Autor Emocion

Podcast/Download: Das Artarium vom Sonntag, 8. Juni stellt den jungen Autor Damien Thomas vor. Nachgerade zwangsläufig. Denn auch dieses Jahr besuchten wir die von der Salzburger Autorengruppe veranstaltete Schulschluss-Lesung im Literaturhaus, gekonnt in Szene gesetzt von Gerlinde Weinmüller. Eine Menge frischer Talente aus dem Dunstkreis ihrer Kreativ-Schreiben-Gruppe zeigten als „Blitzlichtgewitter“ sprachliche Momentaufnahmen – klick, klick, klick – Spot on, Spot off. – Schon im letzten Sommer begeisterte uns das Programm „Provokationen“ dermaßen, dass wir zwei Sendungen dazu gestalteten, das gleichnamige Feature mit AutorInnen sowie die Nachtfahrt „Speak Your Mind“ – und auch heuer sind wir die Perlentaucher:

Etwa im ersten Drittel der Veranstaltung nahm ganz außen am Podium ein sympathischer Typ mit Stirnband Platz und lächelte scheu ins Licht. Dann wurde er angekündigt: „Ich bin ein ziemlicher Optimist – für einen Pessimisten. Wenn ich schreibe, dann lege ich die Maske ab, die mir die Gesellschaft aufzwingt.“

Bumm. Das ließ aufhorchen. Und sein Text, den er dann las, ging tief in die authentischen Abgründe verzweifelnder Selbsterforschung. „Champagner“, prickelnd vor Spannung bis zum letzten Schluck und ungemein berührend in seinen Stimmungswechseln vom glühendem Zorn über die dekadente Pose bis hin zu einer nonchalanten – ich verrate hier mal lieber nicht allzu viel, denn genau diesen Text wird Damien in der Sendung vortragen, umrahmt von den entsprechenden Inspirationen aus seiner Musikwelt. Eine kleine Nachtfahrt im Artarium sozusagen (und eine große muss es dann im Herbst auch noch werden!) denn was wir hier zu hören bekommen, das macht ebenso betroffen wie Mut auf mehr! Bedenkenswertes von einem, der sich den ganz großen Fragen entgegen wirft…

Es will mir ohnehin schon die längste Zeit nicht eingehen, wie beleidigend unernst Texte von Jugendlichen generell genommen werden. Das sei nur so eine Phase, unausgereiftes und zügelloses Gefühlspathos. Wie viele erwachsen arrivierte AutorInnen sondern nicht schreckliches literarisches Blech ab? Fragen sie Denis Scheck 😀

Wenn man sich Damiens Texten öffnet (und das ist uns gar nicht schwer gefallen, spüren wir da doch so etwas wie eine thematische Wesensverwandtschaft) dann erschüttern sie einen zunächst, verstören womöglich und stellen einem auch mal so richtig die Welt auf den Kopf. Doch wenn man dem pseudoerwachsenen Reflex des Vorsortierens und Urteilens nicht gleich nachgibt, dann kommt einem der eigene autonome Mensch zum Vorschein, der im Einklang mit seinen Gefühlen und Bedürfnissen leben muss – und dies im herrschenden Nutzzwecksystem nicht so leicht kann. Und dann tun sich die wesentlichen Fragen auf, wie man etwa wirklich selbstbestimmt leben könne in dieser Geldsellschaft oder wie sich denn Gemeinschaft sinnstiften ließe in dieser Umwucht von Blödung und Redandunst…

I’m not okay (Weil ich mich weigere, das System zu akzeptieren. Und weil ich verrückt bin.) Ist das jetzt Emotional Hardcore? Wir sind jedenfalls ein geiles Institut 😉

Seid was ihr wollt – Kinskis Villon

Podcast/Download: Artarium vom Sonnteg, 22. April – Das etwas andere Spoken Word Projekt “Kinskis Villon” der Berliner Band “Seid was ihr wollt”. Eine erstaunliche Musik-Neu-Inszenierung der bekannten Villon-Interpretationen von Klaus Kinski, die weit über das gewohnte Genre “Lyrik mit Musik” hinaus geht. Punktgenau rhythmisch synchrone Arrangements, die an den Stil moderner Mash-Ups erinnern, verwoben mit Klangschalen und Ambient-Sounds, getragen von treibendem Bass und Schlagzeug, der Dynamik des Vortrags entsprechend mit E-Gitarre, Posaune, Keyboard, Cello und noch mehr – zum Gesamteindruck einer kraftvollen Liveperformance verdichtet, zeitgemäß und zeitlos!

