Vielkommen Osternreich

> Sendung: Artarium vom Osternsonntag, 21. April – Und Jesus sprach: “Macht irgendwas mit Hasen!” Oder wie wäre solch ein behoppeltes Auferstehungsfest sonst möglich gewesen? Verdanken wir es den Christen oder doch den Germanen? Oder irgendeinem lustigen Papst, der eine Vorliebe für irgendwas mit Eiern hatte? Die Kirchengeschichte war ja immer schon reich an bizarren Einfällen jenseits von Sinn und Verstand, also versuchen wir diesmal auch eine “etwas andere” Deutung: Von den Germanen über den “deutschen” Papst bis hin zu Rammstein. O du mein Osternreich, ich bezwetschkige mich vor jedem Obstgarten! Dein ist das Dings und das Bums in Ähnlichkeit, Hasen. Wir senden das Frühlingsfest des Eierlikörs aus der Alpenfestung der guten Laune. Und jetzt Andacht an den Empfängnisgeräten!

OsternreichWie wir aus unserer langjährigen Befassung mit der abendländischen Popkultur gelernt haben, geschieht längst nichts mehr Neues unter der Sonne. Aber es gibt noch unendlich viele Möglichkeitsformen, das Vorhandene in immer neue Zusammenhänge zu stellen, um ihm dergestalt unbekannte Bedeutungen zu entlocken. Und genau das wollen wir hier und jetzt tun. Denn die einzelnen Beiträge, etwa von Tommy Krappweis (Hasen), von Hagen Rether (Papst) oder von Klaus Kinski (in der Fassung von Seid was ihr wollt als “Kinskis Villon” bekannt) haben wir allesamt schon zur einen oder anderen Gelegenheit gespielt. Nur dieses Mal ergeben sich bislang unentdeckte Betrachtungsweisen durch Beiziehung aktueller Ereignisse. So hat der Ratzinger Sepp (als inzwischen “emeritierter” Ex- oder halt irgendwie noch Zweit-Papst) kürzlich festgestellt, dass die sexuelle Revolution der 68er für das Missbrauchssystem in der katholischen Kirche verantwortlich ist. Brimborium in senilis trullala? Oder wie meine Fußpflegerin sagt: “Das Grundproblem ist das Bedürfnis so vieler Menschen, lieber etwas zu glauben als sich wirklich auszukennen.” Aber was reg ich mich auf… Spannen wir doch einen Bogen von der Zwangschristianisierung der Ureinwohner über die Kondomwerbung in Polen bis hin zur allerkünstlichsten Lufterregung der letzten Tage, dem Rammstein-Video “Deutschland” (hier über einen Zeitungsartikel aus der Schweiz, um die feuilletonweite Schnappatmerei zu umschiffen). Jössasna!

Hat es noch nie einen Diskurs gegeben? Hat sich auch Geschichte nie ereignet? Schlag nach beim Slowenen oder “Kärnten deibt bleutsch!” Lauter Luftnummern zwecks Auflage und Einschaltquote. Was lässt sich sonst noch sagen? Osternreich ist eine theologische Seppublik – und wir wünschen euch trotz alledem frohe Eier!

 

An einem Sonntag im April

> Sendung: Artarium vom Palmsonntag, 14. April – Das dritte deutschsprachige Album der sehr speziellen Element Of Crime rund um Sänger und Texteschreiber Sven Regener erschien im Jahr 1994 und passt allein schon vom Titel her perfekt in diesen Frühling. Und es passt endlich auch einmal die stilistische Zuordnung zum Gefühlsgehalt des hier Gehörten: “Melancholisch-chansonesk” sei deren Musik laut Wikipedia-Artikel, da waren wohl diesmal wortkreativere Autor_innen am Werk als sonst üblich in Klugscheißingen. Ob das daran liegt, dass der erwähnte Herr Sven seit seinem Debütroman “Herr Lehmann” vor allem als Schriftsteller unterwegs ist? Hoffnung ist eben rar in diesen Unzeiten, da bastelt man sich lieber selbst eine, aus jeder noch so alten “Stirbt-zuletzt-Tube” vom Papierstrand der Möglichkeitsform

