Still Corners – Strange Pleasures

Artarium am Sonntag, 13. Oktober um 17:00 UhrImmer wieder anders … Sonst würd es uns auch langweilig werden. Also spielen wir das Album “Strange Pleasures” aus dem etwas anderen Musikbiotop “Still Corners”. Ich übersetz mir das in etwa so: Setzen wir uns in den einen oder anderen “ruhigen Winkel” des Weltgetriebes – und hören wir einfach nur zu, dem Gras beim Wachsen, der Luft beim Aufsteigen oder der Sonne beim Untergehen. Natürlich haben wir dabei alle möglichen Gefühle, eigene und auch fremde, vergangene, gegenwärtige – womöglich zukünftige? Ist das nicht ein “besonderes Vergnügen”, die Welt in uns und um uns herum von so einem “ruhigen Ort” aus zu betrachten? Und wenn es erst mehrere sind, Winkel wie Vergnügungen, dabei könnten uns die folgenden Miniaturen oder der Klang des Albums begleiten:

Still Corners - Strange Pleasuressommers letztes aufwallen : fliehen in die weite : fahrtwindsrausch : frei so frei : für kaum eine zeit und doch irgendwie ewig : so flüchtig dies gefühl so leicht in der schwere der dämmerung : nirgends ankommen wollen : reisend bleiben

einander die kehle geschnürt : unwissentlich : wir erblauen : uns bleibt nicht viel zeit

das bett zerrinnt nach allen seiten, doch mich schwemmt’s nicht davon : ich muss hier bleiben und wachen über alle nächte in denen du fern von mir bist : kein trost : jeder traum dreht sich um sich selbst

deine stimme knistert : am horizont explodiert ein wunsch

feuerfliegen sind leuchtkäfer sind glühwürmchen : wir irrlichtern zwischen ihnen : sehnen uns nach endloser nacht in der wir tanzen inmitten der flammen : gleiten, funkenbeflügelt

graue stadt voll bunter vibrationen : wir gehen ohne ziel, lassen uns ziehen, denken nicht nach oder vor : shiver and flow

meerwärts will das herz und sich der brandung entgegen werfen, ungebeugt und kühn : will untergehen, ein wenig untergehen, ein bisschen schweben bleiben nur

seltsam zurückgekehrt zu sein : kenne häuser, straßennamen, manch gesicht, doch wie in einem halbvergessenen traum : so fremd das vertraute : bin ich anders geworden, sehe also mit anderem blick das noch vorhandene damals oder veränderte sich alles andere ganz anders als geahnt?

im lichterflackern seh ich dich lachen : bässe lösen verkalkte gefühle : wir sind musik : jede faser will tanzen : wir wagen uns tiefer hinein in den rausch der nacht : was passieren wird wissen nicht mal die sterne

magnetischer moment : lichtstreifen wabern im augenwinkel : dicht gewebtes schwarz durch welches wir wege bahnen : wir sind still : wir sind still verloren : brauchen keinen retter : sind selig in der ungewissheit : wir genügen uns

den mondschein getötet : die sterne gelöscht : dem himmel die tiefe genommen : was ist wird werbung : ich glaube nicht an wunder aber an die macht der phantasie : noch gibt es so etwas wie hoffnung

sinken also in den äther : um uns tost die schöpfung : wirbelt, rast, zerbirst : wie im zeitraffer : wie in zeitlupe fallen wir hinauf, hindurch, hinweg : hinter den lidern blühende wüsten, ströme aus licht

wir erinnern uns an die zukunft : sie rauscht und flirrt

 

 

Ich bien ein lernfähiger Fersager

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 29. September – Als der Schriftsteller Michael Köhlmeier vor vielen Jahren die Eröffnungsrede zu den Salzburger Festspielen hielt, “outete” er sich dabei auch als Legastheniker. Seine Bücher habe er überhaupt nur auf dem Umweg über das gesprochene Wort zustande gebracht, nämlich indem er den jeweiligen Text in ein Aufnahmegerät sprach, von dem seine Gefährtin Monika Helfer ihn dann wiederum in Schrift transkribierte. “So hat er sich also die ausgefeilte Erzählweise (und Stimme) erarbeitet, mit der er berühmt geworden ist.”, dachte ich mir damals spontan. Ein der Not geschuldeter “Workaround”, der die Talente hinter seiner als “Behinderung” aufgefassten Eigenart erst recht zur Geltung bringen sollte. Überhaupt fühlt sich das Wort “Fersager” viel schöner an als mit V geschrieben.