Wir haben ja erst kürzlich der Inspiration des Künstlers und Radikal-Individualisten Kinski in einer eigenen Sendung nach gespürt. (Klaus Kinski Reloaded) Zum anderen erforschen Chriss und ich in unseren monatlichen Perlentaucher-Nachtfahrten immer wieder Ausdrucksformen der mit Klangwelten interagierenden Spoken-Word-Darbietung. Wie kann man auf interessante Weise Textdarbietung mit Musik und Sounds verschmelzen, um ihre Intensität zu steigern? Und da haben wir schon so einiges an Anregendem ausgegraben, zum Beispiel von Patti Smith, Joolz, Heather Nova, Ernst Jandl, Uzzi Förster – und haben damit herum gespielt, gedacht, gebrütet, gebastelt…

Kinskis Villon von Seid was ihr wollt ist in diesem Kontext ein Meilenstein. Eine gelungene Umsetzung von Lyrikvortrag und Bandauftritt in beeindruckender Ausgewogenheit, bei dem beide Teile für sich noch an Deutlichkeit gewinnen. Das merkt man an Klaus Kinskis Stimme. Wer ihn nicht mehr live erleben konnte und seine Lesungen” nur vom Tonträger kennt, wird erstaunt sein über die jugendliche Frische und Wildheit, mit der er einem hier ins Gesicht fährt. Das wirkt noch um einiges eindringlicher als auf so manchem Videomittschnitt. Chapeau, Freunde! Eine geniale Interpretation, die zudem noch als Online-Album gratis zum Download steht. Und die – in all ihrer Ausgereiftheit – auch sehr viel Raum für eigene Ideen und Inspirationen bietet.

 

Reise, Schreibe, Liebe – Teresa Reiter

ENDLICH! Podcast/Download: Das Artarium vom Sonntag, 15. April begrüßt sie Live On Äther – Teresa Reiter, Journalistin aus Leidenschaft und Überzeugung, erzählt von ihren Expeditionen in die Subkulturen der Krisengebiete (oder wars umgekehrt?) und präsentiert Musik vom Balkan, die man sonst kaum jemals zu hören bekommt. Teresa Reiter? War da nicht einmal irgendwas mit einer Orgel? Genau, so haben wir sie damals kennen gelernt, als wir über eine CD-Review von ihr gestolpert und anschließend beim Verriss-Verreißen ausgerutscht sind. (Könnt ihr hier nach lesen hören) Es ist halt schon eine Nervöse Welt und der Gelegenheiten sind wohl ebenso viele wie der Geschmäcker. Und schon wenden wir uns weiteren Minenfeldern zu!

Als wir Teresa letzten Sommer in Wien trafen, war sie gerade auf dem Sprung nach Serbien und Kosovo, um dort eine gröbere Reportage über den musikalischen Underground und die Off-Mainstream-Kultur zu gestalten. Fast hätte ihr anschließend in der Presse veröffentlicher Artikel einen längst schwelenden Konflikt zwischen Hip-Hoppern und Gitarrenbands vollends zum Ausbruch gebracht. Wir bewunderten sie für diese coole Verwegenheit, sich emotional höchst engagiert auf solch explosive Krisengebiete einzulassen und dabei zugleich beobachtend, geordnet und reflektiert über potenziell chaotische Themen wie Gender Studies, Kulturkämpfe und Sozialprojekte zu berichten. Ich nannte sie Ernestine Hemingway oder nach Egon Erwin Kisch die rasende Reporterin und zog Vergleiche mit anderen bekannten Persönlichkeiten, bei denen mir nie ganz klar war, ob die jeweiligen Krawalle und Skandale sie nur magisch anzogen oder vielleicht doch erst wegen ihnen zur Vollform aufblühten. Wie dem auch sei…

