutschen Fernsehens antwortet Somuncu auf die ewigdämliche Frage: “Was darf Satire?” dann auch folgerichtig mit: “Deine Mutter darf Satire!” Der Mann hat offenbar so seine Geschichte mit der deutschen Verbotskultur. In einem bemerkenswerten ZEIT-Artikel erfahren wir mehr über die Hintergründe: Als der kleine Serdar einst in die erste Volksschulklasse kommen sollte, da wurden sämtliche Kinder mit ausländischen Namen für die Sonderschule ausselektiert. Daraufhin brüllt sein Vater den Schuldirektor an: “Was heißt das? Wir Ausländer nix gut deutsch? Du Arschloch!” – So einen Vater hätten wir wohl alle gern gehabt, als wir mit 6, 7 Jahren zum ersten Mal der grausigen Menschenvernichtungsmaschine namens Abrichtung zur gesellschaftskonformen Anpassung ausgeliefert wurden. (Die “Menschenvernichtungsmaschine”, eine Art Fleischwolf mit Fließbändern zur industriellen Verwurstung von Kindern, zeichnete ich im Alter von etwa 5 Jahren, nachdem ich zum ersten und zum Glück letzten Mal in einem Kindergarten “betreut” worden war. Und ich erachte diesen Eindruck noch heute als absolut zutreffend.) Doch neben prägenden Erlebnissen aus der frühesten Kindheit beleuchtet das ZEIT-Portrait auch die weitere künstlerische Entwicklung:

Denn das Spiel mit dem Indifferenten, das einem das Lachen schon mal im Hals stecken bleiben lässt, diese Inszenierung der Mehrdeutigkeit, die einen unsicher macht, wo man denn eigentlich von vornherein “dazu gehört”, die hat System und Methode – und ist äußerst wirkungsvoll. Hören wir Serdar Somuncu also einmal im Original, bevor wir seine Version eines “immersiven Theaters” von uns weisen…

Nein, ich liebe euch,
und ich schieß nicht gleich,
warum habt denn ihr
so schrecklich Angst vor mir?
Ich bin Mensch und Christ,
und ein Revolver ist
kein Zeichen von Gewalt,
wenn ich ihn halt.

Georg Kreisler – Kapitalistenlied

 

Kate Tempest

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 8. April – Es ist schon so eine Sache mit dem Schöpferischen – und Salzburg ist wahrlich eine Hauptstadtdes Nachmachens. Vom Festspiel- bis zum Rockhouse klingt das Allermeiste irgendwie so ähnlich wie schon mal dagewesen. Nie gab es hier eine Punkband namens Thomas Bernhard oder Die Ursache, die Punk als Konzept ihrer Arbeit angewandt hätte und nicht fad nach der zwölfzigsten Wiederkehr des Erwartbaren schmeckt. Einen Unterschied zwischen originärem Schaffen und industrieller Reproduktion macht kaum noch jemand in diesem sich immer schwindliger drehenden Eventkasperltheater namens Kunst- und Kulturmartkt. Und der Mammonmoloch thront feist über den Dächern… Trotzdem gibt es Künstler_innen, die um ihrer Aussage willen auftreten – und wie!

Kate TempestKate Tempest aus London wird ja längst als “uncategorizable” oder “poet without borders” bezeichnet, was uns naturgemäß sehr gefällt, aber eben auch den Kontrapunkt zum eingangs Beklagten darstellt: Wie unsere fiktive Band das Wesen des Punk, so hat Kate Tempest das Wesen des Rap abstrahiert und in ein Schaffensprinzip übersetzt, das ihre Arbeiten erfrischend neuartig und überaus eigenständig macht – völlig im Gegentum zum sonst üblichen Genre-Abklatsch. Billy Bragg sagt über sie: “Zum einen bin ich beeindruckt, dass sie all das als weiße Frau tut. Und dass sie dabei ein echtes Gefühl von Verletzbarkeit rüber bringt, dazu auch ein Gespür für Humor. So etwas kriegt man nicht im Mainstream-Rap. Ich habe sie mit ihrer Band laut sein erlebt, ich habe sie ihr Publikums durch ihr leise sein geradezu hypnotisieren erlebt. Und das sieht man ja auch nicht oft in der Rap-Szene.” Gut gebrüllt, auch einige der Gründe, warum wir Hasen Rap nebst Hip-Hop & Co generell nicht soo genial finden, Spokenword und Performance Poetry in all ihren Spielarten dagegen durchaus! Ein gutes Beispiel dafür ist das Kate-Tempest-Projekt Let them eat Chaos, das zugleich als Gedicht in Buchform, als Studio-Album und als Live-Performance daherkommt.

