Verrat steht im Raum

Georg Jungwirth, wird von Peter Weidner vom Freiheitskämpferbüro OÖ, als Intellektueller und Humanist, bezeichnet.

Der Fall: Dr. Jungwirth warnt, als das Nazi-Regime erstarkt, seinen Bruder Wolfgang in einem Brief vor den Folgen.

Die Frage, die Weidner, wie Historiker nun beschäftigt, ist: hatte der Bruder Wolfgang die Nazi-Schergen besagten Brief absichtlich finden lassen? Erst nach vielen Versuchen gelang es dem Historiker Peter Weidner, der sich selbst als Autodidakt bezeichnet, Dr. Georg Jungwirth persönlich zu treffen. Zu verdanken war dies Weidners Achtsamkeit.

Letztlich zeigte sich, dass das Rätsel um den Verrat der Bruder Wolfgang Jungwirth mit ins Grab nehmen sollte. Es bleiben Fragen offen, auf die auch Dr. Georg Jungwirth vor seinem Tod keine Antwort finden konnte.

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Es spricht Peter Weidner vom Freiheitskämpferbüro OÖ.

Anwalt, Sozialdemokrat und Jude: Dr. Hermann Schneeweiss

Dr. Hermann Schneeweiss, Anwalt, Sozialdemokrat und Jude. Seine Anwaltskanzlei hatte Dr. Schneeweiss in der Linzer Bischofstrasse, in der auch Adolf Eichmann eine Zeit lang gelebt hatte. Nach dem Anschluss wurde Schneeweiss deportiert und sollte schliesslich 1939 mit seiner Familie nach Austrialien emigrieren, erzählt Dr. Schuster vom Archiv der Stadt Linz.

Dr. Hermann Schneeweiss verstarb schliesslich sehr bald und kurz nach der Ankunft in der neuen Heimat, und zwar war das bereits 1946 – in Syndey. Der Bruder des Dr. Schneeweiss, Rudolf Schneeweiss, der eine sehr ähnliche Biographie wie sein Bruder vorweisen konnte, sollte auch das gleiche Schicksal ereilen. Er konnte mit seiner Frau letztlich in England Asyl finden.

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Die Isolation des Dr. Bloch

Der jüdische Arzt und Humanist Dr. Eduard Bloch gerät durch die Nazis in Isolation, trotzdem oder weil die Nationalsozialisten ihn durch Anweisung Hitlers vor dem Schlimmsten verschonen.

Dr. Schuster, Leiter des Archivs der Stadt Linz, erzählt die Geschichte des Dr. Bloch, der auch als Armenarzt tätig war. Und hier kommt Hitler ins Spiel, der – als seine Mutter erkrankt – die für Dr. Bloch so schicksalhafte Bekanntschaft mit ihm machen sollte.

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Es spricht Dr. Walter Schuster / Archiv der Stadt Linz

Hörstolperstein für Gotha – Flucht oder Deportation aus der Provinz

Im Januar 1933 waren es 500: Zwölf Jahre später lebte kein Jude, keine Jüdin, mehr in der thüringischen Stadt Gotha. Dabei führten gerade die lokalen antisemitischen Kampagnen dazu, dass sich der überwiegende Teil der jüdischen Bürger der Provinzstadt frühzeitig ins Exil flüchtete. Doch nicht alle entkamen dem industriellen Massenmord der Deutschen. Weiterlesen

Hörstolperstein Gisela und Johann Jellinek, Salzburg

Gisela und Johann Jellinek

Gisela und Johann Jellinek

Johann JELLINEK, geboren am 12. April 1875 in Schumitz, Mähren (Österreich-Ungarn, hernach Tschechoslowakei, Tschechien), war Jude, Sohn des Salomon JELLINEK und der Anna TAUS (Gastwirtschaft in Schumitz). Johann studierte in Wien Medizin, wurde Facharzt und arbeitete seit März 1907 in Salzburg, seit Juli 1909 im Haus der Donau-Versicherung, Dreifaltigkeitsgasse 1 (oder Platzl 2), 2. Etage, wo sich seine Wohnung und Praxis befanden, wie im Gewerbeverzeichnis der Stadt Salzburg bis 1938 vermerkt ist:

Dr. Johann JELLINEK, Medizinalrat, emeritierter Sekundararzt und ehemaliger Assistent des Allgemeinen Krankenhauses, Facharzt für Haut-, Harn-, Geschlechtskrankheiten und Kosmetik, Röntgendiathermie, Höhensonne sowie Licht- und Tonisatorbehandlung.

