Originale Kopien (Norbert)

Podcast/Download: Die Perlentaucher Nachtfahrt vom Freitag, 8. Juni wandelt auf den Spuren eines Zitats von Edward Young: „Wir werden als Originale geboren, sterben aber als Kopien“, mit dem auch Arno Gruen seinen legendären Vortrag „Von der Schwierigkeit, sich selbst zu sein“ beendete. Nachzuhören übrigens in der Artarium Sendung „Der Wahnsinn der Normalität“. Dazu präsentieren wir musikalische Originale wie „das trojanische pferd“ sowie ein hintergründiges Gespräch mit ihrem Sänger und Bombenleger Hubert Weinheimer über Wahrheit, Naivität, Arschlöcher und originäres Trojanertum, vergraben uns tief in Coverversionen, die nicht bloß billige Kopien sind und verirren uns naturgemäß heftig im Spiegelkabinett der Wirklichkeiten. Schon wieder eine kritische Theorie? Aber diesmal mit Praxis!

Unsere Sprache ist von Anfang an ein erweitertes Sinnesorgan. Bereits im Mutterbauch können wir den emotionalen Gehalt ganzer Sätze erfassen, unterscheiden und verarbeiten. Also, „Pass auf, was du sagst, denn wir wissen längst Bescheid.“ Das Gehör-Gespür ist der erste voll ausgebildete Sinn des Menschen. Daher also Musik, und daher auch Radiosendung!

Wenn allerdings die emotionale Perzeption des Ungeborenen ein umfassendes Verstehen des Gesagten und Gesungenen bedeutet, wie in des Wahnsinns Namen kommen wir zu der Vorstellung, dass man Kindern Sprache als Wortbedeutung erst mühsam (und gegen ihre eigene Auffassung) beibringen müsse? Anders ausgedrückt, egal ob wir an einen Gott glauben oder nicht, so erachten wir doch die Nachrichten von der Weltfinanzkrise gemeinhin für bedeutsamer als ein Gedicht von ernst Jandl. In Wirklichkeit würde aber genau andersrum ein Schuh draus. Oder ein Pferd…

„Language is a virus from outer space“, teilt uns die Spoken-Word-Pionierin Laurie Anderson mit. Und Antoine de Saint Exupéry kommt in seinem existenzialistischen Kinderbuch für Erwachsene „Der kleine Prinz“ zu der Feststellung, „Die Sprache ist die Ursache aller Missverständnisse.“ Wenn sich also der Befund kindsköpfischer Künstler mit den Erkenntnissen der Kulturantropologie dahingehend deckt, dass unser zivilisatorischer Funktionssprech zur Abspaltung von Affekt und Emotion führt, dann wird Muttersprache zur gefickt eingeschädelten Scheinwelt – und die trojanische Lyrik zu einer notwendigen Gegenmaßnahme im Ringen um Realität.

Auf einmal begreifen wir im Wiedererwachen kindlicher Intuition, dass uns da eine Weltsicht vorgehüpft wurde, die nichts mit der Wirklichkeit unseres Empfindens zu tun hat, sondern nur mit den Erfolgsaussichten derer, die uns zwecks Ausnutzung beherrschen. Insofern ist der wahre Dichter, Künstler, Outsider derjenige, der die äußere Welt innerlich zusammen hält und so die Hoffnung auf eine sinnstimmige Zukunft verkörpert. Insofern sind wir, die wir ihm darin folgen und zwischen seinen Zeilen unser eigenes Leben spüren, diejenigen, um die sich die Welt dreht.

