Wanderbleibe und Trommelfeuer

Podcast/Download: Artarium vom Sonntag, 28. Oktober – Wir gehen wandern um zu bleiben. Wir spazieren intervenieren. Ha! Endlich mal wieder eine vortreffliche Idee für nichtkommerzielle Spontankunnst in ansonsten mehr oder weniger öffentlichen Räumen. Die Wanderbleibe (Konzept von Friedrich Rücker und Kolleg_innen aus dem Kunstverein Salzburg – Künstlerhaus) ermöglicht es Kunstschaffenden sowie Interessierten, den ansonsten stinkfaden Nationalfeiertag bewusst jenseits von Mainstream und Mozartkugel zu „begehen“ 😀 Den Flyer und die Wanderkarte mit Stationen für die Zeit zwischen 10 und 19 Uhr gibt es als Download. „Ziel ist es die Kommunikation unterschiedlicher spontaner privater Initiativen anzuregen, zu fördern und spielerisch alternative Modelle urbaner Kommunikation jenseits kommerzieller Veranstaltungen auszuloten.“ Chapeau! Das können wir uns keinesfalls entgehen lassen – ganz im Gegentum:

Auf freundlichste Einladung von Chili & the Whalekillers werden Chriss und ich beim „Avantgardinien“ in der Jahnstraße 18 mitwirken: Jede Person, die dort bei der Klingel „Landesatelier“ Einlass begehrt, installiert sich sodann selbst mitten in eine fluktuierend junge Leseperformance – und…

Das ist ja gerade das Spannende! Immerhin ist dieses Atelier von Kathrin Huber ansonsten ein abgeschlossener Schaffensort, der allerdings an diesem 26. Oktober zwischen 12 und 17 Uhr in gewisser Weise – und in allem Respekt natürlich 😉 – zu einer öffentlichen Interaktionszone erklärt wird. Und da kunnst dann auch durchaus reagieren – auf das Stattfindende. Oder selbst der/die Stadt-Findende werden. Wir werden uns an dieser Stätte auf jeden Fall endlich wieder einmal live ereignen und den dortselbst entstehenden Stream of Subconsciousness mit unserer tonalitären Textase ebenso kon- wie inspirativ anreichern. Sprich, wir werden da auftreten und etwas vor-, bestimmt aber nichts wegtragen! Wir werden durchaus dick auf- und einige Bewusstseins-Schutzschichten abtragen. Das dürfte sich dann – bei allem gebotenen Kontrast zu einer (un)gereimten Wirklichkeit – schrecklich schön mit den anderen Beiträgen vertragen. -> Kunnst Bio?

Ich freue mich besonders auf diese passende Gelegenheit, den 2005 eigens für einen Auftritt im „alten Mark“ in der Aignerstraße verfassten Text „Staatsvertragsfeier“ darbieten zu können. Denn diese bizarre Humoreske mit verteilten Rollen bedarf des speziellen Settings von auf Staatskosten Feiernden.

Also kommt vorbei – und feiert mit uns! Schauen wir doch einfach, was dabei heraus kommt. In der Sendung am Sonntag werden wir dann von unseren Eindrücken berichten. Womöglich wandern wir auch immer weiter – bleiben also wandernd – werden wahrlich wanderbleibend – und finden uns dann mit einem Mal im Studio der Radiofabrik wieder – zum gemeinsamen Abschluss des Anfangs vom Ende. Vergesst nicht das Allerwichtigste: Immer ist irgendwie inzwischen – und wenn nicht jetzt, wo dann? Dazu spielen wir die schönsten Schlagzeugsoli, Percussion-Tracks und Band-Introductions der letzten paar Jahre, denn solches hätten wir seit der ersten Trommelfeuer-Sendung mit Gerhard Laber im November 2008 eh schon längst wieder einmal tun sollen wollen können müssen… Anyway, immer ist auch Anfang – und wir sind ein geiles Institut 😛

Das Passwort zum unbeschnittenen Sendungsdownload (mit Musik!) gibts auf Anfrage!

 

Weiherer kocht – und singt!

