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Schlagwort-Archive: Wirtschaft
Was wir von der Zukunft zu erwarten haben
Der Radiofabrik-Mitschnitt zum Nachhören
Volkswirtschaft kann spannend sein. Und einiges zum Verständnis der Welt und unserer aktuellen Lage beitragen.
[Manche wussten das bereits vor den Wahlen zum Bundespräsidenten.]
Vor allem dann, wenn uns Persönlichkeiten wie Stephan Schulmeister die Welt erklären. In der Kunstbox Seekirchen sorgte das Ende Februar für ein volles Haus.
Ein Mitschnitt seines Vortrages „Was wir von der Zukunft zu erwarten haben“ inkl. anschließender Publikumsdiskussion läuft am Donnerstag, 14. März um 21:00 Uhr in der Reihe Der Radiofabrik Mitschnitt (und danach selbstverständlich online zum Nachhören!)
„Was ist los mit Europa? 20 Millionen Menschen sind arbeitslos, 100 Millionen – ein Drittel aller Beschäftigten – müssen sich mit atypischen Jobs zufriedengeben, die Staatsverschuldung steigt seit vierzig Jahren, ‚wir‘ können uns den Sozialstaat nicht mehr leisten.“ Damit beginnt Stephan Schulmeisters aktuelle Buch mit dem schlichten Titel „Der Weg zur Prosperität“. Ein gewichtiges Werk, das die Glaubensätze des Neoliberalismus widerlegt und Vorschläge für einen Kurswechsel darlegt.
Bis in die 1970er Jahre herrschte in Europa Vollbeschäftigung. Der Sozialstaat wurde ausgebaut, die Staatsverschuldung sank. Grundlage dafür waren Erkenntnisse aus der Weltwirtschaftskrise und dem darauffolgenden II. Weltkrieg. „Die Spielanordnung lenkte das Gewinnstreben systematisch auf realwirtschaftliche Aktivitäten und zielte im Rahmen des Europäischen Sozialmodells auf eine Integration traditioneller Gegensätze ab“. Mit der Entfesselung der Finanzmärkte in der Ära von Ronald Reagan und Margaret Thatcher begann laut Schulmeister der lange Weg in die gegenwärtige Krise Europas. Sie äußert sich nicht zuletzt im Aufstieg populistischer Bewegungen, neuen „Sündenböcken“, in zunehmendem Nationalismus und einer politischen Desintegration des Kontinents.
Für einen gründlichen Lerneffekt sei die Bedrohung der Eliten jetzt noch nicht groß genug, diagnostiziert der langjährige Mitarbeiter des Wirtschaftsforschungsinstituts WIFO. Die nächste Finanzkrise eröffne dann jedoch die Chance für einen grundlegenden Kurswechsel in Europa, kann Schulmeister dem nächsten drohenden Crash etwas Positives abgewinnen. Seine wichtigsten Leitlinien sind eine radikale Besserstellung von unternehmerischen Aktivitäten in der Realwirtschaft im Vergleich zur „Finanzalchemie“, sowie die Erneuerung des Europäischen Sozialmodells. Die dafür nötigen Maßnahmen sollten schon jetzt konzipiert werden.
Schulmeister hat sich mit Untersuchungen zu den Finanzmärkten einen Namen gemacht, er scheut auch nicht die Einmischung in politische und gesellschaftliche Debatten. So kritisiert er das Programm der aktuellen österreichischen Bundesregierung, da es den sozialen Zusammenhalt schwäche. Er rechnet nicht nur mit dem Neoliberalismus ab, er entwirft auch die Navigationskarte für den Weg aus der Finanzkrise. In seinen Vorträgen und seinen Publikationen beleuchtet er den marktreligiösen Charakter der neoliberalen Theorien und kritisiert den Neoliberalismus als Ideologie im Interesse des Finanzkapitals: In dieser Form des Kapitalismus werden keine realen Werte produziert; es wird nur noch versucht, Geldwerte zu vermehren. In der neoliberalistischen Weltordnung erscheint Arbeit allein als Kostenfaktor, den es zu senken gilt. Dies führt zu einem Teufelskreis zunehmender Arbeitslosigkeit, Staatsschulden und Sozialabbau.
Sein Buch rechnet zunächst mit der neoliberalen Theorie freier Finanzmärkte ab, um dann Erklärungen für die Wirtschafts- und Politikkrise Europas, vor allem aber auch Therapievorschläge zu liefern. Er sieht sich einer realistischen Schule der Ökonomie verpflichtet, die von empirischen Befunden ausgeht, anders als die Denkschule des Neoliberalismus, die er als idealistisch, da allein von abstrakten Modellen ausgehend, bezeichnet. Der Autor spricht von Theorieproduktion als sozialem Prozess – Wissenschaft ist immer in gesellschaftliche Verhältnisse eingebettet und nie wertfrei. Dies legt er auch in einer kurzen Geschichte der wichtigsten ökonomischen Theorien dar – vom „missbrauchten Adam Smith“ über Karl Marx, die Lehren aus der Weltwirtschaftskrise und dem Entstehen des Keynesianismus bis hin zu Friedman, Hayek und der Durchsetzung des Neoliberalismus ab den 1970-Jahren.
