Charles Janko Nachruf

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 26. NovemberSchuld ist wie so oft der Berlinsalzburger Schriftsteller Peter Hodina, dem wir die überaus inspirierende Begegnung mit Charles Janko ursächlich verdanken. Denn am 27. 2. 2015 fand in Alrun Pachers literarischem Salon eine feine Zweierlesung von Peter Hodina und Christopher Schmall statt, welche der inzwischen völlig zu Unrecht verstorbene Charles mit meisterlichen Klavierimprovisationen umrahmte. Doch dieser ebenso banale wie hier angebracht erscheinende Begriff wird seiner tatsächlich ausgeübten Kunstfertigkeit eigentlich überhaupt nicht gerecht. Statt auf so eine rein äußerliche Funktions-Zuschreibung sollte sich unser Augen- und Ohrenmerk doch viel mehr auf die innere Haltung von Charles‘ spontan-kreativem Musikausdruck richten.

Charles Janko Literaturhaus Salzburg Nov 2016Erzählen wir die Geschichte: Während das Publikum den Lesenden andächtig lauschte, saß Charles meditativ in sich versunken am Flügel, um in den Pausen augenblicklich zu seiner ganz eigenen Verdichtung der zuvor offenbar gesammelten Eindrücke anzuheben. Und was er da improvisierend wiedergab, war nicht einfach nur Begleitung, Behübschung, tonale Garnierung – nein, es war in höchstem Maß die erweiternde Teilwerdung am Moment des Geschehens, eine nachgerade organische Verganzheitlichung dessen, was rund um ihn im Hier und Jetzt vor sich (und bestimmt auch durch ihn hindurch) ging. Wollen wir das aber nicht verkehrt verstehen: Die dargebotenen Texte an sich waren schon ganz, deren Vortrag in Resonanz mit dem Publikum erst recht, die ganze Inszenierung dieses Literarischen Salons sowieso, alles war ganz und gar ganz (im Sinn von vollkommen). Und doch – wenn Charles‘ Musik nicht hinzu gekommen wäre, hätte der gesamten Darbietung etwas gefehlt. Was wiederum nur dadurch erkennbar wurde, dass er sie spielte! Mich erinnerte dieses Geschehen an Gefühlseindrücke, die ich vor Jahren beim gemeinsamen Hören von Keith Jarretts “The Köln Concert” gehabt hatte, und eben darauf sprach ich ihn (nach dem Ende der Veranstaltung) an. Es entspann sich sofort eine derart befreiende, einfühlsame, weltoffene Unterhaltung, dass sich nur eins sagen lässt: Charles Janko war ein Mensch, der ganz in seiner Kunst lebte.

Ausgehend davon kam es auch dazu, dass sich Charles im November 2016 bereit erklärte, “auf splitterwegen und zerbrochener zeit”, die Geburtstagslesung von Chriss im Literaturhaus Salzburg, kongenial musikalisch zu “illustrieren”. Davon haben wir eine recht improvisierte Aufnahme hergestellt, bei der man die Lesenden trinken und tuscheln hört, ganz im Sinn einer spontan-assoziativen Gesamtkunst. Jetzt gibts diese “Charles Janko Literaturhaus-Improvisationen” zum Nachhören.

“Der Mensch ist erst wirklich tot, wenn niemand mehr an ihn denkt.”  Bertolt Brecht

 

Kritische Literaturtage

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 19. November“Ich hegte die Hoffnung, dass es Hoffnung gibt.” Dieses Zitat stammt zwar von keinem toten Dichter, sondern aus der deutschen Synchronfassung des Actionfilms “The Rock”, dafür passt es aber zur derzeitigen Situation von engagierten Verlagen und kritischen Leser_innen wie der sprichwörtliche Faust aufs Auge. Oder wie der Kern in den Pudel. Weil nämlich Sean Connery damit die Frage beantwortet, wie er überhaupt jahrelang als Gefangener eines korrupten Systems überleben konnte. Womit wir ebenfalls beim Kern dessen angelangt sind, was demnächst als Kritische Literaturtage 2017 in der ARGEkultur stattfindet. Und bei Christian Lorenz Müller, der diese ambitionierte Veranstaltung hier in Salzburg mitveranstalten wird – und der uns so einiges über deren Hintergründe berichten kann.