Ich bien ein lernfähiger FersagerWomit wir schon bei einem Grundproblem des gesamten Formenkreises der sogenannten Neurodiversität angelangt wären: Es wird davon ausgegangen, dass eine bestimmte Art und Weise (nämlich die “bei uns” allgemein übliche) des Lernens “normal” sei und alles davon abweichende eine reparaturbedürftige Fehlleistung. Das allerdings ist nach heutigem Kenntnisstand nicht nur ein fester Blödsinn, sondern auch noch für die gesamte Gesellschaft schädlich, also schlicht schlecht. Warum das so ist? Es gibt generell so viele unterschiedliche Gehirnarten wie es Menschen gibt (man spricht von individuell ausgeprägten Funktionsweisen des Gehirns, die genauso einzigartig und unverwechselbar sind wie Fingerabdrücke). Wenn wir also (als Schule, als Eltern, als Geschwister – und überhaupt als Mitkinder) all die irgendwie andersartig denkenden Menschen, mit denen wir es zu tun haben, als selbstschuldige Fehlfunktionen ansehen und sie auch so behandeln, dann …

… sind wir Versager, weil wir ihnen das Menschenrecht auf Entwicklung ihrer ganz eigenen Lösungswege versagen. Und uns selbst die Möglichkeit, über die bisherigen Sichtweisen hinaus zu sehen, vorenthalten. Für mich fühlt sich das Wort “Fersager”  völlig anders an als “Versager”, aber ich kann zur Zeit noch nicht begründen oder genau erklären, warum. “Regeln sind nicht im Kopf, sie sind lediglich brauchbar, um bestimmte Leistungen im Nachhinein zu beschreiben.” Der Salzburger Lernforscher Herbert Fartacek bringt uns mit diesem Satz von Manfred Spitzer auf eine Fährte

Ich bien ein lernfähiger Fersager

 

Battle&Hum#144

Samstag 21.09.2024 (Stairway zum Nachhören)

DJ Ridi Mama und MC Randy Andy tanzen durch den Äther wie die ersten fallenden Blätter!

 

MC Randy Andy’s Herbstlorcheln:

  1. The Who (live at woodstock) – my generation
  2. The Fratellis (costello music) – creepin up the backstairs
  3. R.E.M. (murmur) – radio free europe
  4. Bonez MC (hollywood) – 187 gang

 

DJ Ridi Mama’s Herbstzeitlose:

  1. Inga Lynch (stella) – suffocation blues
  2. 2raumwohnung (nacht und tag) – hotel sunshine
  3. Satyricon (now, diabolical) – K.I.N.G.
  4. Vegedream (single) – ramenez la coupe a la maison

 

„Alle Straßen münden in schwarze Verwesung.“ (Georg Trakl, aus dem Gedicht „Grodek“)

fallen leaves….

 

Zur Abstimmung folget dem LINK!

Fontaines D.C. – Romance

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 22. SeptemberHoppala, da taucht auf einmal eine Band auf, die sehr eigenwillig und selbstbestimmt Musik macht und dann auch noch (wer hätte das erwartet) recht erfolgreich durchstartet. Erst unlängst wurden sie im Kulturmagazin ttt als “Poetic Punks” aus Irland vorgestellt und dabei irgendwie als der neue heiße Scheiß des kompromisslosen Post-Punk-Genre überwindenden, ja geradezu zersprengenden Kunstschaffens dargestellt. Derlei macht uns naturgemäß neugierig und hoppala, was die Jungs von Fontaines D.C. da über ihre Einstellung zum Musikmachen so alles absondern und was man sonst noch darüber hinaus von ihrer Geschichte als Poeten, Musiker und vor allem als fünf Freunde herauszufinden vermag, das ist Grund genug, das Album Romance von Fontaines D.C. zu spielen.

