Sommerfest der Perlentaucher

> Sendung: Perlentaucher Nachtfahrt vom Freitag, 8. JuliDer Hase ist immer und überall. Und so findet heuer das Sommerfest der SAG gleichzeitig mit unserem Sommerfest der Perlentaucher statt. Welch vielfache Verschränkung. Während im Literaturhaus Livelesung und Performance in eine rauschende Nacht übergehen, erklingt ringsumher unsere Musik- und Gedankenkunst aus erlesenen Empfängern. Und es ist ein Motiv, das uns verbindet: Das Perlentauchen. Das Suchen, Finden und anschließende Zusammenstellen von besonderen Eindrücken, Erkenntnissen und Ideen, die wir aus den Abgründen des Allumverschlingenden ans Tageslicht empor befördern und sodann zu geschmeidigen Erkenntnisketten für die Mit- und Nachwelt aufbereiten. So funktioniert das Menschenhirn – immer auf der Suche

Perlentaucher HasenDieses Bild erzählt eine Geschichte. Es vermittelt eine Einsicht, die noch “früher” in uns ankommt als Gedanken sprachlich gefasst werden könnten. Der Eindruck ist schneller als sein Ausdruck. Hier haben wir also eine “Perle” vor uns, eine rohe Urform von etwas, das zur Kostbarkeit werden kann, sobald wir es auswählen, aufbewahren und in einen neuen, für uns sinnvollen Zusammenhang verbearbeiten. Als Beispiel tauchen in unserer Playlist diesmal besonders viele Coverversionen auf – also Songperlen, die entdeckt und neu interpretiert wurden und die uns so auch zu ganz neuen Eindrücken führen. Die hier abgebildete Hasenskulptur stammt von der Haseninsel zu St. Petersburg. Doch Russland ist nicht gleich Putinien! Und Hasen haben dort noch ganz andere Bedeutungen als in unserem Kultursumpf. Wie etwa der Bericht “Puschkins Hase” veranschaulicht, in dem Aberglaube, Widerstand und Literatur zur Errichtung eines Hasendenkmals zusammen finden: “Dabei sollte man die Losung ausgeben, dass es nützlich wäre, allerorts Hasen zu züchten. Damit sie überall rumrennen, sagen wir, im Kreml, und zum Beispiel Putin oder überhaupt den Großen und Kleinen dieser Welt oft über den Weg laufen und sie davon abhalten, unbedachte Entscheidungen zu treffen.”

Perlentaucher Sommerfest 1Wir lieben Hasen und identfizieren uns gern mit all dem, was sie für uns verkörpern. So nennen wir einander auch oft vieldeutig “Hase” – und das bedeutet weit mehr als ein “handelsüblicher Kosename”. Wir feiern das Hasentum, das Perlentauchen sowie die Geschichten, die sich uns erzählen, auf dass unser Stück Welt so lebenswert sei wie eine Insel voller Hasen. Und herrschaftsfrei! Dazu hören wir in der Sendung Kirchenkritik von Konstantin Wecker, Kulturhistorie von Martin Blumenau, Kriegswiderstand von Ilya Kaminsky sowie Kunstmundart von Christopher Schmall und dem Kommando Welpentier. “Wir sind ein geiles Institut”. Das ist unsere Interpretation von “Freies Radio”, das wir als eine jetzt schon vorausexistierende Möglichkeitsform des selbstbestimmten Seinsausdrucks sehen, die zukünftigen Entwicklungen als Beispiel dient.

Perlentaucher Sommerfest 2Nun ist bekanntlich jedes Fest nur so interessant wie seine Gäst*innen und so wollen wir zu guter Letzt noch die beiden Feierlichkeiten miteinander zur Verschmelzung bringen. Und zwar, indem wir leib und haftig On Air den Obmann der SAG zu Wort und Gehör kommen lassen sowie seinen unentbehrlichen Mithasen Christoph bei uns willkommen heißen. Schon sind wir eine Runde und – belebt, beseelt, betrunken – spüren auf einmal, was sich spontan erzählt. Hier sind nämlich noch echte Menschen am Mundwerk mit echten Gefühlen und echten Zuständen und das hört man auch. Nicht ausgedachte Rollenaufsager, die sich immer weniger von einander unterscheiden, bis sie schließlich zu einem letzten semantischen Gatsch (Gunkl) zusammen rinnen, zu einem weltumspannenden Herrschaftsmulm immerblöder Sichwiederholung bis ins Nurnochnichts

Wir feiern das lebendige Leben
in all seiner schillernden Vielfalt
.

 

One another

> Sendung: Perlentaucher Nachtfahrt vom Freitag, 11. März – Zwischen “Love one another” und “Die Hölle, das sind die anderen” begeben wir uns auf die Suche nach dem ganz anderen. One? Another? Oder an other? “There is no big other”, meinte Jaques Lacan. “Is there überhaupt any other?”, fragen wir uns – und einander – und wenn ja, wo nicht? Das Eigene im Anderen entdecken (und das Andere im Eigenen) ist ja schon mal ein Beitrag zur Völkerverständigung (wie man früher zu sagen pflegte) und eine Friedensstiftung im Hier und Jetzt. Jetzt, wo der real existierende Irrsinn von Krieg und Zerstörung alles Schöne und Zarte umpflügt zu einer Trümmerwelt des Todes und der Angst, muss man erst recht mit der Macht der Poesie antworten. Und genau das tun wir hier in unserer Begegnungswelt des Einander – gemeinsam.

