Denkmal der Deserteure

-> Download: Nachtfahrt-Mahnmal vom fairkehrten Fest (Live 29:20 min) – Wir widmen ein Kriegerdenkmal kurzfristig um – in einen Ort der Erinnerung an Deserteure und Kriegsverweigerer – am Beispiel der mutigen Männer vom Böndlsee in Goldegg-Weng. Dort hatten sich 1944 einige Wehrmachts-Fahnenflüchtige aus der Region versteckt, um ohne weiteres Blutvergießen das schon absehbare Ende des 2. Weltkriegs zu erwarten. Doch dem Naziregime waren 6 aufrechte Neinsager eine solche Bedrohung, dass über 1000 Mann Waffen-SS und 60 Gestapo-Beamte ausschwärmen mussten, diese „Landplage“ ein für allemal zu beenden. Dies gelang ihnen auch mittels massiver Gewaltanwendung gegen die ansässige Bevölkerung – so wurden etwa Verwandte der Gesuchten gefoltert und in KZs verschleppt oder Unbeteiligte einfach erschossen.

ICH MAHN MAL DU DENK MALUnd während Österreich mit den Namen zahlloser gefallener Soldaten in Form von Denkmälern für „Unsere Helden“ übersät ist – so fehlen bis heute die Namen der Menschen, die gegen Unrecht, Krieg und Terror aufstanden, indem sie sich der „Pflicht zum Gehorsam“ entzogen. Und dies auch oft mit dem eigenen Leben bezahlten! Deren Einstellung sollte uns allen zum Vorbild gereichen, möchte man meinen, speziell der heutigen Jugend, die wir zu mündigen Bürger_innen zu erziehen behaupten. Doch weit gefehlt! Nicht nur, dass sich die Republik Österreich erst im Jahr 2009 (-> 64 Jahre nach Kriegsende) dazu durchringen kann, die Desertions-Urteile der NS-Militärgerichte aufzuheben. Was im Klartext heißt, dass jeder Kriegsheimkehrer, der wegen Desertion verurteilt worden war, bis 2009 als vorbestraft galt. Nein, jetzt kommt auch unser aller langjähriger Landesgrüner als Obmann des Goldegger Kulturvereins daher und meint, dass die Zeit immer noch nicht reif sei für ein Denkmal der Deserteure, solange es nicht „von der (mehrheitlichen) Bevölkerung mitgetragen wird“. (Beitrag SN-Debatte)

Unseren Helden?Wir fassen es nicht! Und geben daher den Namen der 6 Männer hier erst recht einen Gedenkort:

Karl Rupitsch

Peter Ottino

Gustl Egger

Georg Kössner

                                                                                     Richard Pfeiffenberger

sowie Franz Unterkirchner, der als Einziger und mit sehr viel Glück den „Sturm vom Böndlsee“ am 2. Juli 1944 überlebte, sich noch bis Kriegsende erfolgreich versteckte und erst 1972 eines natürlichen Todes starb. Er hätte uns aus erster Hand erzählen können, was ihn und seine Kameraden bewegte, worüber sie in ihren Verstecken so sprachen, und was jeder von ihnen als ganz persönlichen Grund für seine Flucht vor dem System genannt hätte. Von Karl Rupitsch ist immerhin dieser Satz überliefert: „Warum soll ich jemanden erschießen, der mir nichts getan hat?“ Das macht durchaus Sinn, ebenso wie die Forderung nach einem Ort des Andenkens mit den Namen der Widerständler. Auch wenn das nicht mehrheitsfähig ist – es wäre jedenfalls gerecht!