Fontaines D.C. - RomanceWas wir erfahren haben und was wir also mit euch teilen möchten, lässt sich ungefähr so zusammenfassen: Wie schön ist es, wenn sich etwas derart organisch lebendig wachsend entwickeln darf wie diese Band! Da beschließen fünf junge Typen (die sich nie zuvor getroffen haben), auf ein renommiertes Musik und Kunst-College zu gehen (nennt sich BIMM und ist diesfalls in Dublin). Sie lernen sich kennen und bemerken, dass sie etwas verbindet, nämlich die Liebe zur Poesieund schon bald lesen sie sich gegenseitig ihre Gedichte vor, auch in den Pubs der Umgebung. So werden sie Freunde und im weiteren Verlauf bringen sie gemeinsam einige Lyrikbände heraus. Danach beschließen sie, eine Band zu gründen, die schnell überregionales Interesse weckt und die, wie wir heute wissen, sehr erfolgreich gewesen sein wird oder so. Für uns ist dabei der Schaffensprozess interessant: Aus was für inneren Haltungen und durch welche Wechselwirkungen in der Gruppe (die ein Freundeskreis ist) entsteht die besondere Qualität ihrer Musik, die ja offenbar mehr verkörpert als zur reinen Publikumsbelustigung notwendig wäre?

“Ich glaube, man muss ganz frei und unbeeinflusst von der Außenwahrnehmung sein. Ich glaube, in dem Moment, in dem man anfängt, seine Worte so auszuschmücken, dass sie auf eine bestimmte Art und Weise wahrgenommen werden, ist man erledigt.” Soweit Gitarrist Carlos O’Connel. Und Sänger Grian Chatten gemeinsam mit ihm:
“Ein großes Ziel von mir ist, dass wir am Ende immer noch gute Freunde sind. – Für mich das einzige Ziel! – Ja, für mich wäre es mehr wert, wenn wir als Band nur halb so erfolgreich wären, dafür aber doppelt so enge Freunde.”

Suchen wir nicht auch oft nach einem besseren Leben in einer kaputten Welt?

 

Amelia (Laurie Anderson Album)

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 15. September – Diesmal begegnen sich zwei starke Frauen in unserer Sendung: Die genresprengende Avantgarde-Klangwelten-Geschichtenerzählerin Laurie Anderson und die frühfeministische Weltumfliegerin Amelia Earhart. Anlass ist das soeben erschienene Album “Amelia”, mit dem Laurie Anderson der Vorreiterin einer umfassenden Emanzipation ihr Denkmal setzt. Und das in Form einer beeindruckend runden und ausgereift vielschichtigen Collage, die durch die Verbearbeitung von Originalaufnahmen und Zitaten aus Amelia Earharts Leben eine bemerkenswerte Klarheit und Intensität erzeugt. Und die zugleich eine emotionale Nähe zu der 1937 im Pazifik verschollenen Flugpionierin hervorruft, ganz als würde man jetzt gerade neben ihr im Cockpit sitzen und die Welt umrunden

Laurie Anderson - Amelia (Text)Über das rätselhafte Verschwinden der bekanntesten Pilotin ihrer Zeit kann seitdem nur spekuliert werden. Vielleicht ist sie doch nicht ins Meer gestürzt und ertrunken, vielleicht haben sie und ihr Navigator Fred Noonan auf einer einsamen Insel überlebt, wir wissen es nicht. Und naturgemäß sind Elvis-lebt-artige Verschwörungsphantasien nicht das, was uns interessiert. Sich in die Seinszustände von Menschen hinein versetzen dafür umso mehr. So hat etwa Heather Nova vor gut 20 Jahren in ihrem Lied “I Miss My Sky” die Gedanken und Gefühle von Amelia Earhart im Rückblick auf ihre Karriere und in Erwartung ihres Todes nachempfunden, ein großartiges Beispiel dafür, wie mit den Mitteln der Kunst das Leben Verstorbener ins Leben Lebender übertragen und über die Todesgrenze hinweg zum Fortwirken verwandelt werden kann. Und diese Kunst-Magie vollzieht auch Laurie Anderson mit ihrem Erzählkosmos, wobei sie eine feine Balance zwischen expressiven Textpassagen und subliminalen Klangbildern zu halten versteht. Oft ist es nicht zu unterscheiden, ob sie gerade singt oder erzählt.

