DAVID BOWIE, The Next Day – OCBs Radiofabrik-Album-der-Woche

Where Are We Now? oder Bekenntnisse des David-Bowie-Fans Oliver Baumann

db_TheNextDayDie Situation könnte seltsamer kaum sein. Wie so viele da draußen, warte ich seit Jahren auf nichts anderes: Endlich ein neues Bowie-Album in Händen zu halten! Und jetzt, wo es so weit ist, nach fast 10 Jahren Wartezeit, weiß ich nicht, wie ich diesen Text anfangen soll. Es schlichtweg sein zu lassen, wäre ein einfacher Ausweg. Doch nicht in meinem Fall. Denn ich bin Bowie-Fan. Nein da ist eigentlich zu wenig. Es muss Fanatiker heißen! Und dabei bin ich arrogant genug zu behaupten, der größte und glühendste Fanatiker und Kenner in Salzburg zu sein, und ich nehm’s auch mit Vertretern aus anderen Bundesländern auf.

Als ich 2004 in der Radiofabrik anfing auf Sendung zu gehen, sollte dabei nicht nur irgendeine Musiksendung entstehen, sondern eine, bei der in jeder Sendung ein Bowie-Song gespielt würde. Selbst der bis heute nur schwer nachvollziehbare und oftmals falsch ausgesprochene Titel meiner Sendung OCBoddity (sprich OCBoddity, nicht OCBoddity und schon garnicht ozboddity) sollte dem Hörer meine Faszination für mein Idol mehr oder weniger vordergründig verdeutlichen. Zur Erklärung: OCB sind meine Initialen und oddity kommt von Bowies erstem nennenswerten Hitparadenerfolg Space Oddity (1968 bzw. 1969), das ich für einen der großartigsten Popsongs aller Zeiten halte. Bei richtiger Aussprache reimt sich der Sendungstitel sogar!

OCB_diamond_dogAngefangen hatte alles 1983, als Udo Huber „Die Großen Zehn“ live aus irgendwelchen Provinzdiscos präsentierte und wir vor dem Fernseher saßen und hofften, dass nicht ausgerechnet jetzt, wo Bowies China Girl-Video mit der ominösen Nacktszene lief, die gastgebende Mutter hereinkäme. Wenige Zeit später lernten wir die nötigen Instrumente zu spielen um unser eigenes Best-of-Bowie selbst darbieten zu können und wurden dafür in den Spät-80ern Gott-sei-Dank wohlwollend belächelt. Dass ich den Part des charismatischen Frontmanns mim(t)e, versteht sich von selbst, oder? Immerhin war ich doch als einziger in der Band bereit bei Bowie 87-er Konzert in Wien mich als Diamond Dog im Publikum zu inszenieren.

2004 bastelte ich als stolzer Sendungsmacher der Radiofabrik schon nach wenigen OCBoddity-Sendungen mit großer Euphorie an zwei „Special-Editions“ ausschließlich über David Bowie, der sich für Anfang Juli nach Wien und Salzburg zu Konzerten im Rahmen seiner Reality-Tour ankündigte. Bowie in Salzburg – das sollte mein Fan-Karriere-Höhepunkt werden! Doch es kam bekanntermaßen anders. Zuerst der Lolli im Auge, dann die Schulterschmerzen, dann der Krankenhausaufenthalt und dann die Gewissheit: Mein Idol ist schwerer angeschlagen. Und die Konzerte in Österreich wurden abgesagt. Der über die offizielle Website verbreiteten Nachricht, Bowie werde bald wieder fit sein und freue sich schon darauf seine Fans bald wieder zu besuchen, misstraute ich instinktiv.

Dabei hatten wir gerade so eine gute Zeit. Bowie war nach den lauen Früh-90er-Jahren mit 1. Outside fulminant zurückgekehrt. Für mich eines seiner aller besten Alben bis heute. Dass ich ihn damals – gerade zufällig in New York – beim Album-Signieren auf der 5th Avenue nicht persönlich kennen gelernt habe, verzeih‘ ich mir übrigens bis dato nicht wirklich. Dass er bei seinem Konzert Anfang Februar 1996 in Wien Moonage Daydream, einen weiteren meiner Favoriten, als Zugabe spielte, machte mich dagegen sehr glücklich. Und auch die Jahre danach liefen gut. Regelmäßige Alben, regelmäßige Live-Konzerte und OCB mitten drin und voll dabei. Daneben stapelten sich zu Hause Bootlegs, Special Editions, Picture Discs und unzählige T-Shirts. Und der Email-Account auf davidbowie.com war sowieso Ehrensache.