-> Gespräch mit Brigitte Höfert, Tochter von Karl Rupitsch, auf talktogether.org 😉

 

Denk mal fairkehrt

-> Download: Artarium vom Sonntag, 22.Juni – LIVE vom fairkehrten Fest in der alten Nonntaler Hauptstraße, daher diesmal auch mit Live-Lesung und Live-Musik aus dem Fundus des etwas anderen Kunnst-Biotops! Außerdem wollen wir die Gelegenheit nutzen, um euch unsere monatliche Perlentaucher-Nachtfahrt ans Herz zu legen. Denn in dieser „musikliterarischen Gefühlsweltreise“ wechseln sich ebenfalls live gelesene Textbeiträge mit vorbereiteten Soundcollagen und Titeln aus dazu passenden Playlisten ab. Und zwar jeweils in spontaner Dramaturgie – rund um das ausgewählte Thema assoziiert. Was läge also näher, als für den Programmschluss des Radiofabrik-Außenstudios den Standort des Geschehens als inhaltliche Inspiration auf uns wirken zu lassen: Ein Kriegerdenkmal, mit den Namen aller im ersten und zweiten Weltkrieg elend zu Tode gekommenen Nonntaler – und mit der Aufschrift „Unseren Helden“…

Christopher SchmallImmer, wenn sich der Hund im Artarium wieder mal in einen Wirbel redet, freut es eine(n) so richtig, diese andere angenehme Stimme zu hören: Christopher Schmall, unentbehrlicher Freund und Coproducer 🙂 sonst seines Zeichens auch Dichter, Musikschaffender und Seelenforscher. Er ist einigen noch als Sänger der Band In Confusion in Erinnerung und war seither schon des öfteren mit seinen Solonummern und SpokenWord-Experimenten im Radio zu hören. Nun wird er zum ersten Mal seit geraumer Zeit wieder live and unplugged vor versammeltem Publikum zu erleben sein – und uns mit zwei zu diesem speziellen Setting passenden Eigenkompositionen – befremden, erfreuen – oder trösten? Wir wissen es nicht – wir können uns nur darauf einlassen! Derlei ist jedenfalls selten genug heutzutage…

Felix Vali SteinhauserEbenso rar und kostbar sind auch jene Momente, in welchen sich Potenzial plötzlich entfaltet – und wir staunenden Auges die im Erschaffen begriffene Welt betreten. So erging es uns erst unlängst, als wir beim gemeinsamen Vorlesen eigener Texte Felix Vali Steinhauser kennenlernten. Und zwar bei Writers On The Storm, einer überaus empfehlenswerten Veranstaltungsreihe des Salzburger Kunstkollektivs Bureau du Grand Mot für alle „Bühnenneulinge, heimliche SchreiberInnen und sich nicht ins RampenlichttrauerInnen“. Offenbar funktioniert diese Anstiftung zur Öffentlichkeit auch irgendwie auf wundersame Weise – denn schon zwei Monate nach unserem ersten Zusammen-Auftreten begrüßen wir ihn als poetischen Mitgestalter zur Lesung seiner Stimmungsbilder im Open-Air-Studio:

„Unbekannt erscheint mir meine Umwelt…“

-> Zur Aufzeichnung unserer Aktion für ein Deserteursdenkmal

 

Become the Media

-> Download: Artarium vom Sonntag, 25. Mai – Unser Beitrag zur Civilmedia14, die heuer vom 29. bis 31. Mai im KunstQuartier in der Bergstraße stattfindet. Wenn es schon um Community-Medien und Zivilgesellschaft geht, dann darf ein Gruß an unsere englischsprachigen Kolleg_innen von der Wortfront wider den Untergeist keinesfalls fehlen! Wir präsentieren ein Spoken-Word-Highlight: „Hellburbia“, die 27-minütige Abrechnung mit der verlogenen Doppelmoral des amerikanischen Highschoolsystems, unwiederholbar hervorgerotzt von Ex-Dead-Kennedys-Sänger Jello Biafra in seiner nunmehrigen Paraderolle als Wortwetzmeister der Patridiotennation. Ausgehend von jener blödsinnigen Pseudoempörung, welche die selbstgeschnitzten Wertewächter immer dann zu überkommen scheint, wenn wieder ein jahrelang zur Verzweiflung gequälter Jugendlicher seine Schule abfackelt und/oder seine Lehrer erschießt…

