Our Tragedy Today

> Sendung: Artarium vom Pfingstsonntag, 9. JuniSlavoj Žižek muss als Kind in irgendeinen Topf mit Zaubertrank gefallen sein, anders lässt sich sein nimmermüdes Sprechberserkern eigentlich nicht erklären. Den “Gutbürgerschreck” nennt ihn die Süddeutsche Zeitung und versieht ihn dabei mit Attributen wie: “atemlos, sprunghaft, unterhaltsam“. Der marxistische Philosoph, der unter anderem “die Psychoanalyse Jaques Lacans in die Bereiche von Populärkultur und Gesellschaftskritik überführt hat”, bereichert uns nun schon seit Jahren mit der erfrischenden Weltdeutung seiner niemals zu einem letzten Dogma gerinnenden Gedanken. Betrachtungen, die immer einstweilige Verfügung im steten Wandel der Gezeiten sind, eine überaus seltene Synapsenerlösung inmitten der sonstüblichen Eukalypse von Recht und Unfalsch.

Laibach Tragedy

Laibach, Sound of Music, Graz 2018
Photos by Miro Majcen

So etwa mit dem titelgebenden Referat “Is there any Alternative to Capitalism? Our Tragedy Today“ (ein Interview, das sich inzwischen nicht mehr im Netz finden lässt) sowie einer Vielzahl von weiteren Features und Diskussionen, die wir eurem jeweiligen Eigenhirn empfehlen. Vollendeter Genuss stellt sich erst dann ein, wenn man den Mann mit allen Sinnen dabei erlebt, wie er fortwährend versucht “auf den Punkt zu kommen” und genau dieser Punkt sich als “ein springender” erweist, der nichtsdestotrotz in einem selbst landet und zur Erkenntnis wird. Bloß nichts Endgültiges – denn wenn erst das eigene Hirnkarussell dadurch angeregt in Bewegung gerät, wirds so richtig lustig – und höret nimmermehr auf. Das haben wir bereits bei unserer Sendung The Pervert’s Guide to Slavoj Žižek erfahren und wollen es diesmal von einer anderen Seite her wiederholen: Der Gutbürgerschreck macht sich Gedanken über die plappernde Planlosigkeit der Linken angesichts des angeblichen “Endes der Geschichte”. Und das, liebe Linke, ist erschreckend aktuell.

Our Tragedy Today oder was Laibach als Teil des slowenischen Kunstkollektivs NSK seit fast 40 Jahren auf geniale Weise zum Ausdruck bringt. Weshalb deren Musik so fruchtbar ist – und die von Abdreas Krawallier so furchtbar. The Sound of Music ist immer und überall. Und Pjöngjang ist Amstetten. Zwei Partisanan suchen Ljubljana…

Kärnten deibt bleutsch!

 

Kasperl oder Genie…

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 26. MaiZur Ehrenrettung des eigentlichen und ursprünglichen Kasperl verweisen wir auf eine diesbezügliche Stellungnahme der Friedburger Puppenbühne, wonach Ausdrücke wie Bundeskasperl, HC Kasperl oder überhaupt Politkasperltheater eine beleidigende Herabwürdigung dieses von allen ehrlichen Kindsköpfen gefeierten anarchischen Abenteurers bedeuten. Bevor sich jetzt auch noch der Zwerg Bumsti und die Maus beschweren, distanzieren wir uns naturgemäß gern von vorn herein, von unsund sowieso. Wenden wir uns halt wieder den wirklich wichtigen Themen jenseits der Tagespolitik im Schleudergang zu, etwa der Frage, ob Peter Filzmaier nicht eigentlich im ZiB-Studio des ORF wohnt oder warum der Medienminister immer in derart blitztürkisen Socken herumsteigt…