2005 aber erfolgte schon bald die Mitteilung, es werde kein neues Bowie-Album in diesem Jahr geben. Stattdessen folgten diverse Gast-Auftritte u.a. bei Arcade Fire, David Gilmour und 2008 auf Scarlett Johansson’s Pop-Debut als Interpretin von Tom Waits-Songs. Doch dann wurde es immer stiller um Bowie. Für mich als Fan galt es die Gerüchte über seinen schlechten Gesundheitszustand, über unbestätigte Aufnahmesessions (in Berlin), bis hin zu angeblichen Plänen, er werde New York in Richtung Burgenland verlassen, abzuwägen und auf ihren Wahrheitsgrad hin zu untersuchen. Die regelmäßige Frage eines guten Freundes „Und was Neues vom Bowiedl?“ stieß vom anmaßend despektierlichen Wortspiel abgesehen auf eine langsam verheilte Wunde. Die Antwort „Der ist in Pension“ tat dennoch weh.

Dass ich am 8. Jänner 2013 aber nicht auf den Kalender sehen musste, um zu wissen, wer denn an diesem Tag Geburtstag haben könnte (Elvis Presley und Ron Sexsmith), muss aber gesagt sein. „66 Jahre sind eh okay für Pension“, dachte ich mir. Was dann, so gegen 9h20 über mich hereinprasselte, war einfach nur mehr schön!bowie02

Daher ist diese meine Situation so … seltsam. Denn ich weiß nicht, wo ich anfangen soll. Das Sprichwort „Vor lauter Bäumen keinen Wald sehen“ trifft’s am besten. Oder „Wer zu viel weiß, weiß gar nichts“. Aber vielleicht halte ich mich einfach an mein Idol, mach’s wie er und schweige zu diesem Album. Das wäre auch am ehrlichsten. Denn neben all‘ den gesammelten Informationen zu The Next Day, den unzähligen Magazinen, die Bowie in ihrer März-Ausgabe von vorne bis hinten beleuchten, dem unergiebigen small talk in den Gazetten, meinem geschulten Fachohr, das bei jedem Track auf The Next Day Ankerpunkte zu hören meint, den Hintergrundinfos, die ich zur eitlen Selbstdarstellung vollmundig auspacken könnte und den Gerüchten über mögliche oder doch wieder undenkbare Konzerte des Meisters überwiegt bei mir einfach nur die Freude über die Gewissheit: Er ist wieder da! „ … and the next, and the next day and another day!“

Und wer jetzt das Radiofabrik-Album-der-Woche hören will, der ist hier richtig. PW: OCP

Playlist (des Albums)
The Next Day
Dirty Boys
The Stars (Are Out Tonight)
Love Is Lost
Where Are We Now?
Valentine’s Day
If You Can See Me
I’d Rather Be High
Boss Of Me
Dancing Out In Space
How Does The Grass Grow?
(You Will) Set The World On Fire
You Feel So Lonely You Could Die
Heat

Bonustracks (des Albums & der Sendung)
So She
Plan
I’ll Take You There

OCBoddity 222 (23.07.2012)

Was für ein Sommer … Kein Verlass, kein Tag ohne Regen. Gut, dass es die Radiofabrik und OCBoddity gibt. Darauf kann man zählen. Und die 222. Ausgabe von OCBoddity bietet verlässlich Rock, Pop and Indie at its Best: Pressfrisches, Unwiderstehliches, eine Handvoll aktueller Live-Alben und eine kurze Reminiszenz an vergangene Poptage, u.a. an Terence Trent D’Arby‘s famoses Debütalbum, das im Juli 1987 veröffentlicht wurde. OCB bringt (die fehlende) Sonne ins Leben!

PLAYLIST
The Gaslight Anthem, “45”
Train, 50 Ways To Say Goodbye
The Features, Temporary Blues (UK Mix)
Marcy Playground, Black Eyed Sue
The Vinyl Skyway, Golden Lights
Richard Hawley, Down in the Woods
U2, Mysterious Ways (live)
Terence Trent D’Arby, Wishing Well
Paul Simon & Ladysmith Black Mambazo, Diamonds On The Souls Of Her Shoes
John Butler, Used To Get High (live)
Ryan Adams, This House Is Not For Sale (live)
Andrew Bird, Near Death Experience

Zum Nachhören

PRINCE, Sign O‘ The Times – OCBs Radiofabrik-Album der Woche

Das Meisterwerk des Prinzen!
Plattenlabels sind nur selten Freunde selbstherrlicher Vielschreiber. Warner Bros. machte da bei Prince keine Ausnahme. Und so zogen sich die Meinungsverschiedenheiten und Friktionen der beiden Seiten als parallele Konstante zu Prince’ fabulösem Aufstieg durch die 80er-Jahre.