Wir wollen euch diese Künslerin in einigen Facetten ihres vielseitigen Schaffens vorstellen. Sie einmal in Salzburg live zu erleben wäre begehrenswert, aber ist das leistbar, zahlt sich das rechnerisch aus? Geh scheißen, Geldsäckulum, g’stinkerts!

 

Kein Anschluss unter dieser

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 18. März – Nummer! So tönte es einst aus dem analogen Telephon, wenn man sich zum Beispiel irgendwie verwählt hatte. Und rund um den sogenannten Anschluss Österreichs 1938 konnte man sich ja sowas von verwählen, dass einem die direkte Demagogie förmlich in die Existenz einbrach, was nicht wenigen im Anschluss (sic) daran selbige kostete. Zum 80-jährigen Gedenken an diesen historischen Schwachsinn überschlägt sich die Medienwelt geradezu in nichtendenwollenden Dokumentationen, was wiederum Unlust und Unmut erregt, doch warum? Vielleicht, weil die Darstellung der Ereignisse, die dem 12. März 1938 vorausgingen, seit 1945 so ideologisch verbrämt und parteipolitisch besetzt sind, dass kaum je ein Redakteur dem diesbezüglichen Nachkriegskonsens entkommt…

vor dem anschlussVon einem Dreiviertelfaschismus schrieb Erich Fried im Hinblick auf derlei akadämliche Diskussionen später in seinem Text “Der große Tag von Linz”, den er als damals 16-jähriger zusammen mit seinem Vater vor dem Radio erlebte, aus dem “der letzte Bundeskanzler” (einer seit 1934 verfassungswidrig zur ständestaatlichen Diktatur umgeschwindelten Ersten Republik Österreich), Kurt Schuschnigg, sein klares und eindeutiges JEIN zum Deutschöstertum verlauten ließ: “Damit verabschiede ich mich vom österreichischen Volk mit einem deutschen Wort und einem Herzenswunsch: Gott schütze Österreich!” Wes das Herz überquillt, des offenbart sich eben führer oder später. Derselbe so lauwarm daherweinerlnde “Führer der vaterländischen Front” hatte für die geplante Volksabstimmung über die Eigenstaatlickeit nicht einmal Stimmzettel für eventuelle Neinsager vorbereitet. Hätte man also für den Anschluss ans Deutsche Reich votieren wollen, dann hätte man sich den Stimmzettel dafür auch noch selbst mitbringen müssen. Alternativlos katholisch überhitlert der Austrofaschismus die deutschen Nazis dann doch – zumindest in diesem Detail. Denn deren Stimmzettel für die am 10. April tatsächlich durchgeführte Abstimmung hat immerhin ein Kreiserl fürs Neinwenn auch klein.

nach dem anschlussIm Nachhinein ist es oft leicht zu erkennen, wozu man von Anfang an lieber doch Nein sagen hätte sollen, wollen. Ja, wollen! “Wollen hätten wir schon mögen, nur dürfen haben wir uns halt nicht getraut…” (Karl Valentin) Doch nach wie vor ist das Jasagen oberstes Staats- und Erziehungsprinzip, so wie es auch “Das Nein” von Peter Turrini darstellt (zitiert aus “Zur Gesundung der österreichischen Seele” von Erwin Ringel):

Das Nein
das ich endlich sagen will
ist hundertmal gedacht
still formuliert
nie ausgesprochen.

Es brennt mir im Magen
nimmt mir den Atem
wird zwischen meinen Zähnen zermalmt
und verläßt
als freundliches Ja
meinen Mund.

Versuch einer Verständigung zwischen Konstantin Weckers Klassiker “Sage Nein” (unlängst neu aufgenommen mit ASP, Cetin Oraner und Conchita Wurst) und dem so typisch österreichischen Herumlavieren nach Nestroy: “Nein, justament nicht!”

