Dichterwerdung und Sprachfaszination (Chriss)

Stream/Download: Die Perlentaucher Nachtfahrt vom Freitag, 9. August verdichtet sich zu einem dichten Gedicht, welches die Dichtheit der Sprache auf dichterische Weise abdichtet und sich fasziniert von den schier unendlichen Möglichkeiten der Dichtung in eine Textase stürzt, die dichter nicht sein könnte! Zumal es endlich wieder an der Zeit ist der Sprache zu huldigen und sie gleichzeitig in ihre Einzelteile zu zerlegen, neu zu formen, sie umzugestalten und kreativ mit Wörtern zu spielen! Also, willkommen im Einmachglas der Möglichkeiten! 😀 

blätterfallenWir wachsen so selbstverständlich mit der Sprache auf, dass uns teilweise gar nicht mehr auffällt, wie zauberhaft und magisch sie sein kann. Sie kann Welten öffnen -fantastisch und traumhaft; sie vermag es aber auch uns zu verletzen, hässlich zu sein, widerlich und ekelerregend. Sie ist unendlich weit, farbenfroh und so facettenreich; dennoch stoßen wir hin und wieder an ihre Grenzen. Sprache kann wirklich sprachlos machen. Manchmal verschlagt es uns die Worte, wir können nichts mehr sagen, bringen keinen Satz mehr hervor, als hätten wir verlernt zu sprechen…

Ich als Dichter lebe von ihr. Ich liebe und ich hasse sie; und bin auf sie angewiesen. Es ist schon merkwürdig wie ein Wort den Sinn eines ganzen Satzes verändern kann. Es ist ein ständiges Abwiegen, ein andauerndes Überlegen und Feilen, eine Arbeit, eine Beschäftigung, die niemals aufhört, immer weiter geht. Ich bin im Bann der Worte. Und kann doch über sie bestimmen! Ich glaube, es ist eine Art Symbiose. Ohne Worte könnte ich nicht meine Gedanken nieder schreiben und ohne mich blieben sie nur seltsame Hieroglyphen…

Ich werde versuchen mich der Sprache anzunähern, doch sie wird sich mir wohl nie ganz erschließen. Es ist ein Mysterium, genauso wie die Zeit. Sprache verbindet und Sprache unterscheidet. Sie stiftet Missverständnisse und schließt Freundschaften. Sie lebt und verändert sich unaufhaltsam. Genauso wie wir Menschen, denn wir lassen sie erst lebendig werden, hauchen ihr Magie ein und sollten sie auch vor Verfall und Zersetzung bewahren. Denn ich glaube immer noch und mehr denn je, dass Worte zaubern können.

 

Woher Wohin (Chriss)

Stream/Download: Die Perlentaucher Nachtfahrt vom Freitag, 12. Juli begibt sich auf die Reise. Wiedereinmal und umso mehr. Es wird Zeit aufzubrechen, wegzugehen, sich selbst kennenzulernen. Es wird Zeit sich zu fragen: „Wer bin ich und wo komme ich her?“ Wir begeben uns auf die Suche nach unseren Wurzeln, unseren Ursprüngen. Und dies sicherlich nicht ohne ein Augenzwinkern 😉

Meine Reise begann eigentlich mit dem Gedanken an dieselbe. Zunächst war es noch der Jakobsweg mit seiner Jahrhunderte alten Tradition des Pilgerns. Ich merkte, dass ich meinen eigenen, ganz persönlichen Weg zeichnen wollte, der auch wirklich etwas mit mir zu tun hat. Und so fing ich an eine Route zu planen, die mich zu besonderen Orten, zu heiligen Orten der Kelten führen sollte. Doch drei Wochen alleine, zu Fuß? Innerlich stellten sich mir die Haare auf und ich änderte schließlich abermals meine Pläne… Eine Reise verwandelt sich in viele Besuche, in ein- und mehrtägige Ausritte in die Natur und zu Plätzen denen seit jeher eine besondere Bedeutung innewohnt. Ich werde auf alten Pfaden wandern, sehen was Generationen vor mir sahen. Ich werde ein Wanderer sein. Ein Wanderer der mit neu geöffneten Augen durch die Welt schreitet und immer auf der Suche bleibt.

Wer?Ich fühle mich lose. Irgendwie heimatlos. Ich weiß nicht wirklich wer ich bin, was ich hier eigentlich zu suchen habe, wo ich hin gehöre… Ich beginne gerade mich auf die Reise zu machen… Ich will weg! Weg von Salzburg! Weg von Zuhause! Weg von den Straßen, deren Namen ich kenne! Weg von den Gebäuden, deren Anblick mich anwidert! Weg von den barocken Kirchen, Lustgärten und den ewig-gestrigen maskierten Nazis, die alles Andersdenkende versuchen auszurotten! Ja, mir ist schon bewusst, dass ich mich diesen Mechanismen und gesellschaftlichen Standards nicht völlig entziehen kann, aber ich muss raus! Ich möchte andere Landschaften sehen, andere Leute und Dialekte kennen lernen. Ich möchte zumindest temporär fliehen. Und sei es nur für einen Tag…

Wohin?Also, wohin geht die Reise? Jetzt, da sich mir ein ungeahntes Zeitfenster anbietet, in dem ich unabhänging sein und frei gestalten kann. In dem keine Pflicht ruft und niemand sich die Chef-Krone aufsetzt und anschaffen lässt. Keine tagtägliche  Selbstvergewaltigung in die lohnbüroarbeitsabsterbenden Räume einer unmenschlichen Welt, sondern befreit atmen und Gedanken verdichten zu leuchtenden Farben, die mich in das Jetzt des nächsten Augenblicks rufen! Doch wohin werde ich gehen? Eigentlich egal… Der Weg ist das Ziel. Oder wie der chinesische Philosoph Lao-Tse sagte: „A good traveller has no fixed plans, and is not intent on arriving.“

woherDenn Pläne müssen sich ändern dürfen! Wenn man zu sehr an einer Vorstellung oder einem Konzept festhält, erstarrt man und wird unflexibel, unbeweglich, unvorbereitet auf Dinge die man nicht beeinflussen kann! Und im Endeffekt bleibt man enttäuscht auf dem kalten, nassen Boden der Erkenntnis sitzen… Wenn man allerdings die Planung etwas lockerer und offener angeht, sich einlässt auf Neues und vielleicht alles Bisherige auf den Kopf stellt, können sich einem Bilder, Begegnungen und Abenteuer eröffnen, die man niemals erahnt hätte. Ich halte die Naivität des Kindes sehr hoch und wenn ich durch eine Stadt gehe, öffne ich Augen, Ohren und Hände für die kleinen Details, die unbeachteten Facetten, die schwer wahrnehmbaren Zwischentöne, die Energie der Bewegung, das Unerwartete. Ich bleibe im Fluss, der sich stetig wandelt, der sich immer verändert. Ich bleibe unterwegs. Ich höre nie auf zu wandern. Ich höre nie auf zu entdecken. Ich höre nie auf zu suchen.