Der kritische BlickLiteraturkritik hat eben mehr mit Holzspalten zu tun als mit nerviger Besserwisserei. Das altgriechische Wort κρίνω bietet uns hierbei eine Vielzahl von Bedeutungsnuancen wie etwa “trennen, sichten, deuten, auslegen, urteilen, unterscheiden” . Eine kritische Haltung zu haben gegenüber der Welt und auch ihrer Literatur muss nicht zwangsläufig bedeuten, das Kind mitsamt dem Bad auszuschütten, bloß weil einem das irgendwer irgendwann einmal eingesagt hat. Wer sich im Wald der Worte ein Haus baut, weiß ja wohl selbst am besten, was dafür brauchbar ist – und was nicht. Worte wegwerfen oder Perlen vor die Säue? Inwieweit ist so eine alternative Buchmesse auch wieder nur ein Tropfen auf den heißen Stein der kommerziellen Gleichförmigkeit – oder eben doch eine notwendige Ergänzung zum Mainstream des Verlagswesens? To be or not to be, that is the Zerquetschen!

Das Programm dieser etwas sehr anderen Präsentation von über 40 Verlagen und Autor_innen bietet dicht gedrängt ebenso Bekanntes (Fritz Messner, Elias Hirschl) wie auch Entlegenes zum Wieder- oder Neuentdecken. Wir beleuchten in unserer Sendung speziell die “Thomas Bernhard Sprachlandschaften” der SAG und das dieser Arbeit zugrunde liegende Konzept “ins Leben schreiben”. Der “über alle Maßen kritische Salzburgdichter” ist für uns nämlich der ideale Schirmherr jeden kritischen Denkens.

Abgesehen davon lasst euch halt überraschen, wir wollen für nichts garantieren

 

Audiowastecooking

> Sendung: Artarium am Sonntag, 12. NovemberSeit 14:92 Uhr wird jetzt zurück entdeckt! Und seit 15:17 Uhr wird jetzt zurück gethesenanschlagt! 500 Jahre oder 500 Sendungen, Jubiläum hin oder her – wir lassen ungern was verkommen – von dem, was die Kulturgeschichte (geh bitte, ich brunz mich an vor Lachen!) uns an die Ufer des Bewusstseins schwemmt. Auch unter jenen Musikalien, die wir in vielen unserer Sendungen aus Gründen der Spontanität nicht mehr unterbringen konnten und die wir nur allzu gern noch gespielt hätten, finden sich appetitliche Überbleibsel, um die es schlicht zu schade wäre, wenn sie so ganz und gar ungehört verblieben. Daher gibts diesmal “Das ganze Album” zur selbstkreativen Resteverwertung – aus immerhin einer Hand voll “übriggebliebener” Songs und Sounds der Sendungsgeschichte.

AudiowastecookingNun ist ja “Wastecooking” an sich schon eine schöne Wortschöpfung, und ihre artivistische Auslegung durch den Koch- und Filmkünstler David Groß eine hoch ästhetische Ansage (die das Dumpstertum aus seinem Prekariats-Schmuddeleck befreit), aber im Hindenken an ein Hörperlenbuffet aus unberührten Ohrköstlichkeiten MUSS soo ein schöner Begriff geradezu erweitert werden – ins Audiowastecooking! Und deshalb lasst euch überraschen von unserem mehrgängigen Menü zum Hirnhören und Genießen. Nachdem wir ja naturgemäß zur Stunde noch nicht wissen können, was wir an klanglichem Rohmaterial in den Untiefen der Archive aufstöbern werden, seien hier auch weder Interpret_innen noch Songtitel angekündigt. Doch wer uns kennt, weiß längst, wie sich unsere Geschmäcker in ihrer Kombination auswirken: Immer wieder neu zu entdeckende Verbindungen aus Unerhört und Altvertraut bewirken feine Klang-Farben-Harmonien zum Kauen und Verdauen. In diesen Sinnen – “Besten Appetit beim Audiowastecooking-Festbeschmausen!”