Wir entdeckten seither allerdings einiges an Gemeinsamkeiten und Interessen, die Liebe zum Entdecken und Unterwegssein etwa, die Leidenschaft für Genauigkeit im sprachlichen Ausdruck oder eine gewisse kreative Hypomanie, immer ein nächstes und übernächstes Projekt in der Produktion zu haben. Vor allem aber erfrischt und ermutigt uns die Unerbittlichkeit, mit der Teresa ihre Begeisterung zum Beruf macht. In dieser Hinsicht ist sie ein feines Beispiel dafür, wie man der Durchschnittsfalle erfolgreich  entkommen kann. Oder anders gesagt: „Mach in deinem Leben das, wozu du am meisten Lust hast, denn das wirst du auf längere Sicht auch am besten können.“ In diesem Sinne sind wir neugierig, was sich in einer knappen Stunde Kunnst-Biotop noch so alles an spontanem Gespräch und Geräusch ereignen wird. Und wir freuen uns natürlich auf musikalische Inspirationen von Bands wie zum Beispiel The Freelancers oder Freak Week. Denn das Gewohnte, das kennen wir ja eh schon. 😉

Die Durchschnittsfalle

Podcast/Download: Artarium vom Sonntag, 25. MärzMarkus Hengstschlägers Thesen zu einer Bildungspolitik der Durchschnittlichkeit und Talentvergeudung aus der Sicht des Biologen und Genetikers. Wir stellen hier einmal seine jüngst erschienene Streitschrift „Die Durchschnittsfalle“ vor und diskutieren einige Passagen daraus mit dem Salzburger Pädagogen und ÖH-Studienberater Mag. Peter Engel. Und ja – im Sinne unseres Mottos „Anstöße zum eigenen Denken“ – empfehlen wir diese Lektüre ohne Vorbehalt:

„Wer also ist dumm genug, sich an einem in der Verzweiflung des Gefechtes erfundenen und dann auch noch als ideal postulierten Durchschnitt zu orientieren?

Ein Schulsystem, das die Schüler anhält, doch dort am meisten zu lernen, wo sie die schlechtesten Noten haben, um sich auf Kosten jener Zeit, die sie mit ihren Stärken hätten verbringen können, doch rasch wieder im Durchschnitt einzureihen? Ein Schulsystem, das glaubt, das Entscheidende sei, dass am Ende alle das Gleiche können?

Universitäten, die ihre Studenten danach aussuchen wollen, wie gut ihr Notendurchschnitt in der Schule war? Universitäten, die gerade zu Schulen werden mit dem Ziel, möglichst viele Studenten möglichst schnell, möglichst günstig, möglichst ohne Verluste (möglichst niedrige Drop-out-Quote), möglichst durchschnittlich auszubilden? Eine Bildungspolitik, die alles daran setzt, bildungs­ferne Schichten zur Bildung zu bringen, um den Durchschnitt zu heben? Eine Einwanderungspolitik, die heute schon weiß, welche Fachkräfte, welches Know-how wir morgen in unserem Land brauchen werden?“

Ein ebenso verständlich wie unterhaltsam geschriebenes Buch, in dem endlich einmal ein Naturwissenschafter den Beweis führt, dass höchst mögliche Individualität der gesundeste Zustand der Gesellschaft ist! Ob diese Erkenntnis allerdings im Stadium eines Appells stecken bleibt, liegt sehr an der Wirklichkeitsfähigkeit der politisch Verantwortlichen und an ihrer Bereitschaft zu einem raschen Systemwandel – sowie natürlich an unser aller Mut zum Anderssein. In diesem Sinne, bonne chance!

Klaus Kinski Reloaded

Expressiv, exzentrisch, extrem – Artarium vom Sonntag, 26. Februar – Wir basteln das etwas andere Kinski Portrait – aus biografischen Details, Interviews, Lesungen und Satire. Persönliche Faszination und eine Reihe offener Fragen. Klaus Kinski offenbart, indem er sich verschleiert – und macht so seine Person zum öffentlichen Geheimnis. Der ebenso geniale wie grenzwertige Autodidakt beeindruckt durch facettenreich schillerndes Künstlertum und schockiert durch plötzlich hervor brechende Direktheiten. Selten war ein Spaziergang zwischen Genie und Wahnsinn so ambivalent, anregend, anstrengend…