Podcast/Download: Artarium vom Sonntag, 21. Oktober – Wir besuchen den bayerischen Liedermacher bei seinem Salzburg-Konzert am Samstag, 20. Oktober in der Veranda-Bar vom Mostwastl (Beginn 20:15 Uhr, Eintritt frei!) und kredenzen euch Tags darauf einige Spezialitäten aus seinem Liveprogramm. Der Weiherer wäre nämlich nicht der Weiherer, wenn er nur Lieder machte – er ist zudem noch Musikkabarettist, Alleinunterhalter und oha, Kochkünstler! Demgemäß verraten wir euch in der Sendung sein Originalrezept für ein fulminantes „Broguto“, das wir natürlich selbst nachgekocht und verkostet haben. „Rebellion als Grundhaltung“ findet sich also beim kritischen Dialektsänger in bester Hans Söllner Tradition nicht nur im Liedtext, sondern auch in der Lebensgestaltung. Also im Kühlschrank. Im Kochtopf. In der Bratpfanne…

Denn da offenbart sich die Wirklichkeit – in der Nicht-Virtualität des Handfesten und im menschlichen Nährwert des Tatsächlichen. So ähnlich wie bei uns übrigens! 🙂 Wir machen ja nicht nur Sendungen darüber, dass wir keine Ahnung haben, worüber wir eine Sendung machen sollten – nein, wir stehen auch schon mal planlos in der Radio-Lounge herum, wo uns dann aus dem Regal mit den ganzen Promo-CDs die jüngst erschienene DVD „koana von eana“ vom Weiherer entgegen springt. Das müssen wir uns unbedingt anschauen, gute Idee, schon auf „offline live“ waren uns solche Gustostückerln wie „Mei CD beim Saturn“ oder „Scheiß da Hund“ aufgefallen.

Wenn uns jemand eine diesbezügliche E-mail geschrieben hätte – jo, mei – die wäre wohl höchstwahrscheinlich untergegangen. Wir brauchen das Echte und Unmittelbare, den Zufall einer persönlichen Begegnung – oder zumindest den eines physikalischen Bild- und Tonträgers. Wir machen eh schon Radio für Leute, die wir nicht sehen und deren Blog-Likes für uns einen Zahlenwert bilden. Zwischendurch darf es daher zum Ausgleich gern mal wieder zwischenmenscheln – oder riechen – und schmecken! Essts öfter mit einander, dann brauchts euch weniger missverstehn, so könnte man sagen. Oder – Kommunikation kommt von Kommune, nicht von Seminar. Das heilige Ritual gemeinsamen Verzehrs heißt nicht umsonst Kommunion. Auch wenn man berechtigterweise nichts von organisierter Religion hält. Was uns jetzt wiederum direkt zum „Broguto“ führt…

Wir mögen den Weiherer. Denn er ist einer, der uns gut tut. Mahlzeit! 😛

 

Apocalypse Duo

Podcast/Download: Artarium vom Sonntag, 9. September – Neues aus der Nachtfahrt-Werkstatt: Die kommende Ausgabe der Perlentaucher-Reihe wird nunmehr die Nummer XXIV sein – und das bedeutet, wir feiern mit ihr das (in Worten) VIER-jährige Jubiläum unserer freitagnächtlichen Themenreisen. Was für eine Entwicklung – von einer zweistündigen Musiksendung mit freihändigen Gesprächen über allerlei fiktionale Expeditionen durch die Aggregatzustände des Seins mit stets wechselnden Studiogästen – bis zur jetztigen, zweisam gestalteten Textmusikverdichtung mit Lesung, Liveperformance und spontaner Dramaturgie! Dies alles gibts demnächst wieder – am Freitag, 14. September, dem Anlass gebührend ganze VIER Stunden lang, von 22:00 bis 02:00 Uhr – unter dem schönen Titel „The Soul is a Bird“ in der Radiofabrik unseres Vertrauens 😉

Und nachdem wir uns bei dieser Annäherung am TOT.LEBEN der Dramaturgie von „Apocalypse Now“ bedienen wollen, bereiten wir uns auch schon rein äußerlich auf eine dementsprechend gefahrvolle, irrwitzige und im wahrsten Wortsinn grenzüberschreitende Mission vor. Darauf wollen wir euch neugierig machen!

All unsere Beiträge kreisen diesmal um eine ganz spezielle Art der Reise. Eine Expedition zu den Grenzen dessen, was wir bisher für wahr zu halten gelernt haben – über gesellschaftliche Gepflogenheiten und vermeintliche Ordnungen und Strukturen, über Gut und Böse, Licht und Schatten, über das Oben und Unten der Welt – und über uns selbst! Denn dieser wahrhaft psychedelische (also in bester Bedeutung bewusstseins-erweiternde) Jahrhundertfilm von Francis Ford Coppola schafft es, dass uns mit zunehmender Dauer dieses flussaufwärts führenden Trips die gewohnte Orientierung ordentlich um die Ohren fliegt. Und kaum steht man dann neben sich – mit einem irritierend offenen Ende, sonst nichts – beginnt man sich selbst und zugleich auch andere zu fragen, beginnt man zu phantasieren, wie es denn jetzt weiter gehen könnte…