Meine Reise begann eigentlich mit dem Gedanken an dieselbe. Und mit meiner Auseinandersetzung mit mir selbst und meinem Leben, meiner Herkunft, meiner Zukunft. Ich schrieb einen Text und erkannte etwas sehr wesentliches: Je weniger ich weiß woher ich komme, desto weniger weiß ich wohin ich gehen möchte. Und dadurch bleibt mein „Eigentliches Ich“, der Mensch in mir, der nur darauf wartet geweckt zu werden, weiterhin im Dunkeln. Ich mache mich also auf die Suche nach meinen Wurzeln, meinem Stamm, meinen Ästen und Blättern, und folge unsichtbaren Wegen, die mir ein tieferes Verständnis für Mutter Erde lehren, eine tiefere Verbundenheit zur Natur zeigen, eine tiefe Bejahung meiner Selbst befördern und mich erkennen lassen, dass ich lebe.

 

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Stream/Download: Perlentaucher Nachtfahrt vom Freitag, 14. Juni – Nur eine Nummer? Nicht wirklich. Doch unseren recht zeitaufwändigen Arbeiten am Marko Feingold Projekt (Interviews) nebst dem abschließenden 2-stündigen Zeitzeugen-Portrait sei es diesmal gern geschuldet, dass wir uns hier nicht auch noch für ein assoziativ sprachkreatives Thema entscheiden wollten. Nein, in aller Unbenanntheit sollen Musik- und Textbeiträge einander abwechseln und sich so wie von selbst zu einem roten Faden verzwirbeln, der durch die noch zu erfindende Geschichte führt, deren Titel sich dann – vielleicht – ganz am Schluss wie von selbst ergibt. Insoweit wir uns darauf einen Reim zu machen verstehen – oder aber auch nicht. Jedenfalls werden wir nach diesen 3 Stunden wieder Klang- und Wortwelten durchreist haben, die sich so noch nie zuvor ereignet haben. Und wir werden um eine Nachterfahrung reicher sein, unbeschadet…

Auch wenn ich gemeinhin nicht auf den Mund gefallen bin und böse Zungen sogar behaupten, selbigen müsse man nach meinem Ableben noch separat erschlagen – es gibt durchaus Situationen, in denen es mir bustäblich die Rede verschlägt und ich nachhaltig verstumme. So erging es mir zum Beispiel mit den dreieinhalb Stunden Tonmaterial, das wir in der Woche vor seinem 100. Geburtstag an zwei aufeinander folgenden Nachmittagen mit Marko Feingold aufgenommen hatten – und dessen Aufbereitung und Veröffentlichung mir anschließend oblag. Ich kann euch jedenfalls eines sagen – die detaillierte Geschichte eines solchen Überlebens von fast 5 Jahren Nazi-KZ-Terror anhörend mitzuerleben und dann nach Hause zu gehen, das ist eine Sache. Die selbe Geschichte aber danach wieder und wieder anzuhören, stundenlang und über mehrere Nächte verteilt, beim Zusammenstellen und Schneiden, beim Bearbeiten und Auszüge auswählen – das ist nochmal ein ganz anderer Abgrund. Du kannst plötzlich nicht mehr ausweichen, stehst fassungslos fühlend inmitten all der absurden Brutalität und weißt nicht mehr so richtig, wo die Geschichte anfängt und deine Person aufhört. Zuletzt hatte ich schon einigermaßen bizarre Albträume – unter anderem reiste ich von einer KZ-Gedenkstätte zur nächsten und wurde überall im Zuge der jeweiligen Museums-Neugestaltung zur Weinverkostung eingeladen. Dachau-Wein, Mauthausen-Wein, Buchenwald-Wein, Auschwitz-Wein, jede Mahnmal-Betreiberfirma hatte ihre eigenen Gedenk-Bouteillen im Programm. Mitten in so einer degoutanten Degustation (ich glaube, ich betrank mich allein schon aus Überforderung zusehends) wuselte plötzlich ein kleiner weißhaariger Mann quer durch uns peinlich Berührte und rief empört: „Ich war aber in Auschwitz! In Auschwitz hat es nie Wein gegeben!“

Auch den Chriss hat die Beschäftigung mit Marko Feingolds erlebter (und mitfühlbar gemachter!) Geschichte offensichtlich erschüttert. Man konnte seine Verstörung mitunter fast schon mit den Händen greifen, so etwa auch bei seinem letzten Auftritt im Literaturhaus zum Thema „Von Menschen und Unmenschen“ – Doch wie schön und erfrischend ist das eigentlich, wenn man jemand seine innere Bewegtheit noch abspüren kann! Vor allem bei einer öffentlichen Lesung, wo einem sonst hauptsächlich gut eingeölte Funktionsprofis entgegen quellen. Oder halt von der Formvollendung ihres Auftretens derart Vereinnahmte, dass sie es darob versäumen, die Perfektion ihrer Pose hinreichend mit Poesie auszufüllen. Aufmarsch der Klassengesellschaft! Hmm – welch neugestaltes Machtunrecht schleicht uns da schon wieder von hinten ins Haus – dessen Vordertür wir soeben gründlich gegen die „alten“ Nazis verrammelt haben? Wir möchten euch dazu noch einmal unsere gesammelten Beiträge zu Marko Feingolds 100. Geburtstag ans Herz legen – vier Interviews/Erzählungen und zwei Sendungsaufzeichnungen. 😉 Doch lassen wir das jetzt – und uns mit einem Gedicht vom Chriss auf diese Nacht ein:

Körpersingen

Die Sonne stirbt vor unseren Augen. Das Meer erwacht. Der Wind leitet unsere Gedanken. Wir brauchen kein Licht um uns zu erkennen.

Umarmung. Tief wie Wurzeln. Umfassen wir einander. Du flüsterst mir zu. Ich werde zu Wachs. Du wirst zu Honig. Gemeinsam verlieren wir die Zeit und die Sinne.