oneAtemlos hechelt das Abendland: “Die ich rief, die Geister, werd ich nun nicht los” und versinkt in seiner eigenen Behauptung. Das Unendliche ist was ganz anderes als die Quersumme zweckdienlicher Definitionen. Das Unendliche ist spürbar im Erleben von Liedern und Gedichten: “Das Luftholen  im richtigen Moment ist unwiederholbar und verdichtet einen Augenblick zur Ewigkeit” wie Konstantin Wecker bereits bemerkt. – So steht es geschrieben im Evangelium des Propheten Hund, im Kapitel “Unendliche Gedichte …” vom 3. Februar 2020.  Es ist jene poetische Kraft, die vom Beginn der menschlichen Entwicklung an immer wieder von irgendwo hervor leuchtet, und die von den jeweiligen Arschetypen (den Herrschfiguren) der “Weltgeschichte” ebenso immer wieder unterdrückt wird. Warum wohl? Weil der glückliche Moment des Musenkusses der Macht unverfügbar bleibt?

anotherWie lassen sich Erscheinungen wie Vorstellungskraft oder Erinnerung  wissenschaftlich erfassen? Oder hat nur die Poesie selbst diese Macht? Und das Recht und die Pflicht (ich kann nicht anders), sich selbst über sich selbst auszusagen? Dann sind hier also Mächte zugegen, die noch unberechenbarer sind als etwa ein wildgewordenes Atomkraftwerk. Und im Unterschied dazu nicht so zerstörerisch, wenn auch gewaltig. “Alle Macht der Poesie!” bezieht sich eben nicht auf die Dichtung, sondern auf ihre mangelnde Umsetzung in den Gestaltungen der Welt. “Die Waffen nieder!” war nie als “einfach nur irgendein Buchtitel” gemeint, sondern als ernst zu nehmender und gefälligst auch umzusetzender Beitrag zu unser aller Lebenswirklichkeit. Wieso ist Bertha von Suttner aber heute eine verblassende Erinnerung auf der 2-Euro-Münze und nicht allgemein anerkannt als die “Mutter des Friedens” auf der ganzen Welt?

an otherWirtschaft ist die Fortsetzung des Krieges mit anderen Mitteln – und umgekehrt. Und dafür, dass es “da draußen” so ist, wie es ist, sind die jeweiligen Urheber dieses Zustands verantwortlich. Keine Realität ohne ihre Realitäter. Warum werden die Verursacher des Unmenschlichen nicht zur Verantwortung gezogen – die sie ja angeblich haben – für die ganze Welt – und “über” uns? Und es ist mir persönlich scheißegal, ob die Zugrunderichtung meiner Lebensperspektiven im Namen der Wall Street oder des KGB oder des brunzdepperten Möchtegern von Irgendwo veranstaltet wird. Ob im Namen des Sowiesogottes, des Sowiesoismus oder der Sowiesoideologie, es ist doch immer dasselbe – und deswegen langweilig. Todlangweilig. Die Banalität des Blöden. Lassen wir one another Poesie walten – und geben wir so dem Leben seine Möglichkeit, immer wieder neu zu seinunglaublich, unverhofft, unverfügbar

“Wenn ich einen Krieg siach, kunnt ich speiben.” Lukas Resetarits

 

Das Kind in der Suppe

Sendung: Perlentaucher Nachtfahrt vom Freitag, 14. Januar – Jeder Betrachtung des Abgründigen wohnt ein Lebendigsein inne – immerhin spürt man, wie es einem da die Nackenhaare aufstellt. Und so ist die Beschäftigung mit dem Unheimlichen immer auch ein Fest des Lebens – sofern man nicht darin untergeht. Also nicht im Anstarren des Abgrunds verharren (der ja mit der Zeit zurück starrt, wie Nietzsche zu berichten weiß), sondern selbst wissen, dass man etwas empfindet, wenn man sich erschreckt. Dabei wie ein Kind einerseits in diesen Gefühlen versinken, zugleich andererseits im Vollbesitz der eigenen Phantasie das Unerträgliche inwendig umgestalten. Die lange Tradition künstlerischen Umgangs mit dem Morbiden zeugt von dieser Möglichkeit, das Unerträgliche in und um uns zu verbearbeiten – und lädt immer wieder dazu ein.

Mit Kind und KegelMit Kind und Kegel reist Familie Lemming nach St. Nimmerlein am See. Wir sitzen in der ersten Reihe und schauen zu. Von wem ist dieses Stück? Oder ist es gar ein Ganzes? Bald sind wir Menschen unter den Wiesen. Und werden Wiesen, und werden Wald. Liebe Abendlandler, das mit dem Landaufenthalt kann ja heiter werden. Almdudler akbar et cum spiritu tuo. Wo hängen jetzt die Jäger? Im Backheldensalat… Gerade die österreichische Dichtkunst ist reich an Bildern des Verfalls, wie sich an den Liedern und Gedichten von Ernst Jandl, H. C. Artmann, Helmut Qualtinger oder Georg Kreisler feststellen lässt. Dass uns diesen Umstand ausgerechnet ein Stiller Has aus der Schweiz wieder ins Gedächtnis befördert! Endo Anaconda hat allerdings (als Halbösterreicher und Wahlschweizer) die nötige Nähe und eben auch Distanz zum Objekt seiner Betrachtungsowie das Werk der Obgenannten verinnerlicht:

Das Kind in der Suppeösterreich, i steh auf di
es muss ja nicht unbedingt salzburg sein
dafür lieb ich den alten kaiser
den kreisky selig und den georg kreisler

österreich, hoch sollst du leben
du hast a rabenschwarze seel
und a feuerrotes herz
und an stinkerten pelz

So heißt es in seinem Lied “Österreich” aus dem Album “Stelzen”, dessen Texte insgesamt eine lebenslange Zweiseelenheimat erkennen lassen. Überhaupt scheint uns da ein Zusammenhang zu bestehen zwischen dem Schrecklichen und dem Schönen, ein Zusammenhang, dem speziell im Leiden fühlende Kunstschaffende Ausdruck verleihen. An dieser Stelle wollen wir wieder zwei verstorbene Salzburger Schriftstellerinnen “ins Leben denken”, deren Werk für die heimische Künstlerwelt wesentlich warund bleibt: Christine Haidegger und ihre Tochter Meta Merz, deren Text “Das Kind in der Suppe” schon zu zahlreichen Interpretationen inspirierte und der sich auch auf geradezu wundersame Weise als Titel dieser Sendung empfahl…