An einem Sonntag im AprilSeit ihrem ersten deutschtextigen Album “Damals hinterm Mond” hab ich mich immer wieder gern in den abgründigen Miniaturen dieser Meister des gefährdenden Gefühls verloren. In ihren oftmals surreal anmutenden Liedern treffen sich Anmut und Resignation, Extase und Verzweiflung, Erschrecken und Gelassenheit in unglaublich ausgewogener Ambivalenz. Viel später erst hab ich sie live gesehen: Ihre Präsenz und Präzision in all der erkennbaren Verlebtheit, das setzte erst recht noch eins drauf! “An einem Sonntag im April” schließt mit einem wunderschönen Chanson, von dem die hervorragende Interpretation der Diseuse Georgette Dee fast noch bekannter ist. “An Land” spielt (wie viele von Regeners Texten) mit den Naturgewalten, die sowohl innerhalb als auch außerhalb des Menschen wirken. Wir lieben das mit der Kuh:

Heute wird wohl kein Schiff mehr gehn
und keiner geht vor die Tür
Alle sind heute verschüchtert
nur ich bin es nicht, und das liegt an dir
Am Fenster fliegt eine Kuh vorbei
da kommt jede Hilfe zu spät

Ein Glas auf die Kuh und eins auf die See

Präzision und Melancholie jenseits von Fieberzapferlromantik und Gute-Laune-Radio. Wir hegen die Hoffnung, dass es noch Hoffnung gibt. Ein Glas auf uns!

 

Alle Macht der Poesie

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 31. MärzPoesie UND Widerstand?

Jetzt eine Insel finden und in seentiefem Blau
von Opiaten überwölkt nach innen sinken.
Nur nichts von außen. An der eignen Wesensschau
den Lebensrest verzaubernd sich betrinken.
Und doch: selbst mit verschlossnen Ohren
kann ich den anderen Wirklichkeiten nicht entfliehn.
Denn leider kann sich keiner ungeschoren
auf Dauer in die eigne Welt verziehn.

alle macht der poesieDieses Gedicht von Konstantin Wecker eröffnet einen Reigen von Beiträgen, die wir als ein Vorbereit auf die kommende Perlentaucher-Nachtfahrt “Buchstabensumpf” (am Freitag, 14. April) verstehen. Die eigentliche Arbeitsidee dazu war ja, endlich einmal viele unserer “Lieblingstexte” aufmarschieren zu lassen – aber das geht sich weder in einer noch in drei Stunden aus. Also hier nun als erster Teil die Vorspeis.

Deiner Ordnung, Fehlberechnung, Bildungslücke
entspringt dein Gott in deinem Fall die Barbarei.
Aus diesem Grund und einem Keller voller Leichen
zieht es Deutschland nach Europa
und ohne sich zu öffnen stellt es Weichen,
um Schuld und Angst gleich unter Gleichen fernzuhalten,
sich mit Sicherheit noch weiter zu verdrängen
in ein totales Sinn- und Sein- und Zeitbedürfnis

Jochen Distelmeyer, Blumfeld – L’état et moi

poesie der macht alleEntwarnung: Wenn wir “unsere Lieblingstexte” sagen, meinen wir damit nicht die quotenwillkürliche Aneinanderreihung von irgendwie bekannten und beliebten Beiträgen in Gestalt einer “Was i gern hör”-Darbietung für statistisch erfasste Underground-Patient_innen. Uns geht es aus persönlichen Gründen nur um jene Art von Poesie, die wir zur Inspiration fürs eigene Leben verwenden wollen, wie auch immer.

Doch wir werden an dieser Stelle
so nicht enden
wie ein fallender Stern.
Denn wer saufen kann kann auch ausschlafen
und den Tag in die Matratze drücken
bis ihm das Kissen an der Backe klebt.

PeterLicht – Es bleibt uns der Wind (Du bist richtig hier)

In der Welt der Poesie gelten eigene Gesetze. Und die der Realitäter_innen und ihrer Staatsmachtkasperln können darin aufgelöst werden. Oder wer Ohren hat

Aber ich deute nur an.

 

Kann Spuren von Hasen enthalten

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 24. März – Oder von Hans Platzgumer. Doch schön der Reihe nach: Christopher Schmall, in unserem Kunnst-Biotop bekannt als “der Hase”, gibt just an diesem Sonntag eine Auswärts-Lesung, und zwar um 20 Uhr im Café Anno zu Wien. Und so stehe ich vor der Aufgabe, hierohrs unterhaltsam zu solieren. Zuvor muss ich allerdings tief in mein schwangeres Hirn tauchen, um nach Möglichkeit rechtzeits eine Idee zu gebären. Es sollen ja hier Verbindungen gestiftet sein – aus Text, Musik – und den Zuständen gemeinsamen Erlebens. Grübelgrübel. Haben wir nicht unlängst diesen speziellen Aura-Anthropica-Remix eines Titels aus “Nervöse Welt” gespielt? Die Jüngeren unter unseren Hör erinnern. Aura was? Und Hans Platzgumer – schreibt der nicht auch? Eben. Da ist der Zusammenhang.

