Es scheint mir nicht vermessen, die Überwachung zu fürchten.

Warum vermessen wir uns selbst?

Wenn wir unsere Fitness tracken und auch sonst mittels Smartphone und PC (meist ohne Absicht) 24 Stunden am Tag jede Menge Daten über uns generieren – wer hat dabei die Kontrolle über wen? Welchen Nutzen ziehen wir selbst daraus? Und was haben Krankenversicherungen, große Unternehmen oder die Politik davon?

Die Soziologin Dhenya Schwarz von der RWTH Aachen hat sich wissenschaftlich mit diesen Fragen beschäftigt. Mit ihrer spannenden Arbeit zum Thema „Digitale Selbstvermessung“ gewann sie den Nachwuchspreis des Netzwerks Zukunftsforschung. Ende März sprach sie darüber in einer JBZ-Montagsrunde vor vollem Haus.

Mehr dazu am Mittwoch, 10. April um 17:00 Uhr in Radio Bob.
Auf 107,5 — der Frequenz de Radiofabrik in Salzburg und im (Live-)Stream zum an- & nachhören.

 

 


Nicht alles, was technisch möglich ist, muss umgesetzt werden. Aber die Verführung, dass dies geschieht, ist groß. Bei der Vermessung des Selbst geht es um Fitness, Gesundheit, Wissen, Sicherheit, Produktivität und (Selbst)-Optimierung.

Die Palette reicht von der bekannten Smartwatch, die Schritte zählt und den Puls misst, bis hin zur High-Tech-Kloschüssel. Die könnte permanent den Urin der Benutzer und Benutzerinnen analysieren. Und so ganz leicht den Arbeitgeber über eine Schwangerschaft oder eine beginnende Zuckerkrankheit informieren. Damit aber auch über den rechtzeitigen Kündigungszeitpunkt — noch bevor die Angestellte davon erfährt.

Mehr und bessere Daten können Politik und Wissenschaft dienen, zum Beispiel auch der Gesundheitsvorsorge oder der Verkehrsplanung. Doch der Grat zum Missbrauch ist schmal, weiß die junge Soziologin: Es wird immer leichter präzise festzulegen, was als gesund oder krank, schön oder hässlich gilt; und ebenso festzustellen, wer sich wann wo wie bewegt und aufgehalten hat, dabei wen getroffen hat und was dabei gesprochen oder konsumiert wurde – an Nahrung, Wasser, Energie, ebenso wie an TV-Sendungen.

Die Einführung von Smart Metern und die Umrüstung des eigenen Hauses in ein Smart Home könnten Kosten sparen (dem Versorger meist mehr als dem Verbraucher) und der eigenen Bequemlichkeit dienen, aber auch zur Einschränkung unserer Freiheit führen. Spätestens dann, wenn wir damit rechnen müssen, dass diese Daten über kurz oder lang in falsche Hände geraten – in der Wirtschaft oder in der Politik.

Eine fortschreitende Ausweitung der Selbstvermessung macht es zudem immer schwerer, zwischen Freiwilligkeit und subtilem Zwang zu unterscheiden. Orwells Großer Bruder und die von Huxley beschriebene Schöne neue Welt lassen grüßen! Eva von der Radiofabrik ergänzt dazu: „Von Juli Zehs Corpus Delicti ganz zu schweigen“.