Snökuken

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 31. JanuarSchneepenis, Pflückgedicht und StreetArt. Kunnst, im öffentlichen Raum? Dem Monolog der Mächtigen das Eigene entgegnen, mit Inbrunst. Hinbrunzt! Die uns angeblich allen gehörenden Lebensräume werden zunehmend verprivatisiert, das heißt den wirtschaftlichen Interessen ihrer “Besitznehmer” zweckgewidmet. Zu abstrakt? Dann nochmal langsam zum Mitdenken: Ein gewisser “Staat” in Gestalt von Bundes-, Landes- oder Gemeindeverwaltung erhebt (auf was hinauf eigentlich?) Eigentumsanspruch auf unser aller Lebensumgebung und Umwelt. Gegen Bezahlung tritt er (der Staat) dann bestimmte Rechte (unsere!) zur Verwertung des Allgemeinguts (unseres!) an “private Investoren” (anonyme Firmen oder geldschwere Einzelpersonen) ab – und verbietet uns dann die weitere Nutzung.

snökukenEin solches Geschäft kann als sittenwidrig und somit als nichtig angesehen werden, zumal es ohne Zustimmung der Miteigentümer zustande gekommen ist. “Aber das ist alles ganz legal”, werden uns die uns (das Volk) vertretenden Volksvertreter sogleich erklären, “und jede Art von Graffiti ist eine Sachbeschädigung und die Benutzung des öffentlichen Luftraums zwecks Meinungsäußerung ist eine Geschäftsstörung.” Das mag schon sein, dass seit der Erfindung der Republik Österreich und ihrer Verfassung ein paar windschiefe Juristen diesbezügliche Gesetze zu Papier geschissen haben – doch ist etwas schon deshalb wahr (und richtig), nur weil es wo geschrieben steht? Und kommen denn die Erträge aus diesen dubiosen Luftgeschäften wenigstens nachweislich “dem Volk” zugute, aus dessen Eigentum sie generiert wurden? Aber nicht doch! Statt sich im Wohlergehen des Gemeinwesens förderlich auszuwirken, verschwinden die uns listig abgeluchsten Gelder im Dickicht der internationalen Finanzwirtschaft – zur Rettung von Banken, zur Stützung von Kursen, zur Verplemperung in dysfunktionaler Repräsentation, kurz zum Sichfickenlassen von allem und jedem, was auch nur entfernt nach Investitionsklima miachtelt. Pfuigack!

barbara jesusLetztendlich wären wir gern gefragt worden, in was für einer Welt wir leben wollen – und zwar bevor man sie “zu unserem Besten” derart verunstaltet, dass wir uns in ihr kaum wiedererkennen. Letztendlich geht es dem Menschenwesen um den Dialog, um Frage und Antwort, um gemeinsames Erarbeiten von Lösungen – und nicht darum, dass uns von oben herab “Wahrheiten” übergestülpt werden, die nichts mit uns zu tun haben, aber erkennen lassen, dass sie den Interessen derer dienen, die da oben sitzen, von wo herab sie uns im Befehlston “den rechten Weg” verordnen. Gehts doch scheißen – aber bitte woanders hin! Es ist ein einziges Propagandagedröhn, das uns permanent zuquasselt, tagein, tagaus, von Schildern und Plakaten, aus Auslagen und Fernsehern, Gasthäusern, Geschäften, Nachrichten, Netzwerken, Popsongs, Radioshows, Universitäten. Die Orgel des Untergangs ist immer und überall! Und der Fleischwolf der Gedankenstopfwurst ist in unseren Köpfen, seit wir auf der Welt sind.

Sich zur erlebten Welt selbst zu äußern (in welcher Weise auch immer) ist gesund! Doch wie kann Eigenes wahrgenommen werden, solang ringsum das Fremde dröhnt? Unsere Ideen dazu: Zettelpoet Helmut Seethaler und StreetArt-Künstlerin Barbara, der Schneepenis von Göteborgoder doch der Graffiti-Krieger KIDULT, dessen brachiales Video “Visual Dictatorship” ganz neue Getreidegassen-Gefühle erzeugt?