Jello Biafra…stellt Biafra hier das gesamte Wertesystem einer Gesellschaft in Frage, die selbst tragischen Eruptionen von Gewalt und Zerstörung wie etwa dem Columbine High School Massaker mit keiner anderen Regung als den üblichen reflexhaften Schuldzuweisungen mehr zu begegnen weiß. Erinnern wir uns doch wieder an die ausführliche Darstellung dieser Begebenheit in Michael Moores sozialkritischem Film „Bowling for Columbine“ – und das berührende Interview mit Marilyn Manson, der als Einziger den vernünftigen Gedanken äußerte, dass den betroffenen Schüler_innenn womöglich einmal jemand ernsthaft zuhören sollte, anstatt dauernd auf sie einzureden, wer sie sein und wie sie sich verhalten müssten. In dem Interview kommt außerdem klar zum Ausdruck, wie (absichtlich!) einseitig die Berichterstattung auch in angeblich noch so unabhängigen Medien wird, sobald einflussreiche politische, religiöse und wirtschaftliche Interessensgruppen hinter den Kulissen ihre Macht entfalten. Wir erleben jetzt gerade Ähnliches, wenn es in Zeitungsartikeln und Rundfunkprogrammen um die Darstellung der aus Überlebensnot in unseren Städten bettelnden Menschen geht – oder um die populistische Stimmungsmache unter Beschwörung der stets behaupteten Bettelmafia. Was herrscht vor?

FREIE Medien – nie waren sie so wertvoll wie heute 😉

 

Ilija Trojanow – Der überflüssige Mensch

Artarium vom Sonntag, 27. April – Diese DOPPELSTUNDE wird als zwei eigenständige Sendungen veröffentlicht: -> Download: Buchvorstellung mit Leseproben und Studiogespräch -> Download: Autorenportrait mit Interviewauszügen von den Rauriser Literaturtagen 2014. Natürlich fein garniert mit thematisch passenden Musiktiteln und Audiocollagen, wollen wir sowohl der Streitschrift „Der überflüssige Mensch“ wie auch der Person Ilija Trojanow atmosphärisch näherkommen. Unsere Projektpartner, allesamt Salzburger Studenten, stellen hierbei ihr gesammeltes Material (einer universitären Präsentation) zur Verfügung, unter anderem eineinhalb Stunden Gespräch mit dem Autor zu Themen wie „Dystopische Popkultur“ und „Revolution oder Genozid“. Gemeinsam gestalten wir nun daraus dieses Hörstück zum Mitleben…

der überflüssige menschNachdem wir bereits am 23. März in der Sendung „Überflüssig“ über einige Ideen zum „Trojanow Projekt“ gesprochen haben, wollen wir diesmal detaillierter den Inhalt dieses bemerkenswerten Buches darstellen – und darüber diskutieren, was sich aus den darin entwickelten Thesen für den Umgang mit Gesellschafts- und Weltordnungen ergeben kann. Zur Einstimmung und Vertiefung empfehle ich die Rezension „Würdelos im Spätkapitalismus“ (Deutschlandradio Kultur). Interessanterweise wird die Neuerscheinung des bekennenden Anarchisten sogar in der Politischen Akademie der ÖVP wohlwollend besprochen. Das mag als deutliches Zeichen für deren unleugbare inhaltliche Brisanz gelten:

Hartz IV ist offener Strafvollzug. Es verstößt gleich mehrfach gegen das Grundgesetz. Erstens gegen Artikel 1, weil es kein menschenwürdiges Leben ermöglicht, und zweitens gegen die freie Berufswahl wie auch gegen die freie Entfaltung der Persönlichkeit, weil es Menschen zu Sklaven macht, indem es sie zur Annahme von Arbeit zwingt, die sie nicht ausüben wollen.“ Dieses Zitat von Götz Werner, Begründer der Drogeriekette dm, gestandener Kapitalist, aber auch Systemkritiker und Befürworter des bedingungslosen Grundeinkommens, stellt Trojanow dem Kapitel „Ein Sprungbrett nach unten“ voran.