 

Grüner wirds nimmer

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 25. FebruarDer langjährige künstlerische Leiter der ARGEkultur (oder Geschäftsführer, wie es hierorts heißt), Markus Grüner-Musil übergibt seine Agenden mit 1. März an den Theatermacher Sebastian Linz. Mit Linz beginnts also (zumindest teilweise) wieder ganz neu, immerhin jedenfalls anders. Und so wird ringsum spekuliert über Inhalte, Schwerpunktsetzung oder Kontinuität, vor allem vom Stottern ist da immer wieder zu hören. Genau die richtige Zeit für uns, Freunde der gelungenen Sprache, dem kommenden Impresario hoffensdick sowie ohne Vorurteil zuzuwinken – und den scheidenden mit einem kleinen Nachwurf (aus seiner eigenen Redekunst) zu bedenken. Politisch scheint beiden vieles gemeinsam zu sein, in der Herangehensweise werden sie sich dann doch wohl unterscheiden

Markus Grüner-MusilNebiges Stimmungsbild stammt von der Vorstellung des ARGEkultur-Programms 2017 im Magnolia-Blog und passt (nicht nur jahreszeitlich) perfekt in unser heutiges Konzept. Besten Dank dafür! Wir haben uns in den letzten 10 Jahren nämlich über so manche Unzulänglichkeit dieses vielgerühmten Gebäudes mokiert, welches uns zugleich auch Heimat und Sendungsstandort ist. Abgrund und Ambivalenz. Wenn wir dabei die Entwicklung der ARGE-Bewegung seit den 70ern betrachten, dann kommt allerdings leicht so etwas wie Trübsinn auf. Dein Reich komme, dein Wille geschehe, wie im richtigen Leben so auch im falschen, unsere tägliche Institutionalisierung gib uns heute und vergib uns unseren Zwiespalt wie auch wir ihn vergeben uns selbst et cetera und Amen. Das Ringen mit der Macht findet vielleicht statt, nur leider fast nie dort, wo sie herrscht. Stattdessen da, wo sie längst für ihre stillschweigende Duldung bezahlt. Auseinandersetzung ressortiert im Fachbereich Bestuhlung und Diskurswerfen ist eine olympische Disziplin. Quod licet Jovi non olet. Grüner ist immerhin eine Steigerungsform und Musil bestimmt kein Mann ohne Eigenschaften. Die Hoffnung stirbt immer zuletzt. Und abermals sage ich: Nach mir die Sinnflut!”

Von den Mühen der Institution, vom Germteig des kritischen Empfindens, von der Idiotie des Kommerziellen, von der Kunst einer gescheiten Tonaufnahme – und nicht zuletzt vom Denkzettel eines umtriebigen Kulturarbeiters. All dies (und noch mehr) rundet sich erst zum Erlebnis, wenn auch unsere Sendung euer Gehör findet.

 

Was ist das Deutsch

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 18. Februar“Was die Deutschen und die Österreicher trennt, ist ihre gemeinsame Sprache.” Dieses ebenso oft wie auch völlig zu Unrecht Karl Kraus zugeschriebene Zitat bringt wunderbar auf den Punkt, warum das ganze Herumgerede von einer “deutschen Kulturnation” nur ein fester Blödsinn sein kann. Auf jeden Fall sprachlich. Vollholler zum Beispiel ist ja nicht der deutsche Ausdruck für einen österreichischen Jodler. Was hingegen Deutsch als Sprache sowohl für seine Eingeborenen jedweder Mundart, als auch für sämtliche ihm (dem Deutsch oder dem Deutschen) seit seiner Entstehung Zugewanderten sein kann, das lassen wir uns diesfalls vom Mundwerksmeister Malmsheimer sozusagen ausdeutschen: Wenn Worte reden könnten oder eben “Ermpftschnuggn trødå!”