Wir sind ein geiles Institut.

 

Jazz erst recht

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 29. Oktober – Unlängst – oder war es neulich – wurde auf 3sat der saugute Dokumentarfilm “Der Preis der Anna-Lena Schnabel” gezeigt. Und dadurch wurden wir schon wieder einmal in die – zugegeben eigenartige – Welt des Jazz hineingesaugt. Denn das rundum gelungene Filmportrait bietet nicht nur eine höchst zugängliche Darstellung des inneren wie äußeren Werdegangs der jungen Solistin (Saxophon, Querflöte), sondern auch erschreckende Einblicke in die Gepflogenheiten der Musikindustrie sowie in den peinlichen Eiertanz der öffentlich rechtlichen Sender zwischen Bildungsauftrag und Massengeschmack. Alles weitere dazu lässt sich in diesem erfrischend spitzzüngigen Artikel von Ulrich Stock nachlesen. Jazz ist also ein Minderheitenprogramm. Doch findet er im Freien Radio genug Platz?

jazz erst recht professor kerschekZur näheren Beleuchtung dieser Umstände haben wir den Radiofabrik- Musikredakteur und ausgewiesenen Jazzdoktor Nikolaj Fuchs ins Studio eingeladen. Und gemeinsam mit ihm wollen wir die diesbezügliche “Luft nach oben” einmal versuchsweise ausloten. Dem Thema entsprechend spielen wir dieses Mal ausnahmslos Virtuos_innen der etwas anderen Blasmusik, und zwar Herbert Könighofer mit K3, Anna-Lena Schnabel und ihr Quartett, den Soundrevolutionär Nils Petter Molvaer sowie Ian Anderson (von Jethro Tull) auf seiner legendär queren Flüüte, ein lebendes Relikt jener höchst ungrauen Vorzeit, in der die Musikgenres noch viel einträchtiger beisammen wohnten als dies heutigentags marktkonform zu sein hat. Viel Harmonie!

Es sei unserem Publikum hier nicht vorenthalten, wie der im eingangs erwähnten Film kritisierte NDR reagiert. Darauf kann man sich einen Reim machen – oder auch nicht. Ein gewisser medienpolitischer Nachgeschmack (wie von allerlei Wahlkrämpfen her) bleibt im Abgang haften. Irgendwie metallisch, so zwischen Kleingeist und Kleingeld. Wir jedenfalls finden die Zweckzwangsjacke merkantiler Verbenutzbarkeit scheiße.

Stattdessen wollen wir Projekte wie die Radiofabrik-Jazznacht weiter ausbauen, und setzen in dem Zusammenhang auf die Unterstützung unserer Hörer_innen, die das Freie Radio beim Wort nehmen – und selbst produzieren, was sie gern hören wollen.

Wir sind nämlich ein geiles Institut.

 

Bist du moped

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 22. Oktober – Wir haben die Wahl überstanden, mit einem weinenden und einem blauen Auge. Und mit ganz viel Humor, den braucht man grad jetzt wie einen Bissen Moped. Die nämlichen Gebrüder waren sogleich als Kommentatoren des austriakischen Volksaufstoßens im ARD-Morgenmagazin zu erleben, was dem hierorts stattgehabten Kasperltheater durchaus gerecht wurde. Auch ihre satirischen “Wahlplakate, die fehlen wie ein Bissen Brot” wurden dadurch einer um diese Uhrzeit gewiss ziemlich breiten Öffentlichkeit bekannt. Auf die Frage, was sie dem Wahlsieger jetzt empfehlen, kam reflexhaft die Antwort Stimmbruch”. Da wurde mir schlagartig bewusst, welch hohe Kunnst es erfordert, die Wirklichkeit (im Brecht’schen Sinn) bis zu ihrer Kenntlichkeit zu entstellen. Herzliche Glückwurst!