ilja trojanowUnd schreibt dann selbst: Die Überflüssigen sind keineswegs überflüssig, lässt man den herrschenden Arbeitsbegriff unserer Zeit außer Acht. Sie pflegen einen gebrechlichen Vater, einen dementen Partner oder widmen sich als allein erziehende Mütter ihren Kindern. Sie helfen in der Nachbarschaft, sie engagieren sich, sie beschenken ihre Verwandten mit Selbstgestricktem (um nur einige beliebige Beispiele zu nennen). Wer seinem behinderten Sohn einen Filterkaffee zubereitet, ist eine Null, wer seinem Chef einen Espresso serviert, ist ein Assistent. Die nicht-kommerzielle Fürsorge wird missachtet, gerät ins soziale Abseits.“ (Aus Seite 36 des knapp 90-seitigen, sehr angenehm zu lesenden Werks)

Da hätten wir schon einmal ein paar kritische Gedankengänge beisammen, die jeder für sich lauthals nach revolutionärer Veränderung der Verhältnisse schreien. Oder anders gesagt: „So darf man mit Menschen nicht umgehen!“ Doch was können wir schon tun? Hier erweist sich die ebenso humanistische wie anarchistische Denktradition Trojanows als besonderer Glücksfall, indem sie mit vielen offenen Fragen umgehen und dabei doch sehr konkret werden kann. Meisterlich hat dies der Kollege von Radio Helsinki in einem Interview am 21. 3. 2013 eingefangen. Doch auch wir werden dichten Stoff liefern! 😀

Denn wir sind durchaus ein geiles Institut!

 

Sprache stehlen

-> Download: Artarium vom Sonntag, 30. März – Kann man das wirklich, eine Sprache stehlen? Oder eine Ausdrucksart, Sprechweise, Wörterwelt? Gibt es einen Tatbestand des Sprachdiebstahls – etwa im Urheberrechtsgesetz? Wie dachte und dichtete denn darüber Ernst Jandl, unser aller Großmeister des Nehmens und zerlegt Wiedergebens: „ich sein mein sprach, mein deutsch sprach, mein schön deutsch sprach, du wundern mein schön deutsch sprach?“ – so etwa im uns zu dieser Sendung inspiriert habenden Einakter „die humanisten“ (entstanden 1975) und dortselbst weiter: „den deutschen sprach mir heilig sein, sein mein muttersprach, sein mein und dein muttersprach, muttersprach heilig sein, mir heilig sein“ 😀 Also, da haben wirs! „Muttersprache“ eignet sich jedes Kind durch Ausprobieren an, durch Nachahmen und Herumspielen. Womit eins klargestellt wäre – wir sind alle Diebe – wir Strandpiraten der Sprache!

flammarionDaher sind die üblichen Vorwürfe, oft gegenüber sich in Sprachweisen just einübenden Menschen geäußert, man klinge wie der oder die, kupfere also ab und gehe mit deren Schmäh hausieren, ebenso sinn- wie substanzlos. Wer auch immer ein neues Ausdrucksmittel erlernt, wird dabei phasenweise um das Nachahmen seiner Lehrer und Vorbilder nicht herumkommen. Fad wirds bestenfalls, wenn jemand im lernenden Liebesrausch stecken bleibt und forthin nur mehr nach Kinski klingt. Oder nach Tolkien. Oder nach Hermann Hesse. 😛 Egal. Würde man derlei pingelige Kritik denn bei Komponisten und Musikern (natürlich immer auch _innen) anwenden, dann könnte man gleich 80% der Salzburger Bandszene wegen nachhaltigem Plagiatismus heimschicken. Bei jungen und in ihrer Entwicklung befindlichen Autor_innen und Vortragenden wird aber gleich gemeckert. Selbstredend heimlich und hintenrum, wir leben ja in einem nazikatholischen Friedhof der Phantasien. Welch ungeheuerliche Anmaßung ist das denn, wenn ein Mensch sich eine vorhandene Sprache einfach nimmt – und dann daraus etwas Eigenes macht? „Ketzerei!“ schreien sogleich die Verwalter der bisherigen Sprachmacht, und das war auch schon bei Martin Luther nicht anders! Das darf uns immerhin zu denken geben…

In dieser Sendung wollen wir alle Schreibenden und Sprechenden dazu ermutigen, ihre jeweilige Sprachwelt möglichst kreativ zu erweitern. Und sich alle dazu notwendigen „Sprachen“ (Text, Wortschatz, Vortragsstil) einfach anzueignen – ohne Rücksicht auf die allgemeinen Ehrwürdens ihrer eigenen Einteilungen. Denn Sprache lebt – in uns allen!