Das weiß doch jedes KindUnd was für eine dichte Metapher, die sprichwörtlich Welten über Welten hervorbringt! Hätte der alte Herr Adenauer nicht das Kind mit dem Bad ausschütten sollen, als sich herausstellte, dass nur noch nazibraunes Wasser in der Wanne war? Oder war da das Kind längst in den Brunnen gefallen? Wenn ja, in welchen? Und welches Kind? Da wird doch der Hund in der Pfanne verrückt! Hauptsache, das Prinzip Herrschaft bleibt erhalten. Dachte sich wohl der alte Herr. “Es ist schon in Ordnung, dass jemand regiert.” Dazu braucht es eben Beamte. Und Angst. Wir basteln uns eine Republik, die kann dann heißen, wie sie will. Der jeweilige Oberhops ist immer nackt, das weiß doch jedes Kind. Nur sagen traut sich das kaum je eins. Androhung des Ausschlusses aus der Volksgesundheit. Und Angst. Und kusch! Großjuchu ist das schönste Land auf der Welt und wir sind alle furchtbar stolz, irgendwas zu sein.

kumm schweinderl kumm
darfst noch a bisserl grunzen
weil morgen kommt der fleischhacker
und dann gibts kraut und blunzen

Stiller Has

 

Romantik Revolution

> Sendung: Perlentaucher Nachtfahrt vom Freitag, 12. November — Es gibt nur eine Wirklichkeit und die heißt Realität. Romantik ist eine kunstgeschichtliche Epoche zwischen Siebzehnhundertirgendwann und Achtzehnhundertjenachdem. Revolution ist ein gewaltsamer Umsturz, bei dem Chaos und Anarchie ausbrechen (also das “Recht des Stärkeren” herrscht). So ähnlich wird uns die Beschaffenheit der Welt von klein auf, erst recht in der Schule, eingeflößt. Es gibt nur eine Wirklichkeit und die heißt Realität. Das ist der “Ernst des Lebens” (den wir erst verstehen werden, wenn wir einmal “groß” sind). Auf jeden Fall müssen wir dazu erzogen werden, dass wir uns an die herrschenden Verhältnisse anpassen. Wer sich nicht fügt, fliegt raus! Wie war das gleich nochmal mit dem “Recht des Stärkeren”? Eine Spurensuche

RomantikUnlängst flackerte im Fernsehen kurz eine Dokumentation vorbei: “Romantik – Kunst wider das Chaos” vertrat dabei die These, dass “die Romantik” eine Gegenbewegung zur beginnenden industriellen Revolution war. Philosophen sowie Kunstschaffende jener Zeit reagierten auf die zunehmende Zerstörung der Lebensbedingungen wie der Natur mit einer Hinwendung zu im Zeitgeist unterrepräsentierten Inhalten. Unberührte, von den Profitinteressen der neuen Unternehmerelite unvergewaltigte, das heißt unzerstörte und so nach wie vor gesunde Natur etwa (was auch die Natur der menschlichen Seele mit einschließt). Innerlichkeit also und Befreiung der unterdrückten Gefühlsanteile einer bislang nur unzureichend zur Geltung kommenden Ganzheit, Vielfalt und Vielschichtigkeit. Und auch individuelle Freiheit vom Sachzwang der Herrschenden und ihrer schon früh als Bedrohung erkannten Verhältnisse. Das hat alles recht wenig mit Biedermeier, Idylle und Heile-Welt-Heimatfilm zu tun – womit wir jedoch, erst recht in der Schule, von den Definitionshoheiten der alternativlosen Realitätswirklichkeit immerfort zu Tode gelangweilt werden. Wir sollen nämlich eine “Hochleistungsgesellschaft” sein.

RevolutionEin Gegengewicht zur Unwucht der schleudernden Welt zu finden und es auch anzuwenden, das wäre der Versuch einer Reform an den bestehenden Verhältnissen, ohne deren Sinn und Zweck von Grund auf in Frage stellen zu müssen. Um eine wirkliche Umwälzung (“dass ein neues Prinzip an die Stelle des bestehenden Zustands gesetzt wird”) herzustellen, müsste jedoch viel mehr geschehen, als dass bloß das eine oder andere Gegengewicht eingesetzt wird. Womöglich müsste man die gesamte schwindelerregende Maschine anhalten (wie dies etwa 2020 zu Beginn der Corona-Pandemie angeregt wurde) und sodann als Menschheit gemeinsam “unter neuen Vorzeichen” weiter leben, ohne die Natur in und um uns zu zerstören. Wer stört uns? Wir sind verstört. Wir werden zerstört. Schluss damit! Das wäre die erste wirkliche weltweite Revolution. Und die Folgen? Was herrscht denn derzeit anderes als das rücksichtsloseste “Recht des Stärkeren”, wenn die eitlen Machthaberer sich unsere Welt untereinander als Besitz aufteilen?