Was begeistert uns heute, über 20 Jahre nach seinem Tod, nach wie vor an diesem Ausnahme-Eigensinnigen? Was verstört uns so nachhaltig an den Brüchen und Unschärfen seines Privatlebens, die auch immer in seiner Kunst fortwirken, sei es als Schauspieler, Schriftsteller, Vortragender oder Filmemacher? Die Grenzen sind bei ihm stets fluktuierend, unbestimmt, offen. „Ein Besessener“ wird er oft treffend genannt, als Verrückter wird er aber auch bezeichnet oder als Wahnsinniger. -> Jesus Video

Ihr dürft euch von uns natürlich kein Urteil darüber erwarten, inwieweit Klaus Kinski Borderline-Persönlichkeit oder narzisstisch verkanntes Genie oder beides zugleich und auch sonst noch was war. Sophie, Chriss und ich werden jeweils einige seiner Eigenschaften in sehr subjektiver Form widerspiegeln und dadurch einen Eindruck seines Wirkens auf uns vermitteln. So könnte sowohl bei denjenigen, die Klaus Kinski schon vor Jahren begegnet sind, als auch bei denjenigen, die noch kaum Kenntnis von ihm haben, ein neuer Eindruck entstehen – jenseits der Polarisierung, die für ihn so charakteristisch war. -> Kinski Satire

„Menschen begegnen, die man so noch nicht kennt“ ist ja auch ein Anspruch vom Artarium. Und Menschen, die so außergewöhnlich und jenseitsdurchschnittlich sind, dass sie uns zu einer anderen, neuen, verwegenen Sicht auf uns selbst und die uns oft nur allzu bekannte Welt bewegen können. Ver-rückte Typen und Typinnen im kreativsten Gebrauch dieser Begrifflichkeit. Menschen, die es einfach braucht, um unser Bewusstsein zu erweitern, um unser Empfinden zu vertiefen und um unsere Wahrnehmung weiter zu entwickeln. Liebende Eigenbrötler, romantische Idealisten, seltsame Tagträumer, verzweifelte Sinnsucher, Wahr- und Richtigdichter – kurz „kunnst im Sinn von könntest“ Menschen. -> Erdbeermund-Video

Also freut euch auf Francois Villon, Werner Herzog, Jesus Christus Erlöser und noch ein paar sympathische Wahrheitsnarren. Die wirklichen Wahnsinnigen sitzen nämlich längst in den Chefetagen. Und wir sind ein geiles Institut…

Alternative kulturelle Schutzgebiete

Podcast/Download: Artarium vom Sonntag, 19. Februar – Wir begrüßen nun auch die Hörer_innen von Radio B 138 im Raum Kirchdorf an der Krems (OÖ) als regelmäßige Sendungsgäste! Grund genug, mit einigen persönlichen Anekdoten an Bernhard “Bez” Samitz, den Mitbegründer der Literarischen Nahversorger, und an sein einstmals legendäres Kunnst- und Kulturbiotop, die Käfergrabenmühle in Schlierbach, zu erinnern. Der in vielerlei Hinsicht engagierte und umtriebige Kreativmensch ist leider schon im Jahr 2008 und viel zu jung verstorben. Er hat uns allerdings mit seinem – im wahrsten Sinne des Wortes – Lebenswerk ein Vermächtnis hinterlassen, das es zu bewahren gilt …

Ich selbst lernte den Bez anlässlich eines fröhlichen Flohmarkts in der Käfergrabenmühle 1996 kennen und fühlte mich in seiner sehr besonderen und durchgestalteten Wirkungsstätte von Anfang an wohl. Bald war ich auch an verschiedenen Wochenenden bei Veranstaltungen zu Gast, die man als eine überaus gelungene Mischung aus Grillabend, Jugendparty, Livekonzert und Symposion bezeichnen könnte, was allerdings der hinter diesen Äußerlichkeiten stattfindenden menschlichen Atmosphäre begrifflich nicht wirklich genügt. Vielmehr fand hier tatsächlich etwas von jener Idee eine einstweilige Verwirklichung, die wir alle schon einmal als gut” empfunden haben.

