Für immer jung!

> Sendung: Artarium am Sonntag, 23. November – Das Jahr der Jubiläen hat zugeschlagen – und wir schlagen unerbittlich zurück. Gesundheit! In Würde älter werden heißt eben auch, Freude am Bock zu haben. Oder inmitten all des Verfalls jung zu bleiben an Geist und Seele. Wir zelebrieren daher ein Lebensfest der Künnste, der nie enden wollenden Möglichkeitsformen, der Einheit von Zweiheit und Freiheit in Ewigkeit, Amen 😀 Wenigstens jedoch die fröhliche Versöhnung mit dem Einstweiligen, das wir solange gestaltend bepflanzen, bis es unserem Zutun und Sein endlich entschwimmt. Wie bitte? Danke! Denn die bloße Vorstellung von verfügbarer Unendlichkeit in jedem noch so endlichen Augenblick unseres Schaffens und Erlebens – das hat schon etwas dermaßen Beruhigendes an sich, dass ich mich gleich ganz entspannt zurücklehne. Aber zuerst…

TraumbildBetween the desire
And the spasm
Between the potency
And the existence
Between the essence
And the descent
Falls the Shadow

Life is very long

T. S. Eliot – The Hollow Men

Es gibt allerdings eine spezielle Qualität des Jungseins, die es einem in jedem Alter und in jeder Lebenslage möglich macht, aus den unendlichen Ressourcen der eigenen Innenwelt zu schöpfen. Eine „Weltanschauung“ hat sowieso jede(r) von uns – die Frage ist nur, ob sie auch aus eigener Anschauung, also aus eigenen Empfindungen und aus selbstgemachten Überlegungen erwachsen ist – oder einfach aus vorhandenen Vorschriften zusammengeklaubt, also aus unbekannter Quelle als angeblich eigene Einstellung übernommen wurde. Wie belebend sind junge Männer, die im Einklang mit ihren Emotionen spontan zärtlich sein können und nicht darauf schielen, ob jemand ihr Verhalten als falsch oder richtig bewertet! Wie alt sehen dagegen jene aus, die als junge schon verkrampft versuchen, einer (wessen?) Vorstellung von sich zu entsprechen…

 

Aufmarsch der Zipfelmänner

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 26. Oktober – Zum heurigen Nationalmusiktag mit Programmschwerpunkt Szenenwechsel – Lokale Sounds aus den Freien Radios wollen wir nicht hintanhalten, den gesamtaustriakischen Alpenpop in einem satirischen Aufwasch zu erwürdigen. Denn nichts scheint uns an diesem volkstumsschwangeren Nationalfahnenfest zur Beibehaltung der geistigen Individualgesundheit so wertvoll zu sein wie eine ordentliche Portion Blasphemie in der Blasmusik. In diesem Sinne also: Willkommen bei unserer herzerfrischenden Herabwürdigung von allesamt fraglichen Heimatsymbolen. Kommet zu Hauf – und nehmet ganz unerschrocken Marschmusik, Mundartgesang oder Volksschauspiel je nach Lust und Laune auseinander, bis dass es euch freut! Oder – um es gleich auch als passendes Motto für die freie Radioarbeit zu verwursten: WIR sind das Volk – und wir spielen UNSERE Musik 😀 Aufmarsch!

lyapis trubetskoy feat. noize mc - bolt (video)Jössasmarandjosef, die Welt geht unter und das Bundesheer löst sich auch zunehmend auf. Nicht einmal flächendeckenden Schraubenschutz kann unsere Luftraumüberwachung garantieren, wenn die Trümmer aus schrottreifen Eurofightern regnen. Und was wird aus der Militärmusik?

lyapis trubetskoy feat. noize mc - bolt (video)Sollen sich die „Jungschwanz“ (so werden sie intern ja wirklich genannt) etwa pudelnackert zur Angelobung aufstellen, weil es an Uniformen fehlt? Vorm neuen Vereidigungsminister, der so heißt, weil hier ein Buchstabe eingespart werden kann. Erst das T und dann auch noch das Tätärätä?