1986 rückte der umtriebige Ausnahmekönner aus Minneapolis nach dem Riesenerfolg von Purple Rain (Film und Album) und dem Riesenflop Under the Cherry Moon (der Film – das Album verkaufte sich auch durch den Superhit Kiss durchwegs gut) mit einem dreifach-Album an, das Chrystal Ball heißen sollte. Hatte Warner 1982 mit 1999 als Doppelalbum schon Bauchweh und bot kurzerhand auch eine auf eine Scheibe reduzierte Version an, war nun klar, dass sechs Albumseiten zu viel seien, um relevante Absätze erzielen zu können. Es sollte nicht die letzte Enttäuschung für Prince bleiben.
Doch er machte das Beste daraus. Fans und Kritik sind sich bis heute darin einig, dass das auf vier LP-Seiten reduzierte Album, das nun den Titel Sign O‘ The Times trägt, alles vereint, was Prince ausmachte und immer noch ausmacht. Ohne seiner bewährten Kombo The Revolution kreierte Roger Prince Nelson – so sein bürgerlicher Name – im Alleingang eine Mischung aus Funk, Rap, Pop, Jazz, Disco, Soul und Rock, die weder davor noch danach so gelungen verschmolz wie auf Sign O’ The Times und so zum Höhepunkt seiner Karriere wurde.
Schon der Titeltrack als Single-Vorbote stellt(e) mit seinem prägnanten Bass-Riff und dem dazu gehörigen Video, das in der Frühzeit der computergesteuerten Animation die  wenigen, unterkühlt vorgetragenen Textzeilen über den Bildschirm gleiten ließ, einen „Eye- and Earcatcher“ besonderer Klasse dar. Überhaupt gefällt Sign O’ The Times durch seine trockenen wuchtigen Mid-Tempo-Beats und seine oftmals angenehm sparsamen Arrangements (eine Kunst, die Prince in den folgenden Jahren zunehmend vernachlässigen sollte). Den wenigen überschwänglichen Songs (Play In The Sunshine, Slow Love, U Got The Look, I Could Never Take The Place Of Your Man) stehen die stampfenden Grooves von Housequake, It, Hot Thing, Strange Relationship) gegenüber. Zudem ragen die gedämpften Balladen (The Ballad Of Dorothy Parker, Forever In My Life) hervor.
Einige Nummern, wie das bestechende If I Was Your Girfriend, sind mit beschleunigtem Gesang aufgenommen, ein Überbleibsel des als selbständiges Album geplanten, dann von Prince selbst fallen gelassenen Projekts Camille. Als androgynes Alter Ego von Prince durch die Stimme Camilles jedoch noch ein Zeitlang herhalten. Dem Konzept entgleitend stellt das überlange It’s Gonna Be A Beautiful Night eine Reminiszenz an die ehemalige Begleitband The Revolution, aber auch den einzigen Schwachpunkt des Albums dar, ehe Prince zum Ausklang seines opus grande mit Adore quasi den Prototyp für seine zukünftigen R’n’B-Soul-Balladen ablieferte.

In starkem Kontrast zum musikalischen Füllhorn von Sign O’ The Times stehen Texte und Inhalte. Prince galt und gilt als kein großer Wortakrobat und auch auf seinem Meisterwerk drehen sich nur wenige Nummern nicht um Liebe, Lust, Begehren und Sex in all‘ seinen Schattierungen, vom One-Night-Stand (I Could Never Take The Place …) über intime Phantasien (If I Was Your Girlfriend), allgegenwärtigen Sexhunger (It) zu Treueschwur (Forever in My Life) und klischeereichen Liebesbeweisen (Adore).
Weniger variabel und facettenreich vermögen die politisch motivierten Inhalte – neben dem Titeltrack das religiös untermauerte The Cross – gewisse naiv anmutende Verkürzungen nicht zu verhehlen.
Dessen ungeachtet erreichte Sign O’ The Times rund um den Globus die obersten Platzierungen in den Albumcharts (in Österreich Nr. 2) und dem Aufruf ganz in Pfirsichfarbe und Schwarz (nach einer Zeile aus U Got The Look) zu erscheinen, folgten zahlreiche Besucher während der folgenden zweimonatigen Europatournee, wovon ein wenig später in den USA veröffentlichter Konzertfilm (sinnigerweise ebenfalls Sign O‘ The Times betitelt) zeugt.
Anlässlich seines 25. Geburtstags präsentiert „Hörenswert – Das Radiofabrik-Album der Woche“ Prince‘ Sign O‘ The Times, wobei aufgrund seiner Überlänge (ca. 80 Minuten) nicht alles Songs in der Sendung Platz finden bzw. in gekürzter Version auftauchen (siehe unten). OCB wünscht viel Spaß dabei!


PLAYLIST (des Albums)

Sign O‘ The Times
Play In The Sunshine
Housequake
The Ballad Of Dorothy Parker
It
Starfish & Coffee
Slow Love
Hot Thing
Forever In My Life
U Got The Look
If I Was Your Girlfriend
Strange Relationship
I Could Never Take The Place Of Your Man
The Cross
It’s Gonna Be A Beautiful Night
Adore

Und wer’s hören will … klickt hier