Ein liebenswertes Beispiel dafür war die Getränkebar mit Selbstbedienung – in der kleinen Küche unter seinem Balkon. Dort holten sich die oftmals sehr zahlreichen und zunehmend illuminierten Besucher ihre jeweiligen Flüssigkeiten ab – und bezahlten selbige sodann selbständig in die Küchenlade, in welcher ebenfalls das Wechselgeld aufbewahrt war, und davon zumeist auch nicht eben wenig. Auf meine Nachfrage, ob denn dergestalt nicht ganz leicht Diebstahl und Betrügerei vorkommen könnten, erklärte mir Bez sogleich – und nicht ohne Stolz – dass es eine allgemein anerkannte Ehrensache sei, hier nicht zu übervorteilen. Ich war beeindruckt – und darin bestärkt, dass meine allerverwegensten Phantasien und Wünsche womöglich doch wirklicher sein könnten als die angeblich allgemeingültige gesellschaftliche Realität. Chapeau!

Und so habe ich in den folgenden Jahren bis 2004 immer wieder einmal gern beim Bez Station gemacht zwischen Steiermark und Salzburg, mit ihm und seinen Freund_innen, Gästen, Mitbewohnern diskutiert und gegessen, philosophiert und getrunken, spontan gedichtet und gebadet, ein klein wenig gut” gelebt …

Ein paar meiner Erinnerungen an ihn und an die speziellen Momente in seinem sympathischen Kunnst-Biotop werde ich also in dieser Sendung erzählen und gemeinsam mit dem Chriss reflektieren. Mit der Moral von den Geschichten sollten wir danach aber alle selbst schwanger nach Hause gehen – vielleicht sei jedoch soviel hier noch angemerkt: Derartige Myzelstifter und Synapsenknüpfer, wie der Bez einer war, sind überaus kostbar – und selten! Jedes Gemeinwesen ist wohl gut beraten, ihr fruchtbares Wirken anzuerkennen und nach Kräften zu fördern. Und von solchen Menschen belebte, frei kreative Gestaltungsräume müssen vor Vernutzzweckung geschützt werden und dem Erhalt geistig-seelischer Artenvielvalt gewidmet bleiben.

Zum Wohl!

 

Wegen Todesfall geschlossen

ACHTUNG! Im Artarium am Sonntag, 29. Januar um 17:06 Uhr aus gegebenem Anlass die WIEDERHOLUNG der Sendung CONTAINER LOVE – 50 JAHRE SCHLINGENSIEF, die wir damals am 24. Oktober 2010 (das wäre sein 50. Geburtstag gewesen) dem kurz vorher verstorbenen Ausnahmekünstler als eine Art Nachruf gewidmet haben. Der aktuelle Grund für den Ausfall der geplanten Live-Sendung zum Interaktiven Performance Festival des Landestheaters „BESETZT SALZBURG“ ist ein sehr persönlicher und ebenso trauriger, nämlich der Tod meiner Mutter am vergangenen Dienstag. Ich danke euch allen jetzt schon einmal für eure Anteilnahme und euer Verständnis! – Norbert K.Hund

Dorothea Keuschnigg, 11. 6. 1929 – 24. 1. 2012

Von ihr habe ich nicht nur das abgekürzte K. in meinem Namen, sondern auch allerhand erfahren und gelernt über den Menschen und seine Zerbrechlichkeit in einer nach Leistung und Erfolg gierenden Gesellschaft! Speziell die Gefährdung von sensiblen Gefühlsmenschen durch Gewalt, Ideologie und Religion begriff ich anschaulich am Beispiel ihres Lebensin meinem eigenen.

Über die Dokumente und Erinnerungen, die sie mir aus den letzten Monaten des zweiten Weltkriegs hinterlassen hat, habe ich bereits Anfang 2010 gemeinsam mit der lieben Sophie ein Feature über Kindersoldaten im Dritten Reich gestaltet. Unter dem entsprechenden Titel „Das Kriegstagebuch meiner Mutter“ untersuchen wir die Funktionsweise der ideologischen Verführung von damals 14-jährigen in Hitlerjugend und Schule und publizierten zur Veranschaulichung dieser abgründigen Manipulationen einige der medienpädagogisch erschreckend modern aufbereiteten Seiten aus der Schul-Projektarbeit der 4. Klasse eines Gymnasiums im Jahr 1944. Persönlich empfinde ich, bei aller Bestürzung und allem Befremden, die so ein Zeitzeugnis in mir bewirken, eine große Dankbarkeit dafür, dass meine Mutter mir diese Momentaufnahmen aus ihrer Jugend (im Originalzustand) zur Verfügung gestellt hat. Und in diesem Sinne will ich diese Geschichte auch weiter geben und mit euch allen teilen:

Bilden wir uns doch selbst – und eine eigene Meinung!