Eine Reise in den Übergang, in die Verwandlung, in das vielleicht doch nicht so zufällige Zusammentreffen mit sich selbst – als dem, den man nicht kennt. Eine Einstimmung in die Musiken und Texte, die uns dorthin begleiten, die uns die Augen öffnen – und die uns neue Welten erschließen. Ein Anfang mit einem (immer wieder) offenen Ausgang…

Hiermit laden wir euch zu den gemeinsamen Vorbereitungen ein, die uns alle wie in einem Strudel tiefer und tiefer in den Dschungel hinein ziehen – zur Begegnung mit Colonel Kurtz – oder doch dem eigenen Schatten? Einige Eindrücke vom „Apocalypse Now Redux“ (den anzuschauen wir wirklich unbedingt empfehlen!) Ein paar Schwierigkeiten, englische Texte (etwa von Allen Ginsburg, Patti Smith, T. S. Eliot) situationsadäquat oder allgemeingültig zu übersetzen. Der Soundtrack zur nächsten Nachtfahrt, die wundersam abgründigen Gedichtvertonungen (Georg Trakl, Joseph von Eichendorff) durch Martin Schindlers Bandprojekt „Mantus“ – Erfinden wir uns ein Genre dazu, „dunkelblauen Samt-Metal“ womöglich – oder gleich eine neue Kunnstrichtung, in der es nur noch um den Prozess geht und überhaupt nicht mehr um ein Produkt 😀 Auch gut zu lesen: Apocalypse Solo

 

Apocalypse Solo

Podcast/Download: Artarium vom Sonntag, 26. August – Einige Einblicke in die verdichtende Arbeitsweise unserer Abteilung für Abgründiges und trotzdem Zuversicht. Was bewegt uns – und was wollen wir in der nächsten Nachtfahrt-Sendung „The Soul is a Bird“ ausdrücken? Welche Ströme werden in dieser 48. Ausgabe unserer Perlentaucher-Expeditionen zusammen fließen? Ein Aufsatz von Friedrich Heer etwa, entstanden Anfang der 70er Jahre, als Europa begann „mehr Demokratie zu wagen“ – die anregende Gedankenflut „Theologie nach Auschwitz?“ aus „Europa: Rebellen, Häretiker, Revolutionäre“ – Aber auch die Dramaturgie des zur selben Zeit ausgebrüteten Jahrhundertfilms „Apocalypse Now“ von Francis Ford Coppola, der in vielschichtigen Metaebenen den Wahnsinn von Vietnamkrieg und Imperialismus beleuchtet – und bricht…

Dabei wollte ich ursprünglich, frei nach Jochen Distelmeyer, der Frage „Wohin mit dem Hass?“ nachgehen, ähnlich wie Coppola frei nach Joseph Conrad „Heart of Darkness“ nacherzählt und dabei zur fulminanten Apokalypse in T. S. Eliots „Hollow Men“ gipfelt, rezitiert vom wohl jenseitigsten Marlon Brando aller Filme und Zeiten.

Nun ja, die Zeiten sind fürwahr beschissen und der militärindustrielle Komplex der Weltwirtschaftsgeschichte hat sich global dermaßen festgesetzt und eingebunkert, dass an wirksamen Widerstand nicht einmal mehr bei den aufständischsten Bergstämmen zu denken ist. Nichtsdestotrotz erfordert es die angewandte Psychohygiene, nach möglichen Metaphern von Hoffnung und Zukunft Ausschau zu halten, einfach um nicht bloß – mehr oder weniger dekorativ, demonstrativ, whatever – unterzugehen. Und während uns die Langstreckenbomber des Urheberächzstaats ihre Daisy-Cutter-Clusterbomben zum Ohrenbetäuben in die letzten freien Hörkunstcamps der Seelen-Urwälder scheißen – denken wir an balinesische Rituale und schreiben Gedichte.

Laurie Anderson erzählt in dem Stück „The Soul is a Bird“ von Feuerbestattung auf Bali, wobei alle Anwesenden in großen Jubel ausbrechen, sobald der Leichnam von einem hoch aufgerichteten, brennenden Turm mit ordentlich Schmackes in die Glut herab fährt und unzählige Funken hoch in den Himmel steigen.