Unsere WeltInmitten des ebenso ewiggestrigen wie strunzdummen Dauergequengels von Wirtschaftswachstum und Neuen Märkten halten wir in uns inne und stehen dann mit Thomas Bernhard auf, um endlich “in die entgegengesetzte Richtung zu gehen”. Wo immer noch ein Weg hinführt. Wir sind die Brüder der romantischen Verlierer und werden dadurch unsere Seelen gewinnen. Noch regieren uns die Untoten und die Gespenster einer nie je da gewesenen Herrlichkeit. Die war über Generationen hinweg getürkt, getürkist, gedüdeldüht. Von devoten Geschichtsschreiberlingen auftragsgemäß zurechtgeschwindelt und bei Bedarf -gefälscht. Hinter ihrem schönen Schein war noch nie irgendein Sein im Sinn gedeihlichen Lebens (außer für sie selbst). Stattdessen Ausplünderung aller zusammengeraubten Ressourcen (inklusive der Untertanen), Gewalt in jeder Form (Folter, Mord, Vertreibung, Krieg), Unterhaltung (besser Untenhaltung) durch Angst, Feindbilder, Religion und Staatstheater. Die Luftsackerln funktionieren doch nur, solange wir uns vor ihnen fürchten. “Du hergwahter Gottesgnodenschoaß – wos wüst du von mir?” Und es wird keine Antwort sein – nur gähnende Langeweile.

Wir waschen unsere Hände in Urschuld.

 

Liebe in Zeiten

>>> Sendung: Perlentaucher Nachtfahrt vom Freitag, 13. AugustIst es die Liebe in den Zeiten der Corona? Die Liebe in den Zeiten der Cholera? Die Liebe in den Zeiten der Choleriker? Oder eben einfach Liebe im Wandel der jeweiligen Zeit? Liebe ist ja sowieso eine mit Bedeutungen vollgestopfte Begrifflichkeit wie kaum eine andere, weil da doch Jedermann und Frau und sonstiges reinprojizieren kann, was auch immer. Und genau deshalb machen wir keine Sendung über “die Liebe” (denn was soll das auch sein). Ein bloßes Aufmarschierenlassen unterschiedlicher (angeblich allgemein anerkannter) Bedeutungen wäre ja ebenso elendslang wie zu schlechter Letzt einschläfernd. Stattdessen einige Aspekte aus unserer ureigenen Anschauung von Liebe, wie wir sie erleben – in jenen Zeiten, in denen wir leben.

Liebe in Zeiten 1Und für unser Publikum ein paar undefinierte Übergänge zwischen den einzelnen Elementen, auf dass sich in jeglichem Hörgehirn eine persönliche Nachtfahrt entfalten kann. Immersives Radio von den Festspielhasen eures Vertrauens! Da wird Dopamin produziert, dass es selig macht – und sämtliche Lautsprecher des Liebeslebens euer ureigenes Stück aufführen. Gewiss, wir hupfen euch immer noch “eine Sendung” vor, textmusikalisch, spontan-assoziativ, vom Ablauf und der Auswahl der Beiträge her – doch die sinnstiftende Interpretation des Ganzen (als eine Geschichte) findet letztendlich in euren Köpfen statt, je nach dem, was sie euch erzählt. Für eine solche Vorgehensweise eignet sich unsere Themenwahl aus “Liebe” und “Zeit” ganz vortrefflich, zumal jeder Mensch “Liebe” höchst individuell interpretiert (auffasst und ausdrückt) sowie “Zeit” ebenfalls höchst einzigartig erlebt, begreift, verbringt. Beides wird unendlich vielfältig gestaltetund das ist gut so!

Liebe in Zeiten 2Die Theorie zur Umsetzung dieser Art von Darbietung haben wir 2011 bei Thomas Oberender entdeckt – und stante pede einer praktischen Überprüfung unterzogen – als ein spontanes Tischtheater out of the Box sozusagen. Es hat wunderbar funktioniert und bleibt fürwahr ein fester Festspielflash. Während im Vordergrund das hintergründige Drama seinen Lauf nimmt, proben die Gestalter von “Druckfrisch” (Andreas Ammer & Denis Scheck) für ihr Gespräch mit dem dazumals frisch gekürten Nobelpreisträger Mario Vargas Llosa über den Dächern von Salzburg. Es herrscht also ständiges Kommen und Gehen. Do you know if you are coming or going? Wir wären nicht überrascht, wenn ja. Aber wie viele? || Abschweifungen wie diese und andere angewandte Entknüpfungen sind notwendig, um allzu eingeprägte Denkmuster zu lösen, damit überhaupt neue Bedeutungen entstehen und so die Belohnungsdrogen für das Selbstentdecken, Selbsterfinden und Selbstgestalten ausgeschüttet werden.

Liebe in Zeiten 3So irgendwie muss das mit der Katharsis gemeint gewesen sein. Die Auflösung der Vorstellung von sich selbst als Voraussetzung für die eigentliche und dann erst recht heilsame Selbsterfahrung. “Der Aggressor, das sind wir, ab da tuts weh, ja – dass wir uns selbst auch als Täter erleben ….. das ist die Urerfahrung des Drama, oder der Tragödie ….. Wir sind sterblich und Leben heißt schuldig werden, immer, für jeden einzelnen von uns. Und dafür ein Auge zu öffnen, sich mit dieser Erfahrung zu konfrontieren, das ist das Privileg, aber auch die Aufgabe von Kunst.” Täglich müssen wir erfahren, wie Kunst an sich in den gegebenen gesellschaftlichen Verhältnissen funktioniert und nicht durch ihr bloßes Stattfinden die Welt verändert. Andererseits führen wir uns eben nicht für ein exklusives (also beschränktes) Publikum auf, das in künstlicher Extase befriedigt mit sich selber verschmilzt. Fleischliche Gemüse! Wir nehmen lieber den Individuensalat. Thomas Oberender würde dann auch sagen:

“Hören sie genau … Hirn”

Oder? Alles hin.