Wir hören einander dann wieder LIVE bei der nächsten Nachtfahrt-Perlentaucher Sendung am Freitag, 10. Februar – gemeinsam mit Christopher Schmall! Und auch im Artarium am Sonntag, 12. Februar um 17:06 Uhr. Bis dahin alles Liebe!

Wer übrigens bei BESETZT SALZBURG mitmachen möchte, kann, darf und soll sich noch bis einschließlich Montag, 30. Januar bei Angela Beyerlein vom Landestheater Salzburg zum Casting anmelden.

Read This Blog!

Artarium am Sonntag, 22. Januar um 17:06 Uhr – Hören und Lesen für Freunde und Fortgeschrittene: Was hat es eigentlich mit den beiden Blogs zu unseren Sendungen auf sich? Da wird ja oft gar nicht (nur) beschrieben, worum es in der jeweiligen Sendung geht, sondern allerlei assoziatives Gedanken- und Gedichtgut zu den persönlichen Hintergründen der Sendungsgestalter (und Rinnen!) 🙂 verbreitet. Ganz abgesehen von der auch meist selbst angefertigten Bebilderung gibt es gelegentlich ganze Urwälder von weiter- und vielleicht sogar in die Irre führenden Links. Was soll denn das alles – steckt da etwa ein tieferer Sinn dahinter – und wenn ja, wie viele?

Beginnen wir mal mit dem Artarium-Blog, auf dem ihr euch soeben befindet: Den gibt es jetzt seit einem legendären Feedback-Workshop im April 2010 – und er versteht sich eben nicht nur als Programm-Ankünder oder als Sendungsverzeichnis, sondern als ein möglichst vielseitiger Einblick in das Leben und Schaffen der Radiomacher und ihrer Gäst_innen. Ein Versuch also, etwas mehr von dem darzustellen, was rund um die einzelnen Sendungen vor sich geht. Worüber wir nachdenken, was uns beschäftigt, wieso wir auf dieses oder jenes Thema kommen und natürlich auch – wer wir sind und wie es uns dabei geht. Auf jeden Fall wollen wir euch über das im Radio zu Hörende hinaus zu eigenen Ideen und Phantasien anstiften und euch so auch immer wieder ein wenig in unsere Welt verführen.

Als eine Art „Faustregel“ könnte man es so ausdrücken: Der jeweilige Artikel ist erstmal eine Ansage und eine Einladung, sich mit dem Thema der entsprechenden Sendung auseinander zu setzen. Ein Artikel kann sowohl vorab als Aperitif zur Einstimmung wie auch hintnach als Digestif zur Abrundung der Hörmahlzeit eingenommen werden. Er kann sogar (ohne Sendung) für sich selbst stehen, das sollte allerdings eher die Ausnahme sein. Im Falle völlig überraschender Wirkungen fragen Sie halt ihren Arzt oder Radiotheker!

Etwas mehr ins Atmosphärische und Emotional-Literarische geht es im Nachtfahrt-Perlentaucher-Blog, denn da wollen wir euch auf eine jeweils mehrstündige musikalische Seelenreise mit ausgewählten Spoken-Word-Beiträgen und live gelesenen eigenen Texten vorbereiten. Und uns selbst eben auch, weil der endgültige Ablauf dieser monatlichen Nachtsendungen nie von vorn herein fest steht, sondern sich aus dem beschreibenden Erleben unserer entsprechenden Gefühlswelten nach und nach entwickelt und sich dann letztendlich spontan gestaltet. Und indem wir euch auf solche Expeditionsreisen in unsere Text- und Themenlandschaften einladen und mitnehmen, teilen wir mit euch gern etwas davon, wie sie in uns zustande kommen. Teilen wir uns euch also auch schriftlich mit…

In dieser Sendung werden nunmehr einige dieser Artikel/Texte aus unseren beiden Blogs zur Vorlesung gelangen, um wieder Lust aufs Herumstöbern und Nachhören/Lesen zu machen – aber auch um etwas von der Geschichte des „etwas anderen Kunnst-Biotops“ zu erzählen. Und das ist schließlich auch ein Teil der Geschichte der freien Radios, wo Menschen nicht nur kreativ und selbstbestimmt etwas Eigenes produzieren – sondern auch darstellen und reflektieren können, wer sie in der Welt sind. Schon ein geiles Institut!