Mein Blick wird dir Boden. Auf dem du lebst. Auf dem du atmest. Meine Wurzeln werden dein Bett. Du schläfst in meinem Anfang.

Deine Stimme wird mir Haut. Ich kleide mich in deine Worte. Schließe mich ein in deinen Herzschlag. Male uns eine Welt mit deiner Berührung.

Wir können versinken wenn wir es wollen.

Wir sind frei zu leben.

Wir können uns fallen lassen.

Ins Jetzt.

-> Zum Auftauchen gibts dann das ganze Album „Jiddische Lieder“ von Zupfgeigenhansel

 

Déviation Erotique

Podcast/Download: Perlentaucher Nachtfahrt vom 8. März – Wir würdigen den Weltfrauentag mit einem sehr eigenen Höhepunkt 😉 Wir erinnern uns an die einst selbstverständliche Solidarität der verschiedensten Emanzipationsbewegungen zur Zeit der „sexuellen Revolution“ Mitte der 70er Jahre. Der längst überfällige Kampf um Ebenbürtigkeit und Entvormundung in unseren patriarchal-hierarchisch verfassten Gesellschaften vereinte die Frauenbewegung irgendwie unausgesprochen mit anderen prononciert progressiven und gesellschaftsrevolutionären Gruppen wie etwa der damals noch alternativ-avantgardistischen Schwulenbewegung. Heute erwachen wir plötzlich in einem erschreckend biederen Diskurs über Frauen in Führungspositionen und homosexuelle Lebenspartnerschaften. Wollen wir jetzt nur noch die Wirtschaftsmacht und eine möglichst katholische Ehe? Wie könnten wir das gute alte „SISTERS UNITE!“ augenzwinkernd UND ernstgemeint über die (Gender?) Grenzen hinweg wiederbeleben?

DSCN8038„Zwei Geschlechter wohnen, ach, in meiner Brust“ oder „Halb zog es ihn, halb sank sie hin“. Zitat-Adaptionen, die uns nicht so wirklich befriedigen können bei dem Spannungsbogen, der sich da zwischen und in uns auftut. Eine Synthese schaffen aus alternativen Sexualitäten und Frauenemanzipation – noch dazu in nur 3 Stunden – wie soll das denn funktionieren? Mit deiner Phantasie, du Lulu! Im Zweifelsfall fragen sie ihre großen Schwestern. Und siehe da, *tätärätääää* Patti Smith, eine der ersten E-Gitarre spielenden Frontfrauen der Rockgeschichte und seit ihren legendären Auftritten (und Ausritten) im New Yorker CBGB’s zudem eine Godmother of Punk, hat uns schon vor Jahrhunderten 😀 ein sinnstiftendes Gedicht vermacht, welches wir auch diesmal gern heranziehen wollen, weil nämlich Gutes gut ist und bleibt und sich auch beim wiederholten Zitieren nicht abnützt! „Female Feel Male“ war schon einmal Nachtfahrt-Sendungsthema – jetzt gibt uns das wunderbare Wortspiel dieser Titelzeile Gelegenheit, unseren Übergang vom Freiheitsfest der weltweiten Weiblichkeit hin zu den erotischen Emanzipationsbedürfnissen der männlichen Inwendigkeit zu strukturieren…

DSCN8132Und so wollen wir auf die Suche gehen nach dem Nichtunterdrückten und dem Nochzubefreienden in uns selbst – und spiegelbildlich in der uns umgebenden Gesellschaft. Denn wie hat es Arno Gruen schon in seinem ersten bekannten Buch „Der Verrat am Selbst – Angst vor Autonomie bei Männern und Frauen“ geradezu hellsichtig auf den springenden Punkt gebracht: „Die in gesellschaftlicher Unterdrückung lebenden Eltern geben in ihrem Bemühen um Anpassung an die herrschenden Sachzwänge ihre eigene Unfreiheit unbewusst an ihre Kinder weiter.“ An dieser Formulierung erweist sich wieder einmal etwas ganz Grundlegendes: Emanzipation im Sinne von gemeinschaftlicher Selbstfreisprechung aus manipulativen Machtstrukturen ist eine Notwendigkeit, die uns im Wesentlichen alle beschäftigt. Und zwar nicht nur die tatsächlich um ihre selbstverständlichsten Rechte betrogenen Opfer dieser strukturellen Gewalt, sondern sogar auch die Systemprofiteure der von ihnen selbst (aber mit unserem Schweiß, unserem Leid, unserem Geld – mühsam 🙁 aufrecht erhaltenen ungerechten Herrschaftsverhältnisse. Nun, unser Mitgefühl mit diesen angemaßten Autoritätern ist insofern endenwollend, als die meisten Representant_innen (jawohl!) des etablieterten Ausbeutungsbetrugs sich ja auch weigern, ihren eigenen Empfindungen ehrlich gegenüber zu treten. Mitgefühl im Kontext emotionaler Abspaltung – schwierig…

DSCN8069Emanzipation ist eben eine Initiative, die von unten ausgeht und aus eigenem Betroffensein heraus die Dinge selbst in die Hand nimmt, um so die ungerechten Verhältnisse möglichst nachhaltig zu verändern. Das braucht einen langen Atem – und viel Phantasie, denn die „Herrschaft“ verändert ihr Auftreten und Aussehen ja auch andauernd! Zudem erfordert es Mut und Verwegenheit, um bestehende Grenzen zu überschreiten, hergebrachte Gebote zu übertreten und angeblich seit Urzeiten allgemein anerkannte Vorstellungen von Sitte und Zucht, Ordnung und Moral, Ruhe und Anstand (oder wie immer sonst die derartigen Gummikategorien jeweils heißen mögen) ihrer gedeihlichen Verkompostierung im Zuge einer fröhlichen Menschwerdung zuzuführen. Was also können wir zwei Liebestypen dazu heute beitragen? The Female – jene Frauen, bei deren Auftreten uns das Freilandherz im Gefühlsleib herum hüpft. The Female Feel – jene Männer, die eine speziell androgyne und/oder einfühlende Haltung verkörpern. Und schließlich The Feel Male – jene Musen, bei deren bloßer Anhörung uns die Amygdala feucht wird und die Hypophyse anschmilzt 🙂 Also drei Stunden befriedigende Selbstbefreiung, Brüderinnen und Schwesteriche…