 

Rapistsophie

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 27. DezemberRap ist Jule: Gregor Gysi interpretiert K.I.Z-Texte (Video). Zum Jahresschluss sprengen wir noch einmal alle Definitionen – und ergehen uns mit starken Frauen im Hip-Hop-Journalismus. Das deutsche Szene-Magazin “Rap Ist” onaniert nämlich nicht nur mit den Parisern des Insiderschmähs, sondern überschreitet auch absichtsvoll die Sprachgrenzen des Eingeweihten. Vor allem die weiblichen Mitglieder (sic!) konfrontieren einerseits die Deutschrapper mit Fragen nach “sexueller Gewalt gegen Frauen” in ihren Texten (ein ganz ausgezeichnetes Video!) und inszenieren andrerseits den ehemaligen Fraktionsvorsitzenden der Linkspartei als politischen Interpreten durchaus derben K.I.Z-Liedguts. Für uns eine Übersetzungsleistung, die längst überfällig war!

rapistjule1Ist es nicht ein Kennzeichen der etablierten Hoch- und Geldkultur, dass sie nur von Eingeweihten, die den vorherrschenden Code auch verstehen, konsumiert werden kann? Wo verläuft in der Hip-Hop-Szene die Grenze zwischen Selbstironie und Anpassung ans Geschäft mit der sehr elitärenrapistjule2 “Ich kann etwas, was du nicht kannst”- Kunst? Und, tut es bei solch Überlegung nicht unendlich gut, zu wissen, dass da draußen noch jemand ist, der/die immerhin eine Möglichkeit zum Erkennenkönnen eröffnet – auch für Außenstehende, auf dass sich die Welt wieder reime? Zum Glück haben wir hier in Salzburg ebenfalls rapkundiges Fachpersonal am Start, und so können wir euch einige Ausschnitte aus ein paar legendären Rap-Ist-Interviews zu Gehirn bringen, naturgemäß remixed und in den Kontext der jeweiligen Musik gesetzet. Damit nicht genug, wollen wir über diese herzliche Empfehlung hinaus noch auf einige vernachlässigte Aspekte des Rap-Genres, des Hip-Hop und Rock Crossovers und des unverständlich Fremdssprachigen verweisen, was uns gröbere Freude bereitet:

NoizeMC - Rap aus RusslandIn Deutschland sowie auch in Österreich ist ganz leicht blöd daherreden und sich dann im selbstgelassenen Darmwind des bildungsbürgerlichen Skandälchens interviewgebend zu sonnen. Hierzulande wird einfach niemand bloß wegen seiner/ihrer Texte verfolgt! Anders in Russland oder im Iran – also wo finde ich die Gespräche mit Shahin Najafi (der ja in Deutschland lebt) oder die Übersetzungen von Noize MC (der wegen seiner Aussagen bedroht wird)? Die üblichen Verdächtigen sind noch längst nicht “die Szene”, auch wenn sie Crack Ignaz dissen und “klaut Rap” so buchstabieren. Folgerichtig erweitern wir unsere Sendung um eine Koproduktion von Noize MC und Lyapis Trubetskoy “Bolt” – doch MÜSST ihr euch den Track als Video von Alexey Terehoff anschauen – erst dann werdet ihr auch unsere Visionen haben.

Käptn Peng: “Das O ist durchsichtig” (Artarium-Interview)

 

Happy Birthday, Lemmy

> Sendung: Artarium Weihnachtsspecial 24. Dezember – Ist uns heute der Heiland geboren? Damit es nicht allzu heilig (und zu still und zu leise) wird an diesem Abend, bescheren wir uns eine Geburtstagsfeier der etwas spezielleren Art: Lemmy Kilmister, Bassist und Sänger (sowie Erfinder und überhaupt Mastermind) der einigermaßen sehr harten Rockgruppe Motörhead, wird haargenau heute 70 Jahre alt. Oder auch jung, je nachdem. Wir gratulieren jedenfalls schon mal heftiglich – und bedröhnen euch mit Auszügen aus seiner Autobiographie “White Line Fever” nebst insgesamt 6 (in Worten Sex) launigen Musikstückerln aus Lemmys frohem Schaffen sowie seinem lauthalsen Umfeld. Es darf also gekracht und gescheppert werden, liebe Heiligabendgemeinde der aufmüpfigen Kinder und junggebliebenen Großeltern. Lassen wir die Sau raus!