Kasperl Genie HabakukZum Thema Augenkrebs ließen sich noch zwei weitere Verunstaltungen der letzten Zeit anführen, deren weltumspannende Bedeutsamkeit uns sprachos zurücklässt: Der Eurowischerl Songcontest, den man auch unter “da freut sich mein Tinnitus” ablegen könnte – und die Verfilmung der vorerst finalen Game-Of-Thrones-Staffel durch die u.s.-amerikanischen Pay-TV-Quotenstresser von HBO. Anmerkung des Perlentauchers: Es geht längst nicht mehr darum, eine entsprechende Form für einen (eventuell) vorhandenen Inhalt zu erschaffen, sondern nur noch darum, alle technischen Möglichkeiten immer noch mehr auszureizen, um mit der Darstellung zu beeindrucken – und abzukassieren. Irgendeinen Inhalt kann man ja – in passende Häppchen zerteilt – nachträglich hinein quetschen. Quietsch Quatsch sozusagen. Und je mehr Geld dabei im Spiel ist (um dessen Vermehrung sich alles dreht), desto abgehobener wird die Form vom Inhalt, wird der Schein vom Sein. Zuletzt bleibt nur Control ohne Message übrig. Gell, Frau Hartinger-Klein, “Wer entwürdigt die Arbeit durch Zwickzweck und Zwang?” Genau! Eine Wirtschaft, deren Tumorwachstum nicht vorkommen darf im Flachbildhirn der ideologisch Bsoffenen vom internationalen Heilsfonds des Geldmachtgelds. Oder wie das ein alternder Udo Jürgens auch beschrieb: Der ganz normale Wahnsinn”

Nein, da wollen wir uns wirklich lieber den Wichtigkeiten widmen, die wir in unserem lyrischen Kosmos selbst erschaffen – und deren Form aus ihrem Inhalt erwächst. Wir haben ja was zu verschenken…

 

Es muss weitergehn

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 19. Mai – Eine der besten Nummern der letzten 20 Jahre ist “Es muss weitergehn” von Josef Hader. Ein feines Beispiel für Satire in Reinkultur, jenes “Entstellen der Wirklichkeit bis zu ihrer Kenntlichkeit” oder wie auch immer Brecht oder wer auch immer das so bezeichnet hat. Der kurze Text über das leidige “schneller, höher, weiter” einer sich hemmungslos “ewigem Wachstum” hingebenden Gesellschaft funktioniert vielleicht auch deswegen so zielsicher, weil er bis zum Schluss die Balance hält – zwischen Lachen und “im Hals stecken bleiben”. Das ist die große Kunst des Josef Hader. Sowie die schlicht nicht mehr steigerbaren Formulierungen wie etwa “handgeschnitzte Pommes Frites um 5.000.- Schilling”. Heute würde man “um 500.- Euro” sagen – und damit den gleichen Effekt erzielen.

weitergehnDoch die solcherart entstellte Wirklichkeit holt mittlerweile ihre eigene Übertreibung spielend ein, wie ich in einer Gastrokritik aus dem aktuellen “profil” erfahren musste. Da wird derart dekadent von getrocknetem Karottenpapier, Parmesaneis und Spargeltexturen mit Estragonparfum schwadroniert, dass als Steigerung nur noch die berühmten Otternasen aus “Das Leben des Brian” vorstellbar sind. Wie sang schon Wolfgang Ambros: “Wie hört des auf, wie wird des weitergehn?” Womöglich hilft Humanismus? Doch auch diesbezüglich (Rindsgulasch) werden wir vom Großmeister des Abgründigen eines Schlechteren belehrt: “Humanismus is, doss ma scho schaut, wos geht – ober ned gonz so.” Na wunderbar. Was für einen Reim können wir uns denn dann machen – auf einen Weltzustand, der in wechselfiebrigen Anfällen absehbar auf den Abgrund der eigenen Vernichtung zusteuert? Mit all der Collagenkunst, die uns noch geblieben ist im einstweiligen Zwischenlager für die hintersinnige Gegenkultur? Mischen wir Apocalyptica, Nina Hagen, Rammstein, Slavoj Žižek und Armin Wolf dazu, sowie einen der letzten musikalischen Verfechter des emotionalbiographischen Selbstweiterentwickelns, den guten Roger Waters