“I am an artist, because I want to be free. I hate it when people tell me what to do.” So beschreibt Laurie Anderson ihre Grundhaltung, ihre Herangehensweise in diesem Advice To the Young Interview. Und auch Amelia Earhart wollte sich von nichts und niemand vorschreiben lassen, wie sie ihr Leben gefälligst nach irgendwelchen Normen und Rollenklischees zu gestalten habe. Um aber von ihrer Kunst oder eben von ihrer Fliegerei leben zu können, sind auch diese starken Frauen darauf angewiesen, in der Welt da draußen “Geschäfte zu machen”. There’s no Business like Showbusiness.

Kunnst?

PS. Laurie Andersons Gedankenwelt rund ums Entstehen dieses Albums in einem ausführlichen “Interview ohne Interviewer” (ein ähnliches Setting wie es bei André Hellers Menschenkinder angewandt wird). Sehr sehenswert

 

Erwachsendenbildung

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 8. September“Und solang ich irgendwie atmen und reden und fühlen kann, und mich bewegen kann, will ich diese Magie betreiben und mich dieser Magie zur Verfügung stellen.” Doch von was für einer Verwandlung, ja geradezu Anverwandlung spricht der Mensch hinter der Maske hier eigentlich? Wenn er den Jedermann als Zauberbuch bezeichnet, dann sicher nicht in der Vorstellung, dass Wasser sich in Wein verwandelt, wenn man es dort hinein hält. “Ich werde das Gedicht.”, sagt Philipp Hochmair an anderer Stelle, und damit kommen wir dem Wesen der von ihm angesprochenen Magie schon näher. Und der Beobachtung, dass wir alle, solang wir in dieser Welt leben, werdende sind und nie fertig mit dem Prozess der Wandlung. Das ist Erwachsendenbildung

ErwachsendenbildungGibt es überhaupt “Erwachsene” (etwa als Gegenteil von Kindern) oder sollten wir nicht eher alle im werden miteinander verwandt sein? Das Konzept der Abtrennung von der eigenen Kindheit, wie es sich zum Beispiel in den Paulusbriefen wiederspiegelt, ist nicht nur höchst fragwürdig, sondern erweist sich mit zunehmendem Alter als ein festes psychologisches Problem. Denn diese “unerlösten Kinder”, die sich nie richtig entwickeln durften (und so auch nicht ihre spielerische Genialität im Leben des “Erwachsenen” ausüben können), sind ja nach wie vor anwesend und es kostet immer mehr Kraft, sie in der inneren Verbannung festzuhalten. Kraft, die uns zum Leben fehlt. Halber Mensch. Und wie schön wäre es, einem Jugendlichen, der unter seinem Anspruch “endlich nicht mehr Kind und endlich erwachsen sein zu wollen” erkennbar leidet, mitzuteilen, dass man selbst auch gerade “nicht mehr dort ist, von wo man herkommt” und zugleich “auch noch nicht dort, wo es einen hin bewegt”.

Ankommen kann (und wird) man bei sich selbst. Oder eben nicht. Das ist das ganze Geheimnis der Gelassenheit, vor allem im Hinblick auf das eigene Endlichsein hier in diesem Erdenleben. Was also gäbe es für ältere Menschen sonst an einem weiteren Geburtstag zu feiern als die Aussicht, sich selbst als eine ureigene Symphonie in immer neuen Variationen bis ins zuletzt auch Unvollendete fortzuschreiben? Das mag andeuten, wie wir im Spannungsfeld der verschiedenen Zeitbegriffe zufrieden leben können, ohne uns zerreiben zu lassen vom Chronos (der seine Kinder frisst).