Denn die Balinesen glauben, dass die Seele des Menschen ein Vogel ist, der zu Lebzeiten an den Körper des Betreffenden gebunden bleibt. Sobald der Tote aber nun vom Feuerturm fällt, schüttelt dies den Vogel frei und schickt ihn auf den Weg ins Jenseits, in den Himmel, zur Wiedergeburt… Und schließlich geht es ja auch bei jeder Interpretation unserer Hier-und-Jetzt-Wirklichkeit, bei all der Apokalyptik dieses Kultur-, besser Zivilisationspessimismus, der unsere eigenen Erfahrungen mit Conrad und Coppola verbindet, um die Suche nach der möglichen Auflösung, Synthese, Wiederauferstehung. Die Phantasie vom Phönix aus der Asche könnte eben doch viel wirklicher – und wirksamer – sein als die uns umgebenden Realitäten, so steinern sie auch scheinen mögen. In diesem Sinne!

Hier schließt sich dann auch wieder der Kreis zu Friedrich Heer – könnten wir nicht in unserem eigenen „Wagnis der schöpferischen Vernunft“ (so der Titel eines weiteren Buches) zu neuen Antworten, zu neuen Denkweisen, zu einer neuen Sprache gelangen auf unserer Reise ins Herz der Finsternis, um von den Feuern der Liebe zu künden und so dem Wahnsinn der Vernichtung zu widersagen? Denn „die Endlösung der Judenfrage ist längst in die Endlösung der Menschheitsfrage übergegangen“. Oder?

P.S. Dazu Rudolf Augstein at his best (im Spiegel 1967 zum Erscheinen von Friedrich Heers „Gottes erste Liebe“ – einer Geschichte des Antisemitismus von der Antike bis Hitler)

Als gäbs kein Morgen mehr

Podcast/Download: Artarium vom Sonntag, 19. August – Tanzen im Radio? Eine echte Herausforderung! Wir machen uns gemeinsam mit Leon Galjasevic auf die Suche nach jenem gewissen Funken, der die Produktivität in uns zu entfachen vermag, wenn er urplötzlich überspringt und zündet. Denn einfach nur über seine Leidenschaft – das Tanzen – zu sprechen, das wäre uns zu eindimensional gewesen. Aber etwas von seiner Ergriffenheit, seinen inwendigen Bewegungen und ihrem Ausbrechen in den Ausdruck zu vermitteln, spürbar zu machen und zu erleben – das erscheint uns der Idee eines Kunnst-Biotops eher zu entsprechen. Und Leon hat noch einiges mehr zu bieten…

Vor etwa vier Jahren entdeckte er den C-Walk (auch Crip-Walk, einen in den U.S.A. nicht unumstrittenen Hip-Hop Tanzstil, der ursprünglich aus der Gang-Kultur von Los Angeles stammt) und begann damit selbst zu experimentieren. Machen ja viele junge Menschen, da mal was ausprobieren und dort ein Video hochladen, hat eh Spaß gemacht – und weiter gehts in die nächste Szene, zum nächsten Projekt. Nicht so Leon, der irgendwo eine tiefere Begeisterung gespürt haben muss – und sich seither der Ausbildung im Hip-Hop Dance widmet. Und der die Tanzstile, die ihm da begegnen, nach seinem eigenen Gefühl weiter entwickelt.

Leon auf YouTube: C-Walk/How to save a life

„Ich tanze meinen eigenen Stil – entweder zu Hip-Hop oder zu modernen Stücken, aber auch zu Klassik.“ So beschreibt Leon seinen Tanz im ersten Schriftwechsel mit mir. Neugierig geworden klicke ich seinen Youtube-Channel durch und bleibe bei einem faszinierenden Song vom deutschen Singer/Songwriter Tim Bendzko hängen. „Ich laufe“ – getanzt vor romantischer Naturkulisse und fast nur mit dem Oberkörper, mit den Händen ausgedrückt! Das hat in all seiner lyrischen Kraft auf einmal ganz viel mit unserern Musik/Text Arbeiten speziell in der Nachtfahrt zu tun. Das ist schön, stark, verwegen, zart – und emotional sehr ansprechend…

Leon auf YouTube: Tim Bendzko – Ich laufe

Welcher kreative Funke zündet die nächste Stufe? Gehts mehr in Richtung Ausdruckstanz oder etwa Schauspiel? „Ich hab da schon einiges an Material für ein komplexeres Video, jetzt fehlt mir nur noch die richtige Musik dazu.“ Was könnte das sein? „Etwas, dass mich ganz stark berührt.“ Ja, natürlich:

Leon auf YouTube: Vincent Lee – Momentum

Und als ob das nicht schon genug wäre für ein anregendes Gespräch über die Grenzen der Genres und Generationen hinweg, lernen wir Leon, den Profi des selbstverständlichen Crossmedia-Auftritts zu guter Letzt auch als einen Lernenden kennen, den die rastlose Suche nach der jeweils nächsten Vollkommenheit umtreibt. Von Perfektion zu Perfektion strebend ist dem schöpferischen Menschen das Erreichen des letzten Zieles nicht vergönnt. „Ein Künstler, der mit seiner Arbeit zufrieden ist, der ist entweder kein Künstler – oder schon längst tot.“ Von wem auch immer dieses launige Zitat stammt, es trifft einen wahren Kern. Wir bleiben bis zuletzt unterwegs. Und das ist auch gut so, das hält nämlich die Spannung am Leben…

Was dann dabei heraus kommt, wenn man den Fokus beibehält und entsprechende Resonanz erlebt – das könnt ihr jetzt und hier bestaunen:

Leon auf YouTube: Lucia – Silence

Wir gratulieren! 🙂

Das Kreative Vakuum 2.0

Podcast/Download: Artarium vom Sonntag, 12. August – Die Kunnst der kreativen Resteverwertung: Eigentlich wollten wir euch hier – wie an jedem Sonntag nach der Nachtfahrt – ein ganzes Album vorstellen. Doch irgendwie waren wir viel zu sehr in Produktion mit dem letzten Perlentaucher Projekt „Falsche Götter“ – und Emanueles grandiosem Gastauftritt dortselbst. Oder wir haben zur Zeit einfach kein gemeinsames Album, das wir für wesentlich erachten UND das in eine knappe Sendestunde passt? Denn sowohl „Navigating by the stars“ von Justin Sullivan als auch „Disintegration“ von The Cure sind einfach zu lang. Also – scheiß der Hund drauf!

Warum nicht zurück zu den spontankreativen Wurzeln der ersten Sendungsjahre und zur Inspiration unseres Godfather of Livestream-Zerhackstückung Peter.W. – und einfach mal eine Art „Restlessen“ aus jenen Beiträgen gestalten, die es nicht mehr in die Nachtfahrt Playlist geschafft haben, aber immer noch in unseren Gehirnen herum geistern? So sei es denn – eine Sendung ohne Thema, ohne Konzept, ohne Struktur und ohne zuvor festgelegte Dramaturgie – eine Überraschungssendung für uns selbst wie auch für euch. Wir nehmen einfach alle Tracks mit ins Studio, die am Freitag aus Zeit- und Platzmangel nicht mehr zu Gehör kommen konnten, Musik und Spoken Word durcheinander, auch unsere eigenen Texte, und entscheiden dann aus dem Stehgreif, was wir eigentlich doch noch ganz gern hören möchten.

Da fällt mir ein – aus dem genialen Spiegel-Artikel vom Matussek hab ich vorgestern ja auch nicht mehr vorgelesen. (Hier sein Videoblog über die Recherche dazu.) Wie dem auch immer werden wird – zum Schluss entsteht aus jeder inneren Leere des Kreativen immer auch eine neue Schöpfung mit Geist und Gestalt. Das ist nämlich das Wesen dieses „Kreativen Vakuums“ – seine innerliche Sogwirkung! Seien wir also gespannt – wir sind schließlich ein Kunnst-Biotop. Auch ein Komposthaufen ist eben ein geiles Institut…

 

Restspielzeit – Ein Ausverkauf

Podcast/Download: Artarium vom Sonntag, 29. Juli – Jenseits von Mainstream und Mozartkugel? Da kann ich ja auch gleich zuhause bleiben! Die etwas andere Festspielcollage zur fröhlichen Verfeierung des Geschäftsmodells Imagepolitur mal Umsatzsteigerung: Was hat sich für uns seit Thomas Oberenders ambitioniertem Abgang im Vorjahr verändert? Warum schmelzen die jung-kreativen Freizonen in dieser Stadt kontinuierlich weiter, während uns der Hochfinanzpanzer Festspieltourismus immer noch gegen die Wand drängt? Weshalb zum Teufel sponsort Montblanc das Young Directors Project – aber keine Graffitiwände, etwa unter dem Motto „Schreib was Feines“? Wo sind die Kulturschutzgebiete und Kunnst-Biotope für das Schöpferische aus Salzburg? Und wieso zupft die Festspielpräsidentin an meinem Kapuzenpulli herum?