Bücher auf DeutschDer Mann hat uns schon mit einigen sprachlich ambitioniert gedrechselten Phantasiereisen zum Lachen (und zum Nachdenken) gebracht, was wir auch immer wieder mal in Gestalt einer Sendung oder eines Beitrags gewürdigt haben. So etwa die Vorgänge und Zustände im Kopf eines hormonprallen Heranwichsenden beim Gewahrwerden eines möglichen Sexualobjekts, die nächtliche Diskussion der Bücher in den Regalen seiner Bibliothek oder das leibhaftige Erscheinen aller Romanfiguren aus seiner verflossenen Jugendzeit. Und immer spielt sich in diesen Kopfbühnenbildern weit mehr ab als nur Gags, Gags, Gags Da entstehen schräge Personen und verschraubte Handlungen, die den Autor und Darsteller des verwobenen Wirbelsturms auf diversen Erzählebenen auch noch das ausdrücken lassen, was ihm gerade so durchs Gehirn geistert. Das sind fürwahr keine flachen Schenkelklopfer, sondern hintergründige Analysen des Zustands unserer Gesellschaft. Man mag das durchaus als in Form von Kleinkunst dargebotene Literatur betrachten, so wortverliebt ausformuliert und hingebungsvoll durchgearbeitet, wie einem das entgegenströmt. Dreh- und Angelpunkt seiner Welt- wie Kulturkritik ist jedenfalls die Sprache, in unserem Fall eben Deutsch (oder auch das Deutsche. Zu Risiken und Nebenwirkungen lesen sie ihren Duden – oder fragen sie Bastian Sick). Ein Höhepunkt bei Malmsheimer ist, wenn die Söhne Mannheims “…an einer störend christlich eingefärbten Melancholie leiden, der offenen Naidoose…”

In diesem Sinn!

 

In einem fort pflanzen

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 21. Januar – Wieder so ein Wortwitz, ein doppeldeutiger. Für die Postmodernde. Juhuu! Doch was soll sich da eigentlich fortpflanzen, über die Generationen hinweg – oder wollen die uns bloß in einem fort pflanzen, die Ehestandswahrer vom ewiggestrigen Familienbimbam? Diese fürwahren Fortpflanzerl. “Die Familie ist die Geheimzelle des Staates.” Und in dieser Black Site des Herrschtums verendet das Lebendigsein unzähliger Kinder. Ich habe mich auch in der Jugendarbeit immer dagegen gewehrt, an Menschen nachzubessern, damit sie vielleicht geschmeidiger in den Fleischwolf der Gesellschaft rutschen. Gerade heute sind an allen Ecken und Enden die Funktionalisierer unterwegs, und wer sich nicht frohgemut und brauchbar verwerten lässt, wird aus “der Gemeinschaft” entfernt

väter söhne pflanzenDagegen gilt es, mit all seiner Lebenskraft, anzugehen, anzustinken – und anzuschreien. Und sich nicht aufhalten oder gar pflanzen zu lassen von irgendwelchen Altvorderen und ihren Ideologien. Es heißt ja, die Pubertät sei so etwas wie eine generelle hormonbedingte Anpassungsstörung. Schon mal in Betracht gezogen, dass die Erwachsenenwelt, in die es sich da einzufügen gilt, ein vollkommener Schwachsinn sein könnte? Ein schwindlich machendes Kettenkarussell voller Dummheit und Niedertracht, das im Begriff ist, den Ast, auf dem wir alle sitzen, endgültig abzusägen? Wer also Schwierigkeiten hat, sich an so ein Idiotenkompott anzubiedern, ist keineswegs gestört – höchstens beim Gesundsein gestört worden! Die Störung beim Pubertier ist dann allenfalls Syptom einer zutiefst verstörten und zerstörerischen Weltordnung, an die sich anzupassen ohnehin nur mittels heftiger Hirnamputation möglich wäre. Dass es der überwältigten Mehrheit letztendlich doch gelingt, soll uns jedenfalls nicht am Denken hindern. Gerade weil wir die Sendungen oft aus Befindlichkeiten heraus gestalten, wie die hierzu passende Nachtfahrt “Aus dem Tod eine Jugend machen”, bei der uns die nicht eben unschräge Musik von Knorkator begegnet ist: Und ging. Deren unendlicher Ideenscheißer Alf Ator hat ja auch schon des öfteren seinen Sohn Tim Tom (als der noch ein Kind war) zum Singen angestiftet, etwa auf Arschgesicht.

Inzwischen hat Tim Tom (der auf dem Foto) seine eigene Band Black Monster Truck und die ist (wie das nächste Lied) ziemlich cool: Am Horizont (live). Von derartigen Übergängen lassen wir uns diesmal inspirieren, wenn es um die Vermächtnisse von entlegenen Ursassen geht. Pflanzerl und Pflanzungen, wir sind ein geiles Institut.