Was ist ein Kulturmagazin? Nun, ein Kunnstbiotop, in dem es möglich ist, so eine Magie zu betreiben, nämlich Schönes und Interessantes in Beiträge zu verwandeln und so das, was wir entdeckt haben, was uns anspricht und fasziniert, mit unseren eigenen Gefühlen und Erfahrungen zu verbinden und in veränderter Gestalt wieder anderen zu zeigen. Wir sind in Entwicklung begriffene Erwachsende und wir laden zum Miterleben wie auch zum Selbstweiterentwickeln ein. Erwachsendenbildung, eine bemerkenswerte Begrifflichkeit, die man sich in die Seele sinken lassen sollte:

Erwachsendenbildung.

 

Wursten von Hunden

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 25. AugustFeiern wir das Finale der Festspielsaison mit einem genialen Werk aus der Welt des Melodic Hardcore oder Skate Punk oder wie es euch gefällt … Und gedenken wir zudem eines Meisters der angewandten Sprachzerlegung, dessen Gedicht franz hochedlinger gasse unseren heutigen Ausflug mit dem Chor der wütenden Kinder inspiriert: “wo gehen ich / liegen spucken / wursten von hunden / saufenkotz / ich denken müssen / in mund nehmen / aufschlecken schlucken / denken müssen nicht wollen” Poesie und Widerstand – aus der Erfahrung des “Nicht zur Geltung kommens” und “Keine Bedeutung habens”, die den endgültigen Kontrapunkt setzen zum Geklingel der Reichen und Mächtigen, deren ganze “Weltbeherrschung” damit verglichen keine bleibende Bedeutung hat.

Wursten von Hunden - The Decline (Trump)Der kleine Norbert war unlängst in seiner frühesten Kindheit unterwegs und entdeckte dort den Topf seines eigenen Zorns. Neugierig, wie das darin herum brodelnde Wutgebräu wohl entstanden war, bemerkte er seine ersten Versuche, zu etwas “Nein” zu sagen (also irgendwie nonverbal auszudrücken, dass er dies oder jenes so jetzt nicht wolle). Und zugleich erinnerte er sich, wie diesen Neinsageversuchen immer wieder so gar nicht entsprochen wurde. – Seine Bedürfnisse und Gefühle wurden also ignoriert und stattdessen wurde ihm mit aller Macht der Erwachsenen “drübergefahren”. Das stellt die früheste Erfahrung von Missbrauch und Gewalt dar und das ist auch das Gefühl, aus dem Wut, Empörung und berechtigter Zorn entstehen. Wenn jetzt noch dazu die Äußerung dieser Emotionen (etwa von narzisstischen Eltern) zurückgewiesen oder sogar bestraft werden, dann muss das Kind sie ja irgendwo zwischenlagern in einem inwendigen Gefäß wie dem erwähnten “Topf des Zorns”. Und da drin verbleiben sie dann auch (und wirken unerkannt weiter) bis man sie anderweitig ausdrücken kann …

Das eigenwillige Opus Magnum von NOFX, das als über 18 Minuten langer Punksong konzipierte “The Decline”, gibt uns Gelegenheit, unsere oft eingetopften und im Topf verstopften Emotionen wieder wahrzunehmen, auf dass wir ihre ungeheure Kraft zu etwas für unser jetziges Leben brauchbarem, erfreulichem, lustvollem und nahrhaftem “umerschaffen” mögen. Durch das Hören von Kunnst, die aus ihrer Wut über den Wahnsinn schöpft, dazu angeregt, unsere Gefühle wieder anderen zu offenbaren. Wir werden Großes schaffennach unseren eigenen Maßstäben, was “Groß” ist.

Wir sind ein Wursten von Hunden.