Alles Mozart – oder was? Nicht unbedingt, doch das Antrittsdrama des neuen Festspielintendanten hat unmissverständlich klar gemacht, worum sich hier alles dreht: ums Geld. In dieser Stadt hat offenbar nur noch das einen Wert, was sich mehr oder weniger umwegrentabel zu Geld machen lässt. Geld, das wiederum Geld anzieht, damit noch mehr Geld daraus entsteht. Die fortwährende Anhäufung von Geld zum Zweck von – weiterer Anhäufung von Geld. Gnadenloser Kapitalismus. Oder schlicht „Mammon“. Und während sie alle feucht (doch wirklich fröhlich?) um ihr goldenes Kälbchen hopsen, die Wichtigen, die noch Wichtigeren und die nicht ganz so Wichtigen, geht ohne große Nebengeräusche ein schöpferischer Prozess nach dem anderen den Salzachbach hinunter und eine um die andere künstlerische Hoffnung im wahrsten Sinn zugrunde – oder eben ins Exil. Wenn schon „die ganze Stadt Bühne“ sein soll für den konsumistischen Spektakeltanz der Reichen und Mächtigen, dann sollen sich auf dieser Bühne doch gefälligst auch die Kinder ihrer Eingeborenen aufführen dürfen – und nicht nur die Handlanger der Gelddrucker und ihre Repressentanten. Macht endlich Platz – und zwar zweckfrei!

Es ist schon erstaunlich: Wir haben nie wirklich darüber diskutiert oder etwa eine echte demokratische Entscheidung getroffen, wozu die Reinhardt’sche Bühnenstadt eigentlich genau dienen soll – aber wir reglementieren ihre Benutzung und verbieten ihre Interpretation jenseits etablierter Gewohnheiten.

„Alles in dieser Stadt ist gegen das Schöpferische, und wird auch das Gegenteil immer mehr und mit immer größerer Vehemenz behauptet, die Heuchelei ist ihr Fundament und ihre größte Leidenschaft ist die Geistlosigkeit, und wo sich in ihr Phantasie auch nur zeigt, wird sie ausgerottet…“ (Thomas Bernhard – Die Ursache. Eine Andeutung)

Sehen wir mal, was uns dazu einfällt – und wohin uns das führt. Gemeinsam mit einem jungen Multikreativen – Emanuele, der auch Co-Producer unserer nächsten Perlentaucher-Nachtfahrt „Falsche Götter“ sein wird – begebe ich mich also in ein paar Zwischenwelten von Salzburger Behauptungen und Biederkeiten. Und das bitte nicht ohne eine gehörige Portion Humor, die fürs Überleben hier auch unerlässlich ist! 😉

 

Blumfeld – Testament der Angst

Podcast/Download: Artarium vom Sonntag, 15. Juli – Das ganze Album im Kontext von Love and Desperation (Nachtfahrt vom Freitag, 13. Juli) – oder halt einfach nur zur gepflegten Sommerdepression? Auf der Suche nach den Möglichkeiten, höchst ambivalente Gefühlswelten textlich wie musikalisch elegant und stilvoll zum Ausdruck zu bringen, landen wir unweigerlich wieder einmal bei Blumfeld und ihrem nunmehr solo werkenden Frontman Jochen Distelmeyer. Auf dem diesmal hier vorgestellten Album „Testament der Angst“ von 2001 wird eine derartige Gleichzeitigkeit von erlebter Liebe, politischem Zorn und selbstkritischer Verstimmung in Szene gesetzt, dass sie einem therapeutischen Manifest emotionaler Authentizität gleichkommt – auch und gerade weil dieses Befinden nach wie vor so charakteristisch für unsere Zeit ist.

Bei unserem Gespräch aus Anlass seines Salzburger Solo-Debuts im Dezember 2009 fragten wir Jochen explizit nach seinen Erfahrungen mit jenem Seinszustand, den man heute allgemein schwammig als Depression beschreibt. Und ebenso elegant, wie er bereits in der gesamten Blumfeld-Zeit diesen Aspekt menschlichen Erlebens verhandelt hatte, verwies er auf den Gesamtbefund der gesellschaftlichen Entwicklung in den letzten 20, 30 Jahren und konstatierte schließlich, dass aufgrund der massiven Auswirkungen einer in zunehmender Beschleunigung dem Erfolgsstreben gewidmeten Zivilisationskultur wohl immer mehr Menschen ihre umfassenden Empfindungen von Perspektivlosigkeit und Vereinzelung als eine wahrscheinlich behandlungsbedürftige Überforderung wahrnehmen. Einige Ausschnitte aus dieser Unterhaltung könnt ihr im Radioportrait „Jochen Distelmeyer Adventsingen“ nachhören.