Bist du mopedWobei, manchmal besorgts einem die Wirklichkeit selbst, wie diese Momentaufnahme des Wahlabends illustriert, welche hier auch nicht weiter kommentiert werden muss. Die Realitäter entlarven sich ja selbst und ringsum gegenseitig. Was nichts daran ändert, dass man mitunter doch ein Schauferl Satire nachlegen muss, um das eh schon Offensichtliche noch zu verdichten. An die AfD-geschockte deutsche Politlandschaft: “13 Prozent Rechtspopulisten – das wäre in Österreich der reinste Linksruck.” Und erst das geniale Video “Sebastian” mit dem Refrain “Ich will ein Kind von dir!” Dort heißt es: “Die inhaltliche Linie kann ich ihnen sagen – der erste Punkt ist Sebastian Kurz…” Die Gebrüder Moped kann man einfach nur liebhaben. Wir werden einiges von ihnen zu Gebräu bringen, bevor uns das Ohrenlicht ausgeht. Apropos, naturgemäß haben die Nebenwirkungen dieser Nationalratswahl (fragen sie doch ihren Wahlarzt) gerade auch bei uns ihre seelischen Spuren hinterlassen, weshalb wir versuchen, dagegen im Sinne erfolgreicher Verdauung anzudichten. Dazu haben wir den legendären Fred Sinowatz ausgegraben, weil ja oft alles noch viel komplizierter ist, als man es jemals nicht erklären kann…

WARNHINWEIS: Die Sendung enthält Scherz, Satire, Ironie und tiefere Bedeutung, wodurch humorallergischen Person_innen das Lachen im Hals stecken bleiben kann. Wie heißt es bei Apocalypse Now: “Das Grün ist gegangen – der Schmerz bleibt.”

 

Deprogramming Division

> Sendung: Das Artarium zum Wahlsonntag, 15. OktoberAlle wählen vom Reden. Wir aber spielen dem schwindlichmachenden Anlass entsprechende Musik. Nämlich die “Underwater Serenades” von Deprogramming Division, einem der vielfältigen Soundprojekte des umtriebigen Salzburgsohns Herwig Maurer, der einst aus seiner Heimatstadt auszog, um die dekadente Westwelt mit seinen Musikalien anzureichern. Nebst immer unzähliger werdenden Filmarbeiten (IMDb) sowie Veröffentlichungen von Alben und Soundscapes gibt es von ihm auch noch Kunstfotographie und demgemäß durchkonzipierte Bilderfluten zu entdecken – und zu erforschen. Dem kreativen Umtrieb so eines über die kommerzfeile Nachdepperei der allgemeinen Untenhaltung hinaus wollenden Menschenkinds kann die “Provinzkunstmetropole” halt nicht entsprechen.

Deprogramming DivisionWarum allerdings ausgerechnet der Titel Deprogramming Division und somit auch die Musikwahl auf unser Thema passt wie die sprichwörtliche Faust aufs Auge aller abgründlich genervten Betrachter? Na, weil die Ferngesteuerten, Programmierten oder eben “populistisch verblökten Mund auf und bitte schiab mas eini Schafe” selten so wahrnehmbar tief durch die Republik fliegen wie an diesem wahnsinnigen Wahlabend. Stermann und Grissemann werden forthin als Gute Nacht, Österreich auftreten und Thomas Bernhard hat mit “fürchterlicher Friedhof der Phantasien und Wünsche” aber noch sowas von untertrieben. Eine Erregung zur Beruhigung oder The Idiots are taking over von NOFX. Es ist alles schon oftmals ausgesagt worden, doch die Quasselödien glauben lieber den Massenblödien und Kassenschmähdien. Der Urheber ächzt: “Streit” und wir verklagen uns schon mal vorsorglich selbst. Seids ihr noch zu retten? Na guat, donn ned. Es is jo sowiaso olles ned woa oder vielleicht doch? Wir tauchen jedenfalls erstmal ab. Und wir laden euch ein, diese spirituelle Atempause mit uns gemeinsam zu verbringen. Mit einzusinken in diese instrumentale Phantasiewelt, erschaffen von einem, der wie wir davon überzeugt ist, dass jeglicher Kunst eine wesentliche soziale Funktion innewohnt. Siehe > Pacific Nexus Media

Am Freitag, 13. Oktober gibts unsere Perlentaucher-Nachtfahrt mit dem ebenso schönen wie passenden Titel “Unendlichkeitsversuch” – Guten Morgen, liebe Welt!