Zu diesem Behufe verwenden wir unter anderem eine erstaunliche Neuaufnahme: “The Decline Live at Red Rocks with Baz’s Orchestra”, kongenialst arrangiert von Bastien “Baz” Brisson, dem es mittendrin bei seinem Xylophonsolo geradezu den Martin Grubinger raushaut. Und wir wären kein “etwas anderes Kunnstbiotop” in einer Stadt der Festspiele, wenn wir nicht zum Schluss auch noch die Übersetzung der Punkhymne in eine orchestrale Musiksprache zu Gehör und somit zur Geltung brächten: “NOFX’s The Decline (A Punk Rock Symphony)”

Es heißt, wenn schon, dann “Erwachsendenbildung” …

 

Morgen ist schöner

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 18. August – Ich drehte den Fernseher auf und geriet, völlig unvorbereitet, mitten hinein in die Übertragung der heurigen Jedermann-Aufführung vom Salzburger Domplatz. Mitten hinein in eine Tischgesellschaft, die so goldlackiert zurechtgeschaufenstert synchrontanzt, dass ich erschöpft aufseufze: “Jetzt haben sie den Jedermann also auch zum Hupfkasperl im Larifariland gemacht mit ihrer amerikanoiden, überall auf der Welt gleichförmigen Bühnenshow.” Wennst wirklich Choreographie auf künstlerischem Weltniveau haben möchtest, dann schau dir “RHYTHM IS IT” an. Aber geh scheißen mit so einem billigen Tinnef, der eh schon flächendeckend alles und jeden verkonsumwichtelt. Mir tut ja der Philipp Hochmair leid. Morgen ist schöner? Seine innere Heimat” muss jetzt wirklich sehr stark sein.

Morgen ist schöner (Omar Khir Alanam)Als ein Gegenmittel zu dieser kleinkarierten Inszenierung soll er ja nach wie vor mit Kurt Razelli zusammen den Jedermann-Monolog “abviechern” (wir haben das Album damals vorgestellt). Und im Gespräch mit Omar Khir Alanam wird deutlich, wie der Schauspieler im Unterschied zum Autor und Performer die innere Heimat in der fremden Sprache von Theaterdichtern und Regisseuren abfedertdurch eine selbsterschaffene Welt, in der “das geniale Kind völlig unbehindert drauflos fuhrwerken kann”. Der Film “Jedermann auf Reisen” von Wolfgang Tonninger ist sicher auch die (Wieder)entdeckung des heurigen Sommers, die uns nicht nur über die ekligen Oberflächlichkeiten des Festspielbetriebs hinaus zum “Selbst weiter spüren und denken” verhilft, sondern uns zudem noch in die tiefenentspannte Philosophie des “Dialogischen Prinzips” eintauchen lässt und so die unendliche Unterwasserwelt des ständigen Neuerschaffens zugänglich macht. Chapeau, liebe Tiefseetaucher und Seelenreisende, wir sind angekommen – unterwegs. Oder auch umgekehrt. Im Zwischen – vielleicht, aber sicher. “Im Anfang war das Wort” oder wie Grand Corps Malade es ausdrückt: “Une lumière incandescente issue d’un souffle oratoire.”

“Morgen ist schöner”, so betitelt der Autor, Poetry Slammer, Kabarettist, Trainer und – überhaupt unsere Neuentdeckung des heurigen Sommers Omar Khir Alanam eine Textcollage, die er über die Jahre schon in den verschiedensten Situationen vorgetragen hat und die er fortlaufend weiterentwickelt. Diese Geschichte, in der er seine Flucht aus Syrien und auch sein Ankommen in Österreich verbearbeitet, wollen wir zum Schluss der heutigen Sendung anhören. Eine Geschichte, die uns dazu anregt, unser aller Unterwegssein immer auch als Hoffnung zu begreifen

Wie gesagt, morgen ist schöner.

PS. Den erwähnten Dokumentarfilm “Jedermann auf Reisen – Die Weltvermessung eines Heimatlosen” gibt es derzeit noch in der ORF-Mediathek sowie darüber hinaus jederzeit bei Vimeo On Demand anzusehen. Wir empfehlen dessen hintergründige Inspirationen wirklich aus vollstem Herzen!