Wenn das nicht zum Überlebenscocktail gereicht, dann geht sich doch immerhin ein geschmeidiger Abgang aus. Letztendlich heißt es ja wohl: “The Show must go on”

 

Fette Ratten

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 28. AprilPhantastische Tierwesen und wie man sie nicht schlechtreden sollte. Schlechte Gedichte sind sowieso eine Landplage. Schlechte Menschen aber erst recht. Als pensionierter Punkdirektor fühle ich mich durchaus dazu berufen, ein Plädoyer für die Freundschaft mit Ratten anzustimmen. Und zusammen mit dem Hasenobmann einige dieser Tiermetaphern zu hinterfragen. Oder wer hat Angst vorm bösen Wolf? Eben. Wenn man dazu noch in Betracht zieht, wie “unsere” Volksmärchen zustande gekommen sind, dann ist man ratzfatz immun gegen den blödbösen Missbrauch von Ratten und Rotkäppchen. Der braune Pöbel soll endlich den Volksmund halten, denn er stinkt aus demselben wie der berüchtigte tausendjährige Eierschas von der Stefanie Sargnagel. Da riechts nach Untergang!

Ratten in LoveWir nehmen also ein in jeglicher Hinsicht sauschlechtes Gedicht (Warnhinweis: von der Lektüre des missgünstigen Machwerks kann einem tatsächlich schlecht werden) zum Anlass für eine etwas andere Betrachtung unseres Umgangs mit Ratten – und zum Ausgangspunkt einer Würdigung des allerschönsten Rattensprachbilds in der Lyrik des 20. Jahrhunderts: bei Georg Trakl. “Am Kehricht pfeift verliebt ein Rattenchor” hieß auch die entsprechende Sendung anlässlich seines 100. Todestags im Jahr 2014. Damit weisen wir auf zwei nicht ganz kleine Unterschiede hin: den Inhaltlichen (ob man das andere Lebewesen als solches ernstnimmt oder es bloß als Symbol für Propagandazwecke missbraucht) sowie den Formalen (ob man der deutschen Sprache soweit mächtig ist, dass man mit ihr richtig dichten kann, oder ob man sie bloß als Symbol für Heimatdümmelei benutzt). Nicht, dass wir hier den erigierten Zeigefinger vom Dr. Gscheitscheißer auspacken wollen, aber wir sind schon auch selbst Lyriker – und Niveau ist einfach keine Hautcreme. In einem Land zu leben, in dem Asylantenflut, Rattenplage, Sozialschmarotzer und Ungeziefer zum üblichen Sprachrepertoire gehören, ist mehr als nur bedrohlich

Wie ich immer sage: Thomas Bernhard hat sich noch sehr zurückgehalten.

 

Vielkommen Osternreich

> Sendung: Artarium vom Osternsonntag, 21. April – Und Jesus sprach: “Macht irgendwas mit Hasen!” Oder wie wäre solch ein behoppeltes Auferstehungsfest sonst möglich gewesen? Verdanken wir es den Christen oder doch den Germanen? Oder irgendeinem lustigen Papst, der eine Vorliebe für irgendwas mit Eiern hatte? Die Kirchengeschichte war ja immer schon reich an bizarren Einfällen jenseits von Sinn und Verstand, also versuchen wir diesmal auch eine “etwas andere” Deutung: Von den Germanen über den “deutschen” Papst bis hin zu Rammstein. O du mein Osternreich, ich bezwetschkige mich vor jedem Obstgarten! Dein ist das Dings und das Bums in Ähnlichkeit, Hasen. Wir senden das Frühlingsfest des Eierlikörs aus der Alpenfestung der guten Laune. Und jetzt Andacht an den Empfängnisgeräten!