Und auch meine damals durchaus erregten Einlassungen auf den wirklich untergründigen Verriss des letzten Blumfeld-Albums „Verbotene Früchte“ durch Doris Knecht im profil (April 2006): „Ich möchte Teil einer Schmetterlingsbewegung sein“. Daraus erwuchs damals die Urform einer gewissen Orgelmetapher, die ab einem bestimmten Grad nicht mehr nachvollziehbarer Abwertung des besprochenen Kunstwerks oder Entwicklungswegs durchaus sexuelle Frustrationen der Poppkritik als Erklärungsansatz unterstellen möchte.

Ganz anders klingt das im Spiegel-Gespräch unter dem Titel „Härte ist ein Aberglaube“ – das entspricht auch meiner Erfahrung mit der Stimmigkeit des Gesamtschaffens, das ich vom ersten bis zum letzten Salzburg-Auftritt erlebt habe. Warum also Blumfeld und Distelmeyer eine Inspiration für junge Salzburger Bands sein sollten? Weil diese spezielle Verbindung von Emotion und Intellekt, von kindlichem Empfinden und literarischer Reflexion in der Diktatur der Mozartkugel und ihrem ewigen Eventsingen praktisch (noch) nicht vorkommt.

Und weil wir ein geiles Institut sind natürlich 😉

Hier also das Video zur Einstimmung: Diktatur der Angepassten (Live) – Gebt endlich auf!!!

Autor Emocion

Podcast/Download: Das Artarium vom Sonntag, 8. Juni stellt den jungen Autor Damien Thomas vor. Nachgerade zwangsläufig. Denn auch dieses Jahr besuchten wir die von der Salzburger Autorengruppe veranstaltete Schulschluss-Lesung im Literaturhaus, gekonnt in Szene gesetzt von Gerlinde Weinmüller. Eine Menge frischer Talente aus dem Dunstkreis ihrer Kreativ-Schreiben-Gruppe zeigten als „Blitzlichtgewitter“ sprachliche Momentaufnahmen – klick, klick, klick – Spot on, Spot off. – Schon im letzten Sommer begeisterte uns das Programm „Provokationen“ dermaßen, dass wir zwei Sendungen dazu gestalteten, das gleichnamige Feature mit AutorInnen sowie die Nachtfahrt „Speak Your Mind“ – und auch heuer sind wir die Perlentaucher:

Etwa im ersten Drittel der Veranstaltung nahm ganz außen am Podium ein sympathischer Typ mit Stirnband Platz und lächelte scheu ins Licht. Dann wurde er angekündigt: „Ich bin ein ziemlicher Optimist – für einen Pessimisten. Wenn ich schreibe, dann lege ich die Maske ab, die mir die Gesellschaft aufzwingt.“

Bumm. Das ließ aufhorchen. Und sein Text, den er dann las, ging tief in die authentischen Abgründe verzweifelnder Selbsterforschung. „Champagner“, prickelnd vor Spannung bis zum letzten Schluck und ungemein berührend in seinen Stimmungswechseln vom glühendem Zorn über die dekadente Pose bis hin zu einer nonchalanten – ich verrate hier mal lieber nicht allzu viel, denn genau diesen Text wird Damien in der Sendung vortragen, umrahmt von den entsprechenden Inspirationen aus seiner Musikwelt. Eine kleine Nachtfahrt im Artarium sozusagen (und eine große muss es dann im Herbst auch noch werden!) denn was wir hier zu hören bekommen, das macht ebenso betroffen wie Mut auf mehr! Bedenkenswertes von einem, der sich den ganz großen Fragen entgegen wirft…

Es will mir ohnehin schon die längste Zeit nicht eingehen, wie beleidigend unernst Texte von Jugendlichen generell genommen werden. Das sei nur so eine Phase, unausgereiftes und zügelloses Gefühlspathos. Wie viele erwachsen arrivierte AutorInnen sondern nicht schreckliches literarisches Blech ab? Fragen sie Denis Scheck 😀