lyapis trubetskoy feat. noize mc - bolt (video)Gemach, gemach – noch gibt es immerhin Fahne, Vogel und Staat. Und beim Auftreten von plötzlichen unerwünschten Nebelwirkungen fragen sie ihren Arzt oder Apotheker, also uns 😛 Wir begleiten euch gern durch den Wust der Zeit ans Ziel – einstweilig selbst sein, hier und jetzt

gleich zur Entspannung anschaun: Lyapis Trubetskoy feat. Noize MC – Bolt (Vimeo)

 

Keine Angst vor großen Namen

> Sendung: Artarium am Sonntag, 21. September – Eine gewisse Abenteuerlust, Begeisterung, Neugierde – und auch eine Portion Unerschrockenheit kann beim Radio nicht schaden. Berührungsängste sind bei der Begegnung mit allerlei Berühmtheiten dagegen zunächst weniger hilfreich. Doch wie können wir im Umgang mit den großen Namen unsere Natürlichkeit bewahren, wenn wir während eines Interviewgesprächs eigentlich schon vor Ehrfurcht erschauern? Und wie kann es uns gelingen, nicht so fürchterlich automatenabgebrüht zu wirken wie viele der professionell gleichgeklonten Kolleg_innen vom kommerzamtlichen Nutzfunk? Ätzend allerweltstauglich und grundlos glücksbesoffen schwallern sie einem wie die Heizdeckenverkäufer ein Loch ins Hörn! Doch unsere lebendige Zwiesprache soll solcherner Zudröhnung entgegen stehen…

Theo und LauraZu diesem Zweck bitten wir den sonnigsten Newcomer des heurigen Jahres zum Gespräch: Theo Kämmerer, gerade einmal 14 Jahre alt, der in seiner Sendung THEOS RADIO LAB schon eine Reihe von beachtlichen Interviews hervorgebracht hat. So etwa mit Galileo Extrem-Reporter Harro Füllgrabe und „Sexualkabarettistin“ Danny Meschtscherjakov. Zudem besuchte er schon einmal ein Bestattungsinstitut, unter anderem mit Fragen zum Leben nach dem Tod im Gepäck – oder er lud sich seine zumeist jugendlichen Gäst_innen auch gleich zum Livegespräch ins Studio ein. Immer eloquent, neugierig, unbefangen und in einer fast schon zen-buddhistisch anmutenden Weise gelassen naiv (als ein Unwissender an der Erkenntnis interessiert), er scheint sich einfach keinen Kopf zu machen, ob er grad eine 13-jährige Sängerin zu Gast hat – oder ob er mit einem bekannten TV-Star telefoniert. Phantastisch 😀

Gastmoderator Norbert K HundUnd weil wir hier zur Zeit auch nicht gerade unterversorgt sind mit bekannten Namen in unseren Sendungen (gerade erst waren wir mit Brita Steinwendtner live aus Schlierbach zu hören), wollen wir einmal den Gemeinsamkeiten wie auch den Unterschieden unserer jeweiligen Herangehensweisen auf die Spur kommen. Dazu erzählen wir einander am besten erstmal von unseren gelungensten Radiomomenten. Und dann schauen wir, was wir in der nächsten Zukunft noch so alles vorhaben. So will ich zum Beispiel die zwei Sondersendungen für Freitag, 26. 9. vorstellen: Einerseits die einstündige Nachtfahrt-Zusammenschau „Auf der Flucht“ (zu hören ab 19 Uhr) und andererseits das dreistündige Perlentaucher-Special (ab 22 Uhr live) mit Misha Schoeneberg, der extra aus Berlin anreist, um bei uns und im Literaturhaus das frisch erschienene Album Poem – Leonard Cohen in deutscher Sprache vorzustellen, eine Hommage an den großen Künstler zu dessen 80. Geburtstag, die wahrscheinlich nur durch Mishas jahrelange Beharrlichkeit und Übersetzungsarbeit zustande kam. Für uns ebenso sehr ein freudiges Ereignis, wie auch eine gewisse Herausforderung… So. Mehr wird jetzt aber nicht verraten. Gehts doch endlich alle nach Hause!