OsternreichWie wir aus unserer langjährigen Befassung mit der abendländischen Popkultur gelernt haben, geschieht längst nichts mehr Neues unter der Sonne. Aber es gibt noch unendlich viele Möglichkeitsformen, das Vorhandene in immer neue Zusammenhänge zu stellen, um ihm dergestalt unbekannte Bedeutungen zu entlocken. Und genau das wollen wir hier und jetzt tun. Denn die einzelnen Beiträge, etwa von Tommy Krappweis (Hasen), von Hagen Rether (Papst) oder von Klaus Kinski (in der Fassung von Seid was ihr wollt als “Kinskis Villon” bekannt) haben wir allesamt schon zur einen oder anderen Gelegenheit gespielt. Nur dieses Mal ergeben sich bislang unentdeckte Betrachtungsweisen durch Beiziehung aktueller Ereignisse. So hat der Ratzinger Sepp (als inzwischen “emeritierter” Ex- oder halt irgendwie noch Zweit-Papst) kürzlich festgestellt, dass die sexuelle Revolution der 68er für das Missbrauchssystem in der katholischen Kirche verantwortlich ist. Brimborium in senilis trullala? Oder wie meine Fußpflegerin sagt: “Das Grundproblem ist das Bedürfnis so vieler Menschen, lieber etwas zu glauben als sich wirklich auszukennen.” Aber was reg ich mich auf… Spannen wir doch einen Bogen von der Zwangschristianisierung der Ureinwohner über die Kondomwerbung in Polen bis hin zur allerkünstlichsten Lufterregung der letzten Tage, dem Rammstein-Video “Deutschland” (hier über einen Zeitungsartikel aus der Schweiz, um die feuilletonweite Schnappatmerei zu umschiffen). Jössasna!

Hat es noch nie einen Diskurs gegeben? Hat sich auch Geschichte nie ereignet? Schlag nach beim Slowenen oder “Kärnten deibt bleutsch!” Lauter Luftnummern zwecks Auflage und Einschaltquote. Was lässt sich sonst noch sagen? Osternreich ist eine theologische Seppublik – und wir wünschen euch trotz alledem frohe Eier!

 

An einem Sonntag im April

> Sendung: Artarium vom Palmsonntag, 14. April – Das dritte deutschsprachige Album der sehr speziellen Element Of Crime rund um Sänger und Texteschreiber Sven Regener erschien im Jahr 1994 und passt allein schon vom Titel her perfekt in diesen Frühling. Und es passt endlich auch einmal die stilistische Zuordnung zum Gefühlsgehalt des hier Gehörten: “Melancholisch-chansonesk” sei deren Musik laut Wikipedia-Artikel, da waren wohl diesmal wortkreativere Autor_innen am Werk als sonst üblich in Klugscheißingen. Ob das daran liegt, dass der erwähnte Herr Sven seit seinem Debütroman “Herr Lehmann” vor allem als Schriftsteller unterwegs ist? Hoffnung ist eben rar in diesen Unzeiten, da bastelt man sich lieber selbst eine, aus jeder noch so alten “Stirbt-zuletzt-Tube” vom Papierstrand der Möglichkeitsform

An einem Sonntag im AprilSeit ihrem ersten deutschtextigen Album “Damals hinterm Mond” hab ich mich immer wieder gern in den abgründigen Miniaturen dieser Meister des gefährdenden Gefühls verloren. In ihren oftmals surreal anmutenden Liedern treffen sich Anmut und Resignation, Extase und Verzweiflung, Erschrecken und Gelassenheit in unglaublich ausgewogener Ambivalenz. Viel später erst hab ich sie live gesehen: Ihre Präsenz und Präzision in all der erkennbaren Verlebtheit, das setzte erst recht noch eins drauf! “An einem Sonntag im April” schließt mit einem wunderschönen Chanson, von dem die hervorragende Interpretation der Diseuse Georgette Dee fast noch bekannter ist. “An Land” spielt (wie viele von Regeners Texten) mit den Naturgewalten, die sowohl innerhalb als auch außerhalb des Menschen wirken. Wir lieben das mit der Kuh:

Heute wird wohl kein Schiff mehr gehn
und keiner geht vor die Tür
Alle sind heute verschüchtert
nur ich bin es nicht, und das liegt an dir
Am Fenster fliegt eine Kuh vorbei
da kommt jede Hilfe zu spät

Ein Glas auf die Kuh und eins auf die See

Präzision und Melancholie jenseits von Fieberzapferlromantik und Gute-Laune-Radio. Wir hegen die Hoffnung, dass es noch Hoffnung gibt. Ein Glas auf uns!