Dr. JELLINEK, der 1930 den Titel Medizinalrat vom Bundespräsidenten verliehen bekam, war der einzige jüdische Arzt in der Stadt Salzburg, weshalb ihn speziell Juden gerne aufsuchten, zum Beispiel der im Haus Kapuzinerberg 5 wohnende Schriftsteller Stefan ZWEIG, der im Frühjahr 1924 seiner in Abbazia weilenden Ehefrau Friderike über seine Erkrankung berichtete und dabei seinen Salzburger Arzt besonders lobte:

Ich habe Dir kein Wort geschrieben, allen zu schreiben verboten, dass ich sieben Tage zu Bett war und ziemlich arg daran: eine Bauchgrippe mit allen unangenehmen Begleiterscheinungen; stellenweise war mir schon sehr mies. Alfred [sein Bruder aus Wien] war für einen Tag hergekommen, war mit den Anordnungen des Arztes (Dr. Jellinek, der sehr tüchtig ist) zufrieden, sodass der ursprüngliche Plan, mich nach Wien zu befördern, aufgegeben wurde. Ich werde aber noch längere Zeit bestimmte Diät halten müssen …

Die Familien ZWEIG und JELLINEK waren fortan befreundet, dokumentiert u.a. durch gemeinsame Essen im Hotel Münchnerhof, Dreifaltigkeitsgasse 3, et cetera.

Gisela und Johann Jellinek Stolpersteine

Gisela und Johann Jellinek Stolpersteine/Lasserstraße 23

Dr. JELLINEKS Ehefrau Gisela, geb. am 19. September 1877 in Wien, war die Tochter des Ehepaares Philipp MANDL und Theresa ROSENFELD – beide wurden in der israelitischen Abteilung des Wiener Zentralfriedhofs bestattet. Am 7. April 1907 bekam das Ehepaar JELLINEK in Salzburg einen Sohn: Kurt, der hier das Akademische Gymnasium besuchte und wie sein Vater in Wien Medizin studierte. Dr. Kurt JELLINEK war Spitalsarzt in Wien und ab 1936 praktischer Arzt in Salzburg-Gnigl, Linzer Bundesstraße 36, in einem Arbeiter- und Eisenbahnerviertel. Er heiratete Maria GASCHO aus Bayern, die keine Jüdin, sondern Protestantin war (Augsburger Bekenntnis).

Seit 1917 war die Familie JELLINEK in Salzburg nach altösterreichischem Recht heimatberechtigt. Im Jahr 1932 erwarb Gisela JELLINEK in Salzburg das Haus Lasserstraße 23, unweit der Synagoge.

Hörstolperstein Gisela und Johann Jellinek

Im Gewaltjahr 1938 mussten die beiden jüdischen Ärzte in Salzburg ihre Praxis schließen. Der 32-jährige Dr. Kurt JELLINEK und seine Frau Maria, die noch bis März 1939 im Haus Lasserstraße 23 wohnten, bekamen Visa und Affidavits für die USA, konnten via Genua nach New York reisen (Ankunft am 9. November 1939) und lebten hernach in Middleborough (Middleboro), Massachusetts, wo Kurt und Mary noch bis ins Kriegsjahr 1942 hinein Post aus dem nationalsozialistischen Wien erhielten.

Dr. Johann und Gisela JELLINEK, die im Mai 1938 ihre Wohnung und Praxis in Salzburg, Dreifaltigkeitsgasse 1, für den NS-Reichskriegerbund, Gaukriegerführung Alpenland räumen mussten, wohnten bis zum Frühjahr 1942 in Wien 8, Lange Gasse 61, hernach in Wien 2, Haasgasse 8, in einer »Sammelwohnung«, deren Parteien zur Deportation bestimmt waren. Aus dem Nachlass Dr. JELLINEKs geht hervor, dass das Ehepaar noch im Jahr 1941 Vorbereitungen zur Ausreise mit dem nächsten Fernosttransport traf (»Bahnkarte Berlin – Shanghai RM 28.000 Konto D der IKG 17. März 1941 erlegt«).