Insofern sind wir auch bedeutsamer, relevanter und vor allem wichtiger als Kasperl Faymann oder die Festspielpräsidentin. Insofern sind wir alle, die wir „wie die Kindlein“ in die Welt blicken und an unsere eigene Wahrnehmung glauben, im Grunde ganz und gar Jesus: „Und siehe, wir machen alles neu!“

Das Allerschärfste dabei ist allerdings, dass wir auf diese Weise auf einmal wirklich frei sein können und im ursprünglichsten Wortsinn autonom. Denn wenn uns „Pflicht und Schuldigkeit“ von vorn herein unter Vorspiegelung falscher Sprach-Tatsachen in betrügerischer Absicht ins Bewusstsein geschwindelt wurden, dann ist jede Übereinkunft, jeder Vertrag und jede gesellschaftliche Konvention in sich selbst widersinnig, sittenwidrig und somit ungültig. Die Welt muss also völlig neu verhandelt werden! Wenn das nicht mindestens einen Pop-Song wert ist… 😀

 

Beidseitig, gleichzeitig, zweischneidig…

Podcast/Download: Perlentaucher Nachtfahrt vom Freitag, 13. Januar über EMOTIONALE AMBIVALENZ – passend zum gefühlsabgründigen Jahreswechsel wie auch zur perspektivischen Janusköpfigkeit unserer heurigen Winterschlafwandlerei! Jenseits der seltsamen, jedoch weit verbreiteten Vorstellung von klar unterscheidbaren oder sozusagen „reinen“ Empfindungen und einer möglichen Einteilung in positive oder negative, „gute“ oder „schlechte“ Gefühlszustände – da beginnt nämlich die Grauzone, das Schattenreich, die Traumwelt – oder aber das eigentliche Leben. Wir bereisen drei Stunden lang das weite Land der Indifferenz – zwischen Irritation und Verwirrung…

Abgesehen davon, dass wir beide uns ganz gern in diese Grau- und Grenzbereiche des Erlebens begeben, um das vorgeblich „Normale“ zu hinterfragen, entsprang die Idee zu dieser Sendung der scheinbar harmlosen Frage „Wie gehts dir so?“ Gerade zur Weihnachtszeit konnte eine ehrliche Antwort nur ambivalent  ausfallen: „Beidseitig gleichzeitig…“

Eine höchst zweischneidige Angelegenheit, denn einerseits sind wohl alle tiefen zwischenmenschlichen Selbsterfahrungen von der gleichzeitigen Vorhandenheit lichter wie dunkler Gefühlsanteile geprägt, andererseits aber wünschen wir uns oft nichts sehnlicher als emotionale Ausgeglichenheit – überschaubare Zeiträume von empfundener Eindeutigkeit, Geborgenheit, Sicherheit. Ein Widerspruch in sich selbst also, der nur verdrängt, nie jedoch aufgelöst werden kann? Ein schicksalhaftes Dilemma, dem zu entrinnen wir die erwünschten Gefühle hervor kitzeln und die Unerwünschten unerdrücken müssen?

Zudem ist ja die Vorstellung von Normalität gerade im Gefühlsbereich (gesundes Volksempfinden) oft etwas Vorgegebenes, mit dem man (!) immer schon Menschen zu manipulierbaren Massen machen konnte, also in höchstem Maße verdächtig. Die eigene Wahrnehmung von innerer Ausgeglichenheit muss dann wohl auch etwas ganz anderes sein…

Eine gewisse Portion an emotionaler Vermischung und Zwiespältigkeit scheint durchaus so etwas wie eine natürliche Gegebenheit zu sein. Was ich mir heute zutiefst ersehne, das kann mir schon morgen – sogar schon im selben Moment ebenso zutiefst zuviel sein. Was mich über alle Maßen belebt, beseelt und erfüllt, das kann mich im selben Augenblick ebenso heftig vereinsamen, erschrecken und ausbrennen. Das Gegenteil seiner selbst scheint in unserer Gefühlswelt geradezu angelegt zu sein. Inwieweit dies einen Sinn ergibt – und wenn ja, welchen – das bleibe hier zunächst einmal auch dahin gestellt.

Bevor die Reizüberflutung mit Doppelbotschaften uns endgültig propagandistisch – pardon, werbetechnisch zur Strecke bringt und wir dringend zum Apotheker unseres Arztes müssen, bleibt uns schon noch ein ziemlicher Spielraum an eigener Interpretation, den wir uns bewahren – und zu dem wir einander auch ermutigen sollten!