 

Kann Spuren von Hasen enthalten

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 24. März – Oder von Hans Platzgumer. Doch schön der Reihe nach: Christopher Schmall, in unserem Kunnst-Biotop bekannt als “der Hase”, gibt just an diesem Sonntag eine Auswärts-Lesung, und zwar um 20 Uhr im Café Anno zu Wien. Und so stehe ich vor der Aufgabe, hierohrs unterhaltsam zu solieren. Zuvor muss ich allerdings tief in mein schwangeres Hirn tauchen, um nach Möglichkeit rechtzeits eine Idee zu gebären. Es sollen ja hier Verbindungen gestiftet sein – aus Text, Musik – und den Zuständen gemeinsamen Erlebens. Grübelgrübel. Haben wir nicht unlängst diesen speziellen Aura-Anthropica-Remix eines Titels aus “Nervöse Welt” gespielt? Die Jüngeren unter unseren Hör erinnern. Aura was? Und Hans Platzgumer – schreibt der nicht auch? Eben. Da ist der Zusammenhang.

Aura Anthropica - Texte für den HasenZusammen sind wirdie Hasen! Oder die Festspielpräsidentin in dieser provinziellen Welthauptstadt des katholischen Konsumterrors. Jedenfalls sprachverliebt und ganz und gar gegen die Zerdummmung derselben durch Nutzbrauch und Zweck eingestellt. Wir ergehen uns stattdessen lustvoll in den kreativen Wortlandschaften jener Mitwesen, die noch aus eigenem Empfinden etwas zum Zustand unserer Welt auszusagen verstehen. Bei denen Sprache nicht vorprogrammiert, sondern selbstgewählt geschieht. Also wird der Hund in dieser Sendung Texte vom Hasen zum Besten geben und auch vom Platzgumer Hans, dessen musikalisches Schaffen dieselben feinst umrahmt. Da gibt es zunächst H. P. Zinker auf die Ohren, hernach Aura Anthropica sowie das von ihm produzierte STROM von The who the what the yeah. Zur (Wieder)Entdeckung der wunderbaren Vokalnummern auf Aura Anthropica (1997) gibt es ein angenehm genrefernes Review “Don’t cry for me, Austria!” im Evolver mit einem zutreffenden Zitat: “HP spielt nach wie vor in seiner eigenen Liga, und er hat vollkommen neue Spielregeln festgelegt. Bei der Musik, bei den Texten.” Aus all dem hier Erwähnten kann durchaus destilliert werden, weshalb sich genau diese unüblichen Verdächtigen bei meinem Solo für einen Hasen wechselseitig das Wort aus dem Kopf nehmen:

Ich habe meine Handschrift geändert,
meine Stimme verstellt,
einen falschen Namen angenommen,
der sich als richtig herausstellt.
Sie werden all das
gegen mich verwenden,
wenn meine Maske fällt,
wenn sie mich erkennen.