 

Fünfhundert Sendungen!

Sendung: Artarium Feierstunde vom Samstag, 7. Oktober – Alle reden von Wahlen. Wir nicht. Oder vielleicht doch? Aufgrund eines 17-tägigen Programmschwerpunkts namens #Stimmlagen durften wir jedenfalls schon mal unseren gewohnten Sendeplatz (am Sonntag um kurz nach 17 Uhr) räumen. Unter anderem deswegen werden wir auch Georg Kreislers prophetisches Psychogramm “Bundeskanzler Irgendwer” darbieten. Nicht wenigen Mensch_innen war nämlich die Radiofabrik jahrelang eine willkommene Abwechslung zum tagesaktuellen Gleichstream der Lechzer und Hintnachhechler. “Wenn alle es machen, müssen wir es auch tun.” Solche Gedanken sind die Einführung des Quotentums durch die Hintertür, ärgert sich Sendungsgestalter Norbert K.Hund: “Das Wetteifern um Marktanteile widerspricht der Grundidee der Freien Medien.”

FünfHUNDert SendungenWir wollen ungeachtet dessen den Umstand würdigen, dass der alte Hund (anbei ein römisches Mosaik) in seiner fast 10-jährigen Präsenz auf diesem Sender immer wieder die entlegeneren Köstlichkeiten aus dem Sumpf der Kultur hervor geschnüffelt und daraus inzwischen zum 500. Mal eine Radiosendung zusammengerührt hat. Nicht ohne die Hilfe des treusorgenden Hasen, mit dem dies nunmehr auch schon über 350 mal gemeinsam gelungen sein wird. Und quasi zur Eröffnung der “selbstreferenziellen Wochen” im Artarium und in der Nachtfahrt nennen wir einige statistische Daten aus unserem Schaffensrausch, die man allerdings (mit was auch immer) vergleichen kann, die man jedoch keineswegs zu einem Wettbewerb um den jeweiligen “Marktwert” missbrauchen darf: Demnach existieren 500 ausgestrahlte Sendungen, 656 individuelle Signations, Jingles und Audiocollagen, 491 Beiträge im CBA-Archiv (mit 643 Dateien), von dort aus 7.829 Downloads und 12.708 Streams. Der Artariumblog umfasst heute 342 Artikel, der Nachtfahrt-Perlentaucher-Blog 95, und beide zusammen haben mittlerweile über 2,1 Millionen Aufrufe. – Das alles sagt naturgemäß nichts über den jeweiligen Inhalt aus – genau das sollte uns doch zu denken geben. Also: Wählt uns!” Oder auch nicht: “Bundeskanzler Austauschbar”

 

Weiße Liebe

> Sendung: Artarium vom 10. SeptemberAnsa Sauermann aus Dresden hat unlängst (am 18. August) sein erstes Album “Weiße Liebe” veröffentlicht. Und er kommt am Freitag, 15. September zum “Take the A-Train” Musikfestival beim Salzburger Hauptbahnhof, wo unter anderem auch Fiva, Nigrita sowie Scheibsta & Die Buben auftreten werden. Da können wir also wieder einmal gaaanz aktuell sein – und ein quasi ofenfrisches Debutalbum aus unserem Hasenhut zaubern, um es euch nicht nur vorzustellen, sondern sogar zu empfehlen. Weiße Liebe hält nämlich eine feine Balance zwischen Ansas Singer-Songwritertum und dem Volles-Brett-Sound seiner phantastischen Band“Meine Hoffnung fleht hoffnungslos leise nach mir”, das ist wahrlich ein höchst poetisches Selbstzeugnis – in einem sonst eher räudigen Jahr.