lemmy christLemmy Christ by Carny-Kapturek. Die Zeichnung ist nebenbei das einzig wahre Bild für den heutigen Anlass, nämlich den zufällig auch am 24. Dezember geborenen Religionsverweigerer namens Ian Fraser Kilmister hochleben zu lassen, der für nicht wenige Hardrock- und Metal-Afficionados selbst so etwas wie Heilandsstatus besitzt. Und ein guter Hirte seiner Schäfchen ist er allemal, wie die Anekdoten aus seinem bewegten und kaum jemals nüchternen Leben uns beweisen. Zudem gibts die Fortsetzung (den Schluss) der Artarium-Weihnachtsgeschichte vom “barmherzigen Rumänen” zu hören, was also will das bescherungsschwangere Herz zur Feier des christlich-alpenländischen Eilighabens mehr? Vielleicht einen kleinen Vorgeschmack auf die heiligabends zu hörenden Musikalien? Also gut, dann will ich mal nicht so sein – und ergehe mich knietief im Kryptischen. Auf 3 von 6 (Sex!) Liedern singt Lemmy selbst, aber nur 2 gemeinsam mit Motörhead, eins davon ist noch dazu ein Cover. Hähähä, weiter mit der Verwirrung! Apropos, 3 von 6 (you know) Musiktiteln heißen aus Anlass des Abends “Sympathy for the Devil”, doch keinen davon spielen die Rolling Stones. Einen jedoch (sowieso das genialste Cover) Daniel Kahn, Psoy Korolenko & Oy Division (aus ihrem Album The Unternationale). Hähähähähä! Den könnt ihr euch gleich reinziehen. Und Lemmy singt wieder einmal (no, na!) vom Ende der Welt. Dann passt doch alles wunderbar zum Thema, oder?

 

Es darf gezupft werden

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 20. Dezember – Liebe Weihnachtsochs- und Eselinnen, an diesem 4. Adventsonntag packen wir noch einmal unseren Bastelsack aus und dübeln uns ein Synoptikum zusammen für eine behelfsbessere Welt. Denn nichts hilft gründlicher gegen die vorweihnachtliche Feuchtfröhlichkeit als eine gute Portion selbstkritischen Humors. Von den alsbald dräuenden Bescherungsbrimborien und Familienfestorgien einmal ganz zu schweigen – die übersteht ohnehin nur, wer sich rechtzeitig dagegen immunisiert, unterm Grüßgottbaum zum Christgsindl zu werden. “Schrille Nacht, eilige Nacht”, der Zwerg ruft, schon bald schauen wir alle drein wie Luis Trinker im Schnee. Oder wie Karl Heinrich, der nach Hause waggerlt. “Event, das ist die billigste Zeit im Jahr.” Und wir basteln uns eine Schutzimpfung!

painted structuresStill, still, still,
weil’s Kindlein schlafen will.
Maria tut es niedersingen,
ihre keusche Brust darbringen.
Still, still, still,
weil’s Kindlein schlafen will.
Schlaf, schlaf, schlaf,
mein liebes Kindlein, schlaf!
Die Englein tun schön musizieren,
vor dem Kripplein jubilieren.

Schon dieses “alte Salzburger Volkslied” offenbart erheblich Widersprüchliches, geradezu himmelschreiend Ungereimtes. Oder wie soll das arme Kindlein endlich einschlafen können, wenn es ringsumher alles andere als still zugeht? “Niedersingen” ist ja an und für sich schon eine Ausdrucksweise, die Helmpflicht für Neugeborene nahelegt. Aber dann die “Englein”, und man weiß doch, dass das Chöre waren, ganze Heerscharen sogar, wie um Himmels willen oder in drei Teufels Namen soll man bei dem ganzen Gedröhn auch nur im entferntesten an Schlaf denken? Hä? Und so sind viele der Bilder und Vorstellungen (und Weihnachtslieder, verdammt!), mit denen wir aufgewachsen wurden, voll von doppelten Böden und hintersinnigen Botschaften. (Siehe das Bild oben). Doch wie können wir nun diese Scheinwelt wieder entzaubern?

Indem wir die Wirklichkeit, die wir vorfinden, bis zu ihrer Kenntlichkeit enstellen. Oder lassen. Zerlegen wir also Weihnachtslieder, Volksmusik, Waldorfkindergärten und die Unkultur des Fernsehens. Und lassen wir uns dabei untermalen von Die Roten Rosen, Jazzkantine, Potentia Animi und vor allem Jochen Malmsheimer, der dem Format im Fernsehen eine Bußpredigt hält, dass es die postmodernen Spritzbeutel verstopft.