Ein Koffer voller Fragen – doch wer kennt die Antworten? Ist der Buddhismus womöglich überlebenstechnisch betrachtet eine geeignetere Philosophie als der Manichäismus des Christentums? Wem können wir überhaupt noch vertrauen, wo doch sogar wir selbst fortwährend hohe Wellen schlagen, somit allem Anschein nach höchst unberechenbar sind? Und – um es in den Worten der Bibel auszudrücken – ist nicht eigentlich überhaupt „alles eitel und Haschen nach dem Wind?“ Mit Peter Licht immerhin könnte man es auf einen einstweiligen, also springenden Punkt bringen: „Was du hast ist ein offenes Ende.“

Bis dahin bleibt alles ambivalent.

 

Ein Salzburger Adventsingen 2.0 (Norbert)

Podcast/Download: Die Perlentaucher Nachtfahrt Adventsingen Spezialausgabe zur Weihnachtszeit, zum Winterschlaf und – zum Wohlsein! An diesem 9. Dezember zünden wir wieder mal alles an, was nicht niet und nagelfest oder bei drei auf dem Baum ist. Wobei, in der vierten Extrastunde könnten wir denselben eigentlich auch noch abfackeln, zur Feier unseres etwas anderen Adventsingens! Und nachdem uns im vergangenen Jahr das vorweihnachtliche „Werkzertrümmern“ von Uwe Dicks „Der Öd“ seitens seines Verlegers vorgehalten und verboten wurde, werden wir diesmal in bekannter Ermangelung wirklich subversiver Waggerl-Weihnachtsdichtung einen anderen großen Rabiator der Vortragskunst zu Wort kommen lassen, nämlich den legendär genialen Klaus Kinski – in seiner ultimativen Liebestragödie als Jesus Christus Erlöser.

Das alles noch auf mehreren Metaebenen gut verrühren: Im 20. Todesjahr von Klaus Kinski zum Geburtstag von Karl Heinrich Waggerl ein Adventsingen veranstalten, das den Sarkasmus des jüngst verstorbenen Georg Kreisler mit dem Wortwitz des heuer 50 gewordenen Willy Astor in Beziehung zu einander und – zu uns bringt.

Die Kunnst dabei ist ebenso einfach wie verrückt: Man nehme das Salzburger – oder irgend ein anderes – Adventsingen mit seinen bekannten Elementen, schüttle es gut durch und verleibe es sich als Trägersubstanz für eine eigene, subjektive Selbstaussage ein. Die Weihnachtsgeschichte wird also erzählt, zumeist in mehr oder weniger freier Anlehnung an das entsprechende Evangelium, es geht dabei um die Geburt eines gewissen Juden namens Jesus in der römischen Provinz Judäa vor ungefähr 2000 Jahren. Dessen Lebensgeschichte hat ja dann in weiterer Folge – via kirchengeschichtlicher Interpretation und metaphysischer Christifizierung – die gesamte abendländische Kultur über Jahrhunderte mitgeprägt. In verschiedenen, zumeist brutal unterdrückten Gegenbewegungen wurde aber immer wieder versucht, sich diesen Jesus in anderer Gestalt anzueignen, als einfachen Menschen, als Philosophen, als Sozialrevolutionär, ihn der Macht und Interpretationshoheit der Kirche(n) wieder zu entreißen. Diese historisch überhöhte Person somit selbstbestimmt zur Projektionsfläche für die eigene Befindlichkeit im Getriebe der Weltherrschaftspolitik zu machen. Warum also nicht Klaus Kinski seine eigenwillig widerständige Interpretation des anarchischen Rebellen und prototypischen Selbst-Erlösers im Geiste der 68er Bewegung erneut erzählen lassen? (Videovorgeschmack hier)

Genau so gehen wir mit den anderen Bestandteilen des Andventsingens um, mit Volksmusik, Ablauf des Abends, Bühnenbild, Andachtsjodler und weihrauchschwangerer Atmosphäre. Ha! Das Radiofabrik-Studio wird zum Festspielhaus und das Warten aufs Kommen zur universellen Metapher…

In diesem Sinne – freut euch mit uns aufs Kommen der Herren Christopher Schmall und Norbert K.Hund – sowie vier Stunden abgründig vertrackter Unterhaltung mit unüblicher Musik, subversiven Textbeiträgen und einigermaßen abwegigen Assoziationen. Überraschende Wendungen und spontane Verwirrungen inmitten sich organisch entfaltender Soundschmankerl – und womöglich sogar noch Live-Video-Aufnahmen als Pilot-Projekt für ein Perlentaucher-Nachtfahrt-TV auf FS1 – Freies Fernsehen Salzburg? Ihr Kinderlein kommet, o Tannenbaum und – wir sind ein geiles Institut. Ja, natürlich – Artarium sagt der Hausverstand – gut zu hören!