 

Felixwillkommen

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 17. August – Wenn jemand eine Reise tut, so kann er was verzählen. Und unser Studiogast Felix Steinhauser ist ja erst unlängst von seiner Erlebnisfahrt in diverse europäische Städte zurück gekommen. Da wollen wir doch einmal nachspüren, wie sich solches Reisen auf die kreative Gestaltung der Wortkunst auswirken kann, wie sich die Eindrücke zu Ausdrücken verdichten im Nachhall vergehender Zeit. Poesie ist nämlich zuallererst schöpferische Selbstwerdung beim Wahrnehmen der Welt, und erst danach – vielleicht, womöglich – ein Beruf aus Berufung. Dichterwerdung ist kein berechenbares Geschäft mit dem Geldwert des Marktworts – das ist billiges Geklingel, bloßes Kunstmundwerk für kommerzamtliche Literaturverbraucher. Davon zum Glück noch weitgehend unbepatzt, empfehlen wir also eine etwas andere Betrachtungsweise:

FahrtwindWir sind nackt und hilflos
unter einem brennenden Himmel
voller Sternschnuppen
das erste Mal die Einsamkeit verloren
ich hatte sie doch so lange gesucht
du hast sie mir gestohlen
Trickbetrüger
jetzt können wir gehen
meine Reise endet hier
aber unsere hätte erst begonnen

DraussenObiger Text mit dem Titel G entstand nach Felix‘ Rückkehr ins heimatliche Salzburg. Er ist auch auf seinem Blog thereisnocureforhumans zu finden, woselbst viele Wortbildkreationen zur Ausdrucksform seiner Innenwelt werden. Frühere Texte waren bereits in der Sendung Denk mal fairkehrt zu hören. Doch diesmal werden wir ihren Autor noch näher kennenlernen

Fleischlustfleischlust

das blut sei sein blut
das fleisch sei sein leib

ich gebe dir gerne war mir gehört
ich lasse mich gerne ausbeuten
ich lasse mich gerne aussperren
ich lasse mich gerne unterordnen

denn alles was er ist ist gut

diese welt ist unerhört
kein mensch darüber empört

kindergekreisch blutbeschmiert
ikea handtuch
wasser gespritzt
bauch verkümmert

 

Macht macht mobil

> Download: Artarium vom Sonntag, 27. Juli – Vom ersten Weltkrieg zum jährlichen Jedermann. Und nicht nur die Salzburger Festspiele sind die Fortführung des Krieges mit anderen Mitteln, wie eine Analyse der Machtverhältnisse zeigt. Im Verdrängungskampf der heutigen Herrscherhäuser, der Banken und Konzerne, geht es nicht viel anders zu als beim herkömmlichen Menschenschlachten und Kanonenfüttern. Das investierte Kapital fließt als Kriegsgewinn zurück in die Bilanzen der Profiteure – die Zeche zahlen da wie dort die unterbezahlten Fußsoldaten der Umwegrentabilität. Dazwischen hupfen ein paar gut bezahlte Politikdarsteller über die Bühne und erklären den hoffentlichen Mehrheiten, dass dies alles nur zu ihrem Besten geschieht. „Wenn es dem Markt (aha, noch so ein Synonym für Gott, Kaiser, Vaterland) wohl ergeht, dann wird es euch allen Eierkuchen…“

Und wer ist schuld?Wie es vielen der ursprünglich gläubig Begeisterten schon nach wenigen Wochen beim Verteidigen der „Ehre“ und anderer „höherer Werte“ ihrer jeweiligen Heimat“ erging, das lassen uns die Beiträge von Matteo Coletta erahnen, die derzeit in wöchentlichen Folgen als Stimmen aus den Schützengräben von der Radiofabrik gesendet werden. Briefe und Tagebucheinträge sowie Zeitzeugeninterviews von Soldaten des ersten Weltkriegs erwecken dabei die Geschichte wieder zum Leben und ermöglichen so eine anteilnehmende Auseinandersetzung mit den weitgehend bekannten Schreckensbildern. Eine Antwort auf die im heurigen Gedenkjahr grassierenden Spiel- und Dokumentarfilme zum Thema – mit dem Vorzug des Mediums Radio, die Vorstellungskraft der Zuhörenden zu ganz eigenen Bildwelten anzuregen.