 

Sommerfrisch & Herrschaftsfrei

> Sendung: Perlentaucher Nachtfahrt vom Freitag, 9. JuliUnterwegs zum dritten Ufer zwischen Pro- und Antithese. Wo Liebe regiert, herrscht Anarchie. Oder wie ich heute sagen würde: Da ist Anarchie real. Wirklich. Ja – und Liebe? “Wos isn des übahaupst, Liebe?” – “Liebe ist ein exakt definiertes Produkt, das du dir im Internet bestellen kannst, du Trottel – und jetzt schleich di aus unserer Sendung!” Möchte man auch mal sagen im inwendigen Strafprozess ums letzte eigene Leben. “Ich entziehe ihnen das Wort, sie brabbelnder Kulturschrott, der immer wieder nur eins wiederholt, nämlich dass die Macht an der Macht bleiben muss, alternativlos.” Herrschaftsfrei wollen wir leben – aber nicht gestaltlos, sinnentleert, unförmig und ohne Ordnung im Zusammen sein. Mitten in einer Welt, die am Prinzip Herrschaft zu sterben droht.

Herrschaftsfrei 1Seit der Erfindung des Imperiums im Zweistromland vor über 4000 Jahren herrscht in den Herzen und Hirnen von Untertanen der “zentral regierte Staat” in der “arbeitsteilig sowie in hierarchischen Strukturen verfassten Gesellschaft”, im Prinzip also das, was wir heute auch haben. Noch dazu kreuz und quer über den gesamten Globus vernetzt wie eine einzige weltweite Pandemie. Eine weltumspannende Krankheit des menschlichen Geistes, aufgebaut aus Angst und Macht, Herrschaft und Abhängigkeit, Gier und Gewalt und letztendlich sinnloser Zerstörung. Eine angebliche Weltordnung, die eigentlich eine Weltunordnung ist, so offenbar wie nie zuvor. Eine richtige Weltzerherrschaft. Und wiewohl deren tödliche Folgen für jedermann (und -frau und überhaupt) klar zu erkennen sind, wird dennoch weltweit, fast schon verzweifelt, am bisherigen System festgehalten. Den verursachenden Erreger (das Prinzip Herrschaft) zu neutralisieren und in neuer Gestalt weiter zu leben, wird mehrheitlich nicht mal in Betracht gezogen. Für Herrschende (die Herrschaft) ist die Welt Ware, sind wir Menschen Material

Herrschaftsfrei 2Geschätzte Milliarden Mitbewohner, bloß weil uns das unhinterfragbare Akzeptieren dieser herrschenden Machtstrukturen seit Generationen epigenetisch eintraumatisiert (mit fester Gewalt gefickt eingeschädelt) worden ist, sollten wir nicht trotzdem herrschaftsfrei zu leben beginnen? Trotz alledem und jetzt erst recht? Wenn sich das seit Jahrtausenden Überkommene als so offenbar nicht zielführend erweist für ein Leben im Frieden untereinander und mit der Natur, warum nicht etwas bislang Verunmöglichtes versuchen – das aber immerhin den Keim der Zerstörung (das Prinzip Herrschaft) nicht in sich trägt? Was wir dazu beitragen können, ist dieses dreistündige Konglomerat aus Musik und Gedanken, in dem wir vergangene Zeiten mit Gegenwart erfüllen und Zukünftigen, wenn auch noch unausgesprochen, ihr Lebensrecht auf Verwirklichung zuerkennen. Es haben sich ja bereits einige kluge Köpfe (und *innen) zum Zustand der Welt und der Notwendigkeit, herrschaftsfrei zu sein, das eine oder andere überlegt. So etwa unsere “Gäste” Wilhelm Busch oder Erich Mühsam und auch Konstantin Wecker.

Herrschaftsfrei 3Die Momente, in denen wir uns so überraschend und wie von selbst herrschaftsfrei fühlen konnten, die waren zunächst sommerfrisch. Als es noch Sommerferien gab, die klar umgrenzt und zugleich immer auch unendlich waren. Ein Augenblick am Flussufer, im Wald, allein oder gemeinschaftlich – und alle Macht von allen war aufgehoben, existierte einfach nicht mehr, wir waren frei! In diesen Zeiten erlebten wir, was es bedeutet, ohne Herrschaft sein zu können und selbstbestimmt über das Leben zu verfügen. Haben wir es deshalb zerstört? Haben wir uns und andere umgebracht? Hat da auf einmal das Faustrecht regiert und ist das Chaos ausgebrochen? Womöglich haben wir etwas versäumt, womöglich haben wir etwas kaputt gemacht, womöglich haben wir sogar die Zeit tot geschlagen. Auf jeden Fall haben wir gelernt, dass wir verantwortlich sind für das, was wir uns vertraut gemacht haben. Den Ort, den Augenblick, uns selbstund auch einander. Was wir in uns aufnehmen, was wir auf uns einwirken lassen, was wir uns anverwandeln. “Zähme mich”, sagte der Fuchsund weg war er

PS. Die überaus inspirierenden Bilder in diesem Artikel entstammen dem Cover-Artwork der von uns geschätzten multiethnischen Gruppe Kultur-Shock – merci!

 

Unvollendete Symphonie …

> Sendung: Perlentaucher Nachtfahrt vom Freitag, 11. JuniFertig ist man nie. Das Unvollendete bleibt noch in der stimmigsten Schnittmenge der Zweisamkeit. Wer da behauptet, fertig zu sein – mit seiner Entwicklung, mit seinen Arbeiten, mit seinem Leben – der ist nichts anderes als genau das: “Du bist voll fertig, Oida.” Fix und fertig im Sinn von erledigt, erschöpft, verbraucht. Das Leben an sich ist immer unterwegs und erschafft sich selbst ständig wiederkehrend in jeweils neuer Gestalt. Das Lebendige, das diesem immer unfertigen Vorgang innewohnt, ist seinem Wesen nach unendlich. Vielleicht vollkommen vollendet. Unsere Aussagen darüber sind hingegen immer vorläufig. Einstweilige Verfügungen zur Herstellung eines fragilen Gleichgewichts mit uns selbst. Unvollendete Kompositionen, ständig im Entstehen.