 

Auf in ein neues Jahr

> Sendung: Artarium vom Sonntag 31. Dezember (Silvester) – Keine Rückschau, aber immerhin ein paar vernebelte Aussichten auf das kommende Jahr sowie eine Neujahrsansprache mit Bernd dem Brot“Wir ham noch lange nicht genug…” tönt es zudem seit Urzeiten, von Geböller umrahmt, aus unseren Signations. Und das stimmt nach wie vor, wenn auch mit Zunahme der Lebensjahre vermehrt die Erkenntnis der eigenen Endlichkeit ins Bewusstsein tropft. “Fühlst du dich heute wie ein Brot?” Eben. Dem feuchtfröhlichen Anlass entsprechend könnte man hier auch noch ein gemeines Sprichwort bemühen: “Steter Tropfen höhlt das Hirn”, wie es Uwe Dick einst dem Öd in den Mund gebogen hat. In diesem Sinne, passt gut auf euch auf, es ist doch nur eine Nacht wie viele andere – und es wär jammerschade, wenn ihr allzusehr ausrutscht…

Auf in ein neues JahrDer uns traditionell geläufige Jahreswechsel ist nämlich ein höchst willkürlich gesetztes Datum inmitten eines Übergangs – von einem zum nächsten biologischen Jahrezyklus, eigentlich bedeutsam ist da nur die Wintersonnenwende. So ist das ganze Neujahrsfest eine Zeit zwischen den Zeiten, die sich schon namentlich auf einen großen Schwindel bezieht, die sogenannte konstantinische Schenkung”. Papst Silvester I. (gestorben im Jahr 335), dessen Todestag am 31. Dezember bis heute seinen Namen trägt, soll durch sein wundertätiges Wirken Kaiser Konstantin dazu veranlasst haben, der (nachmals katholischen) Kirche die Oberherrschaft über das gesamte weströmische Reich zu verleihen sowie sämtliche nachfolgenden Päpste mit kaiserlich-herrschaftlicher Gewalt auszustatten. Die entsprechende Urkunde wurde bereits im 15. Jahrhundert als Fälschung aus dem 8. Jahrhundert erkannt. Doch Tri Tra Trallala – das Kasperltheater spielt noch immer. Da soll einem nicht schwindlig werden – bei all den schwindligen Schwindlern. Hollareidullijöh, juhuu, auf in ein neues Jahr voll hochheiliger Heimathändler und sonstwie vertrottelter Volksverbrecher. Auch international verdampft das Menschenrecht (alle singen).

Doch im etwas anderen Kunnst-Biotop schreiten wir weiter vorwärts – zwischen letzten Fußnoten zum vergangenen Jahr und ersten Ausblicken auf ein Neues! 

Protest Neujahr und einen guten Lutsch!

 

Stillenachtbrimborium

> Sendung: Artarium vom Heiligabend, 24. Dezember – Weihnachten ist nun einmal eine Tatsache, ob einem das gefällt oder auch nicht. Ringsumundum wird geweihnachtet, dass es eine schiere Unentrinnbarkeit ist. Und sogar von innen herauf ziehen die Erinnerungen und Assoziationen wie Küchendüfte durch die Seelenritzen und machen einen irgendwie thematisch. Ich habe bemerkt, dass mir kaum etwas widerlicher ist, als eine derart aufgezwungene Beschäftigung. Deshalb habe ich wohl auch früher im Familienkreis gern nach dem Verdrängten gefragt, zum Beispiel nach deren Erlebnissen im verflossenen Weltkrieg. Zu dem ganzen Stillenachtbrimborium muss es doch einen kräftigen Kontrast geben, dachte ich, sonst zerquetscht einen die vorgegebene Stimmungstendenz noch vollkommen.