Am 28. Juli 1942, als die Deportation bevorstand, schrieb der Vater aus Wien seinen Kindern in Middleboro:

Da wir in den nächsten Wochen von Wien nach einem Ort in Böhmen wahrscheinlich Theresienstadt an der Elbe abtransportiert werden, muß ich Euch …

Am 10. September 1942 ging der »Transport 40 Zug Da 513« mit den Häftlingen Nr. 837 und 838, Dr. Johann und Gisela JELLINEK, nach Theresienstadt. Der Ehemann kam dort 68-jährig am 20. März 1943 zu Tode, die Ehefrau 66-jährig am 9. August 1943.

Ihr Sohn Kurt wurde nach der Befreiung Österreichs über den Tod seiner Eltern von Überlebenden mit viel Feingefühl informiert:

Leider war Dein Vater in dieser Zeit an einer anderen Krankheit erkrankt, die eine Operation nötig gemacht hätte. Nun war aber eine Überführung in das dortige Spital aus dem vorerwähnten Grunde nicht möglich. Dein Vater ist also damals im März 1943, wenn auch eines natürlichen Todes gestorben. Deine Mutter sah Herrn Vogel [Augenzeuge] später einige Male; sie war durch die harten Bedingungen des Winters sehr geschwächt; es hatte damals wenig zu heizen und zu essen gegeben. Ausserdem war der Tod Deines Vaters sicher ein schwerer Schlag für sie. Sie sprach oft von Dir. […] Deine Mutter ist, wie Herr Vogel sagte, sehr schön und sanft hinübergeschlafen. Das war im Mai [August] 1943. Es ist unendlich traurig, dass so liebe Menschen wie es Deine Eltern waren ein ganz anderes Alter erlebten als es ihrem übrigen Leben entsprach. Sie hätten wohl Anrecht auf schöne Tage gehabt.

Dr. Kurt JELLINEK, der das geraubte Vermögen seiner Eltern nicht zurückerhielt – auch nicht das im Jahr 1939 »arisierte« Haus Lasserstrasse 231 – starb 1977 in Middleborough, seine Frau Mary 1998 in East Dennis, Massachusetts.

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1 Gisela Jellinek erwarb das Haus 1932 von David Rosenfeld, der hier mit seiner Familie wohnte. Das Ehepaar David und Stefanie Rosenfeld, das zuletzt in Triest lebte, wurde 1944 in Auschwitz ermordet. Im Haus Lasserstraße 23 wohnten weitere Opfer des nationalsozialistischen Terrors, die aber nicht jüdisch waren: Anna Steinwender, 1941 in Hartheim ermordet, und Otto Schneider, 1941 in Buchenwald ermordet. Das Haus Lasserstraße 23 wurde im Jahr 1939 von Maria Scheuba, Ehefrau eines Arztes, »arisiert« und nach der Befreiung Salzburgs nicht restituiert (Grundbuch Salzburg-Schallmoos EZ 262).

Recherche: Gert Kerschbaumer & Lisa Macheiner; Fotos: Wienbibliothek, Nachlass Dr. Jellinek
Gestaltung & Produktion: Eva Schmidhuber

Lebendige Erinnerung: 70. Jahrestag der Deportation jüdischer Menschen aus Thüringen und Sachsen

Der 10. Mai 1942 steht für die Deportation von Jüdinnen und Juden aus Thüringen und Sachsen nach Belzice. Zum 70-sten Jahrestag der Deportation sollte es in Thüringen eine dezentrale Form des Gedenkens geben. Veranstaltungen in allen Städten und Gemeinden, aus denen jüdische Menschen an diesem Tag in den sicheren Tod geschickt wurden.

In Erfurt mussten sich 101 jüdische Menschen am 09. Mai 1942, um 06.00 Uhr am Hauptbahnhof melden um, nach aktuellen Recherchen, 07.40 Uhr mit dem unregelmäßig eingesetzten Zug Erfurt-Glauchau nach Weimar gebracht zu werden. In einer Viehauktionshalle verbrachten sie die Zeit bis zum nächsten Tag, den 10. Mai, gemeinsam mit Menschen anderer Thüringer Städte. Der Deportationszug führte über Leipzig, wo jüdische Menschen aus Sachsens hinzukamen, nach dem Ghetto Belzice.