Unvollendete AssoziationenEin wunderbares Beispiel für dieses dauerhaft Einstweilige in seinem Leben und Werk ist der Komponist Anton Bruckner. Der hat nicht nur eine unvollendete 9. Symphonie hinterlassen, nein, er bearbeitete seine Schöpfungen sogar nach ihrer Veröffentlichung beständig weiter, so dass man heute oft gar nicht mehr sagen kann, “welche” Fassung man da gerade serviert bekommt. Was für ein grandioser Lebenswitz! Das würdigen wir mit einer ebenso unvollendeten Geschichte, die nie aufgeschrieben wurde und die sich daher immer wieder vollkommen neu erzählen kann, nämlich mit “Bruckners Buchtel”. Naturgemäß wollen wir danach auch einen Ausschnitt aus dem rekonstruierten Finale der 9. Symphonie anhören. Überhaupt war Anton Bruckner viel lustiger, als uns das die “offizielle Geschichtsschreibung” weismachen will, die ihn allgemein als einen verklemmt katholischen Bierernst voll staatsamtlicher Gottesschau darstellt. Aber das ist eben auch nur eine Möglichkeit.

Unvollendete OrientierungNicht weniger unvollendet ist das Lebenswerk von Hans Hölzl aka Falco, den Christian Ide Hintze einst als Lehrer fürs Songtexten zur Wiener Schule für Dichtung holte. Letzterer lebte einen derart “weit gefassten Poesiebegriff”, dass ihm noch die versammelten Gesichtsausdrücke von Pierluigi Collina ein Gedichtzyklus waren. Jedenfalls hat er Falcos Texte als das verstanden, was sie zutiefst sind: Sehr ernst zu nehmende Dichtkunst in vollendet unvollendeter Konstruktion. Und – wie jede gute Kunst – zeitlos. Daher ebenfalls prophetisch, wie wir am Beispiel “Europa” erfahren können. Was da beschrieben wird, die unvollendete Integration, sehen wir heute um vieles deutlicher als 1995. Wie Falco es damals beschrieben hat, das erscheint uns heute hellsichtig, vorausblickend, visionär. Vergleichen wir das mit der 2014 erschienenen “Eurovision” von Laibach, so entstehen Assoziationen und Zusammenhänge, die für Personen ohne eigenes Denken nicht geeignet sind.

Unvollendeter RomanWenn wir schon mit Dichtung und Wahrheit umgehen, dann soll hier auch der unvollendete Roman von Wolfgang Herrndorf gewiss nicht unempfohlen sein: “Bilder deiner großen Liebe” heißt das posthum veröffentliche Fragmentarium des legendären Autors von “Tschick”, dem wir an dieser Stelle Dirk von Lowtzow einen passenden Song nachrufen lassen. Und weil wir uns ganz absichtlich “Musikliterarische Gefühlsweltreise” nennen, wird diese Sendung in viel mehr Musik gebettet sein, als das die angeführten Empfehlungen vermuten lassen. Wobei, da wäre noch PeterLicht zu erwähnen, der auf seinem jüngsten Album “Beton und Ibuprofen” wieder ein sehr spezielles Stück “Spoken Word over Music” mit dem Titel “Lost Lost Lost World” dargereicht hat. Zu Riesen und Nebenwirkungen fragen sie ihre Maria – oder werfen sie sich ihr durch die Wand. Jetzt müsste man sich nur noch einen “weit gefassten Symphoniebegriff” zulegen – und schon geht es um jedweden “Zusammenklang”.

Sind wir nicht alle irgendwie unvollendete Menschen?

 

Alt und Jung und Jung und Alt

> Sendung: Perlentaucher Nachtfahrt vom Freitag, 14. Mai“Aber ihr seid beides!” Dieses Apocalypse-Now-Zitat veranschaulicht unser aller Zwischenheit trefflich. Von Beginn an vergehen wir. Und bis zuletzt leben wir. Da ist immer beides zugleich. Alt und Jung sind untrennbar miteinander verbunden. Auch wenn das im Jugendclub wie auch im Altersheim zunächst anders ausschaut. Apropos, geht es alten Menschen besser, wenn sie plötzlich Senioren heißen? Oder Senior*innen? Best-Ager gar? Na also. Bitte. Danke. Pubertäter aller Länder, begreifet euch! Und Insass*innen aller Altersendlager, werdet euch bewusst: Jung ist der, der Junges tut. “Ihr seid am Leben. Das ist alles, was zählt. Ihr seid am Leben!” Darauf lässt sich dann, egal ob alt oder jung, nur noch eins erwidern: “Das ist die Wahrheit.”

Alt und Jung und Jung und Alt AusblickNaturgemäß blicken Menschen unterschiedlichen Lebensalters jeweils anders in die Welt. Sie haben ja auch verschiene Interessen und Schwerpunkte. Kein Jugendlicher wird jemals abgeklärt und reich an Lebenserfahrung die Entwicklung des Weltgeschehens im Rückblick kritisch würdigen. Kein noch so agiler Herangereifter wird jemals mit Entwürfen für seine Zukunft schwanger gehen und dabei auch noch berauscht die Nacht durchtanzen. Drecksbiologie! Da kann man möchten was man will. Was man aber kann, ist in einen Dialog treten, über die genannten Grenzen hinaus. Was man auch kann, ist miteinander in Resonanz geraten, da lösen sich ja viele dieser Genregrenzen, Geschlechtergrenzen, Generationengrenzen auf, ohne dass man sie künstlich unterdrücken, wegverdrängen oder zuschütten muss. Das ist ein Anflug von Demokratie – gegenläufige Interessen unter einen Hut zu bringen.