“Vorgang, der die Ventilation sexueller Überdruckgefühle in Eigenarbeit zum Inhalt hat.”

Schpritzmajim!

 

Abseits Andacht

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 29. NovemberHerzlich willkommen beim Adventfest der Außenseiter. Nicht beim Modelabel “Rebellische Pose”, vielmehr bei den wirklichen Grenz- und Einzelgängern der Gruppendynamik, denen schon das Vorgebetetkriegen des jeweiligen Insiderschmähs die allerheftigsten allergischen Reaktionen verursacht. Egal, ob Gott gesag haben soll, die Germanisten Bescheid wissen, der Markt verlangt oder die Presse verbeurteilt – jegliche “Szene” ist tödlich, sobald sie ihre Abweichler inquisitorisch ausgrenzt. Wir feiern die Nichtanpassung und scheißen auf gesellschaftliche Übereinkunst (diese ungeheuerliche Verblödung, die jede kreative Entwicklung durch gemeines Rechthaben abwürgt und erstickt). Eine Stellungnahme in eigener Sprache – zwischen Selbstsinn und Herdentrieb.

Herde HeinOligarch
leck mich am Arsch
Separatist
hat sich verpisst
Migrant
ist völlig abgebrannt
Autochton
muss auch irgendwo wohnen

Stärker als der Regen ist die Flut
Stärker als die Angst ist nur der Mut

Patriarch
der gar nix mehr darf
Aktivist
der nur Gemüse frisst
Friedensgarant
fährt das Land an die Wand
Homophon
klingt dem Papst sein Sohn

Schon ein komischer Heini, dieser Peter Hein (Fehlfarben). Was das jetzt alles mit dem Augustin, dem ersten Advent, der Mehrheitsmeinung oder Deutschboden zu tun hat, das müsst ihr in dieser Sendung selbst herausfinden. Wir sagen nur soviel:

Platz da!

 

ein so ein riesen haufen

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 22. November – Über die Fremdbeeinflussung zur Selbstbestimmung oder die Macht der Worte zu Christophers Geburtstag. Ein Überraschungspaket. Vervollständige die Gedichtzeile aus folgenden Vorschlägen: Ein so ein riesen Haufen – Knabbergebäck, Scheißdreck, Volltrotteln, Gedanken, Ideen – ist mir noch nie untergekommen, muss erst einmal geschissen sein, verlangt nach guter Bearbeitung, hat seine ganz eigene Dynamik, geht sich jedenfalls nicht auf einmal aus! Der Titel ist immerhin Programm, und so stellen wir wieder einmal experimentelle Texte in einen entsprechenden Zusammenhang, auf dass sich ein Riesenhaufen Inspiration zusammenbraue. Dazu verhelfen uns diesmal die Industrie-Kapelle Laibach sowie die Electronic-Poesie-Pioniere des DJ-Kollektivs Scheiterhaufen aus dem Pinzgau…

riesen haufenUnd naturgemäß Ernst Jandl, der Großmeister der Wortbildgedichte und Klangraumpoeme hinterlistiger Sinnstiftung – sowie Elfriede Gerstl, deren wunderbare Werkausgabe von Christa Gürtler und Helga Mitterbauer zum Wiederentdecken der elegant formulierten Aufmüpfigkeit einlädt. Außen dran, als ein schönes Motto:

„nur wer die unattraktivität des fragmentarischen wählt scheint mir noch glaubwürdig – man muss alles tun um sich die marktchancen zu vermasseln“

Und innen Kulturkritisches von der Hellsicht und Zuspitzung eines Pier Paolo Pasolini:

„Das Potential an Phantasie, Ärger, Widerspruchsgeist der Auftretenden wurde nicht zensiert und beschnitten, doch mussten sie sich an einen vom Subventionsgeber gewählten Ort begeben, zu einer von ihm bestimmten Zeit, das heißt, man hatte sie samt Konsulenten und Klientel unter Kontrolle. ….. Für ein kleines Honorar und ausgestattet mit dem Privileg der Darstellung ihres Abweichens betreiben sie, sich herausgehoben fühlend, ein merkwürdiges Geschäft: die Zähmung Widerspenstiger durch Verlautbarung von Widerspenstigkeit.“

 

Schuldig!