Und wers doch gern noch etwas tatsächlicher-weiblicher haben möchte – am Sonntag gibts die Missfits im Artarium! Gnadenlos, versprochen 😛

 

Abstrakt

Podcast/Download: Perlentaucher Nachtfahrt vom Freitag, 11. Jänner – Zur systemischen Therapie der postweihnachterln und perisilvestrivialen Symptomatiken: Sesam, Sound und Schrugl für die freiassoziative Restmenschheit oder ein einigermaßen wohltemperiertes Kunnst-Biotop zum Wiederaufbau der emotionalen Authentizität nach den Drogenorgien der Familienfeiern. Oder wars umgekehrt? Wie dem auch sei – wir machen es uns und euch drei Stunden lang gemütlich – auf die Synapsen. Kein Troll ist uns zu hoch, kein Durst zu weit und kein Ei zu grün, als dass wir nicht unsere eigene Fahne auf die höchsten Zinnen der Sandburg pflanzen würden. Und das alles ohne künstlichen Sauerstoff! Zu Risiken und Nebenwirkungen lesen sie die Packungsbeilage…

MottoSesam! Willkommen in der Seltsamstraße eines neuen Jahres. Und sind wir nicht alle irgendwie ausgefranst wie die Semmerl? – Butter? Senf?

„Jeder Augenblick ist ewig, wenn du ihn zu nehmen weißt, ist ein Vers, der unaufhörlich Leben, Welt und Dasein preist…“ Konstantin Wecker

Dieser Text verbindet sich bereits in der Signation mit Roger Waters, Aviv Geffen, Pavarotti und Placebo zu einem hochwirksamen Hörerlebnis. ACHTUNG – kann Spuren von Pink Floyd, Green Day, Chumbawamba und Andreas Spechtl enthalten! Was aber entsteht sodann aus der möglichen Mischung von Arthure Rimbaud (auf Griechisch!) mit Ella Fitzgerald, Brian Eno, The Waterboys, fetisch:MENSCH, Data Bank A oder Our Lady Peace? Sehr Sesam…

ZitatSound? Auf jeden Fall klingt unsere Auswahl diesmal noch etwas kontrastreicher und ungewöhnlicher als sonst eh auch schon immer. – Chriss? …ich kann nix dafür… 😀

„Berührst mich mit deinen Worten tiefer als jeder Kuss es vermag. Ich denk an dich Tag und Nacht. Jeden Augenblick, der frei ist.“ fetisch:MENSCH

Gesprochene Worte, Spoken Word Musik, Songs mit speziellen Texten – so zieht sich in etwa der rote Faden der Sprachverliebtheit durch unsere Unterhaltungen. Und so fügen sich je nach Stimmung klang/textlichle Seltenheiten zwischen bekanntere Stücke, entsteht ein spontaner Crossfade aus Brüchen und Emotionen. Vitalic, The Naked and Famous, The Venus in Furs, Colombin, Disturbed und – gänzlich instrumental – Eivind Aarset. Sound!!!

BildSchrugl…

„Auf einmal bin ich in einen Fromach gekommen. Rund um mich riesige Stirzen und Frimpe, in denen die Murken gewimpst haben. Da seh ich in der Ferne ein kleines Stirriwink zwiegeln. Na, Gott sei Dank, hab ich mir gedacht, wenigstens ein Stirriwink. Aber wie ich…“ Martin Auer

Dieses Kleinod einer Phantasiegeschichte bringen wir euch in der wahrlich wundersam vertonten Fassung von Klaus Trabitsch und Liederlich Spielleut zu Gehör. Denn ist uns nicht allen oft schierlig und schrugl zumute, wenn wir ganz allein in den Schlumperwald gehen – oder in sonst eine ungewisse Zukunft? Wie wärs dazu noch mit etwas Marilyn Manson, Soap & Skin, Solee, Grauzone oder halt nochmal Placebo? Zum Trost gibts eh Hannes Wader…

Wir wünschen noch eine wundersam traumreiche und aushängig anregende Nacht! 😉 Kennwort zum Download der Gesamtsendung gibts von uns auf Anfrage.

 

Keine Ahnung…

Podcast/Download: Perlentaucher Nachtfahrt vom Freitag, 12. Oktober – Der Ausflug auf Autopilot oder das kreative Vakuum, ein „zusammen unterwegs Experiment“. Der Arbeitstitel besagte bloß, dass wir zwischen dem aufwändigen „Apocalypse Now Jubiläum“ und einer nächsten tiefschürfenden Themenarbeit über Strange-, Straight- und Specialness schlicht keine Ahnung haben, was wir überhaupt spielen, lesen und machen wollen. Diesmal bleibt es dabei, dass wir uns von all dem, was da kommen mag, überraschen lassen. Ein paar Gedanken und Ideen wie kleine Leuchtschiffe in den Fluss setzen, ihnen beim Davontreiben zuschauen – und davon ausgehen, dass ihre Bewegungen eine Lichtspur erzeugen, der wir folgen werden…

Ein paar Stimmungsbilder gäbs wohl schon aus der barock dekadenten Memento-Mori-Menagerie dieser herbstlich hüstelnden Mozartiade. Den eiligen Aus- und Schlussverkauf der allsommerlichen Eitel- und Ewigjugendlichkeiten etwa oder den sich bald wieder über das Land wie die Seele ausbreitenden Nebel.

Alles Eindrücke, die uns doch irgendwie ans Überleben in der Pestgrube gemahnen, uns jahreszeitlich zwingend ins heurige „Alles is hin“ des Bänkelsängers Augustin hinein assoziieren oder uns zumindest ansatzweise an ein mögliches Altern in Würde denken lassen, mit oder ohne Rockmusik 😉 „Der Tod ist ein Trick“ fällt mir da ein aus dem Blumfeld-Song „Strobohobo“ – und natürlich auch das „Ring the bells, that still can ring“ aus Leonard Cohens „Anthem“ (einem so sauguten Liedtext, dass ich ihn mir endlich mal in einem anderen als diesem bekannt zuckersüß zugestreicherten Arrangement gewünscht hätte…) Womit wir schon mitten in diesem Artikel mitten im Zwischen der Zeilen, der Konzepte und der Gestalten landen – irgendwo da ist es – sind wir – unterwegs…

Dazwischen sind wir aufgespannt wie die Wäscheleinen und wie die Regenschirme – und hätten oft gern eine größere Bedeutung als die des Augenblicks. Wenigstens eine versöhnliche Synthese für die nächsten paar Herzschlagjahre, ein Abziehweltbild für unseren Flüchtlingskoffer.