The who the what the yeah – Palindrom (Text von Martin Konvicka)

 

Verdutzend

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 17. März – Die wortkreative Entsprechung zu Salzteigprothese muss einfach Vollkornschraubenschlüssel sein. Verdutzend? Den Ein- und Ausgeweihten wird schnell bewusst, worum es hier geht: Vor inzwischen zwölf Jahren (in Worten 12) erschuf der nimmermüde Querkünstler Peter.W. die Sendereihe Artarium und somit ist das Dutzend voll. Uns verdutzen seitdem die schöpferischen Spätfolgen dieser Unternehmung aufs vortrefflichste – und immer wieder aufs neue! Zur Würdigung dieses Umstands, liebe Schlagerfreunde, wollen wir diesmal einem ebenso umtriebigen Wortschwurbler und Zusammenhangstifter unser Gehör leihen, nämlich Rainald Grebe, dieser Allroundrampensau zwischen Wahnsinn und Erfolg. Und wir wollen ihm dabei sogar sein abgeschlossenes Studium verzeihen. Kunnst!

Im Verdutzend billigerVolksbildnerischer Exkurs: Verdutzend als titelspendende Wortvermischung aus Dutzend und verdutzt vereint zwei etymologisch nicht verwandte Begriffe zu einer bisher dergestalt noch nicht dagewesenen Bedeutungsebene. Durch die absichtliche Legierung der beiden Wortelemente entsteht ein Kunstsinngehalt, der wiederum zu selbsteigenem Sprachspiel weiter entwickelt werden kann. Womit wir bei den philosophischen Grundfragen angelangt wären: Was ist ein Künstler? Warum gibt es kein bedingungsfreies Grundeinkommen? Und wann gibts endlich Mittagessen? Diese höchst ernsten Probleme der Zivilisation (und der mit ihr verbundenen Müdigkeit) werden wir hier in gewohnt ironischer Weise verhandeln, indem wir die Wirklichkeit bis zu ihrer Kenntlichkeit entstellen. Damit sie uns nicht allzusehr verwirrt, die Verwirrklichkeit. Ein Kunstuniversum ist eben keine Hochschulvorlesung übers Reimeschmieden.

Höchst hörenswert ist jedenfalls die bei Freirad in Innsbruck produzierte Sendereihe Ethnoskop – Kultur für die Ohren, die zudem an jedem zweiten Sonntag im Monat um 18 Uhr (also gleich nach dem Artarium) auf den Frequenzen der Radiofabrik gut zu hören ist. Wir freuen uns immer wieder über deren thematische und gestalterische Vielschichtigkeit – und eben auch darüber, dass der von uns so geschätzte Rainald Grebe dortselbst des öfteren zu (meist gesungenem) Wort kommt. Ein vielfaches Hoch also auf die gepflegte Collage aus Strandgut und Kultur. Zur Einstimmung wie auch zur Abrundung ein Amuse Geule zur anregenden Verdauung des 20. Jahrhunderts

 

Zusammenhang

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 24. FebruarPutin nimmt die Krim, in Nordkorea wohnt der dicke Kim. Die Rohrdommel hockt im Rohr, ich vorm Monitor. Wo ist der Zusammenhang?“ Dieses schöne Lied von Rainald Grebe wollen wir als Motto für eine Sendung verwenden, die alles Mögliche nachliefert, was uns in letzter Zeit aus Zeitgründen einfach nicht mehr möglich (zu senden) war. Ein Sammelsurdium an nicht gemachten Anmerkungen, eingesparten Abschweifungen und unausgegorenen Ideen. Und ein alter Kreisky-Witz, der aber immerhin die Krise der Sozialdemokratie erklärt. Denn in einem Weltkrieg der Wirtschaft gegen den Menschen kann es nicht darum gehen, ein paar Erleichterungen beim Zerquetschtwerden zu etablieren, sondern nur darum, dass er endlich aufhört! Liebe Mit- und Ohneglieder (und -innen), so is des…

Wo ist der ZusammenhangSpiegel geht in Scherben
Scherben bringen Glück
Sammel sie auf, und dann schreib was drauf, und dann hol dir deine Geschichte zurück! Und dann:
Yin und Yang, Kling und Klang,
Sing und Sang: Das Lied vom Zusammenhang.