Sendung: Artarium vom Sonntag, 8. November – Zwischen ewiggestrigen und brandaktuellen Feindbildern stehen wir fassungslos da – inmitten einer Gesellschaft, die ihren Zusammenhalt nach wie vor durch die Ausgrenzung alles Artfremden zu bewerkstelligen sucht. Wie kann es sein, dass in unserer angeblich so aufgeklärten Zivilisationskultur des 21. Jahrhunderts noch immer entweder einzelne Menschen oder ganze Bevölkerungsgruppen zu Sündenböcken gemacht werden? Riecht das nicht sehr nach Religion, nach der bizarren Glaubenswelt des alten Testaments, nach Kreuzzug und Inquisition? Oder doch mehr nach Kronenzeitung, Stammtisch und Susanne Winters Aluhut? Womöglich ist die Pestilenz ja auch dieselbe, nur die Geruchsnuancen sind unterschiedlich. Halten wir zunächst Einkehr am Friedhof

ein junger dichterIch selbst war heuer zur allerseeligsten Jahreszeit am Aigner Friedhof, wo nur ein paar Meter voneinander entfernt der jüdische Kabarettist und Chansonnier Georg Kreisler sowie der deutschtümelnde NS-Lehrer und Schriftsteller Karl Springenschmid beerdigt sind. Und auch ein alter Freund von mir, der viel zu früh verstorbene Rafi Chaimowicz, ein (im krassen Gegensatz zu dem Vorgenannten) musisches Talent vielfältiger Ausprägung. Ungefähr 1990 erzählte er mir die Geschichte, wie er im Akademischen Gymnasium von zwei älteren Mitschülern kopfüber ins Klo gesteckt wurde. „Sauf des, du Judensau!“ riefen sie dabei immer wieder. Doch als er, auf mein empörtes Drängen hin, diesen Vorfall bei der Schuldirektion meldete, nötigte man ihn dort allen Ernstes dazu, die Angelegenheit zu vergessen, damit der gute Ruf der Schule nicht zu Schaden käme. Ein Wahnsinn! Diese Episode zeigt uns überdeutlich, wie ein Feindbild über Generationen hinweg weitergereicht und verfestigt wird – und wie die Opfer der Gewalt zu möglichen Tätern umgelogen werden, damit der gute Ruf der Gesellschaft nicht leidet. Ich bin ja auch einmal in diese hoch angesehene Schule gegangen worden – da weiß man, was man hat!

ein alter sängerJahrzehntelang hat er angesungen gegen den Unsinn jeder Obrigkeit, die uns mit allerlei Mythen Gläubigkeit, Patriotismus und blinden Staatsgehorsam einzutrichtern versucht. Der große ungewollte Sohn dieses neurotischen Lands der Hämmer, in dem stets derjenige als Nestbeschmutzer verfemt wird, der einen Übelstand aufzeigt – und nicht etwa derjenige, der ihn verursacht hat. Das nächste Feindbild also, dem wir uns – zusammen mit Thomas Bernhard – auch nur allzu verwandt wissen. Störer der herrschenden Ruhe und Ordnung, Asozialer, Schmarotzer, Volksschädling und Ungläubiger! Schnell kippt die Vorurteilung wieder ins Religiöse, genau, “der Nationalsozialismus war eine politische Religion” (Friedrich Heer). Und der globale Kapitalismus mit seiner Diktatur der Finanzmärkte, trägt er nicht auch die Züge eines alleinseligmachenden Glaubenssystems mit dem Anspruch auf Weltherrschaft? In Zeiten wie diesen, in denen das Kabarett fast schon wieder allein gegen die Zuschwallerung mit Machtschwatz und Glauberei anstänkert, wollen wir Georg Kreisler einmal gemeinsam mit Max Uthoff hören, der in seinem Programm “Gegendarstellung” (Video) das neuste Feindbild “Die Armen” erklärt.

Vergesst unverzüglich die großen Siege und fahrt fort, unerschütterlich, hartnäckig, ewig in Opposition, zu fordern: fahrt fort, euch mit dem Andersartigen zu identifizieren, Skandal zu machen, zu lästern!    Pier Paolo Pasolini

 

Frische Texte! Frische Texte!