 

Éphémère

> Sendung: Artarium vom Sonntag, 11. AugustWenn sich drei Künstler aus unterschiedlichen und doch artverwandten Schaffenswelten zusammenfinden, um ihre jeweiligen Stilrichtungen zu einem großen Konzeptwerk zu verschmelzen – dann sind wir trotz aller Festspiele leider nicht in Salzburg. Aber wir sind ein freies Medium und bringen euch daher dieses Ausnahmeereignis zumindest ansatzweise zu Gehör: Éphémère (das Flüchtige) von Grand Corps Malade, Gaël Faye und Ben Mazué – in Gestalt des knapp 30-minütigen Studioalbums, das einige der wesentlichen Stücke der viel umfänglicheren Liveperformance enthält, von der immerhin ein Konzertfilm hergestellt wurde, dem man auch in voller Länge beiwohnen sollte. Poetry Slam und literarischer Rap und Theatermusik begegnen sich für einen flüchtigen Moment

ÉphémèreAls Hör- und Erlebnisbeispiel sei hier der begeisternde Titel “Besoin de rien” (der vorletzte Track dieses Albums) hervorgehoben, ein aus Stadtgeräuschen und beiläufigem Geplauder heraus nach und nach in ein Dialoggedicht überfließendes Fest des (flüchtigen) schöpferischen Augenblicks, vom Melodiegesumme der musikalischen Inspiration zum regelrechten Trialog der Ideen und Möglichkeiten voran getrieben bis hin zu einer opulenten Steigerung, einer sprachrhythmischen Extase und orchestralen Vielschichtigkeit, die den kollektiven Ohrgasmus aller Beteiligten im Ansatz erahnen, in der Phantasie aber vollinhaltlich mitvollziehen lässt. Der “kleine Tod” ist auch im schöpferischen Prozess Éphémère” sprich ein überaus flüchtiger Moment. Wir sind ja nach wie vor damit beschäftigt, herauszufinden, wie wir ihn immer weiter ausdehnen, in die Länge ziehen, quasi “verdauerhaftigen” könnten. Und es gibt durchaus Hinweise darauf, wie wir diesem umtriebigen Wunsch nach fortwährender Beglückseligung lieber nicht entsprechen sollten: Durch Steigerung der Reizfrequenz sprich Beschleunigung.

“Et là, au milieu du monde, allonger les secondes – diesen Wunsch äußern Grand Corps Malade, Ben Mazué und Gaël Faye in ihrer kürzlich erschienenen Single On a pris le temps. Eine Ode an die Muße und an die Notwendigkeit, sich zwischenzeitlich die Zeit zu nehmen, seinen Geist auszuruhen und sich nicht nur vom überfüllten emploi du temps einnehmen zu lassen. In einer flüchtigen Welt, in der die Zeit vergeht, der Alltag zunehmend von Müdigkeit und Erschöpfung geprägt zu sein scheint und es immer schwieriger wird, eine Pause einzulegen, kommt das neue Album der drei Künstler gerade recht, um sich der Flüchtigkeit der Momente bewusst zu werden und aus ihnen das Positive zu schöpfen.” So zu lesen bei Friedrich (vor deren Paywall).

Éphémère

PS. In der Vorabveröffentlichung der Signation/Collage zur heutigen Sendung haben wir außerdem zwei wesentliche Texte in deutscher Übertragung beigefügt. Allons, enfants!

 

15 Jahre Battle&Hum

Battle&Hum#143 (Samstag 20.07.2024 [Stairway zum Nachhören])

 

Eigentlich sollten es schon 180 Sendungen sein aber ein paar müssen wohl in den letzten 15 JAHREN den Bach (warum heißt es eigentlich „bacherlwarm“, ist doch kalt so ein Bacherl?) runter gegangen sein. Egal, wir feierten uns trotzdem mit ein paar Songs und Freunden, denn Freunde sollte man immer dabeihaben.