Aura Anthropica - Texte für den HasenZusammen sind wirdie Hasen! Oder die Festspielpräsidentin in dieser provinziellen Welthauptstadt des katholischen Konsumterrors. Jedenfalls sprachverliebt und ganz und gar gegen die Zerdummmung derselben durch Nutzbrauch und Zweck eingestellt. Wir ergehen uns stattdessen lustvoll in den kreativen Wortlandschaften jener Mitwesen, die noch aus eigenem Empfinden etwas zum Zustand unserer Welt auszusagen verstehen. Bei denen Sprache nicht vorprogrammiert, sondern selbstgewählt geschieht. Also wird der Hund in dieser Sendung Texte vom Hasen zum Besten geben und auch vom Platzgumer Hans, dessen musikalisches Schaffen dieselben feinst umrahmt. Da gibt es zunächst H. P. Zinker auf die Ohren, hernach Aura Anthropica sowie das von ihm produzierte STROM von The who the what the yeah. Zur (Wieder)Entdeckung der wunderbaren Vokalnummern auf Aura Anthropica (1997) gibt es ein angenehm genrefernes Review “Don’t cry for me, Austria!” im Evolver mit einem zutreffenden Zitat: “HP spielt nach wie vor in seiner eigenen Liga, und er hat vollkommen neue Spielregeln festgelegt. Bei der Musik, bei den Texten.” Aus all dem hier Erwähnten kann durchaus destilliert werden, weshalb sich genau diese unüblichen Verdächtigen bei meinem Solo für einen Hasen wechselseitig das Wort aus dem Kopf nehmen:

Ich habe meine Handschrift geändert,
meine Stimme verstellt,
einen falschen Namen angenommen,
der sich als richtig herausstellt.
Sie werden all das
gegen mich verwenden,
wenn meine Maske fällt,
wenn sie mich erkennen.

The who the what the yeah – Palindrom (Text von Martin Konvicka)

 

Verdutzend

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 17. März – Die wortkreative Entsprechung zu Salzteigprothese muss einfach Vollkornschraubenschlüssel sein. Verdutzend? Den Ein- und Ausgeweihten wird schnell bewusst, worum es hier geht: Vor inzwischen zwölf Jahren (in Worten 12) erschuf der nimmermüde Querkünstler Peter.W. die Sendereihe Artarium und somit ist das Dutzend voll. Uns verdutzen seitdem die schöpferischen Spätfolgen dieser Unternehmung aufs vortrefflichste – und immer wieder aufs neue! Zur Würdigung dieses Umstands, liebe Schlagerfreunde, wollen wir diesmal einem ebenso umtriebigen Wortschwurbler und Zusammenhangstifter unser Gehör leihen, nämlich Rainald Grebe, dieser Allroundrampensau zwischen Wahnsinn und Erfolg. Und wir wollen ihm dabei sogar sein abgeschlossenes Studium verzeihen. Kunnst!

Im Verdutzend billigerVolksbildnerischer Exkurs: Verdutzend als titelspendende Wortvermischung aus Dutzend und verdutzt vereint zwei etymologisch nicht verwandte Begriffe zu einer bisher dergestalt noch nicht dagewesenen Bedeutungsebene. Durch die absichtliche Legierung der beiden Wortelemente entsteht ein Kunstsinngehalt, der wiederum zu selbsteigenem Sprachspiel weiter entwickelt werden kann. Womit wir bei den philosophischen Grundfragen angelangt wären: Was ist ein Künstler? Warum gibt es kein bedingungsfreies Grundeinkommen? Und wann gibts endlich Mittagessen? Diese höchst ernsten Probleme der Zivilisation (und der mit ihr verbundenen Müdigkeit) werden wir hier in gewohnt ironischer Weise verhandeln, indem wir die Wirklichkeit bis zu ihrer Kenntlichkeit entstellen. Damit sie uns nicht allzusehr verwirrt, die Verwirrklichkeit. Ein Kunstuniversum ist eben keine Hochschulvorlesung übers Reimeschmieden.