Emotional Overdose (Norbert)

Podcast/Download: Die Perlentaucher Nachtfahrt vom Freitag, 11. November – gscheit heftig und ordentlich tief! Als Kontrapunkt zum vorab stattfindenden Festmahl der Radiofabrik packen wir ab 22:00 gefühlsgrenzwertiges wie emotional überforderndes Musik- und Stimmungsmaterial aus. Speziell die Untiefen des Norbert’schen Lebensarchivs wollen – passend zu einer beginnenden oder bevorstehenden Herbstdepression – wieder einmal einen Soundtrack zur Sinnkrise hervor rülpsen und euch den passenden Wandbehang zum Weltschmerz in die Existenz montieren. Existenzialismus ist Extrembergsteigen im eigenen Inneren, ist Fährten- und Gefährtensuche trotz aller Gefahr, ist Abenteuer, Grenzerfahrung und Lebendigkeit im Hier und Jetzt.

Es war auch einfach wieder mal notwendig nach all dem Inbetweenigen, Inklusiven und Integrativen der letzten Sendungen, das gute alte Grundbedürfnis nach dem Abfeiern des Abgrunds und dem Zelebrieren der Zerrüttung auszuleben. Erstaunlicherweise dient es ja der melancholischen oder schwermütigen und zur Depression neigenden Seele als Ritual der Reinigung und Selbstheilung, sich im Singen von Einsamkeits- und Verlassenheitsliedern zu versenken. Dieser in Salzburg leider weitgehend ausgeblendeten Kärntner Katharsis wollen wir diesmal zur Geltung verhelfen – und mit ihr all den gering geschätzten, verachteten und unerwünschten Gefühlen, die ja ebenso Teil unseres Lebens sind wie seine sonnigen Seiten.

Zudem wollten wir uns thematisch auf das ebenfalls jeden zweiten Freitag im Monat stattfindende Overdose im Club b.lack beziehen, das ja mit Gothic, Industrial, EBM, 80’s, Dark Wave und Neofolk ganz ähnliche Gefühlsgenres und Stimmungswelten bearbeitet. Allerdings ergibt sich daraus auch eine interessante stilistische Spannung, komme ich doch zum Beispiel noch aus jener Epoche, in der man tatsächlich zu „alternativer, progressiver und psychedelischer“ Rockmusik tanzte, und das nicht nur bei Livekonzerten! Also werden durchaus Overdose-genretypische Musikbeispiele wie Joachim Witt, Laibach oder Collide von gitarrenlastigeren Interpreten wie New Model Army, Tagtraum, Thurston Moore (Sonic Youth) und Martin Konvicka (the who the what the yeah) kontrastiert werden. Experimentell Eigenartiges wie Tony Levin, Rachid Taha, Mutter sowie selbstgebraute Audiocollage verbindet sich schließlich mit Peter Gabriel, Peter Licht – wir sind bestimmt auch beim Konzert am Sonntag, 13. 11. in der ARGE – und natürlich Patti Smith …

Womit wir beim Überraschenden angelangt wären, das dieser Sendereihe wie gewohnt innewohnt. Es müsste schon mit des Posenteufels Großmutter zugehen, wenn solches Versenken in Verzweiflung und Verdruss nicht auch wiederum neue Perspektiven hervorbrächte, oder? „tot(punkt)leben“ hieß das in einem früheren Textexperiment. Dies lassen wir euch dann ebenfalls mit erleben – durch unsere Gespräche und die ausgewählten Spoken-Word-Beiträge rund ums Thema. Und dafür, dass die Playlist nicht vollends ins Abgründige abkackt, sorgt der fabelhafte Chriss mit der ihm eigenen jugendlichen Freundlichkeit und Frische.