Doch um noch einmal auf jedwede Art von Krieg zurück zu kommen, der von Mächtigen auf Kosten von Bedürftigen, von Privilegierten auf Kosten von Abhängigen geführt wird – es ist immer auch ein Krieg der Generäle gegen die eigenen Soldaten, immer ein Krieg der Obrigkeit gegen das eigene Volk. Und auch demokratisch gewählte „Volksvertreter“ meinen eigentlich oft „Untertanen“, wenn sie uns ihre „lieben Freunde“ nennen, oder so. Was das alles mit dem ablasshändlerischen Katharsisjahrmarkt auf dem Salzburger Domplatz zu tun hat, das werden wir mit etwas Ausgeschlafenheit und Glück in dieser Sendung auch noch beleuchten. Nur soviel – die findigen Erfinder der allsommerlichen Fest- und Fetzenspiele wollten damit sofort nach verlorenem Krieg und Untergang der Monarchie wieder eine „Triumphpforte österreichischer Kunst“ aufrichten. Alles klar?

Dass hier „jeder“ ein „reicher Mann“ ist – das glauben eh nur noch die Allerseligsten…

 

Ganz oben – Gar nichts

> Download: Artarium vom Sonntag, 20. Juli – Die Vorstellung von Hierarchie, Obrigkeit und Gehorsam geht (wenn auch unbewusst) stets davon aus, dass „da ganz oben“ irgend etwas sei. Was aber, wenn nicht? Dann rempeln sich die Hinaufstreber eigentlich ganz ohne Grund gegenseitig von der Karriereleiter. Wollen nur deshalb immer höher und höher, um noch mehr Untergebenen die Eigenschaften von etwas Erfundenem zu erklären – und zwar verbindlich, versteht sich! Ganz oben ist aber gar nichts. Oberhalb der obersten Obrigkeit ist bestenfalls dünne Luft – doch die lässt sich vortrefflich zu Gesetzen zerkauen, solang weiter unten noch Menschen daran glauben. Etwa, dass ihnen von oben herab angeschafft wird, wer oder wie sie zu sein hätten. Willkommen in der wundersamen Welt der -ismen – oder gehts noch -tümer?

Spieglein, SpiegleinEs ist schon so eine Sache mit den immer wiederkehrenden Gedanken, die sich zu roten Fäden und ganzen Themensträngen zusammenzwirbeln lassen – wenn man sie funktional zu einem Antwortende bringen möchte, nur um sie endlich als „erledigt“ zu begreifen, dann entfliehen sie einem sehr schnell – und man ist selbst bald genauso fertig, wie man es mit dem Denken gern gewesen wäre…

Doch diese immer wieder auftauchenden Motive im eigenen wie im gemeinsamen Denken als Fragmente und Teilaspekte eines größeren Gesamtbildes zu verstehen und sie auch immer wieder aufs Neue im eigenen Lebenszusammenhang zu interpretieren, das könnte mit der Zeit zu einer wirklichen Antwort werden, die man nicht bloß so dahermeint, sondern auf die zahllosen Fragen seiner menschlichen Existenz – darlebt. Und so greifen wir wieder einmal eines jener Themen auf, die uns nach wie vor nicht in Frieden lassen, und zwar die leidvolle Erfahrung mit der Machtausübung um der Macht willen (denn ganz oben gibt es ja nichts). Oder anders ausgedrückt – wenn einmal die Herrschaft von Menschen über Menschen beendet ist, dann können wir uns gern auch Gedanken über die Existenz Gottes machen. So rum wird eher ein Schuh draus.

 

Denk mal fairkehrt

-> Download: Artarium vom Sonntag, 22.Juni – LIVE vom fairkehrten Fest in der alten Nonntaler Hauptstraße, daher diesmal auch mit Live-Lesung und Live-Musik aus dem Fundus des etwas anderen Kunnst-Biotops! Außerdem wollen wir die Gelegenheit nutzen, um euch unsere monatliche Perlentaucher-Nachtfahrt ans Herz zu legen. Denn in dieser „musikliterarischen Gefühlsweltreise“ wechseln sich ebenfalls live gelesene Textbeiträge mit vorbereiteten Soundcollagen und Titeln aus dazu passenden Playlisten ab. Und zwar jeweils in spontaner Dramaturgie – rund um das ausgewählte Thema assoziiert. Was läge also näher, als für den Programmschluss des Radiofabrik-Außenstudios den Standort des Geschehens als inhaltliche Inspiration auf uns wirken zu lassen: Ein Kriegerdenkmal, mit den Namen aller im ersten und zweiten Weltkrieg elend zu Tode gekommenen Nonntaler – und mit der Aufschrift „Unseren Helden“…