Höchst hörenswert ist jedenfalls die bei Freirad in Innsbruck produzierte Sendereihe Ethnoskop – Kultur für die Ohren, die zudem an jedem zweiten Sonntag im Monat um 18 Uhr (also gleich nach dem Artarium) auf den Frequenzen der Radiofabrik gut zu hören ist. Wir freuen uns immer wieder über deren thematische und gestalterische Vielschichtigkeit – und eben auch darüber, dass der von uns so geschätzte Rainald Grebe dortselbst des öfteren zu (meist gesungenem) Wort kommt. Ein vielfaches Hoch also auf die gepflegte Collage aus Strandgut und Kultur. Zur Einstimmung wie auch zur Abrundung ein Amuse Geule zur anregenden Verdauung des 20. Jahrhunderts

 

Soap&Skin

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 10. März“Es ist schon unglaublich, dass ich nicht vollkommen verrückt geworden bin.” So äußert sich Anja Plaschg im Rückblick auf den überhitzten Hype, der beim Erscheinen ihres Debutalbums “Lovetune for Vacuum” vor rund 10 Jahren um sie entfesselt wurde. Mit was für Prädikaten wurde sie da nicht zugestülpt, “Schmerzensfrau“ etwa, “Popwunderkind” oder “Dunkle Prinzessin”, von einer immer mehr nach der nächsten Verkaufbarkeit geifernden Kuhzunft, die einem jede Zukunft verdreht, bis man schlussendlich schwindlig wird. “Du, ich habe Angst vor dieser Begegnung”, sagt ihr Julia Friese im Musikexpress, “ich habe Angst, weil ich so viele Interviews mit dir gesehen habe, und es immer wirkt, als fändest du es richtig, richtig scheiße interviewt zu werden.” Wir nähern uns an…

Soap&SkinDas im obigen Kontext verlinkte Video (Giermann & Stressemann) ist ein erbrecherischer Tiefpunkt im österreichüblichen Verhältnis von Medien und Kunst. Was nicht in die Verwurstmaschin des Brauchbaren passt, wird solange gequetscht und zerpresst, bis man es doch noch zu Erregungsgeld machen kann, oder halt weggeschmissen und ignoriert. Also was reden und schreiben, wenn man selbst nicht auch noch vollends deppert und gschissen sein mag? Über das aktuelle Album von Soap&Skin mit dem sympathischen Doppeltitel “From Gas to Solid / You are my Friend” KEINE interpretativen Verdeutungen ausschwitzen! Stattdessen etwas aus dem eigenen Erleben erzählen, was “den Abertausenden, wie sie einer sind” nie eingefallen wäre. Ja, genau SIE – mit unseren Hörer_innen sind wir nämlich per DU. Zunächst einmal wachte ich vorgestern erstmals mit einem Ohrwurm auf, der sich nicht etwa durch irgendein bekanntes musikalisches Stilmittel von außen ins Bewusstsein geschlichen, sondern sich in seiner Gesamtstimmung irgendwie von innen herauf im Unterbewussten ausgebreitet hatte: das Gesamtkunstwerk “Heal” aus ebendiesem besonderen Album, das wir euch diesmal vorwürdigen wollen. Ohne Genrezuschreibung, ohne Hineingeheimnis, ohne Interpretation. Einfach Soap&Skin.

 

Zusammenhang

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 24. FebruarPutin nimmt die Krim, in Nordkorea wohnt der dicke Kim. Die Rohrdommel hockt im Rohr, ich vorm Monitor. Wo ist der Zusammenhang?“ Dieses schöne Lied von Rainald Grebe wollen wir als Motto für eine Sendung verwenden, die alles Mögliche nachliefert, was uns in letzter Zeit aus Zeitgründen einfach nicht mehr möglich (zu senden) war. Ein Sammelsurdium an nicht gemachten Anmerkungen, eingesparten Abschweifungen und unausgegorenen Ideen. Und ein alter Kreisky-Witz, der aber immerhin die Krise der Sozialdemokratie erklärt. Denn in einem Weltkrieg der Wirtschaft gegen den Menschen kann es nicht darum gehen, ein paar Erleichterungen beim Zerquetschtwerden zu etablieren, sondern nur darum, dass er endlich aufhört! Liebe Mit- und Ohneglieder (und -innen), so is des…

Wo ist der ZusammenhangSpiegel geht in Scherben
Scherben bringen Glück
Sammel sie auf, und dann schreib was drauf, und dann hol dir deine Geschichte zurück! Und dann:
Yin und Yang, Kling und Klang,
Sing und Sang: Das Lied vom Zusammenhang.