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Hörstolperstein, produziert vom Freien Sender Kombinat Hamburg

Mary Pünejr, geb Kümmermann

Wandsbek Freie Kreisstadt nördlich an Hamburg grenzend, die heute ein Teil der Freien und Hansestadt ist. Hier wuchs Mary in der Königstraße 94 mitten im Zentrum auf, als Tochter der Inhaber eines Damenkonfektionsgeschäft. Nach allem was wir wissen scheint ihre Kindheit in besseren ökonomischen Verhältnissen und sehr wohl behütet verlaufen zu sein.

Wandsbeker Marktstraße ehemals Königsstraße in Abendstimmung

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Gedenken verlangt Denken!

Gedenkveranstaltung anlässlich der Deportation von 101 Erfurterinnen und Erfurtern vor 70 Jahren am 9. Mai 2012 von 6:00 bis 8:00 Uhr am Erfurter Hauptbahnhof

Warum wir gedenken

2012 05 09 Aktion Bahnhof Erfurt 02Am 9. Mai 2012 gedenken wir der ersten flächendeckenden Massendeportation aus dem Raum Thüringen und Sachsen. Das offizielle Deportationsdatum ist der 10. Mai 1942. Insgesamt verschleppten die Nationalsozialisten an diesem Tag 1002 Menschen, darunter 341 aus Thüringen. Ziel der Deportation war das Ghetto Bełżyce in der Nähe von Lublin/ Polen. Von den 101 Männern, Frauen und Kindern aus Erfurt, die bei dieser Aktion in das Ghetto Bełżyce verschleppt wurden, überlebte niemand. Sie erlagen den unmenschlichen Bedingungen im Ghetto Bełżyce oder wurden im KZ Majdanek oder in anderen Vernichtungslagern ermordet.

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Salzburg: STOLPERSTEINE AUFPOLIEREN!

Das Personenkomitee Stolpersteine lädt zum Frühlingsputz.

168 Stolpersteine liegen derzeit auf den Straßen Salzburgs. 2007 wurden die ersten Steine verlegt, jährlich kommen etwa 40 neue Stolpersteine hinzu.
Heuer wurden zudem Stolpersteine für Personengruppen verlegt, denen die Opferwürde 67 Jahre verwehrt blieb: der erste Stein für einen Homosexuellen vor dem Haus Brodgasse 3 und der erste Stein für einen Deserteur vor dem Haus Plainstraße 74 – ein Novum in Österreich, doch kein Grund zum Feiern, vielmehr ein Grund zum Aufpolieren der Erinnerung und zum Wachsamsein.
Die Oberfläche dieser Erinnerungs-Steine ist mit einer Messingplatte versehen, die mit der Zeit durch Umwelteinflüsse und Verschmutzung dunkler wird. Viele Steine sind über die Jahre bereits so dunkel geworden, dass die Inschriften kaum noch lesbar sind.

Seit dem Vorjahr ruft das Personenkomitee Stolpersteine Salzburg mit seinen derzeit 265 Mitgliedern am österreichischen Gedenktag gegen Gewalt und Rassismus zum Stolperstein-Frühjahrsputz. An diesem Jahrestag – am 5. Mai 1945 – wurde das Konzentrationslager Mauthausen durch die vorrückenden Truppen der 11. US-Panzerdivision der 3. US Armee befreit. Weiterlesen

39 neue Stolpersteine in Salzburg verlegt

Ende März wurden in Salzburg zum sechsten Mal Stolpersteine für Opfer des nationalsozialistischen Terrors verlegen, darunter erstmals für ermordete Homosexuelle und erstmals für einen hingerichteten Deserteur der deutschen Wehrmacht.

Bislang waren 129 Erinnerungssteine in Salzburg verlegt worden, nun sind 39 neue Stolpersteine hinzukommen.

Die Radiofabrik hat die Verlegung mit dem Mikrophon begleitet und zu einigen davon wird es in Kürze „Hörstolpersteine“ geben.

Hier ein paar Pressemeldungen zur Verlegung.

23. märz: der standard: ohne ns-akten »opfer zweiter klasse«
http://www.kultur.or.at/pressespiegel/standard_23.03.2012

21. märz:
kurier
: erste »rosa stolpersteine« gegen das vergessen
http://www.kultur.or.at/pressespiegel/kurier_21.03.2012

20. märz: salzburger nachrichten: ns-opfer: 39 neue »stolpersteine«
http://www.kultplan.at/pressespiegel/sn_20.03.2012

16. märz: der standard: rosa »stolpersteine« werden verlegt
http://www.kultplan.at/pressespiegel/standard_16.03.2012