> Sendung: Artarium am Sonntag, 25. Oktober – Frische Texte aus dem Salzburger Untergrund, dass es Mozart schwindlig und Gott seltsam warm ums Herz wird. Gibt es noch Gefühlsmenschen, die mit der Macht ihrer Worte gegen die widerlichen Umstände antrotzen? Die mit Sprachkunst ihr eigenes Selbst verteidigen – und nicht einem immer gefälliger werdenden Literaturmarkt hinterher hoppeln? Aber ja doch, auch und gerade in diesem zur Kunsthochburg aufgeblasenen Provinzflecken, wo sich Jedermann bereitwillig bückt, wenn der jährliche Umsatz zum Pudern kommt. Aber hier gibts jetzt die allerfrischesten Texte gegen altväterliche Zeremonialhierarchie, eventorientiertes Tourismusmarketing und nationalsozialistisch-katholische Jugenddepression. Die Wurzel allen Übens ist also die Lust an der eigenen Aussage. Im Namen des Lebens…

sophieSo sind wir denn auch besonders beglückt, mit Sophie Lustig eine der drei Autorinnen von Women at Work (Dienstag, 27. 10. um 19:30 Uhr im Literaturhaus Salzburg) bei uns zu Gästin zu haben. Zumal sie ihre eigens für diese Veranstaltung in Vorbereitung befindliche Textcollage “Jugend ohne Gott” vorstellen wird, was soviel heißt wie live performen! Kleiner Vorgeschmack gefällig?

Im Anfang war nicht das Wort, sondern der Lebenslauf. Gott hat sich zwischen den Zeilen zu verstecken – als codiertes Zeichen. Er ist nicht mehr da, und schon gar nicht, wenn man ihn gerade braucht. Er ist nicht mehr da. Er ist nicht mehr. Er ist nicht. Er ist.

Er ist in den Regentropfen, er ist in den Blättern, in den Bäumen. Er ist du und er ist ich. Und egal, ob wir ihn oder sie oder es Gott, Allah oder Hans-Peter nenen, will er nicht, dass wir unser Leben nach vorgegebenen Büchern oder Gesetzen leben, sondern erzählt uns über alles und nichts gleichzeitig.

unsere herzenMit nebenstehendem Denk-Satz aus “Jugend ohne Gott” möchte ich nun zu einem weiteren Projekt überleiten, welches unsere friedensbewegte Textschau nachhaltig befruchtet: Peer de Beer von Stoned Poets – Dichte Dichter hat einen Beitrag der Radiofabrik zu Aufgeblättert – Literatur aus der Gegend gestaltet, der am Nationalfeiertagsmontag, 26. Oktober österreichweit um 17 Uhr ausgestrahlt wird. Und darin kommen neben Lisa-Viktoria Niederberger, Marko Dinic und Peter.W. auch Chriss sowie ich selbst zu Wort – und somit eben zur Geltung – das ist für sich sprachlich ausdrückende Menschen eine soziale Grundnahrung. Um aber unserem Anspruch auf das Hörbarmachen von Schaffensprozessen in der Wortwerkstatt ebenfalls gerecht zu werden, wollen wir einen weiteren „Text in Produktion“ zu Gehör bringen, und zwar einen bislang noch nirgendwo vorgetragenen aus der Verbearbeitung von Christopher Schmalls Frohnleitner Schreibklausur-Aufzeichnungen mit dem Arbeitstitel “Dort”

Wie aber jetzt den Sack zubinden, allein die hier angerissenen Themen und Verweise zusammenführen, vielleicht unter einem Überbegriff wie Texte gegen das Monopol? Dann grab ich halt auch noch einen aus, der heißt Neues von Gott” und ist zum Lachen böse – schon beißt sich der Hund (endlich) in den Schwanz. Bitte. Danke!

 

Dicht & Doof

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 27. SeptemberIn Salzburg gab es noch nie eine deutschssprachige Punkband namens Thomas Bernhard. Und genau das ist einer der größten Fehler dieser Stadt. Denn während in Wien seit Jahrhunderten (von Nestroy bis Neuwirth) auch brutal selbstkritisches Liedgut zum guten wie zum schlechten Ton gehört, ergeht sich unser katholischer Kunstmarktflecken in der propagandistischen Beweihräucherung eigenen Schönscheins und Wichtigtums, dass einem so richtig schön schiach wird. Diese Stadt gehört schon längst nicht mehr uns. Im Musikvideo der zwei Wiener (!) Christoph & Lollo fehlen durchaus die Salzburger Örtlichkeiten im Abspann. Und das furchtbar süßliche (allerdings bitterböse) Grüß Gott Salzburg des Wieners (!) Ludwig Hirsch hat inzwischen auch schon 25 Jahre auf dem Buckel.