Wollen wir als Motto dieser Nacht also am besten den Schluss von Peter Gabriels Songtext zu Darkness wählen, der trefflich den Augenblick der Auflösung tiefster Angst beschreibt:

When I allow it to be
It has no control over me
I own my fear
So it doesn’t own me

Walking through the undergrowth
To the house in the woods
The deeper I go, the darker it gets
I peer through the window
Knock at the door
And the monster I was so afraid of
Lies curled up on the floor
Is curled up on the floor just like a baby boy
I cry until I laugh

 

FEMALE. FEEL MALE! (CHRISS)

Podcast/Download: Die Nachtfahrt vom Freitag, 9. September widmet sich den etwas anderen Frauen- und Männerstimmen. Nämlich denen, die das Weibliche und Männliche in sich integrieren, und nicht solchen, die eine Frauen- oder Männerpose vertreten. Denn wir sind alle männlich und weiblich! Ja, richtig gelesen! Guten Morgähn liebe Orgler und Orglerinnen, willkommen im unendlichen Kosmos der Wahrheit…

 Aber was ist eine Pose?

Für mich ist eine Pose, ein verstelltes, nicht ehrliches und komerzielles Auftreten, das keinen Raum für tiefe Gefühle, ernstgemeinte Träume und wahrer Liebe lässt. Eine Vergewaltigung der eigenen Sexualität, nur um irgendwelchen Konventionen oder Vorstellungen von Mann/Frau zu entsprechen, die sich irgendeine wahnsinnige Gesellschaft ausgedacht hat!!!

Das ist eine Pose und das ist nicht die Art von Musik, die ich gerne höre. Natürlich kann man nicht alles in ein und die selbe Schachtel werfen. Posen gibt es verschiedene: Die Metal-Pose, die Liebes- Mädchen- von- nebenan- Pose, die Ich- scheiß- auf- euch- alle- Pose, die Ich- bin- so- geil- Pose…

Was auch immer… Solange nur Vermarktung und Geld dahinter stecken, bleibt die Pose, eben  nur eine Maske und der Künstler kommt nicht wirklich zum Vorschein…

Irritiert? 

Braucht ihr nicht sein, denn so ist das Leben. Man muss sich eben nicht entscheiden! Jeder darf seine Sexualität ausleben, genauso wie er oder sie möchte. Und da kann’s schon mal passieren, dass sich Patti Smith als female ziemlich male fühlt. Und sie zum Beispiel, ist eine Meisterin im Vereinen beider Geschlechter in ihrer Musik. So auch Elliott Smith oder P!nk.

Es ist wichtig beide Seiten zu akzeptieren, erst dann berührt Musik und wird greifbar…

Inclusion In Confusion?

Also mit was beschäftigen wir uns eigentlich in dieser Sendung? Mit der Problematik der ewig unterdrückten Frau oder der Großschwänzigkeit von Rival-Musikern? Nein, wir werden einen kritischen Blick auf die Musikindustrie werfen, Frauenstimmen zeigen, die rotzig, schräg, gefühlvoll und löwenhaft sind, Männerstimmen die zerbrechlich, verletzlich und gleichzeitig kraftvoll sind, also den Gehstock als Zepter verwenden, aus ihrem Schmerz Kraft schöpfen und Stimmen die beides in sich vereinen: Schwach und Stark. Schön und Rotzig. Dunkel und Hell. Männlich und Weiblich. Stimmen, die allen Rollenbildern und Gender-Mainstream-Richtlinien den Stinkefinger zeigen und voll Power ins Gesicht springen!


