Wie sich die Musikbranche aus der Krise retten will – Resümee der Waves Festival Konferenz 2012
10 800 Festivalbesucher sahen in 4 Tagen 139 Acts aus 27 Ländern in 12 Locations im und um den 2. Wiener Gemeindebezirk. So weit die Zahlen des diesjährigen Waves Festival, jenem Club und Showcasefestival, das vor einem Jahr vom Medienkonglomerat Super-Fi aus der Taufe gehoben worden war.
Mindestens genau so spannend wie die Konzerte war aber das, was sich hinter den Kulissen tat. Denn Showcasefestivals dienen der Branche vor allem zum Netzwerken. Etablierte Showcase Festivals sind beispielsweise das Reeperbahnfestival in Hamburg, das South by Southwest (SXSW) in Austin oder das Eurosonic in Groningen.
Während der Festivaltage werden Konferenzen abgehalten, auf denen sich Vertreter der Musikbranche treffen, um sich auszutauschen und Know-How weiterzugeben. So auch beim noch jungen Waves Festival.
Zwei Tage lang, am 4. und 5. Oktober diskutierten Musiker, Manager, Labelbetreiber, Marketing- und andere Experten bei diversen Panels, Vorträgen und Workshops über die Zukunft des Business.
Noch immer sehen sich weite Teile der Musikwelt in der Krise, noch immer wissen viele nicht, wie sie umgehen sollen mit den rasanten Entwicklungen, die Internet und Digitalisierung mit sich gebracht haben. Naturgemäß jammerte man deshalb wieder über zurückgehende Plattenverkäufe, Raubkopierer und über eine Gratis-Kultur, in der Musik nicht mehr wertgeschätzt würde. Kassandrarufe wurden laut, dass sich in Zukunft bald nur noch die Reichen Kids als teures Hobby leisten könnten.
Auf der Waves Konferenz wurden aber auch konstruktiv Wege besprochen, wie man sich denn aus der Krise retten könnte. Im Musikgeschäft eine Legende ist Peter Jenner. Der ehemalige Manager von Pink Floyd plädiert schon seit Jahren für ein modernes Urheberecht. Gerechte Bezahlung für kreative Leistung – um dies heute zu erreichen, dafür brauche es andere Wege als die in der Analogen Welt. Auch letztes Jahr sprach Jenner auf der Konferenz – damals hielt er ein Plädoyier für eine geringe monatliche Gebühr pro Internetanschluss und dafür das Recht für den User, alles legal gratis runterzuladen. Diesmal moderierte er die Podiumsdiskussion über Streamingservices.
Diese Online Dienste gelten derzeit als Hoffnungsschimmer, die Hörer wieder auf legale digitale Bahnen zu führen. Für einen kleinen monatlichen Betrag darf man hören was und sooft man will – man bekommt den zusätzlichen Service von Tipps oder kann den Dienst sogar mit dem Mobiltelefon nutzen. „Music on Demand“ immer und überall – solange die Internetverbindung steht.
Allerdings ist der Betrag, den der einzelne Künstler pro Klick bekommt, verschwindend klein. Ein Track müsste millionenfach gestreamt werden, damit man davon leben könnte. Andererseits sind die Beträge, die von den Verwertungsgesellschaften (in Österreich AKM) für Radio-Airplay gezahlt werden, für die meisten Musiker auch nicht gerade berauschend.
Wenn nun die Streaming Services eine ähnliche Reichweite wie das Radio bekommen würden, dann könnte man schon bald ein Vergütungsmodell gefunden haben, das sich für die Künstler auszahlt, so zumindest die Vision
Peter Jenner
© Maria Hammer
Besser verdienen kann man, wenn man seine Musik an die Werbung verkauft. Laut Bernd Jungmair wird diese Sparte als Verdienstmöglichkeit für Musiker immer wichtiger. Jungmair ist Komponist und Geschäftsführer von Cosmix, einem Musikverlag, Label und Tonstudio. Er war einer der Diskutanten zum Thema Synchronisation.
Zur Begriffsklärung: Musiksynchronisation hat nichts mit Übersetzungen in andere Sprachen zu tun, sondern bezeichnet vielmehr die Praxis, Musik mit bewegten Bildern zu verbinden, also Musik für Werbung, Film, Computerspiele etc. zu verwenden.