Alt und Jung und Jung und Alt GezeitenDem Anfang wie dem Ende wohnt ein Leben inne. Und wie sehr erst dem Dazwischen! Kein Funktionieren, keine Staatsbürgerschaft, kein verregeltes Verrinnen von Lebenszeit. Staat dessen Denken und Fühlen und Fragen und Ergründenwollen. Neugier und Forschergeist und unstillbare Sehnsucht nach lebendiger Antwort. Nach Wahrnehmung. Als Mensch, nicht als Molekül. Das Grundbedürfnis, den elementaren Prozess des eigenen in die Welt Wachsens “zu einem guten Ende” zu bringen. Das in jedem einzelnen Vorgang des Lebens tobende Verlangen, von etwas, von jemand, überhaupt angesprochen zu werden. Und die Reaktion zu erfahren, die der Fragestellung entspricht. Wenn das nicht geschieht, stirbt etwas ab im Lebendigen. Noch bevor es hinreichend alt geworden ist, um wiederum Junges zu inspirieren. Noch bevor es jung genug ist, um überhaupt alt zu werden. Die herrschenden Weltverhältnisse der Macht zerstören nicht nur das bereits vorhandene Leben – sie vernichten es schon vor seiner eigentlichen Entstehung. Das Menschsein wird wortwörtlich “im Keim erstickt”. Wem das nicht mehr weh tut, der/die ist zu einem Teil der Banalität des Bösen” geworden.

Alt und Jung und Jung und Alt MusikBöses zerteilt und zertrennt das Große und Ganze nämlich so weit, bis die Lebensfrage nach Antwort genau gar nichts mehr vorfindet, sich daran zu verstehen. Das ist, was Hannah Arendt insgesamt mit dem Begriff meint: Die Weigerung, selbst Verantwortung zu tragen, zerbröselt jedes Verstehenwollen ins schiere Nichts, ist also seinem Wesen nach Vernichtung. Ist also selbst nichts anderes als Nichts. Auf Nichts lässt sich auch nichts antworten, es sei denn man ist ein Hupfhans und Hampelzwerg im Scheinweltgedümmel der Imageindustrie. Nichts als Etwas zu verkaufen, noch dazu für echte Arbeit, echten Schweiß und echte Lebenszeit, das hat wiederum durchaus was Diabolisches. Ist das die große Weltverschwörung zum Untergang und zum Zerfall des Lebendigen? In Abwandlung von Jan Josef Liefers könnte man sagen: “Verzweifeln sie nicht. Aber zweifeln sie bitte weiter!”

Oder auch: “Werden sie ruhig alt. Aber bleiben sie jung dabei!”

 

Frühlingsfest der Endlichkeit

>>> Sendung: Perlentaucher Nachtfahrt vom Freitag, 9. April – Er ist wieder da! Der kleine Tod, mit dem Andreas Vitàsek schon immer ein hochgradig ambivalentes Zwiegespräch pflegt. So abgründig liebevoll und schaurig vertraut wie vermutlich eh meistens im sonderlichen Sein des Homo Säugetier. Die vereinfachte Darstellung des Todes als bloßer Gegenpol zum Leben (was schon auch zutrifft) erhellt eben nur einen Aspekt des vielfältig Möglichen zwischen Frühlingsfest und Abschiedsleid. Vom “dünnen Firnis der Kultur, der uns von der Barbarei trennt” sprach der legendäre Jurist Fritz Bauer. Wie fest wäre hingegen der Firnis einer Kultur, die sich aus dem gleichzeitigen Vorhandensein widerstrebender Gegensätze speist? Einer Kultur des Sowohl-als-Auch, der wir diesmal im Strom der Gezeiten eine Insel stiften werden.

Frühlingsfest der EndlichkeitVor genau 10 Jahren haben wir mit “Frühlings Erwachen” der Zwiefalt von Leben und Tod eine Sendung gewidmet. Deshalb haben uns auch diese Szenenfotos der Schauburg in München trefflich inspiriert. Aber diesmal interessieren wir uns mehr für das, was entstehen kann, wenn die gegeneinander wirkenden Pole Lebenslust und Todessehnsucht eine Zeit lang und im selben Raum vorhanden sein und sich auswirken dürfen – ohne dass Entscheidungen getroffen werden müssen. Somit sollen Musik, Texte und Themen vorkommen, die entweder Frühling, Sonnenlicht, Liebe oder Angst, Trübsal, Untergang darstellen. Natürlich dazwischen auch solche, die bereits im Sowohl-als-Auch daheim sind – und von dort aus Fragen aufwerfen: Was ist Gegenwart (einmal abgesehen von Vergangenheit und Zukunft) anderes als Anwesenheit? Müsste sie dann nicht bei manchen Philosophen und Sprachwissenschaftern Abwesenheit heißen? Von wegen Geistesgegenwart

Frühlingsfest der Endlichkeit“Den Leibern, die hier umgehen, ist jeder Geist Gespenst.” So Uwe Dick in der Vorrede seiner szenischen Lesung “Der Öd”. Ja fürwahr, es scheint uns das “Hordiotentum” einer “perfekt blöd gemachten Rasse” dergestalt zu umbrodeln, dass Homo gewiss nicht sapiens heißen kann, bestenfalls Brotteig, Knetmatsch oder Massenblubb. Da ist es wieder, dieses Zwischen dem Glauben an die Menschheit und dem Verzweifeln an den Verhältnissen. Die Unsicht der Gestaltigen im Umgang mit der Welt wird eines Endes unser Untergang sein. Kein schönes Erwachsen! Kein Frühlingsfest der gemischten Gefühle für Anfängys und Fortgelaufene. “Und jedem Anfang wohnt ein Ende inne”, um es mit den Worten des Dichters weiter zu denken. “Mein Herz schlägt mich innerlich tot.” Und zwar schon seit vor meiner Geburt. “Liebe An- und Verwesende …”, das ist das Ende der Legende vom “ewigen” Wachstum im Hier und Jetzt. Schon ein Trost!