„With or without You“ wäre da eine Möglichkeit, die beides zugleich in sich umschließt, das Nichtlebenkönnenden des Zielerreichens wie des Herzverlusts. Dennoch singt es und schnappt nach Luft, lechzt voller Verlangen nach Erfüllung, fällt wimmernd in sich zusammen und lässt einen Vorgeschmack zurück von der Vereinigung der Gegensätze, von der einstweiligen Verfügung zum Frieden mit sich selbst. Und lassen wir die Dichter selbst zu Wort kommen, o du lieber Augustin reloaded, sei es Diskurspop oder Zen-Poesie, es gibt wohl kaum etwas anderes als Lieder vom Leben, von der Liebe und vom Tod:

Die Leute leben wie Schatten
Mit ihrer Sehnsucht nach Sinn
Der Tod ist ein Trick
Ich bin, was ich bin
Und spuck dem Tod ins Gesicht   (Jochen Distelmeyer/Blumfeld)

Ring the bells that still can ring
Forget your perfect offering
There is a crack, a crack in everything
That’s how the light gets in      (Leonard Cohen)

 

the soul is a bird (chriss)

Podcast/Download: Die Nachtfahrt vom Freitag, 14. September macht sich in einer 4-stündigen Reise auf ins Herz der Finsternis, durch die Urwälder der menschlichen Seele, hinab in die tiefen Wasser des Geistes und hinein in die Ruinen der eigenen Furcht, dem eigenen Schatten… Ein Unterfangen inspiriert von Francis Ford Coppolas Film „Apocalypse Now“ und initiiert von Laurie Andersons Spokenword „The soul is a bird“. Mein Artikel wird ein Gedicht. Ein literarische Annäherung zum Thema. Eine poetische Auseinandersetzung mit mir selbst, euch, der Sendung und…

„Ich fühle etwas. Ganz tief unten, in mir. Ich kann es nicht wirklich einordnen. Ein unbekanntes, mir völlig fremdes Gefühl. Wie ein Lichtstrahl der aufblüht und in sich, um sich und mit allem eine sich drehende und pulsierende Kette aus Licht und mehr Licht bildet. Es dreht sich in mir. Es steigt auf. Durch meinen Magen, hinauf in meine Lungen, in mein Herz. Ich bebe- ganz in weiß gekleidet, hinter mir eine mit Scheiße beschmierte Stadt, ein mit Scheiße beschmiertes Leben und ich- starr, benommen. Die Wolken werden sich schwarz färben, Regen wird fallen, doch die Scheiße – klebrig, mit der Zeit hart geworden wie Stein – wird bleiben. Ich nicht. Ich werde fort gehen. Ein Land suchen, das nicht so derbe stinkt. Ich werde mich aufmachen, etwas, jemanden suchen! Und finden! Ich werde groß sein! Ich werde Gott sein! Ich werde Alles sein! Und Nichts! Gleichzeitig! Ich steige hinab vom Hügel der Kinderleichen, die diese Stadt ausgeworfen hat und mache mich auf. Wohin weiß ich noch nicht. Aber weg! Weg von dieser Stadt, diesem Leben, diesen Schmerzen, dieser Verzweiflung. Ich werde dem Flusslauf folgen oder den Stimmen der Wälder. Den Sternen am dunklen Morgen oder dem Licht…

Da bin ich also… Allein auf der Straße ins Nichts auf der ich mein Leben lang schon war, die mich vorran trägt und meinen müden Geist. Meine Gedanken sind Nebelschwaden und Rattennester, mein Atem ein verfaultes Stück Holz, meine Beine und Arme nur Auswüchse eines Geschwürs das sich Körper nennt. Meine Lippen vermögen es nicht einen anständigen Satz zu formen und meine Augen sind erlöschende Flammen. Ich sehe nichts. Ich schmecke nichts. Ich fühle nichts. Nur meinen Herzschlag – immer weiter trommelnd. Ich höre Stimmen in den Baumwipfeln die mir flüstern: „Jeder trägt ein Totes mit sich.“ Ich verstehe. Aber ich will nicht verstehen, ich will be-greifen! Ich möchte jedes Wort, jede Silbe mit meinen verdorrenden Händen fühlen, zerlegen, neu zusammensetzten, einen neuen Sinn stiften, eine neue Sprache finden… ICH will NEU sein! Das ist wohl der Grund wieso ich mich auf diese Reise begeben habe… Aber der Grund verändert sich, verwandelt sich, schwebt vor meinen Augen als Licht – so nahe und doch so weit entfernt. Ich versuche es zu berühren, doch greife ich ins Nichts. Ich taumle, falle zu Boden, stehe wieder auf, gehe weiter. Ich sehe Tempel – alt, überwuchert – gepfählte Fratzen die mich auslachen, einen Mann gekleidet in schwarze Seide. Er reicht mir die Hand. Er reicht mir seine Stimme. Er reicht mir sein Herz. Er reicht mir seine Seele. Ich nehme an und erkenne…

Ich liege nackt auf dem nassen Boden. Über mir flimmert goldenes Licht. Blätter fallen auf meine Haut- ein Atemhauch vergangener Träume. Ich spüre die Stille um mich herum und nehme sie an. Ich umarme die langsame Ruhe, das Schreien der Vögel, das Surren der Insekten, die Fühler der Ameisen. Ich bleibe liegen. Warte auf etwas, ohne zu wissen auf was. Ich weiß nur es wird kommen… Ich fühle die Schwärze die aufkeimt- ein Schatten des Waldes. Traumfänger. Wolfkind. Bärensohn. Rabenzauber. Trommeln. Trommeln. Trommeln. Schritte. Flügelschlagen der Nacht, der Bäume. Ein Vogel- eingesperrt in einen Käfig aus Knochen. Ich atme die Kälte. Einen dunklen Mund. Ein Kuss auf meiner Stirn. Ein Feuer brennt. Seltsame kosmische Trauer. Ich spüre mein Herz. Ich höre meine Stimme. Ich sehe mich selbst- vor mir stehend. Nur schemenhaft. Ein Schatten. Ich stehe auf. Ich sehe mir in die Augen. Hohle Löcher. Ich greife hinein. Ich küsse mich auf den Mund. Ich taste nach Leben, nach einem Grund. Finde nur Rauch. Ich stehe am Abgrund. Unter mir das tosende Meer. Wolken und Donner. Da sehe ich in der Ferne ein Gesicht, einen Lichtstrahl. Ich rufe einen Namen. Ich falle hinab. Sinke auf den Grund meiner Seele. Dort wo nichts ist und alles…“