Schluss mit Textase

Podcast/Download: DAS LETZTE ARTARIUM (des heurigen Jahres) vom 25. Dezember: Christopher Schmall und Norbert K.Hund zelebrieren die etwas andere Weihnachtsfeier der Perlentaucher – mit stimmungsvoller Musik und schrägen Textbeiträgen – in Gestalt einer spontanen Nachtfahrt-Miniaturausgabe. Allerdings wollen wir nach nunmehr gut einem Jahr ersprießlicher Zusammenarbeit endlich einige inhaltliche Schwerpunkte der Artarium-Reihe neu bestimmen. Also feiern wir diesmal auch Abschied – und brechen zugleich wieder auf zu neuen Ufern. Natürlich, wie immer: Das Leben!

Was soll denn nun eigentlich so dramatisch neu werden? Müsst ihr euch in Zukunft gar vor uns fürchten? Aber ja doch, aufs Angenehmste! Denn der Meister des aushängigen Empfindens und der diplomierte Fettnäpfchentreter werden forthin genau das tun, was sie am besten können: Alle Themen noch mehr im eigenen Erleben spiegeln.

Aber sind wir nicht ohnehin genau dafür bekannt, dass wir unsere Sendungen sehr subjektiv und emotional gestalten? Ja, schon – aber trotz all der atmosphärischen Individualität, die wir dieses Jahr vor allem in den Nachtfahrt-Perlentaucher-Sendungen angewendet haben, berichten wir im Artarium immer noch viel zu sehr von Personen und ihren Produkten. Und was soll daran schlecht sein? Erstens, dass man diese Art von Magazin-Journalismus mit der Zeit von uns erwartet. Und zweitens, dass es keine kreative Herausforderung für uns bietet, in gewohnten Formen zu arbeiten, die es außerdem so ähnlich bereits x-mal in der Kultursparte gibt. Also werden wir die Gestaltung des etwas anderen Kunnst-Biotops mehr an unseren künstlerischen Interessen und unserer persönlichen Wesensart ausrichten…

Wir wollen also im kommenden Jahr weniger berichten, dafür aber mehr erzählen. Unsere Themen und Gäste sollen noch unmittelbarer mit unseren Innenwelten verbunden sein. Die Sendungen werden jedenfalls ein gemeinsames Erlebnis darstellen, auch in Form von Expeditionen und Experimenten. Und den Begriff „Kunnst“ im Sinn von Ausdruck, Möglichkeit und Überleben, den müssen wir noch viel weiter fassen. Schließlich geht es uns darum, unsere Eindrücke gemeinsam mit euch zu verdichten, so dass etwas für uns alle Inspirierendes dabei entsteht. Nennt es, wie ihr wollt, am besten aber gar nicht!

Auf jeden Fall FROHE FEIERTAGE und EIN GUTES NEUES JAHR! Wir sind ein geiles Institut. Und wir haben noch lange nicht genug.  😀  Bitte. Danke.

 

Deine Freiheit, meine Freiheit?

Podcast/Download: Artarium vom Sonntag, 27. November – Chriss begeht seinen 18. Geburtstag und darf sich dann sogleich zur Feier dieser Amtserwachsenheit zu einer grotesken staatlichen Stellung verrenken, während zur selben Zeit unser aller begnadeter Denk-Anstifter Thomas Oberender vom Bürgermeister das goldene Stadtsiegel verliehen bekommt. Norbert hingegen eröffnet seine 5. Radio-Saison als „das etwas andere Kunnst-Biotop“ und wollte diesen erfreulichen Zustand doch mit gebotener Zufriedenheit zelebrieren. „Vier Jahreszeichen Live“ wäre der Sendungstitel gewesen – doch da ereilt uns plötzlich eine Todesnachricht nach der anderen. Wie passt das alles zusammen – noch dazu am ersten Advent? Ganz und gar wunderbar, finden wir…