Man sollte jene Sendung also unbedingt anhören und sich mal den Female feel male – Gedanken zu Gemüte führen… Was mit euch darauf passiert, liegt allerdings nicht in der Verantwortung der Redaktion und entzieht sich unserem…….. 😉

female. feel male. (Norbert 1.0)

Ich möchte euch jetzt einmal einen kleinen Einblick in unsere Produktionsweise ermöglichen – am Beispiel des Entstehens unserer aktuellen Sendung. Es begann alles damit, dass der gute Chriss vor einigen Wochen die doch recht spontane Idee gebar, eine ganze Sendung nur mit den unterschiedlichsten Frauenstimmen zu machen. Meine erste Reaktion war: „Das halt ich nicht aus!“ Doch dann brütete ich ein paar Tage daran herum und fiel noch einmal über das legendäre Gedicht von Patti Smith „female. feel male.„, das bereits bei der KT Tunstall Sendung (wieder) auftauchte. Danke, Jochen Distelmeyer!

Also fragte ich, ob es denn okay wäre, wenn wir den Grundgedanken, Frauen in verschiedenen Musikstilen und Sing- oder Sprechweisen zu spiegeln, noch einmal durch irgendwie sehr „weiblich“ interpretierende Männer kontrastieren könnten. Und auf einmal war da dieses Konzept des Weiblichen im Männlichen und umgekehrt. Denn eigentlich beschreibt Patti Smith ja den frühpubertären Ekel mit der Entwicklung ihrer körperlichen Geschlechtseindeutigkeit und den ihr damit einhergehend auferlegten Zwängen zu typisch weiblichen Kostümierungen und Verhaltensweisen. Und im Nachwirken einiger sehr intensiver Festspiel-Erlebnisse (unter anderem mit Signa – Das ehemalige Haus – näheres dazu in der Festspiel-Sendung) festigt sich für uns die Erkenntnis, dass die Eindeutigkeit der weiblichen wie der männlichen Posen – gerade auch in der Kunst – ohnehin zum Einschlafen todlangweilig ist. Ambivalence Rocks! Und Orgel!!!

Schaut euch zum Beispiel dieses Video von Heather Nova – Sugar (Live) mit der wunderbaren Berit Fridahl (Gitarre) an. Nicht nur die Stimmführung vom schmetterlingszärtlichen Spoken-Word bis hin zum orgiastischen Stakkato von „Sugar“ im Refrain widerspiegelt beide Welten – die wir eben als typisch weiblich (zart) und typisch männlich (hart) verinnerlicht haben. Nein, die gesamte Band verteilt hier die männlich/weiblichen Persönlichkeitsaspekte höchst originell gebrochen auf ihre Protagonisten: Den eher feminin-fragil herum hupfenden Bastian Juel am Bass möchte man eigentlich nicht allzu sehr erschrecken, die hemdsärmelig kraftwerkende Berit Fridahl würde man jedoch jederzeit gern anrufen, wenn mal der Dachstuhl zu reparieren ist. Ihr seht also, worauf es hinaus läuft? Schon wieder ist es ein Inbetween, ein Inzwischen, das uns interessiert…

Bis nächste Woche finalisieren wir also noch die entsprechende Musikauswahl (danke an MarLou für die Widererweckung des alten Ohrwurms What’s Up). Richtig spannend wird diesmal allerdings die Auswahl der eigenen Texte, die wir wieder mit Spoken-Word Beiträgen (diesmal von Joolz Denby, Annie Lennox, Laurie Anderson und Heather Nova) mischen werden. Denn welche unserer Spiegelscherben, Fragmente und Gedichte repräsentieren unsere abgründig verschleierten wie auch öffentlich dargelebten inneren Weiblichkeiten am besten? Wir bestehen zwar alle jeweils zur Hälfte aus weiblichem Material (nein, nicht nur seelisch, durchaus biologisch, genetisch…) allerdings ist man(n) nicht so gewohnt, dies auch entsprechend wahrzunehmen, geschweige denn auszudrücken.

Es ist, bleibt und wird also spannend. Erwartet euch am besten gar nichts – oder zumindest gemeinsam mit uns – das Unerwartete! Denn wir wissen ja – wie immer – auch noch nicht, was uns auf dieser Seelen-Expedition erwartet. Man hört sich jedenfalls – am Freitag, 9. September von 22:00 bis 01:00 Uhr auf den Radiofabrik Frequenzen, per Livestream im Internet oder danach als Stream/Download im Cultural Broadcast Archive CBA. Wir sind ein geiles Institut…