Und von dort kannst du nur alleine zurückkehren. Jede Reise ist eine Reise zu dir selbst. Jede Schicht simplen menschlichen Daseins fällt weiter und weiter ab, bis du zu deinem eigenen Schatten kommst und mit ihm verschmilzt. Dann entsteht eine neue Sprache, eine neue Wahrnehmung. Dann be-greifst du dich und die Welt um dich herum. Wir sind nichts weiter als leere Hüllen, aus Kot geformt, die sich verkleiden um überhaupt existieren zu können. Und begreifst du das, erfährst du dich selbst –  in dir selbst, dann kann dein eigener Geist, dein eigener Gott, dein eigenes Herz wieder atmen. Und zwar frei von allen Giften und Waffen dieser Welt. Wir müssen uns lediglich fragen: „Wer sind wir. In Uns? Eigentlich?“

Und diese Frage kann nur jeder für sich selbst beantworten. Ganz allein. Man muss sich trauen ins Herz der Finsternis zu gehen, den Fluss aufwärts, dorthin wo der eigene Schatten, der eigene Abgrund lebt und ihm gegenüber treten und – be-greifen!

 

The Soul is a Bird (Norbert)

Podcast/Download: Perlentaucher Nachtfahrt vom 14. September (Die 48. Sendung!) – Wir erleben ein vierstündiges Abenteuer frei nach Apocalypse Now und entwickeln eine Expedition ins Herz der Finsternis. Was erwartet uns nach der Begegnung mit unserem inneren Schatten? Und ist solch eine Selbsterfahrungsfahrt nicht auch als modernes Märchen erzählbar? Wir wagen den Versuch – wie immer mit kontrastierender Musik und kontroversen Texten – doch ohne „Moral von der Geschicht“. Die ist und bleibt ein offenes Ende UND jeweils der eigenen Phantasie überlassen. Das Schöpferische in uns will nämlich zur Geltung kommen – und soll dabei schön zweckfrei bleiben dürfen! Die Entstehung dieser Sendung könnt ihr also auch in den zwei Artarien „Apocalypse Solo“ und „Apocalypse Duo“ nachvollziehen. Der Weg ist das Ziel…

Es beginnt alles mit einem Auftrag. Und mit einem seltsamen Gefühl, dass hier irgendwas nicht stimmt. Nicht stimmen kann. Noch nie gestimmt hat. Irgendwie beginnen Anspruch und Wirklichkeit zunehmend auseinander zu fallen. Zunächst unmerklich, mit dem nagenden Unbehagen, das wir in Alkohol und Drogen aufzulösen versuchen, das wir immer wieder beiseite schieben, nur um weiter machen zu können. Dann wird es persönlicher, trifft uns im Versuch, einen Menschen zu lieben und eine Gemeinschaft herzustellen. Wir stellen fest, dass wir das Wesentliche, das uns im Innersten beschäftigt, nicht mehr kommunizieren können, womöglich noch nie kommunizieren konnten. Uns fehlen die Worte, dies alles auszudrücken, wir sind wie betäubt, erschlagen – und wir resignieren, geben auf, lassen den Verlust zu. Noch mehr Alkohol, noch mehr Drogen, wir sehnen uns zurück ins Abenteuer, zurück in den Kampf, zurück in den Dschungel. Doch auch der neuerliche Auftrag, der uns den Fluss hinauf schickt, ins Herz der Finsternis, jenseits der Grenzen des Vorstellbaren, erscheint seltsam ambivalent und in sich selbst unstimmig zu sein. Ja, wir wollen endlich Klarheit, wollen wissen, was das für ein Wahnsinn ist, an dem wir alle so selbstverständlich teilnehmen und der uns gleichermaßen von Grund auf korrumpiert. Ja, wir verspüren eine unausweichliche Ahnung, eine fast schon übersinnliche Gewissheit…

Das, was wir verloren haben, das, was uns fehlt, das, wonach wir schon immer auf der Suche sind, zumindest solange wir denken können, solange wir uns zurück erinnern – was ist das überhaupt? Es hat etwas mit dem Entdecken von sexueller Lust zu tun, damals als der Blitz einschlug bei der ersten intimen Berührung durch jemand anderen. Es ist nah verwandt mit den ersten Erfahrungen des Rauschzustands, mit jener euphorischen Entgrenzung im gemeinsamen Taumel von Trinken und Tanzen. Mit Verliebtheit und mit Küssen und mit dem ersten Joint im jungfräulichen Bewusstsein. Mit einem Sonnenaufgang in den Bergen nach einer durchwachten Nacht. Mit Motorradfahrten in unbekannte Landschaften, mit Sonnenuntergängen am Meer und unglaublich wohlschmeckenden exotischen Speisen in fremden Ländern – und mit dem Gefühl, ganz wo anders – unvermutet – eine neue Heimat zu finden. Diese feinen Funken beim Entdecken von etwas Neuem, dieses unvoreingenommen unschuldige Staunen in elementarer Begeisterung, sprachlos machende Naturgewalten, die über uns herein brechen und unser Bewusstsein nachhaltig verändern. Sex, LSD, ewiges Kind sein im Hier und Jetzt. Der multiple Orgasmus der Verschmelzung mit sich selbst und dem Weltall. Reine Natur. Das Sein an sich. Gott. Mensch. Leben…

Gibt es das überhaupt? Da war einmal was – und wir fühlen, dass es uns entgleitet, dass wir es eigentlich schon längst nicht mehr wiederfinden können – egal, wie viel wir trinken und wie sehr wir uns mit dem „immer mehr nehmen, haben, wollen, tun“ abmühen. Sex, Sex, Sex – langweilig. War das schon alles? Da muss doch noch – etwas? – jemand? – gewesen? – sein! – Ich? – Es? – Wir? – Wollen wir dorthin zurück, wo alles zugrunde ging, um zu verstehen, weshalb? Wollen wir begreifen, was – und warum uns das fehlt, um zu akzeptieren, dass es nun einmal so ist, und um uns damit abzufinden, uns einzurichten im Unvermeidlichen – das ist nun mal der Lauf der Dinge, unsere Vergänglichkeit? Oder wollen wir dorthin, weil wir „es“ zurück haben wollen? Müssen? Das Verlorene – ohne das wir nicht leben können – im eigentlichen Sinn. Nur vegetieren, funktionieren, als angestellte Auftragskiller einer Kolonialwarenwelt, die aus dem angeblichen Nicht(mehr)vorhandensein des ursprünglich Essenziellen gute Geschäfte macht – mit den Ersatzdrogen der Lust? Ist es nicht der blanke Wahnsinn, dass wir genau dasjenige nich mehr antreffen, nicht mehr wiederfinden können in dieser schönen neuen Welt des Fortschritts, des Wohlstands und der verwalteten Bedürfnisse, das uns zu Menschen macht, die sich auch lebendig fühlen?