Frühlingsfest der EndlichkeitLeben und Endlichkeit sind die zwei Seiten derselben Medaille, untrennbar ineinander verknüpft. Warum nicht beides annehmen – und feiern, wie der Frühling fällt. Dazu bedarf es keines Auflaufs in der Außenwelt. Dazu bedarf es keiner Zusammenrottung und keines öffentlichen Almauftriebs. Der eigenen Endlichkeit endlich einmal so richtig zu obliegen, sie sich bewusst werden zu lassen, ihr Raum im Leben zu gewähren, ihr zu huldigen, weil sie die längst vorhandene zweite Hälfte des eigenen Selbst ist, das würde uns viel deppertes Festbatzen an unserem Traum vom perfekten Glückskeks ersparen! Das letzte Wort soll nun eine Französin (Roxanne aus Apocalypse Now) haben: Er wütete und er weinte, mein verlorener Soldat. Und ich sagte zu ihm: In dir wohnen zwei Seelen, weißt du das? Eine, die tötet – und eine, die liebt. Und er sagte zu mir: Ich weiß nicht, ob ich ein Tier bin oder Gott.Aber ihr seid beides …“

Frühling? – Gutes Wetter für Luftangriffe.

 

Buntes und Feines

> Sendung: Perlentaucher Nachtfahrt vom Freitag, 12. Februar – “Ein Kessel Buntes” hieß eine legendäre Fernsehshow der DDR, in die man alles an Kraut und Ruabn hineinstopfte, von dem man irgendwie annahm, dass es “den Leuten” gefallen würde. Und weil wir, auch im Hinblick auf Mummenschanz und Maskierung oder die inzwischen ganzjährig stattfindende Faschingszeit, ein “Sackerl Gemischtes” unters Volk bringen möchten, haben wir uns an den Titel angelehnt. Rummsdibumsti – doch nicht ganz so stabil wie gedacht, die erwünschte Untenhaltung. Vielmehr ein Kessel Schmutzwäsch, den wir da vor euch ausschütten, aber fein garniert – und mit Musik. Denn wir sind kein Formatradio – wir haben Format! Wir werden euch unterhalten und nicht unten haltenversprochen! Der Unterschied ist mindestens ein Elefant

Buntes und FeinesSo ein Babyelefant hats ja wirklich nicht leicht. Schließlich wächst er und wird immer größer, bis er in die Pubertät kommt und anfängt, sich aufzuführen. Über so etwas hat sich in der Porzellanabteilung vom Kaufhaus Österreich wieder niemand Gedanken gemacht. Über was denken die da überhaupt nach, bevor sie es uns mit Gültigkeit ins Gehirn scheißen? Wir haben wohl eine etwas sehr andere Vorstellung davon, was “denken” eigentlich ist. Von klein auf habe ich Menschen verabscheut, die “berechnend” sind und andere Menschen “manipulieren”, damit die ihnen gehorchen, ohne es aber je zu bemerken. Was für eine widerliche Trickserei – und zugleich die Methode, mit der wir alle derzeit rundum beschwindelt und schwindlig gemacht werden. Entweder wir spielen dabei mit – oder wir sind schon aussortiert. Die freie demokratische Wahl zwischen Pest und Cholera. Missverstehen sie mich richtig – die pseudoalternativen Scheinheilsversprechen der aktuell herumrandalierenden Verschwörungsdiabetiker sind auch keine Lösung des Problems. Der Fisch hört nicht dadurch auf zu stinken, dass man ihm einen anderen Kopf aufschraubt. Das Problem ist, DASS ER STINKT.

Buntes und BlödesNichtsdestoweniger werden wir auch in dieser Sendung wieder die Perlen des Überlebenshumors vor die letzten Nichtsäue werfen, die es da draußen noch gibt (und hier drin sowieso). Humor ist ja bekanntlich, wenn man TROTZDEM lacht. Und wir setzen jedes noch so heimliche Kichern und Schmunzeln auf die einzige Karte, die es inmitten der alles zu verschlingen drohenden Strömung ins verplemperte Nichts immer noch gibt: Schpritzmajim, aufs Leben! Danke für die lustigen Elefantenfotos, Judah Lewis! Und danke für dein Lebenswerk voll Phantasie und Schaffenslust, Arik Brauer! Danke für deine Musik und vor allem deine Texte, Tom Liwa! Und überhaupt Peter Klien! Danke für deine Sendung “Gute Nacht Österreich”. Sie werden lachen – jetzt wirds ernst mit dem Quotenonkel vom ORF. Da hat endlich einmal einer den Mut, Satire (gewiss auch von Jan Böhmermann inspiriert) als Entstellung der Wirklichkeit bis zu ihrer Kenntlichkeit aufzubereiten, in einem schmackhaften Potpourri aus Fiktion und (ja gibts denn sowas) Realität (oh mein Gott!), und schon kommt einem ORFloch just das aus, was seit Jahrzehnten Programm zum Pogrom macht: der Quotenschas.

Buntes - und fertig!Jetzt aber genug der Sozialkritik und zurück zum Sendungstitel (der immer auch einiges über den Inhalt verrät). Also – es gibt da die Kunst des Schüttelreims, deren höchste Form ein “echter Vierfacher” ist – wie etwa dieser:

Ein Leibesriese
ging auf Liebesreise.
Er sprach: Reib es, Liese!
Und sie rieb es leise.

Vor vielen Jahren wandte ich mit einem Freund gemeinsam die darin erkennbare Technik auf alles und jedes an, das mir vor Augen (und Ohren) kam, egal ob das Ergebnis dann einen Sinn ergab oder nicht. Eines Tages begegneten wir einer Flasche (mit Waschmittel), auf der “Buntes und Feines” geschrieben stand. Sogleich schüttelten wir (den Text, nicht die Flasche):

Buntes und Feines
Funtes und Beines
Beintes und Funes
Feintes und Bunes

Dadurch wird eines deutlich: Es kommt auf die richtige Mischung an!

Auch in dieser Sendung.

Le Chaim!