Christopher SchmallImmer, wenn sich der Hund im Artarium wieder mal in einen Wirbel redet, freut es eine(n) so richtig, diese andere angenehme Stimme zu hören: Christopher Schmall, unentbehrlicher Freund und Coproducer 🙂 sonst seines Zeichens auch Dichter, Musikschaffender und Seelenforscher. Er ist einigen noch als Sänger der Band In Confusion in Erinnerung und war seither schon des öfteren mit seinen Solonummern und SpokenWord-Experimenten im Radio zu hören. Nun wird er zum ersten Mal seit geraumer Zeit wieder live and unplugged vor versammeltem Publikum zu erleben sein – und uns mit zwei zu diesem speziellen Setting passenden Eigenkompositionen – befremden, erfreuen – oder trösten? Wir wissen es nicht – wir können uns nur darauf einlassen! Derlei ist jedenfalls selten genug heutzutage…

Felix Vali SteinhauserEbenso rar und kostbar sind auch jene Momente, in welchen sich Potenzial plötzlich entfaltet – und wir staunenden Auges die im Erschaffen begriffene Welt betreten. So erging es uns erst unlängst, als wir beim gemeinsamen Vorlesen eigener Texte Felix Vali Steinhauser kennenlernten. Und zwar bei Writers On The Storm, einer überaus empfehlenswerten Veranstaltungsreihe des Salzburger Kunstkollektivs Bureau du Grand Mot für alle „Bühnenneulinge, heimliche SchreiberInnen und sich nicht ins RampenlichttrauerInnen“. Offenbar funktioniert diese Anstiftung zur Öffentlichkeit auch irgendwie auf wundersame Weise – denn schon zwei Monate nach unserem ersten Zusammen-Auftreten begrüßen wir ihn als poetischen Mitgestalter zur Lesung seiner Stimmungsbilder im Open-Air-Studio:

„Unbekannt erscheint mir meine Umwelt…“

-> Zur Aufzeichnung unserer Aktion für ein Deserteursdenkmal

 

Das Progressive Album

-> Download: Artarium vom Sonntag, 15. Juni – Ein selbst zusammen gestelltes Album rund um das Genre „Progressive Rock“ gibt es diesmal zu hören, und zwar ebenso Jahrzehnte- wie Generationen übergreifend! Warum nicht auch das Radiomachen und seine lieb gewordenen Gewohnheiten wieder mal progressiv betreiben? Denn der Begriff selbst bedeutet ja nichts anderes als „stetig erweiternd voranschreiten“ und so war er wohl auch in der Entwicklung der Rockmusik gemeint, als man Ende der 60er und Anfang der 70er Jahre damit anfing, die im Blues verhafteten Formen aufzubrechen und mit immer neuen Einflüssen aus anderen Musikwelten wie Jazz, Klassik oder Folklore anzureichern. So schreiten also auch wir unaufhaltsam über das Altbewährte hinaus – und interpretieren die Tradition unseres einmal im Monat vorgestellten „Ganzen Albums“ neu – im Sinne einer „Best Of Compilation“ 😉

the-schizoid-the-king-king-crimson

„Eine weitere Deutung des Begriffs stammt von Robert Fripp,  dem Gitarristen der Genrevorreiter King Crimson. Er sieht Progressive Rock weniger als stringenten Stil denn als Haltung. Diese zeichne sich aus durch den Willen zur Neudefinition der stilistischen und konzeptuellen Grenzen der Rockmusik unter Anwendung produzeduraler Abläufe (nicht Oberflächeneigenschaften) aus klassischer Musik und Jazz. Sobald sich aber aus dieser Haltung heraus ein neues Gefüge von Konventionen eines eigenen Stils entwickelt hatte, betrachtete er den progressiven Charakter als hinfällig und beendete vorerst seine Aktivitäten innerhalb des Genres. Das geschah im Jahr 1974, als die erste Inkarnation des Genres noch in seiner kommerziellen Blüte stand.[2] “ (aus Wikipedia)