Ist es nicht gerade das wesentlichste aller menschlichen Bedürfnisse, dass wir nicht nur versuchen, zu verstehen, warum und wie wir dieses Lebendigmachende überhaupt verloren haben, sondern auch mit aller Kraft versuchen, es wieder zu finden, es wieder herzustellen und es dann wieder und wieder anzuwenden? In einem solchen Augenblick umfassender Klarheit haben wir mit dem etablierten Wahnsinn gebrochen, sind ausgestiegen – und haben uns von den Betreibern dieser betrügerischen, psychopathischen, verbrecherischen Weltkonstruktion losgesagt. Wir sind aufgebrochen in dem Versuch, uns so weit als nur irgendwie möglich davon zu entfernen. Seither verfolgt uns ihr „moralischer Terror“ als unser schlimmster Feind. Gibt es noch eine andere Lösung, als deren Wahnsinn verinnerlicht widerspiegelnd im Untergang zu versinken – von sich selbst und überhaupt allem?

Eine mögliche Verwandlung – einen Übergang – eine neue Sinn-Stiftung?

Die Selbst-Erfahrung ist eine Fahrt nach innen, eine Reise zu sich selbst, hinter die Ideale und Vorstellungen, wo Schicht um Schicht alles von einem abfällt – bis man auch dem eigenen Grauen ins Gesicht sieht. Zurück kommst du von dort immer allein! Ist nicht hinter der größten Angst und inmitten der tiefsten Verstörung, dort, wo nichts mehr anderes ist als Leere, Schicksalsergebenheit, das Ende von allem – ein neuer Anfang, eine Grenzüberschreitung – der Dreh- und Angelpunkt wirklichen Lebens?

 

Love and Desperation (Norbert)

Podcast/Download: Die Perlentaucher Nachtfahrt vom Freitag, 13. Juli spannt einen weiten Bogen zwischen den scheinbar so widersprüchlichen Polen von Liebe und Verzweiflung. Sind das wirklich so extreme Gegensätze? Wenn unsere Liebe Erfüllung findet, dann ist der Endsieg der Seligkeit ein für alle Mal errungen. Und wenn unsere Liebe Enttäuschung und Verlust zeitigt, dann stürzen wir unweigerlich in den Untergang unserer Ideale. Liebe oder Tod? Gewinn oder Verlust? Zufriedenheit oder Zugrundegehen? Sind wir dermaßen gehirngefickt von der uns umherrschenden Ideologie der Nutzbarmachung, Besitzbarmachung, Verwertbarmachung jeglicher Lebensregung? Sind wir dem Schwindel von der Selbstverewigung durch Anpassung und Erfolg bereits vollständig verfallen? Sind wir die Glücksjunkies des 21. Jahrhunderts?

Nun ja, vor nicht ganz 2 Wochen musste ich auch von meiner Tante Elfriede Mader Abschied nehmen, die ein sehr wesentlicher Mensch für mich gewesen war. Sie hatte schon sehr früh meine eigenwillige Kreativität und Sprachbegabung entdeckt und nach Kräften gefördert, sowie mich dann auch ein ganzes Leben lang gegen gewaltsame Vereinnahmungen durch die allzu Angepassten und dem Durchschnitt, der Normalität Hörigen in Schutz genommen. Ihr Tod trifft mich als ein umfassender Verlust – nicht nur an menschlicher Wärme und Zuneigung, sondern auch an meinem Grundgefühl von Geborgenheit und Vertrauen. Es ist eine ebenso subtile wie nachhaltige Erschütterung meines gesamten Erlebens, wie ich mich in der Welt befinde – und wie ich mich den Eindrücken dieser Welt gegenüber verhalte. Manchmal fühle ich mich den Menschen in meiner Umgebung plötzlich ganz und gar schutzlos ausgeliefert – und meine verwirrten Empfindungen brauchen viel länger als sonst üblich, um die wohlmeinenden von den böswilligen Exemplaren zu unterscheiden. Ich möchte mich oft am liebsten verkriechen – und warten, bis jemand kommt und mir die wackelige Welt wieder zurecht rückt…

Und selbst inmitten der großen Liebe macht sich die Verzweiflung breit. Sie wohnt ganz nahe beim Lebendigen, sitzt mit ihren Verwandten Mutlosigkeit, Trauer und Wut am Tisch unseres Herzens und zieht einen dunkelgrau trüben Vorhang über die Früchte des Vergnügens. Sie ist düster, staubig und verraucht, aber nicht gleichmütig oder deprimiert. Sie ist voller Zorn und Zweifel und verhindert sich doch selbst beim Versuch, sich auszudrücken. Sie plappert pausenlos vor sich hin, schimpft, spuckt und grantelt, doch nie von den eigentlichen Themen, sondern immer irgendwie drum herum. Die Verzweiflung als eine hochtourig am Stand laufende Maschine zur Energievergeudung, gespeist aus der Begegnung mit unentrinnbarer Endlichkeit und der Gefährdung durch unverrückbare Vergeblichkeit. Wir könnten jetzt, um sie wieder los zu werden und um uns zu erleichtern, entweder uns selbst oder andere verletzen, etwa indem wir sinnlos herum streiten oder auf  Schwächere losgehen. Doch das ist unsere Art nicht, dazu haben wir einfach zu viel Glück im Unglück, dazu sind wir – auch und gerade im Angesicht des Todes – zu lebendig. Also versuchen wir einen anderen Weg zu gehen, einen unserem Wesen entsprechenderen:

Besinnen wir uns auf das Wesentliche! Was hat uns bisher – und immer wieder – am tiefsten bewegt? Womit beschäftigen wir uns – schon seit der Entdeckung unserer Eigensprachlichkeit? Und welche Themen haben uns jetzt und hier – in all unserer Zerbrechlichkeit – zusammen geführt? Ist es nicht die tiefe Erfahrung von Leid und Unrecht, wenn wir erleben, wie besondere Menschen, Individualisten, Künstler und Tagträumer von gedanken- und gefühllosen Gruppen, von unmenschlichen Ideologien und Machtsystemen ausgegrenzt, herabgewürdigt und misshandelt werden? Und ich meine hier gar nicht die chinesische oder syrische Militärdiktatur. Ich spreche von unseren Salzburger Schulen, von unseren Kirchen, Parteien und Vereinen. Von unseren Freundeskreisen, Nachbarschaften und Verwandten. Und ich spreche ganz klar von unserer geldhierarchisch gegliederten Gesellschaftsordnung, von der Erfolgsdiktatur und vom Leistungsterror unseres menschenverachtenden Wirtschaftssystems, vom massenblödial gefühlsabspaltenden Konsumwichteltum des Mozartkugelfaschismus, vom gutbürgerlich maskierten Plünderungsfeldzug am Gemeinschaftseigentum, vom Verprivatisieren des Öffentlichen Raumes durch die Besitzbesatzer und ihre Amtskomplizen. Ich spreche vom Schrecken und von der Ungeheuerlichkeit all dessen, was uns tagtäglich als vorgeblich unabänderliche Normalität umbrandet und umtost, in die wir uns angeblich ohne Widerspruch und ohne Rücksicht aufs eigene Wohlergehen gefälligst einzufügen hätten. Et cui bono?

Wir alle, die wir noch eine Stimme haben, können sie erheben – gegen das Vergessen und Verdrängen – und gegen die Verblödung unserer Umwelt. Wir alle, die wir noch zum Mitgefühl fähig sind, müssen unsere Wahrnehmungen mitteilen – und zum Gegenstand öffentlichen Gesprächs machen – für all jene, die üblicherweise an den Rand gedrängt, zum Opfer gemacht und ihrer Würde beraubt werden. Für all jene, die sonst für immer zum Jasagen oder zum Schweigen gebracht würden. Und natürlich auch für uns selbst, denn unsere Verzweiflung ist nur die dunkle Schwester unserer Liebe – und sie wohnen eben beide in unsen Herzen! Bleiben wir lebendig…

wie lange noch

wie lange noch
werde ich alles hinunterschlucken
und so tun
als sei nichts gewesen

wie lange noch
werde ich auf alle eingehen
und mich selbst
mit freundlicher miene vergessen

wie lange
müssen sie mich noch schlagen
bis dieses lächerliche grinsen
aus meinem gesicht fällt

wie lange noch
müssen sie mir ins Gesicht spucken
bis ich mein wahres
zeige

wie lange
kann ein mensch
sich selbst nicht lieben

es ist so schwer
die wahrheit zu sagen
wenn man gelernt hat
mit der freundlichkeit zu überleben

peter turrini

PS. Ich empfehle überdies, auch die feinen Gedanken vom Chriss zu diesem Sendungsthema zu lesen 😉

Love and Desperation (Chriss)

Podcast/Download: Die Nachtfahrt vom 13. Juli 2012 erzählt von der Liebe und den Abgründen der Existenz. Wir fahren wieder in dunkle und nur von Kerzen beschienene Tunnel, auf der Suche nach der Wahrheit. Und ihr fahrt mit uns mit. Hört unseren Geschichten und Gedanken zu, die wir in ein Klangbett kleiden, das uns weit ab von Mainstream und Mozartkugel berührt. Also, gute Fahrt! 😀

„Stille. Dieser eine Moment in dem dein ganzes Leben fällt. Nur für diesen Lichtfunken- aufschimmernd in der Dunkelheit deiner Erkenntnis. Du würdest alles geben, nur um für eine Sekunde dein innerstes Bedürfnis zu erhellen, um dich selbst zu erkennen. Doch es geht nicht. Du musst in dich gehen. Und das ist der schwierigste Weg von allen.

Einander erkennen. Ganzheitlich. Wesentlich. Einander berühren. Haut. Zarte Finger, die deine Träume wach küssen. Und dann wieder diese Stille, die den ganzen Raum füllt. Du siehst dein Gesicht von deinem „Du“ gespiegelt. Und du gefällst dir. Wenn du jemanden gefunden hast, in dessen Spiegel du dir gefällst, lass diese Person nicht mehr los.

Nein, denn loslassen fällt immer schwer. Egal wen, egal was. Also halte sie oder ihn. Denn vielleicht schon morgen ist alles, was von einem reich gedeckten Mahl übrigt bleibt, der Duft von frischem Brot.

Weitermachen. Weiterdenken. An seinen Gefühlen und Eindrücken festhalten. Auch wenn man weiß, dass alles fallen wird. Doch für den Moment ist es wichtig! Eins sein mit all seinen Erlebnissen und mit seinem Wissen. Carpe Diem! Carpe Noctem!            Das Leben ist dein, also ergreife es!

Geh mit allen deinen Monden und Sternen, die du dir in dein Hemd genäht hast in den Tag und ein Kind wird staunen über deinen Glanz. Ergreife den Augenblick und lebe im Jetzt. Denn Liebe passiert nicht in der Vergangenheit oder in der Zukunft. Sie passiert jetzt. Genauso wie Sexualität. Alles ist Jetzt und zeitlos!

Und darum feiere das Leben, wie es fällt und gib die Hoffnung nicht auf, sondern spring den Widrigkeiten ins Gesicht. Mit Worten, Bildern und eigenen Definitionen von Liebe und Leben!

Aber erinnere dich immer an die Vergänglichkeit im Leben. Irgendwann wird alles verwehn. Nichts bleibt für immer. Doch erinnere dich auch daran, dass alles ein ewig fließender Kreislauf ist. Leben und Tod sind nicht auseinander zu denken. Ein Ende ist immer ein Anfang und die Sonne geht immer auf –  genauso wie der Mond. Nacht und Tag. Man sieht sich immer zweimal im Leben und jeder Wunsch setzt einen neuen Stern ans Himmelszelt.

Versuche du selbst zu sein und alles wird leichter werden. Und du wirst deine Umgebung viel feiner wahrnehmen können. Die Liebe wird dich leiten.“

Wir werden uns auf die Suche nach uns selbst machen. Tief hinein in unser tiefes Gefühl. Tief hinein in die Dunkelheiten unserer Existenz…

Und hier der Link zu: Norbert’s Artikel