hombuchdandlungAuch aus Salzburg sind ja seit Thomas Bernhards „Friedhof der Wünsche und Phantasien“ kaum noch kritische Töne zu vernehmen. Stattdessen Hofberichterstattung von Festspielhelgas Fetzenspielen oder vom volksbrauchbesoffenen Trachtenanfall Rupertikirtag quer durch alle Medien – vor allem aus dem devotionalen Landesstudio des österreichischen Unfugs

Da müssen halt auch wir auf die Altwiener Tradition des gepflegten Protestsongs zurückgreifen und den Wolfgang-Ambros-Text von Hoiba Zwöfe aus dem Jahr 1976 nachträglich versalzburgern, um dem hier vorherrschenden Dultdunst aus Bier und Bratwurst (der hier alles niederquatschenden Geldkunst aus Gier und Staatswurst) etwas halbwegs Ketzerisches entgegen zu theatern. Und das hört sich dann so an:

Von ana Szene kann ma bei uns übahaupt ned sprech’n,
ollas dasauft im Stieglbier, es is zum Erbrech’n.
In dera Beziehung is‘ bei uns zum Scheiß’n
und es schaut ned so aus ois ob’s es irgendwann g’neiss’n.
Oba wozu wüst di aufreg’n, so is des hoid,
am Best’n is‘ du schaust dazua und wirst recht schnö oid.
Stöh da amoi vua, dass bei uns a Konzert is
wo’st fia de Koat’n nur sovü zoist, wos a wert is!
Des tät uns jo des ganze Image vaderb’n
weu Soizbuag is und bleibt…
de Stodt zum Sterb’n!

 

Der Herr Hund

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 9. August – Es entspricht dem Wesen eines Hundes, dass dieser mehr oder weniger überall seine neugierige Nase hineinsteckt – auch wenns ein Haufen Scheiß ist. Und so gestalte ich in Entbehrung des auswärts abenteuernden Chriss diesmal wieder ein Soloprogramm aus allerlei hier wie dort zusammengeklau(b)ten Duftproben. Von japanischer Popkultur über den Primat der Ökonomie bis zum Gitarrensound der 90er lasse ich ein paar illustre wie obskure Zaunzeugen des Weltgehens ihr Charmebein schwingen: Pizzicato Five, Joesi Prokopetz, Frank Zappa, PeterLicht, Abie Nathan, Hanns Dieter Hüsch, Eroc (Grobschnitt) sowie Busch (die Band). Und weil genug niemals genug sein kann, lass ich auch mich selbst noch auf uns los – und zu Wort kommen. Kleiner Vorgeschmack gefällig?

Der Herr HundGenial trifft es etwa PeterLicht, der 2006 sein Album „Lieder vom Ende des Kapitalismus“ nannte und darin die folgende realexistierende bundesdeutsche Presseaussendung zum Kultsong erhob: „Die Arbeitgeberverbände befürworten Benimmunterricht an den Schulen. BDA-Präsident Hundt sagte: Schulabgängern fehlt oft die Kenntnis einfacher Regeln des Zusammenlebens.“

Ich für meine Person distanziere mich hier ganz ausdrücklich von jeder Namensvelwechsrung!

Es ist sowieso nicht einfach, das Wesen des Hundes in der Popkultur zu erfassen. Wo riechen wir hin, was brunzen wir an – und wen beißen wir? Die Rolle des Wachhunds (und kommissarischen Hüters) der Errungenschaften des freien Radios erfülle ich ja (nomen est omen) durchaus gern mit Leben – dem, das ich bin. Jedoch worin bestehen diese Errungenschaften – im Gegensatz zum Grund- und Bodensitz privatöffentlich-kommerzrechtlichen Verallgemainstreams? Oder – im Spannungsfeld zwischen der freien Meinung und einem Thema? Lassen wir uns dazu am besten eine Collage dreier Statements aus dem Land der lebenden Phantasie in die Seele sickern: „The Voice of Peace – ein Kunnst-Biotop – zwei Welten, eine Familie“ und machen wir uns wieder einmal in bewährter Weise selbst einen Reim daraus!

Denn solang wir darauf warten, dass uns die Irgendwers den Weg zeigen, solang warten wir darauf

PS. Der gegen Ende der Sendung in Auszügen verlesene Artikel von Erhard Glötzl findet sich übrigens in der Zeitschrift für Sozialökonomie (1999) – hier als PDF-Download.