StillenachtbrimboriumNun haben wir in den letzten Jahren die allermeisten einschlägigen Versatzstücke der christlich-alpenländischen Weihnachtskultur durchgespielt, vom Christgsindlmarkt bis zum Adventsohrartarium. Des weiteren sind wir ins vorchristliche Brauchtum unserer Ursassen  eingedrungen und haben etwa Perchtenläufe oder Wintersonnwendfeiern betrachtet. Was also diesmal auspacken, wo doch zum ersten Mal ein Live-Artarium am Heiligabend dräut? Back to the roots! Lasset uns andächtig der Weihnachtsringsendung von 1942 lauschen, die ein vortreffliches Denkbeispiel für jegliche Art von ideologischer Vereinnahmung bietet. Denn darum geht es ja auch heute, und darum ist es im Grunde schon immer gegangen, nur die Ideologien wechseln noch schneller als die Parteien und die Farben. Feudalismus, Katholizismus, Nationalsozialismus, Neoliberale Marktwirtschaft, es ist immer irgend eine Glaubensdiktatur, der wir nicht und nicht entrinnen können, weil irgendwo irgendein Heil liegt und die Allgemeinheit  genau das nachblökt, was sie in den Mund oder ins Hirn gestopft kriegt. Deshalb ist mir alles Heil-ige höchst zutiefst verdächtig, egal ob rechts oder links, oben oder innen. Stille Nacht, Heil… Nicht schon wieder! Ein Fest der Liebe unter den ferngenormten Menschenpuppen. Maria Volksempfängnis ohne Hirn. Der Leib Griaßdi – pfiat di! Die Herbertsuche. Ein christliches Gerümpelspiel. Hinter meiner, vorder meiner. Ene mene muh. Liesl steh um

Stillenachtbrimborium

 

Tau On Tour

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 17. DezemberThomas Mulitzer scheißt uns mit seinem Debutroman Tau gründlich vor die Tür der wohlgeordneten Verhältnisse. Und wandelt damit vor allem inhaltlich auf den Spuren des legendären literarischen Salzburgbösewichts Thomas Bernhard, dessen Erstlingsroman Frost (1963) hierbei immer als die Ursache dieser vielschichtigen “Ruf & Echo Arbeit” erkennbar bleibt. Doch wer seine Lektüre nach den sich Rezension” nennenden Nutzerkommentaren von Lieschen Müller und Otto Normalverbrecher auszuwählen pflegt, sollte von Tau lieber die wulstigen Hirnfinger lassen! Was ist überhaupt ein Roman? Was ist eine Handlung? Und was ist eine gute Geschichte? Ja, wenn du dazu einen Papst brauchst, der dir das vorsemmerlt, was du nachblöken sollst – dann bleib lieber Konsumtrottel!

Thomas Mulitzer liest aus TAUEs soll ja Leute geben, die “keinen Tau davon haben” wollen, was mit ihrer Welt so geschieht, und die eher x-mal das Stiegengeländer putzen, bevor sie einmal nachdenken oder sich gar auf etwas einlassen, das nicht ihrem hergebrachten Weltbild entstammt. Gott bewahre! Denen ist wohl nicht mehr zu helfen, auch wenn man ihre Ängste noch so sehr ernst nimmt. Zu diesen und ähnlichen Befunden gelangt man aber unweigerlich, auf der Lesereise quer durch den assoziativen Chaosmos dieser hochkomplexen und doch zugleich zugänglichen Geschichte. Sofern man es halt aushält im Kopf ihres Erzählers, in seinen Erinnerungen und Emotionen. Und nicht davon abgeschreckt wird, dass ungeschickt gefickt nach Jauche riecht oder schon mal im Autobus, im Bierzelt und überhaupt die Fäuste fliegen. Alles Schnaps und nichts Walzer. Die Ursassen sind sich überall ähnlich, nur in der Stadt sind sie von dichteren Identitäten absorbiert, von rasenderen Ideologien, quasi als Religionsersatz. Irgendwer speibt immer und es kommt schon vor, dass wer mit Inbrunst hinbrunzt.

In dieser höchst sprachlüsternen Collage aus Bernhard, Beatpoetry und Dorfpunks sowie noch einem ganzen Abgrund an Ideen und Einflüssen geht der Protagonist der Geschichte letztendlich irgendwie verloren – und das ist verdammt nochmal ein guter Schluss. Auch wenn das weder den hollywoodgeprägten Konsumkasperln aus der Internetselbsthilfegruppe noch den korinthenkackenden Elfenbeintürmlern aus dem Literaturszenezentrum für Germanismusgespenster angenehm einfahren wird. Wir sind doch nicht euer Kokain, ihr Spritzweingsichter und Seitenblickeadabeis! Wie unschwer festzustellen ist, hat Thomas Bernhard noch ordentlich untertrieben.

Thomas Mulitzer ist zu Gast in unserer Sendung und wird die Hintergründe seines Romans beleuchten. Außerdem erwarten wir seinen Projektpartner bei Two On Glue, Wolfgang Posch (der breiten Masse als El Fetzn bekannt), zu einem spontanen Duett,

naturgemäß