Weiße Liebe CoverIn unseren Breiten machte der kellnernde Jungmusiker erstmals mit einem schmerzzerreißenden Lied über die Hassliebe zu seiner Heimatstadt auf sich aufmerksam. Der Song “Tal der Ahnungslosen” bezieht sich in seinem Titel auf jene informationsreduzierten Gebiete der ehemaligen DDR, in denen der Empfang des Westfernsehens aus Gebirgs- und Entlegenheitsgründen nicht möglich war. Und er reflektiert die Fassungslosigkeit zahlreicher Menschen in der “verirrten Stadt mit zwei Gesichtern”, angesichts des rechtsextrem organisierten Wutbürgertums, das seit geraumer Zeit unter der Bezeichnung PEGIDA durch eine inzwischen gesamtdeutsche Medienlandschaft gespenstert. Doch er vermag seinen begründeten Unmut eben nicht nur “volles Brett” auf entsprechenden Kundgebungen auszuspeien, er kann ihn durchaus auch auf den Samtpfoten der Straßenmusik leise (und somit fast noch wirksamer) zum Ausdruck bringen. Das veranschaulicht dieses Unplugged-Video. Und sein Debutalbum Weiße Liebe verwebt beide Facetten seiner Kunst zu einem gelungenen Gesamtwerk. Darin begegnet uns eine Gefühlstiefe, die jenseits der üblichen Hieb- und Stichwörter wie Authentizität oder Street-Credibility von der Fähigkeit zeugt, sich mittels eigener (oft auch leidvoller) Erfahrungen in die Lebenswirklichkeit anderer hinein zu versetzen.

Der wahre Reichtum eines Menschen, einer Beziehung, ja einer ganzen Gesellschaft ist und bleibt eben das EinfühlungsVERMÖGEN. Und zwar steuerfrei!

 

Herabwürgung religiöser Lehren

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 23. JuliEine intelligente Sendung über das, was geht – und das, was nicht geht. Und darüber, wie man es doch machen und dabei auf der sicheren Seite bleiben kann. Es geht natürlich um die sogenannten No-Gos der Programmgestaltung wie etwa Sexismus, Rassismus, Aufrufe zur Gewalt und das elegante Beleidigen von Religionsvertretern sowie sonstigen Oberhäuptern. Ganz offensichtlich (das legt ja schon der Titel nahe) handelt es sich hiernei um einen satirischen Beitrag, der im Brecht’schen Sinn (unter anderem durch Übertreibung) “die Wirklichkeit zur Kenntlichkeit entstellt“. Oder wie beschrieb einst Karl Kraus den Salzburger Jedermann?“Der aberwitzigste Dreck” – und trat umgehend aus der katholischen Kirche aus. Na also, geht doch. Und jetzt wir: ACHTUNG SATIRE!

HerabwürgungRufen wir also zunächst einmal zum Oralverkehr mit einem Gangsta-Rapper sowie zur Tötung eines populären TV-Moderators auf, verhöhnen wir sodann pauschal alle männlichen Journalisten (das ist doch sowas von sexistisch), bevor wir die christliche Religion schmähen und dabei die geistige Gesundheit des Papstes in Frage stellen, Angela Merkel “ficken” sagen lassen – und darüber nachdenken, warum sich Kurz auf Furz reimt. Alles ganz schön gefährlich – doch im geigneten Kontext, in indirekter Rede, als Satire kenntlich gemacht oder einfach nur mit dem richtigen Konjunktiv geht viel mehr, als man glaubt, können zu dürfen. Denn unsere Inhaltsregeln sind nicht dazu da, bestimmte Themenbereiche insgesamt aus dem Programm zu verbannen. Sie dienen vielmehr dazu, bestimmte Haltungen wie Hetze, Kommerz, Propaganda und überhaupt das Fürdummverkaufen der Hörer_innen hintan zu halten. Genau dafür gibt es auch die Programmkommission. Und nicht dafür, dass hier alle so schön sprechen, wie es einige Wichtigkeiten wohl gern hätten, dass wir ihnen Honig ums Maul brunzen.