 

Überflüssig

-> Download: Artarium vom Sonntag, 23. März – Wir stellen diesmal ein Projekt rund um Ilija Trojanows aktuelle Streitschrift „Der überflüssige Mensch“ vor und begrüßen dazu im Studio die Gestalter dieses soeben entstehenden Work in Progress, unter ihnen Wolfgang Posch und Thomas Mulitzer vom Akustik-Punk-Duo TWO ON GLUE. Wir halten das für eine vortreffliche Idee, gerade den aktuellen Literaturbetrieb systemkritisch gegen den Strich zu bürsten und auch die Aussagen seiner Lieblinge auf persönliche Anwendbarkeit hin abzuklopfen. Diesem Ansinnen wollen wir uns gern anschließen und gegebenenfalls die gemeinsame Gestaltung eines Radiofeatures zum Thema „Überflüssigkeit“ oder „Entbehrlichkeit“ in Angriff nehmen. Zu unserem heurigen Themenschwerpunkt „100 Jahre Erster Weltkrieg“ passt derlei ohnehin wie die sprichwörtliche Faust aufs Auge. Siehe (oder höre) dazu die Sendungen „Krieg und Frieden – Eine Andeutung“ (Artarium) und/oder „Krieg und Frieden“ (Nachtfahrt) 😉

Individuelle TextanfertigungInteressanterweise ist der „überflüssige Mensch“ ein verbreiteter Archetyp in der russischen Literatur des 19. Jahrhunderts, und zwar meist ein gebildeter Nutznießer herrschender Verhältnisse, der die ihn umgebende Dummheit und Ungerechtigkeit erkennt, ihr aber handlungslos als gelangweilter Zuschauer begegnet. Kommt uns da nicht einiges erschreckend bekannt vor, wenn wir uns selbst inmitten des gegenwärtig konsumoptimierten Wirtschaftszaubers wahrnehmen? Das ist sicher eines der Motive, denen Trojanow folgt, wenn er die Frage aufwirft, wieso wohl jenseits von flüchtigen Empörungen keinerlei wesentliche Veränderung der Verhältnisse abzusehen ist. Noch interessanter fand ich allerdings den Umstand, dass der Archetyp des „überflüssigen Menschen“ in der Literatur auf den „Byronic Hero“ (-> Lord Byron) zurückgeht, einer Art einzelgängerisch weltabgewandten Antihelden, der seine persönliche Einmaligkeit in dauernder Rebellion gegen die Gepflogenheiten der Gesellschaft stellt. Sein Charisma besteht in der Ambivalenz zwischen Abscheu und Anziehung. Populäre Vertreter dieses Typs, mit dem wir uns nicht ungern identifizieren, wären etwa Batman, Severus Snape oder Dr. House. 😀 Kommt jetzt endlich die dicke Moralkeule, mit der Trojanow dem schlechten Gewissen unserer „Du solltest endlich etwas tun“-Spaßgesellschaft den Rest gibt? Oder stecken in der Botschaft dieses Beobachters noch viel tiefere Abgründe?

Anders gefragt, wenn ein angewiderter Außenseiter als unbeteiligter Zuschauer ein Gedicht über sein Erleben dieser Welt schreibt – wie „überflüssig“ kann das sein?

 

Krieg und Frieden – Eine Andeutung

> Download: Artarium vom Sonntag, 9. März – Erste Einstimmung auf das heuer noch öfter wiederkehrende Schwerpunktthema “100 Jahre Erster Weltkrieg” und die damit einhergehenden Fragestellungen: Was ist eigentlich Krieg – und wenn ja, gibt es überhaupt Frieden? Ist nicht gerade der erste Weltkrieg (die Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts und zugleich die ursächliche Wegbereitung des Nationalsozialismus) österreichischerseits noch um einiges gründlicher verdrängt als die Mitverantwortung am 3. Reich? Können wir mit unserer Gegenwartssprache die literarischen Zeugnisse von vor 100 Jahren noch direkt verstehen – etwa Die letzten Tage der Menschheit” von Karl Kraus oder die depressiven Gedichte von Georg Trakl? Sein Todestag jährt sich heuer ja auch zum 100. Mal – und steht in unmittelbarem Zusammenhang mit seinen traumatischen Kriegserlebnissen. Eine Überdosis Grauen wird nach wie vor als verkraftbar angesehen, der Ausweg in den Freitod bleibt ebenfalls skandalisiert …