In diesem reichen wir auch einen Ausschnitt aus dem griechischen Dokumentarfilm “AGORÁ – Von der Demokratie zum Markt” samt deutscher Textübertragung nach, der für unsere letzte Sendung “25 Jahre Studio West” eingeplant war. Genauso wie die Musik des antikapitalistischen Kunstkollektivs SNOG – hier eine frühe Videoarbeit zum sprechenden Titel “Corporate Slave” mit Zitaten aus dem medienkritischen Film “Network”. Schnitt. In einem bei “Serienköpferln aus der Nutzmenschenbatterie” (Uwe Dick) weithin beliebten Musikantenstadl-Deppenaufmarsch erklären Sebastian Moik und sein Vize Hias-Christian den Grundsatz ihres politischen Handelns wie folgt: “Schaug hi, da liegt a toter Fisch im Wasser – den moch ma hin!” Wo da jetzt der eingangs erwähnte Zusammenhang ist, das dürft ihr euch gern selbst beantworten…

Der Koran ist ein krasser Schmöker,
viele nehmen ihn wörtlich.
Ich geh lieber in die Kneipe
und betäube mich örtlich,
und suche den Zusammenhang.
Suche den Zusammenhang

Viel Vergnügen

 

Midnight Oil – diesfalls LIVE

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 10. Februar – Muss ich denn wirklich jedesmal einen Roman von einem Artikel schreiben hier? Nein, muss ich nicht. Ich enthebe mich der (Selbst)verpflichtung, begnadige mich, spreche mich frei. “Es ist eben alles schon gesagt (Karl Valentin) nur halt nicht von jedem”. Also, was über die Band Midnight Oil (und meine persönliche Freude an ihr) in Erfahrung zu bringen ist, das lässt sich auch diesem Artarium-Eintrag vom Januar 2018 entnehmen. Damals haben wir “ein ganzes Album” aus verschiedenen ihrer Studioaufnahmen zusammen gestellt. Und diesesmal gibts eine Kompilation von Liveaufnahmen, pikanterweise einem 1991 offiziell nicht erschienenen Bootleg entnommen, der einem nichtsdestoweniger da oder dort zum Kauf angeboten wird. Es soll ja Leute geben, die aus allem ein Geschäft machen

Midnight Oil CoverBei uns geht es um Stimmung und Atmosphäre, weshalb wir in dieser Sendung auch noch eine obskure Unplugged-Version der Midnight-Oil-Ballade “In the Valley” spielen. Damit wollen wir die mannigfachen Möglichkeiten des Musikmachens akustisch illustrieren. Und guad is

When my mother went down
it was a stiff arm from Hades
Life surprises and tears
you like the southerly
She always welcomed the spring
always welcomed the stranger
I don’t see too many around like this
Oh no, that’s what I’m looking for,
yeah, what we’re looking for

In the valley I walk
who will take me there
In the valley I walk
cold comfort I can hear you talk
In the valley I walk
I took some comfort there
In the valley I walk
oh rough justice I hear you talk
In the valley I walk
to meet my watershed

 

Der erste Einidruck

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 20. Januar – Die flächendeckende Zerdepperung alles Menschlichen schreitet schier unaufhaltbar voran. Es ist mittlerweile egal, ob etwas sinnvoll ist – Haupsache, viele bunte Lichtlein und Tschinderassabums. Hat nicht Pier Paolo Pasolini schon in den 70ern voraus gewusst, wie ein weltumspannender Konsumismus jedwede Kultur zielstrebig zersetzt und so die Bevölkerung zum fügsamen Massengatsch fürs Marketing zurecht züchtet? Hat nicht Uwe Dick (auch schon in den 70ern) hellgesehen, wie “Massenblödien, Quasselödien und Kassenschmähdien” die einschläfernde Volksverödung nach den heimlichen Interessen der Machthaberer betreiben? “Wählen sie uns, wir werden ihnen … Trullala.” Was also macht gute Kunst aus?