Georg Kreisler, der eigensinnige Altmeister des schwarzen Humors und der anarchischen Groteske mit politischem Anspruch ist diese Woche 89-jährig in Salzburg verstorben. Noch im August konnte ihn Thomas Oberender zur Teilnahme an einem Podiumsgespräch zum kapitalismuskritischen Faust-Projekt verführen. Dort räsonierte der große Grantige zum letzten Mal – einigermaßen resigniert – über die von ihm festgestellte Bedudelung und Eingelulltheit potentiell revolutionärer Massen. Im Besonderen ging es bei diesem radikalen Rückblick des Alters auch um (s)ein mögliches Vermächtnis an die Jugend.

Ich erinnere mich in diesem Zusammenhang an einige – leider vergeblich gebliebene – Versuche, diesen überaus lebenserfahrenen Heimatlosen mit seinem grandiosen Anekdotengepäck zu einem Livegespräch, einer Erzählstunde oder einem Interview mit gesellschaftskritischen Jugendlichen zu bewegen. Er hätte so viel zu sagen gehabt von der Flucht vor den Nazis als 15-jähriger über die Arbeit mit Charly Chaplin in Hollywood oder seine Verhöre von Göring und Streicher beim Nürnberger Prozess bis hin zur nie wieder erlangten österreichischen Staatsbürgerschaft und seiner anarchistischen Ablehnung des „Staates“ an sich. Wie gerne hätte ich ihn jene bizarre Episode – als Paradebeispiel jüdischen Überlebenshumors erzählen gehört: Kreisler fiel die Aufgabe zu, Julius Streicher, den Chef der antisemitischen Hetzschrift „Der Stürmer“ zu verhören. Streicher bedankte sich am Ende bei ihm: „Sie waren ja nett zu mir. Aber die Juden haben mir sehr zugesetzt.“ Kreisler darauf: „Na, vielleicht haben Sie angefangen.“

Die zweite Todesmeldung: Kubus 1024 – das geniale Kulturhaus-Projekt im Lungau – wurde im Gemeinderat Tamsweg mit den Stimmen von ÖVP und FPÖ endgültig umgebracht. Gerüchten zufolge soll Bürgermeister Walter Ulbrichtpardon, Alois Lankmayer statt dessen um Subventionen zum Bau einer Mauer angesucht haben.

Dieser antifortschrittliche Schutzwall soll entlang der Geschmacksgrenze um den gesamten Lungau herum errichtet werden, um den einzigen Volksmusikantenstaat auf deutschem – pardon, österreichischem Boden vor dem verderblichen Einfluss engagierten Denkens, innovativen Gestaltens und  kreativen Mitbestimmens zu schützen. Um jeglichen kontrakonservativen Umsturzversuch bereits im Ansatz hintan zu halten, soll die Lungauer Zonengrenze mit den modernsten Gesinnungsdedektoren und Kopfschussanlagen aufgerüstet und von eigens dafür abgerichteten Hornochsen und Kampfkühen kontrolliert werden. Alles, was nicht genauso schwatzblau – pardon, schwarzbraun ist wie die Faselnuss und die anderen Heinodien der Vervolkskultur, wird hinfort wieder in bester Landestradition enteignet und exiliert wie einst schon die Protestierer – pardon, Protestanten.

Womit wir in bester satirischer Tradition schon wieder bei Georg Kreisler gelandet wären, der sein Erfolgsrezept wie folgt formulierte: „Das Rezept ist ganz einfach. Man nehme ein an und für sich grausiges Ereignis und übertreibe es maßlos, so daß es seinen Schrecken verliert und grotesk wird, dann kann man noch eine Musik dazu schreiben, die gar nicht dazu passt und schon ist das Lied fertig.“ Unser diesbezüglicher Textvorschlag für eine neue Lungauer Landeshymne wäre somit (in Anlehnung ans dann wohl wieder üblich werdende Sprachniveau von Heimat, Heino und HJ) folgender:

Holdrio, duwiduwidi, holdria.
Holdria duwiduwidi.
Holdrio, duwiduwidi, holdria.
Holdria duwiduwidi.

Wir jedoch spielen mit gutem Grund Querschläger, Georg Kreisler, Erben der Scherben. Und – wo lassen sie sich eigentlich empören?