profil 2014Das Nachrichtenmagazin profil begann im Januar mit einer bemerkenswerten Serie: Woche für Woche werden unter dem speziellen Titel “Countdown zum Krieg” Zeitungsmeldungen und Dokumente von 1914 veröffentlicht, so dass bis zur Berichterstattung über jenen 28. Juni (Attentat in Sarajevo) sowie dem daraus folgenden Beginn des ersten industriellen Kriegs im Juli/August ein atmosphärisches Grundverständnis für die vorherrschenden gesamtgesellschaftlichen Verhältnisse im damaligen Kaiserreich Österreich-Ungarn entsteht. Eine solche Aufbereitung finden wir höchst anregend, entspricht sie doch unserer eigenen Arbeitsweise, durch Audiocollagen komplexe Stimmungen hervorzurufen und sie dadurch (wieder) erlebbar zu machen:

So wollen wir die Idee eines (wenn auch unregelmäßigen) Countdowns aufgreifen und in dieser Sendung eine assoziative Text- und Musiksammlung zum Thema „Krieg und Frieden“ vorstellen. Wir bedienen uns dabei zweier wesentlicher Sprach- und Vortragskünstler, die in der Zeit nach dem 2. Weltkrieg die Schrecken und Absurditäten jedweder militärischer Konfrontation beispielhaft bearbeitet haben: Nämlich erstens Ernst Jandl, der durch seine sprachkreativen Innovationen den emotionalen Gehalt von kriegerischer Denk- und Sprechweise in unmittelbares Erleben zu übersetzen vermochte – und zweitens Helmut Qualtinger, der in seinem unnachahmlich lebhaften Vortragsstil einen der sprachmächtigsten Kritiker des ersten Weltkriegs (eben den genialen Satiriker Karl Kraus) wieder in ein breiteres Österreichbewusstsein beförderte. Zudem lesen wir selbst letzte Gedichte von Georg Trakl und begeben uns auf die Suche nach den “veralteten” Ausdrücken jener Epoche. Alles in allem dient diese Andeutung auch zur Einstimmung auf unsere 3-stündige Perlentaucher-Nachtfahrt am Freitag, 14. März, die gleichfalls dem Thema “Krieg und Frieden” gewidmet sein wird … 😉

 

Gunkl – Ein ganzes Album

-> Download: Artarium vom Sonntag, 16. Februar – „Die großen Kränkungen der Menschheit – auch schon nicht leicht“ heißt das neueste Programm des Kabarettisten, Musikers, Philosophen und leider dann doch nicht Lehrers Günther Paal (Gunkl). Letzterer Umstand hat den versessenen Wissensvermittler allerdings einem viel größeren Publikum zugänglich gemacht, als dies jemals in einem Klassenraum oder Hörsaal möglich gewesen wäre. Gern hätte er ja schon interessierte und mitdenkende Jungmenschen beim eigenständigen Forschen geistig auf Hochtouren gebracht, wie er uns einmal in einem Interview verriet. Doch nebst seinem unleugbaren Drang zur freien Themenwahl stand diesem Lebensweg auch ein Bildungssystem dawider, welches mit „verknöchert“ noch recht euphemistisch umschrieben ist. Daher freut es uns ganz besonders, dass der rastlose Aufklärungsapologet bald auch wieder in Salzburg live zu erleben sein wird – nämlich am 20. März um 20 Uhr in der ARGEkultur. 🙂