traumtänzerWir haben aus dem reichhaltigen Fundus dieses oftmals zu Unrecht als „verkopftes und artifizielles Gefudel“ geschmähten Musikschaffens einige Beispiele ausgewählt, die sein kreatives Potential auch jenseits der Genregrenzen zum Ausdruck bringen: Mit einer ersten Skizze von Robert Fripp für Peter Gabriels „Here comes the Flood“ aus dem Jahr 1975 beginnend, über zwei richtige (10+ min) Prog-Rock-Hymnen von Marillion-Sänger Fish (2013) sowie von Porcupine Tree Mastermind Steven Wilson (2009), bis hin zur einzig bekannten Genesis Reunion-Aufnahme featuring Peter Gabriel „The Carpet Crawlers“ (1999) spannen wir den weiten Bogen …

Die Sätze und ihre Bezeichnungen 😀 lauten:

01 Artarium – Signation feat. Aviv Geffen (Blackfield) & Yes (Yessongs 1973)

02 Peter Gabriel & Robert Fripp – Here Comes The Flood (Skizze 1974/75)

03 Fish – Perfume River (A Feast of Consequences 2013)

04 Porcupine Tree (Steven Wilson) – Time Flies (The Incident 2009)

05 Midnight Oil – Mountains of Burma (Blue Sky Mining 1989)

06 Genesis feat. Peter Gabriel – The Carpet Crawlers 1999 (432 Hz Aufnahme)

 

Become the Media

-> Download: Artarium vom Sonntag, 25. Mai – Unser Beitrag zur Civilmedia14, die heuer vom 29. bis 31. Mai im KunstQuartier in der Bergstraße stattfindet. Wenn es schon um Community-Medien und Zivilgesellschaft geht, dann darf ein Gruß an unsere englischsprachigen Kolleg_innen von der Wortfront wider den Untergeist keinesfalls fehlen! Wir präsentieren ein Spoken-Word-Highlight: „Hellburbia“, die 27-minütige Abrechnung mit der verlogenen Doppelmoral des amerikanischen Highschoolsystems, unwiederholbar hervorgerotzt von Ex-Dead-Kennedys-Sänger Jello Biafra in seiner nunmehrigen Paraderolle als Wortwetzmeister der Patridiotennation. Ausgehend von jener blödsinnigen Pseudoempörung, welche die selbstgeschnitzten Wertewächter immer dann zu überkommen scheint, wenn wieder ein jahrelang zur Verzweiflung gequälter Jugendlicher seine Schule abfackelt und/oder seine Lehrer erschießt…

Jello Biafra…stellt Biafra hier das gesamte Wertesystem einer Gesellschaft in Frage, die selbst tragischen Eruptionen von Gewalt und Zerstörung wie etwa dem Columbine High School Massaker mit keiner anderen Regung als den üblichen reflexhaften Schuldzuweisungen mehr zu begegnen weiß. Erinnern wir uns doch wieder an die ausführliche Darstellung dieser Begebenheit in Michael Moores sozialkritischem Film „Bowling for Columbine“ – und das berührende Interview mit Marilyn Manson, der als Einziger den vernünftigen Gedanken äußerte, dass den betroffenen Schüler_innenn womöglich einmal jemand ernsthaft zuhören sollte, anstatt dauernd auf sie einzureden, wer sie sein und wie sie sich verhalten müssten. In dem Interview kommt außerdem klar zum Ausdruck, wie (absichtlich!) einseitig die Berichterstattung auch in angeblich noch so unabhängigen Medien wird, sobald einflussreiche politische, religiöse und wirtschaftliche Interessensgruppen hinter den Kulissen ihre Macht entfalten. Wir erleben jetzt gerade Ähnliches, wenn es in Zeitungsartikeln und Rundfunkprogrammen um die Darstellung der aus Überlebensnot in unseren Städten bettelnden Menschen geht – oder um die populistische Stimmungsmache unter Beschwörung der stets behaupteten Bettelmafia. Was herrscht vor?