Herabwürgung WarnhinweisAuf jeden Fall werden wir in dieser Sendung einige Möglichkeiten des Umgangs mit “schwierigen Themen” exemplarisch anleuchten, naturgemäß auf die uns eigene Art der augenzwinkernden Zwischentöne. Denn zwischen Warz und Schweiß existieren ja unzählbare Schattierungen von Gunkel und Heil. Womit wir beim Antisemitismus angelangt wären, einer der zahllosen Varianten des Rassismus (den wir nicht mögen). Und somit bei einem weiteren Grund, weshalb diese Darbietung keine (nach § 188 StGB strafbare) Herabwürdigung religiöser Lehren ist, sondern die Darstellung genau jener Herabwürgung, die viele Menschen guten Willens Tag für Tag so unsäglich schlucken macht, wenn sie versuchen, zu verdauen, was ringsum vorgeht. Die fortwährende Herabwürgung des Brechreizes, den die Hirnblasen der religiösen Leeren bewirken.

Deppert sein sollte man dabei lieber nicht. Aber hört selbst…

 

Querschläger – Schåttseitnkind

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 16. JuliDie Kultband aus dem Lungau, QUERSCHLÄGER, betreibt die umfangreichste Musikerwebsite Österreichs.” Zumindest laut ihrer Selbstbeschreibung im Suchmaschineneintrag. Wir können ja (Gott und der Tante Jolesch sei Dank) nicht deren sämtliche vergleichend nachmessen. Nichtsdestoweniger endlich einmal ein umfängliches Archiv mit Hintergründen und Hörbeispielen, das einem alle wesentlichen Informationen verabreicht, so dass man nicht stundenlang deppert das halbe Internet durchforsten muss – und sich dabei an aberzig blitzdröhnen Aufdringeln erschöpfendes Hirnbluten einfangt. Chapeau! Wie schon in Schattseitnliacht gesagt: “Deut… nein: Lungauerisch! Dieses Land bietet viel mehr an herauftauchbaren Perlen im Schlamm des Konsumstreams als man glauben mag.”

Querschläger LiveDas Album Schåttseitnkind, das wir in dieser Sendung zur Gänze spielen, ist unter diesen Perlen noch einmal etwas ganz besonderes. Und zwar, weil es derzeit nicht lieferbar ist (wir regen dringend seine Neuauflage an) UND weil es ein rundes, stimmiges Konzeptalbum der Querschläger ist, entstanden aus dem Bühnenprojekt “Die Bettlerhochzeit” (gemeinsam mit der Theatergruppe MOKRIT). Sämtliche Lieder auf diesem Album wurden eigens für das 2004 realisierte Stück entwickelt und erst nachträglich auf CD veröffentlicht. “Ziel der Produktion war es, jenen, die das Stück gesehen haben, einen Anhaltspunkt zur Erinnerung und Wiederentdeckung zu bieten und jenen, die das Stück nicht gesehen haben, einen eigenen Zugang zu ermöglichen.” Letzteres funktioniert beim Zuhören im Kopftheater dergestalt vorzüglich, dass es einem nicht nur alle möglichen Ebenen der Zauberer-Jåggl-Zeit aufklappt, sondern zudem verständlich macht, auf welchem Weg die notorischen Querschläger “der Landesgabi ihre Lieblingsband” geworden sind:

“Da gibt es die historische Ebene des Prozesses von 1688/89, die Ausgrenzung, im wahrsten Sinne des Wortes Verteufelung und Verurteilung einer gesellschaftlichen Randgruppe in einer wirtschaftlich schwierigen Zeit, die aber sofort und unweigerlich eine weitere Ebene öffnet, nämlich die des aktuellen Gegenwartsbezugs. Da gibt es die allgemeine, gesellschaftliche Spannungsfelder wie Machtausübung und Machtmissbrauch, Recht und Gerechtigkeit behandelnde Ebene, die wieder im direkten Zusammenhang mit einer weiteren, nämlich der persönlichen Ebene der Schicksale der einzelnen Charaktere des Stücks steht. Da gibt es die rationale Ebene des täglichen Lebens und Überlebens und die Flucht (davor) in die irrationale Welt von Aberglauben und Hexerei. Die Verknüpfung all dieser Schichten in überleitenden oder unterstützenden Liedern oder Stücken ist eine große Herausforderung, macht aber auch großen Spaß, eben weil es eine so große Palette von Assoziationsmöglichkeiten gibt.” Sänger und Texter Fritz Messner, August 2004