Es kamen nicht alle: O.B.X.T. (Otto Pleninger) seines Zeichens auch Sendungsmacher (Trains&Bells), laboriert an einem Leistenbruch. Seine digital übermittelte Grußbotschaft flutschte durch und wurde auch verlesen, hier noch einmal zum Mitschreiben:

„grußbotschaft andi mutter und den dandy aus dem aufgeschnittenen und wida zugeneehten laibnitz des herrn obi-ex-tea…

…und mögen di beiden, dj ridimama, genannt „di mutter“aka michael peppone rinnerthaler, und mc randy andy, genannt“the dandy“aka der aus dem sauwald kam, ihre linksradikale sendung mit witz und klugheit in ein weiteres jahrzehnt führen…

…und möge ihnen auch der ominöse rote sendungsfaden ni verloren gehen…

p.s. und hetten si nicht schon den schorsch-er gebührte ihnen…“

Auch St.Mama (Maestro Manfredo und Joe), unsere ersten Gäste überhauptzz, hatten mit eitriger Tachinose zu kämpfen, nach übermäßigem Alkoholkonsum am Vorabend wollten sie nicht ins Studio speien. Hoch die Fahne!

Unsere digitale gut Fee in Person von Mr.Bits&Bytes (Paul Rauhofer), der mit den Plug-in‘s tanzt, also unser Webdesigner der Abstimmungsseite, war ebenfalls indisponiert. Sehr schade, wir winken hier an dieser Stelle für alle daheim zurückgebliebenen.

Eine durchlauchte Auswahl kam doch: Norbert K. Hund (Norbert Keuschnigg), ebenfalls 15 jähriger Ehrenmoderator der Sendung Nachtfahrt Perlentaucher (Artarium spüts scho länga) gab ein Stelldichein bzw. war eine Fußnote. Leider war der zweite Perlentaucher nicht anwesend, Christopher Schmall, Poet, Hase und DichterFürst.

Da Am Abgrund meist nie ein Glandaaahhhh ist, fallen wir jeden 3. Samsatg hinunter und stoßen uns das Kopferl. Nicht auf den Kopf gefallen sind diese jene unsere Kollegen vom „Am Abgrund“, Heimo Ptak & Tom Karrer (+Zaungast Hias). Heimo und Hias waren da, Tom versuchte Montezumas Rache zu entgehen.

Alle oben genannten waren in den vergangenen 15 Jahren schon einmal als Battlestudenten bei uns zu Gast, natürlich immer gnadenlos von uns besiegt, wenn mich meine Erinnerung nicht täuscht.

 

Damit ihr an dieser Sause auch im Nachhinein teilhaben könnt, kommt hier die Playlist und im CBA Archiv ist diese Sendung (so auch alle anderen) zum Nachhören.

Diesmal gibt’s nichts zum deppad abstimmen, gelle.

 

MC Randy Andy’s Lieder:

  1. Attwenger (luft) – kosz
  2. Linton Kwesi Johnson (forces of victory) – fite dem back
  3. Tori Amos (strange little girls) – raining blood
  4. Frank Zappa and the Mothers of Invention (one size fits all) – sofa no.2
  5. Peaches (the teaches of peaches) – fuck the pain away

 

DJ Ridi Mama’s Lieder:

  1. U2 (rattle&hum) – when loves comes to town
  2. Soap & Skin (narrow) – voyage voyage
  3. Sleaford Mods (divide and exit) – tied up in nottz
  4. Ernst Molden&Der Nino aus Wien (unser österreich) – und daun bin i ka liliputaner mehr
  5. Voodoo Jürgens (ansa woar) – 3 gschichtn ausm cafe fesch

 

Norbert K. Hund’s Geschenke:

  1. Fuzzman (single) – steht auf steht auf
  2. Rachid Taha (single) – rock el casbah
  3. Assalti Frontali (single) – lampedusa lo sa

Eine Sendung mit wenig Partykracher aber dafür morbides Zeug.

Auf die nächsten 15 Jahre………….

„Ohne Musik wäre das Leben ein Irrtum.“ (Friedrich Nietzsche)

 

15 Jahre Battle&Hum, do legst di nieda.