FREIE Medien – nie waren sie so wertvoll wie heute 😉

 

Die Sendung mit der Wurst

-> Download: Artarium vom Sonntag, 18. Mai – Da haben wir jetzt also den Wurstsalat: Mal ganz abgesehen vom Neurovisions-Songcontest mit seinem musikindustriellen Massenmulm, sitzen wir auf einmal doch mit dieser verstörend betörenden Kunstfigur namens Conchita in einem Topf – und wundern uns. Nicht etwa darüber, dass wirklich jeder Unjedermann (und sei sie noch so Frau) seinihren Senf dazu quatscht. Das sind wir als gelernte Österreicher ja inzwischen gewohnt! Auch nicht so sehr über die interessante Polarisierung, die sich – von frenetischer Feude bis zu hochkochendem Hass – sogar in den Gesprächen von sonst zumeist schweigenden Mehrminderheiten auszubreiten scheint. Nein, eigentlich erstaunt uns das von Tom Neuwirth intelligent ausgedachte Irritationskonzept, mit dem die Vorstellung von gleichrangig vielfältigen Daseinsformen offenbar gerade bis in die allerhintersten Bewusstseinswinkel dringt.

Conchita WurstDa wollen wir diesmal (bei aller sonst gern geübten Kritik am konsumistischen Mainstream) in den Chor der Glückwünsche einstimmen und ein Lied für (nicht von) Conchita Wurst spielen. Wir sind das freie Radio 😉 Von einem der zahlreichen Gratulanten distanzieren wir uns aber gern und gründlich, denn der hat offensichtlich nichts von dem kapiert, was die Wurst vom Würstl gar so angenehm unterscheidet! Der selbstgebackene Retter des gottgefälligen Abendlandes und diensttuende Patriarch der wenig erfreuheitlichen Partei verfolgt ja ganz andere Ziele, wie Alexander Pollak auf derStandard.at genial ausführt: „Strache braucht Nationalismus und viel Opportunismus, um ausnahmsweise die Abweichung von Normen zu goutieren oder zumindest, wie im Falle von Conchita, schweren Herzens und wohl auch nur temporär, zu tolerieren. Doch die Abweichung von althergebrachten Normen ist nicht das, wozu Strache sie macht, sie ist nicht die seltene Ausnahme, sondern sie ist die Regel. Wer mit offenen Augen durchs Leben geht, sieht eine Realität, die mit den Normvorstellungen, die in unseren Köpfen verankert wurden, vielfach nichts gemein hat. Das mag Herausforderungen mit sich bringen. Das mag für manche verwirrend sein. In erster Linie sollte es aber etwas ganz anderes sein, nämlich selbstverständlich, oder, wie es Conchita sagen würde, richtig, wurst.“

Blau ist eine warme FarbeWas läge also in dem Zusammenhang näher, als noch ein paar weitere schöne Möglichkeiten auszupacken, mit denen sich die eigenen Normvorstellungen anregend auf den Kopf stellen lassen. Wir wollen euch also von zwei Filmen erzählen und von den Büchern, aus denen heraus sie entwickelt wurden. Zwei verschiedene Geschichten, die aber beide dazu geeignet sind, die Welt des Gewohnten wieder mal anders zu erleben – überraschend, veränderbar, zuversichtlich. Zum einen ist hier die Rede von Jonas Jonassons „Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand“der jüngst stark gekürzt, doch durchaus sehr unterhaltsam verfilmt wurde. (-> Trailer) Zum anderen vom epischen Liebesfilm „Blau ist eine warme Farbe“, einer dreistündigen Bilderflut frei nach der Graphic Novel von Julie Maroh. Während das Vorstellungswelten sprengende Element in der ersten Erzählung die Aneinanderreihung der aberwitzigsten Wendungen in Geschichte wie Gegenwart des Protagonisten ist, so wird der entsprechende Erfrischungseffekt in der zweiten Story hauptsächlich durch die Darstellung von Sexualität erreicht. Ein Umstand, der bei aller Ästhetik und Intimität nicht unumstritten bleibt, wie dieser Artikel eindrücklich zeigt: “Clem hätte sich auch in mich verliebt, wenn ich ein Junge gewesen wäre.” Und darum scheint es Maroh auch in der Hauptsache zu gehen: Dass Liebe keine Geschlechtergrenzen oder sexuelle Orientierung kennt. “Die Liebe ist etwas so Abstraktes und Unergründliches. Sie hängt von unserer Wahrnehmung und unseren Erfahrungen ab”.