In diesem reichen wir auch einen Ausschnitt aus dem griechischen Dokumentarfilm “AGORÁ – Von der Demokratie zum Markt” samt deutscher Textübertragung nach, der für unsere letzte Sendung “25 Jahre Studio West” eingeplant war. Genauso wie die Musik des antikapitalistischen Kunstkollektivs SNOG – hier eine frühe Videoarbeit zum sprechenden Titel “Corporate Slave” mit Zitaten aus dem medienkritischen Film “Network”. Schnitt. In einem bei “Serienköpferln aus der Nutzmenschenbatterie” (Uwe Dick) weithin beliebten Musikantenstadl-Deppenaufmarsch erklären Sebastian Moik und sein Vize Hias-Christian den Grundsatz ihres politischen Handelns wie folgt: “Schaug hi, da liegt a toter Fisch im Wasser – den moch ma hin!” Wo da jetzt der eingangs erwähnte Zusammenhang ist, das dürft ihr euch gern selbst beantworten…

Der Koran ist ein krasser Schmöker,
viele nehmen ihn wörtlich.
Ich geh lieber in die Kneipe
und betäube mich örtlich,
und suche den Zusammenhang.
Suche den Zusammenhang

Viel Vergnügen

 

25 Jahre Studio West

Sendung: Artarium vom Sonntag, 17. FebruarUnter diesem Titel präsentiert Das Kino in Salzburg derzeit ausgewählte Filme aus dem reichhaltigen Schaffen einer vor 25 Jahren als “Verein Freier Film- und Videoschaffender” gegründeten “Plattform für kreativen Austausch im Bereich des künstlerischen Dokumentarfilms”. Inzwischen nennt die sich “Studio West. Independent Film” und bietet da auf ihrer Homepage einen tiefen Einblick in die Vielseitigkeit ihrer Produktionen. Wir haben dazu den Filmemacher Djordje Čenić aus dem Studio West ins Studio der Radiofabrik eingeladen, um mit ihm seinen Film “Unten” zu besprechen, welcher in der eingangs erwähnten Reihe am Dienstag, 19. Februar um 20 Uhr im Das Kino gezeigt werden wird. Diese “autobiografische Zeitreise” (Selbstbeschreibung) empfehlen wir sehr!

Studio West Independent Film UntenDenn sie bewahrt die Spannung zwischen hier oben und da unten über die gesamte Dauer, als ob man bei einem “Ritt auf Rasiermessers Schneide” mittendrin innehalten, in der Schwebe verharren – und sich aller Möglichkeitsformen auf einmal bewusst werden könnte. Der dabei angewandte Kunstkniff scheint uns eben die spezielle autobiografische Erzählweise zu sein, durch die das persönliche Erleben immer auch beispielhaft oder stellvertretend die “größeren Geschichten hinter der Geschichte” widerspiegelt. Der enorme Mut, sich selbst in seinem inneren Zwiespalt zwischen linksfortschrittlicher Einstellung und nationalchauvinistischen Parolen da mitten hinein zu stellen, als menschliche Projektionswand zum besseren Verständnis der Zuschauer, zahlt sich hier allemal aus. Wer sich auf die vielschichtige Darstellung der Thematik einlässt (und das gelingt leicht), wird mit mancherlei Erkenntnissen zum Selbstweiterdenken belohnt. So ließe sich etwa die Geschichte vom “Zerfall Jugoslawiens” als Mahnung im Hinblick auf “Europas Sinnkrise” und die darin wirksamen nationalen Fliehkräfte verstehen. Und das wäre auch nur ein einziger von mehreren Aspekten, die in diesem wirklich “künstlerischen Dokumentarfilm” angelegt sind. “Geschichte” jenseits der üblichen eindimensional massentauglichen Guidoknopperei ist einfach seufzerlösend.

Weil wir gerade dabei sind, den Balkan hinunter zu spüren und mit Empfehlungen um uns zu werfen – aus Griechenland kommt die ausgezeichnete Dokumentation “AGORÁ – Von der Demokratie zum Markt” über die Situation der aktuellen Wirtschaftskrise…

Wir sind ein geiles Institut