Ein EinidruckSich selbst einen Eindruck machen können – und eben nicht sich einen Einidruck machen lassen. Das wäre schon mal eine brauchbare Geisteshaltung. Doch in Zeiten zunehmender marktschreierischer Beplärrung einer jeden noch so sinnfreien Produktblähung wird es immer schwieriger, den Kurs seiner eigenen Gefühle und Bedürfnisse zu halten. Sich als Künstler in etwas hinein versetzen – und das dann dergestalt darstellen können, dass es beim Publikum hypnotisch wirkt, also einen Sog erzeugt. Jedoch nicht mit den Waffen der Werbepsychologie dem Publikum argtückisch und heimlistig etwas hinein vorsetzen, das die zu diesem Zweck künstlich erregten Gefühle und Bedürfnisse befriedigt. Dieses ganze Market-Ding ist nichts weiter als äußerer Druck, der so hinterfotzig ausgeübt wird, dass die meisten Patienten ihn als inneren Sog empfinden. Einen solchen “Einidruck” bezeichneten wir früher zutreffenderweise als “einidruckerisches Verhalten” (“Wos wüst ma do leicht scho wieda einidruckn?”). Personen mit dieser Eigenschaft empfanden wir als unsympathische, schleimige Kriechwesen, vor denen zu fliehen ein guter Rat und auch nicht teuer war. Heutigen Tags aber ist genau diese zutiefst ungute, ihre eigentlichen Absichten versteckende Herangehensweise ein gesetzlich geschützter Standard in unserer Marktwirtschaft. “Jo homs eich denn olle ins Hirn gschissn?” Diese rhetorische Frage muss man mit “JA” beantworten. Dazu Goethe: “So fühlt man Absicht, und man ist verstimmt.”

Was aber können wir tun, um der allgemein anerkannten (“Jo des is hoid heit a so.”) globalisierten Prostitution (sich für Geld pimpern lassen) gehörig gegen den Strich und somit am Arsch zu gehen? Etwas Echtes im Sinn der guten Kunst vorbringen, Texte von Peter Gabriel zum Beispiel oder ätzende Satire auf politische Korrektheit von Lisa Eckhart: “Die heilige Kuh hat BSE.”

PS. Antithese zur normativen Kraft des Fuckigen: Kein sinnvolles Produkt braucht ständig einidruckerische Promotion, keine ordentliche Politik braucht nervtötende künstliche Beklatschung. Je mehr für etwas fortwährend die Werbetrommel gerührt wird, desto unbrauchbarer und unnötiger ist es. Schon Schön Färberei ist Betrug

 

Peter Gabriel – Deutsches Album

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 13. Januar – Gibt man Peter Gabriel in die Suchzeile des Artarium-Blogs ein, so erscheinen zahlreiche Artikel/Einträge, die auf diverse Aspekte seines vielseitigen Schaffens Bezug nehmen. Und offenbar ist noch immer kein Ende in Sicht: Diesmal stellen wir ein weiteres Projekt des immer umgetriebenen Slow-Workers in den Mittelpunkt unserer Betrachtungen, nämlich die 1982 als “Deutsches Album” erschienene Version von Peter Gabriel IV (auch als Security bekannt). Nicht zu velwechsern mit “Ein deutsches Album” von 1980, für welches ebenfalls der deutsche Filmemacher Horst Königstein seine sehr spezielle Nachdichtung der Songtexte angefertigt hat. Über seine Herangehensweise dabei gibt er hier in diesem Gespräch mit dem Deutschen Genesis Fanclub it Auskunft.

Peter Gabriel - Deutsches AlbumLetzterer ist übrigens ein schöner Beweis dafür, dass sich in Dresden nicht bloß Volksidioten tumbeln… Vielmehr eine der inzwischen selten gewordenen Online-Quellen, aus denen sich sauberer Saft schöpfen lässt, aufmerksam, detailverliebt, sprachgenau. So erschloss sich mir etwa durch Lektüre des Interviews mit Horst Königstein, weshalb ich die deutschsprachigen Texte von Peter Gabriel seit den 80ern immer als irgendwie befremdend empfand. Doch waren es genau diese Texte samt ihrer höchst eigentümlichen Darsingung, welche die als “Ein deutsches Album” sowie als “Deutsches Album” herausgebrachten Werke erst zu wirklich eigenständigen Arbeiten gemacht haben. Zum noch besseren Verständnis sei daher hier das CD-Booklet des heutigen ganzen Albums angeboten. Und der Refrain des Songtexts von “Handauflegen” angeführt:

Die Wärme fließt noch in mir
Und ich spür, du kennst micht gut
Kein Glück, kein Los zu fassen
Alles liegt allein bei dir
Es ist wie es ist
Weil nichts Zufall ist – auch hier

Komm zu mir – leg die Hände auf
Bin bereit – leg die Hände auf
Glaube! – leg die Hände auf