Wenn man sich Damiens Texten öffnet (und das ist uns gar nicht schwer gefallen, spüren wir da doch so etwas wie eine thematische Wesensverwandtschaft) dann erschüttern sie einen zunächst, verstören womöglich und stellen einem auch mal so richtig die Welt auf den Kopf. Doch wenn man dem pseudoerwachsenen Reflex des Vorsortierens und Urteilens nicht gleich nachgibt, dann kommt einem der eigene autonome Mensch zum Vorschein, der im Einklang mit seinen Gefühlen und Bedürfnissen leben muss – und dies im herrschenden Nutzzwecksystem nicht so leicht kann. Und dann tun sich die wesentlichen Fragen auf, wie man etwa wirklich selbstbestimmt leben könne in dieser Geldsellschaft oder wie sich denn Gemeinschaft sinnstiften ließe in dieser Umwucht von Blödung und Redandunst…

I’m not okay (Weil ich mich weigere, das System zu akzeptieren. Und weil ich verrückt bin.) Ist das jetzt Emotional Hardcore? Wir sind jedenfalls ein geiles Institut 😉

Please Madame

Podcast/Download: Artarium vom Sonntag, 24. Juni – Schon wieder verwandelt sich unser Studio in das bekannte Künstlercafé mit Livebühne. Zu Gast sind diesmal Please Madame aus Salzburg, fünf überaus sympathische Herren, die es sich nicht nehmen lassen, zwischen ihren Aufnahmesessions und dem bevorstehenden Konzert am Herz-Jesu Gartenfest auch bei uns in der Radiofabrik vorbei zu schauen. Im Gepäck haben sie ihre demnächst erscheinende EP „Hi, Society“ (oder wie immer man das schreibt 😉 ) sowie allerlei Instrumente für einen spontanen Unplugged-Auftritt. Wir interessieren uns natürlich auch dafür, was denn das für besondere Menschen sind, die da auf einmal so laut aufdrehen in unserer schönen Highmatt…

Es begann alles mit diesem nicht gerade alltäglichen Video von „Open Heaven“, auf das uns der rasende Ideenstifter Dima gleich nach dessen Auftauchen auf YouTube aufmerksam machte. Schau an, es bestach sofort durch eine energiegeladene Stimmung ausgelassener Wildheit – und eine eigenwillige, an die Frühzeit des Musikvideos erinnernde Ästhetik. Was allerdings in der Praxis dafür spricht, es funktioniert – auch nach Wochen – immer noch! Die interessieren uns, haben wir gedacht, die haben etwas zu sagen, mit denen wollen wir eine Sendung machen… „Das gute am freien Radio ist der kurze Weg zwischen Operation und Ergebnis.“ (Günther Paal/Gunkl)Hier sind sie also, live und ungefiltert, auf den Wellen, die die Welt bedeuten, mit uns, für euch – und gut zu hören:

Please Madame, das sind Dominik Wendl (Gesang), Benjamin Wendl (Bass), Martin Pöheim und Laurenz Strasser (Gitarre) sowie Merlin Delic (Drums), der zu dieser Vorbesprechung nicht kommen konnte, weil er in der Zwischenzeit noch den Scheich chauffieren durfte. Eigentlich wäre es ja nicht sonderlich zeitaufwändig, den Ablauf und Zeitplan einer solchen Sendung auszumachen und sich auf die üblichen Informationsfragen zu einigen. Doch was von der ersten Begegnung an sofort ins Auge und mehr noch ins Gemüt sprang, war diese besondere Gruppenchemie – als Gemeinschaft wie auch zwischen den einzelnen Bandmitgliedern. Hier hat sich über Jahre hinweg (zum Teil spielen sie schon zusammen, seit sie 13/14 waren) ein kreativer Nährboden entwickeln können, der uns – aber hallo – aufmerken ließ.

Was ist das Verbindende in dieser Band, was ist dieses „zwischen den Menschen Stattfindende“, der zumeist kaum wahrnehmbare schöpferische Prozess? Welche geheimen Vorgänge machen den Freundeskreis zu einem produktiven Projekt? Wie entsteht hier die richtige Mischung aus persönlicher Nähe und professioneller Distanz? Wie halten sich Respekt vor einander und Kritik an einander derart die Waage, dass es nicht angestrengt oder gezwungen wirkt und dabei Musik mit so tiefgründiger Leichtigkeit entsteht? Dies wollten wir ein Stück weit durch eigenes Miterleben erforschen – nicht um es irgendwie definitorisch zusammengefasst wiedergeben zu können, sondern um es auch in der Sendung zwischen den Zeilen spürbar zu machen. In diesem Sinne sind wir auch alle ein geiles Institut! 😀

ACHTUNG! Diese Sendung wird am Dienstag, 26. Juni Uhr im Rahmen des HEIMSPIEL (Tag der lokalen Musikszene) um 19:00 Uhr wiederholt. Gut zu hören…