GunklWas an Gunkls aktuellem Programm auffällt, ist die Konzentration auf das Vermitteln von Wissen. Diesen Lehrer hätte man sich in allen nur erdenklichen Lerngegenständen gewünscht – eloquent vortragend, eine Assoziation nach der anderen erweckend, dabei jedoch immer nachvollziehbar und der besseren Verständlichkeit halber nachgerade hochmusikalisch pantomim. Seine altbekannten Abschweifungen ins Spaßettlhafte (wie etwa multiple Persönlichkeiten und anderes virtuelles Bühnenpersonal) bleiben hier zur Gänze aus, besser gesagt, sie treten dergestalt in den Hintergrund, dass sie gerade noch erkennbar den Vortrag bebildern, eben so, wie bei einem begnadeten Pädagogen anschauliche Anekdoten und lebensnahe Beispiele den Informationsgehalt mit der Wirklichkeit verbinden können. Ein durchaus empfehlenswerter Abend vor allem für Menschen, die mit Wissensvermittlung in welcher Weise auch immer zu tun haben, denn er ersetzt meines Erachtens eine ganze Reihe von didaktischen und dramaturgischen Lehrveranstaltungen. Praxisnäher wäre da eigentlich nur noch die Gastronomie 😉

Doch damit wir hier nicht bloß über zu habende Mahlzeiten schwadronieren, seid herzlichst zum hörenden Vorkosten in unserer Sendung eingeladen! Wir präsentieren ein mehrgängiges Menü, bestehend aus einem Interview-Ausschnitt, zwei Highlights des Programms „Grundsätzliche Betrachtungen“ sowie gut 20 Minuten aus den „Großen Kränkungen“. Den Hauptgang bildet jedenfalls das Finale furioso dieses Bildungswerks, das mit den folgenden Worten beginnt: „Dass wir Religion immer noch brauchen, das kränkt mich. Was mich aber stört, ist, dass das schon wieder so ein Thema ist.“ Dem haben wir jetzt auch wirklich nichts mehr hinzuzufügen. Außer der musikalischen Garnierung, um unsere Verdauung anzuregen.

Bon Appetit!

 

 

100x NIEWIEDER für Marko Feingold

-> Download: Artarium vom Sonntag, 26. Januar – Auf Bernhard Jennys Blog findet sich seit Marko Feingolds 100. Geburtstag folgende Beschreibung: “100xNIEWIEDER ist eine aktion, bei der 100 menschen uns ihr persönliches kurzstatement schenken, in dem sie ihren persönlichen zugang zum NIE WIEDER formulieren. die aktion startet am 28.5.2013 und dauert 100 tage, jeden tag kommt eine aussage zu wort. zum abschluss der aktion werden wir dann die 100 statements gesammelt an marko m. feingold übergeben. mit der aktion 100xNIEWIEDER wollen wir ein zeichen setzen, dass uns die überlebensgeschichte von marko m. feingold und seine unbändige energie, mit der er sich von der ersten nachkriegsstunde an bis heute für das NIE WIEDER einsetzt, ein auftrag ist, dem wir uns verpflichtet fühlen.”

100xniewiederlogoDie persönliche Überreichung der 100 Statements findet sodann am Dienstag, 28. Januar 2014 um 19 Uhr im Literaturhaus Salzburg als eine „multimediale performative Veranstaltung“ statt. Wir haben Bernhard Jenny, den Initator der Aktion, zu uns eingeladen. Mit ihm wollen wir über die Entstehung dieses Projekts sprechen sowie einige Erfahrungen damit austauschen, zumal es sich dabei ja doch um hochaktuelle Fragen nach menschlichem Miteinander in unserer heutigen und zukünftigen Gesellschaft handelt. Auf jeden Fall war es spannend zu beobachten, wie viele unterschiedliche Anregungen so nach und nach zusammen kamen – und aufregend, zuletzt auch noch einen eigenen Gedanken dazu beizutragen. Es lohnt sich bestimmt, das 100xNIEWIEDER auf Bernhards Blog (noch) einmal durchzublättern und sich davon zu einem ganz persönlichen Statement inspirieren zu lassen. Daher werden wir in der Sendung auch einige jener Aussagen vorstellen, die uns besonders angesprochen und zum Mitdenken bewegt haben:

4. 6. 2013 – NIE WIEDER: Dazu haben wir die Pflicht, niemals einen Unterschied zu machen zwischen Menschen verschiedener Herkunft. Niemals Kategorien zuzulassen, die manchen die Existenzberechtigung in diesem Land absprechen. Und immer vehement aufzuschreien, wenn Menschen verhaftet und deportiert werden, nur weil ihre Pässe die falschen Stempel tragen. corinna milborn, autorin, journalistin und moderatorin

17. 6. 2013 – mit dem nie mehr wieder bin ich aufgewachsen. ob ich aber auch damit meine tage beenden werde, wer weiß. das unmenschliche wechselt nur gewand und opfer. livia klingl, journalistin und autorin

9. 7. 2013 – Schreien, sprechen, rufen, tanzen, spielen. Provozieren, argumentieren. Erinnern, Verbindungen herstellen. Erkennen, diskutieren, aufmerksam machen – share. Nicht schweigen, nicht still sein. Riskieren. We are not alone. Also für mich: politisches Tanztheater machen und junge Leute zu beeinflussen versuchen. editta braun, choreographin

17. 8. 2013 – Vergiss nie: der andere ist MENSCH.  daniela krammer, jazzmusikerin

 

Weitere Artikel zum Thema gibts auch hier: Artarium – Das Marko Feingold Projekt

 

Zum Schluss

-> Download: Artarium vom Sonntag, 29. Dezember – Zum Jahresende hören sie das letzte Wort zum Sonntag von Norbert K.Hund – sowie ein Sammelsurium aus bislang Ungespieltem und anderwärts Verwurstetem. Und nach so viel Axel Corti (der 29. Dezember dieses Jahres ist nun tatsächlich sein 20. Todestag) auch eine Radioglosse im eigenen Stil. Selbstredend zu einem ernsten Thema, das uns immer wieder begegnet, das wir jedoch genauso oft wieder ausblenden, um halt irgendwie weiter machen zu können. Nichtsdestotrotz einer ganz wesentlichen Beobachtung beim Betrachten des Zwischenmenschlichen gewidmet – den lebensentfremdenden Nebenwirkungen von Denkgrenzen, Lustsperren und Selbstzensur in unserer Gefühls- und Phantasiewelt:

„I’m not just another Brick in the Wall“ – A geh, wirklich?

Schräger AbgangWo stehen wir heute, am Abend eines weiteren x-beliebigen Kalenderkapitels der jahrhundert-tausendjährigen Heldensaga unserer Zivilisationskultur?

Woraus bestehen all die Mauern in den Köpfen und Gefühlsleibern der ungezählt aneinander verzweifelnden Liebesentzugspatienten? Was trennt die im Grunde aufeinander zustrebenden Menschentiere so nachhaltig von der Verwirklichung ihrer Bedürfnisse, von der tatsächlichen Begegnung mit einander – und vom Wahrnehmen und Wahrmachen – von sich selbst?

Gibt es sie wirklich, die Standardausstattung aller Insassen „entwickelter“ Staatsgebilde und Staatsbehauptungen, diese „Mauer“ in unseren Herzen und Hirnen, die uns immer und immer wieder am Denken, am Fühlen, am Phantasieren hindert – sobald wir es auch nur ansatzweise und über das Vorgegebene hinaus versuchen? Rennen wir nicht alle mit der von Anfang an vorhandenen Lust des Entdeckens und Erweiterns unserer menschlichen Möglichkeiten tagein, tagaus gegen eine innere Wand – bis uns die Köpfe bluten?

Was zur Hölle geschieht mit uns, dass aus Lust schon Verlust wird, noch bevor wir überhaupt anfangen, sie zu erleben? Was zum Henker verneint uns schon im Ansatz die Ausformung einer Aussage über uns selbst, so dass wir sie nicht einmal mehr im Alleinsein zu denken wagen? Woher kommen all die verinnerlichten Denkgrenzen, Gefühlsbarrieren und Vorstellungsverhinderungen? Wie kann es das geben, dass in unserem Innersten und Intimsten längst der Seistaadstrojaner der vorauseilenden Selbstverödung haust – der uns alles abdreht, was uns zum Sein beflügeln will?