Seinen Song in einer guten Werbekampagne oder in einem erfolgreichen Film zu platzieren, bringt neben Geld auch Öffentlichkeit. Für etwaige Film- oder Werbeanfragen haben die Sofa Surfers deshalb von ihrem neuen Album gleich auch eine Instrumental Version in der Schublade parat, erzählte Bandmitglied Wolfgang Schlögl.
Zu dieser Praxis rät auch Lisa Humann von der Sync Agentur Swimming Pool. Ohne störenden Text, der für manche Szenen ungeeignet sei mag, lässt sich die Musik oft besser verwenden.
Denn so einfach wie die Sofa Surfers, denen die Angebote bis jetzt immer ins Haus geflattert sind, haben es die wenigsten Bands. Deshalb gibt es Agenturen, wie die von Humann, die Musik an Film und Werbung vermitteln und die Rechte klären. Meist gibt es dafür große Ausschreibungen, „Pitchings“, in denen genau beschrieben wird, wie der gesuchte Song klingen soll und für welche Szene er angedacht ist.
Wenn die Werbung als Einnahmequelle immer wichtiger wird – besteht da nich die Gefahr, dass Musiker in Zukunft nur noch mit dem Hintergedanken auf die Verwertbarkeit produzieren? Gottseidank gibt es immer noch Idealisten – viele der Musiker in ihrem Katalog, sagten explizit, dass sie ihre Musik für die Werbung nicht bereitstellen und auch bei Filmen genau aussuchen, so Lisa Humann. Dass dabei angesichts der meist eher kleinen Filmbudgets nicht viel zu verdienen ist, ist die Kehrseite des Idealismus.
Lisa Humann & Wolfgang Schlögl © Maria Hammer
Idealisten waren auch die Gründer der ersten DIY Labels. Do-It-Yourself ist eine Praxis, in der Bands ihre Musik ohne professionelle Hilfe und ohne großes Label produzieren und vermarkten. In 90ern wäre Werbung, Sponsoring oder Fördeungen für die DIY Szene ein absolutes No-Go gewesen, so Ilias Dahimène vom Wiener DIY Label Seayou Records. Er war Teilnehmer der Diskussion über die Vor- und Nachteile sowie die Unterschiede zwischen DIY- Indie- oder Major Labels.
Hier wurde schnell klar: Den Jungen, Kreativen gehört die Zukunft!
Während der Gründer des Indie Labels Thomas Morr noch darüber sinnierte, wie einfach er es 1999 noch gehabt hätte, und wie groß die Herausforderung sei, sich der neuen Zeit anzupassen, angesichts der ständig neuen Musikplattformen im Internet, warf Dahimène ein, er fände es heute auch leicht.
Das Internet sei der Grund, warum er überhaupt sein Label betreiben könne. Social Media und gute Live Gigs – das sei das Rezept, mit dem sich heute Musik verkaufen ließe.
Ilias Dahimène © Maria Hammer
Expertentipps, wie man in der digitalen Welt eine erfolgreiche Kampagne aufbauen kann– darüber erzählte Peter Balon im Workshop Online Marketing.
D2F ist seine Zauberformel – Direct to Fan. Noch bevor man überhaupt ans Verkaufen denke, müsse man sich erst einmal eine solide Fanbasis erarbeiten. Nicht mehr die Musikjournalisten, sondern die Konsumenten selber seien heute die Gatekeeper, die über Top oder Flop entscheiden.
Und die wollen bei Laune gehalten werden – mit Facebook, Twitter, Youtube, Soundcloud und andere Plattformen. Anhand der Datenströme, den Digitalen Touchpoints, kann man laut Balon, den Erfolg einer Kampagne messen und die „Conversion Rate“ errechnen. Das ist die Anzahl der Nutzer, die sich dann tatsächlich in kaufende Fans verwandelt. Denen muss man einen „R2B“ geben – einen „Reason to Buy“. Seien es Packages mit zusätzlichem T-Shirt, kleine Gimmicks, wie CDs, die die Farbe wechseln oder limitierte, signierte Luxuseditionen um 300 Dollar.
Alles Dinge, die man sich nicht runterladen kann. Der reissende Absatz dieser Produkte beweist: Die digitale Welt ist nicht das Ende. Und die Zeit lässt sich nun einmal nicht mehr zurückdrehen.