Schulmeister macht deutlich, dass an den Börsen psychologische Faktoren, insbesondere Herdenverhalten sowie eine „manisch-depressive“ Grundstimmung eine viel größere Rolle spielen als neoliberale Ökonomen wahrhaben wollen – mit bedenklichen Folgen für die Realwirtschaft. Dies führt zu einer zweiten zentralen – auch unter Linken umstrittenen – These von Schulmeister, nämlich der Abspaltung der Finanzmärkte von der Realwirtschaft. Der Ökonom kritisiert nicht den Kapitalismus an sich, sondern die Behinderung einer prosperierenden Marktwirtschaft durch instabile und Eigeninteressen verfolgende Finanzmärkte. Kapital sei vom „Mittel zum Zweck“ zum „Mittel zum Selbstzweck“ mutiert.
Die Krise Europas – zugespitzt an der Schuldenkrise Griechenlands – macht Schulmeister demnach insbesondere in der Austeritätspolitik seit Einführung der Maastricht-Kriterien sowie des Fiskal-Paktes aus. Da trifft er sich mit anderen Keynesianern, wenn er von der „Therapie als Krankheit“ spricht, die Länder in die Depression treibe. An Langzeituntersuchungen zeigt Schulmeister, dass Staatsverschuldung und Arbeitslosigkeit immer gleichzeitig auftreten, da eben der Staat mehr Kosten bei gleichzeitig sinkenden Steuereinnahmen aufgebürdet bekommt. Der Ausweg könne daher nur in der Stimulierung von Wachstum der Realwirtschaft sein.
Schulmeister plädiert nicht einfach für noch mehr Konsumwachstum für alle, sondern für Investitionen in eine sozial-ökologische Wende. Dafür unterbreitet er zahlreiche Vorschläge, von einer thermischen Sanierungsoffensive über Investitionen in erneuerbare Energieträger bei gleichzeitiger höherer Besteuerung fossiler Energie bis hin zu Umverteilungsmaßnahmen, die den Basiskonsum aller Bürger und Bürgerinnen ermöglichen.
Ein wichtiges Werk, das die Glaubensätze des Neoliberalismus dekonstruiert und pragmatische Vorschläge eines Kurswechsels darlegt. Ein „Lebenswerk“, schreibt Ulrike Herrmann in ihrer Rezension für die taz.
Nachtrag 13.3. Aktueller Lesestoff auf englisch: Capitalist Freedom Is a Farce
Fvonk dich frei ruft zum „Aufbruch“
[Nachtrag Juli 2018] „Die Befreiung von der Unterdrückung ist ein Menschenrecht und das höchste Ziel jedes freien Menschen“ – unter diesem Leitmotiv kämpfte Menschen- und BürgerInnenrecht-Ikone Nelson Mandela, der am 18. Juli seinen 100. Geburtstag gefeiert hätte, sein Leben lang gegen Rassismus sowie für soziale Gerechtigkeit. Solidarität und die Überwindung der durch Abschottung, Ausgrenzung und neoliberale Kontrolle etablierten Ungleichheit in unserer Gesellschaft sind auch zentrale Ansätze in der Arbeit der Initiative „Aufbruch – für eine ökosozialistische Alternative“.
„Aufbruch“ will jede Form von Ausbeutung, Diskriminierung überwinden und eine antikapitalistische Kraft „von unten“ aufbauen, die aktuelle gesellschaftliche wie ökologische Herausforderungen gemeinsam denkt. Dabei geht es „Aufbruch“ nicht nur um Widerstand gegen aktuelle politische Entwicklungen in Österreich, in Europa und global, sondern um ein zukunftsorientiertes Konzept, in dem Vielfalt ebenso wie das Recht auf individuelle Selbstbestimmung in einem sozial gerechten und ökologisch verantwortungsvollen Miteinander zusammenfinden.
„Aufbruch“ versteht sich insofern als „radikal“, als dass die Initiative bestehender Ungleichheit und Ungerechtigkeit und den damit einhergehenden gesellschaftlichen wie politischen Konfrontationen auf den Grund gehen und eine Alternative zum Status Quo-Denken sein will. Am 15. September findet dazu in Salzburg der „Aufbruch“-Kongress unter dem Motto „Widerstand zusammenbringen – gemeinsam Antworten entwickeln statt“. Über diesen und über die allgemeine Zielsetzung von „Aufbruch“ sprechen wir mit zwei engagierten Köpfen der Initiative, mit Karolin Kautzschmann und Christian Zeller – wir freuen uns!
Radio an!
FVONK Dich FREI – Der Radiotalk mit AlltagsheldInnen. Am Fr, den 20. Juli 2018 im Studio: Karolin Kautzschmann, Christian Zeller von „Aufbruch – für eine ökosozialistische Alternative“. Live von 18.00-19.00 Uhr in der Radiofabrik, 107,5 und 97,3 MHz, und im Livestream http://radiofabrik.at/rafab_stream_low.m3u
Hadwig für ein Solidarisches Salzburg und Anders handeln bei Fvonk dich frei
[Nachtrag Feber 2018] Es geht auch anders – ein selbstbestimmtes Leben, nachhaltiges Wirtschaften und solidarisches Gestalten unseres Miteinanders. Davon ist Hadwig Soyoye-Rothschädl, Universitätslektorin, Landschaftsarchitektin, Mediendesignerin und Bundeskoordinatorin für Die LINKE Österreich überzeugt. Seit vielen Jahren lebt und kämpft sie dafür neben ihrer politischen Positionierung in vielen Initiativen (Armutskonferenz Salzburg, Plattform für Zivilgesellschaft, …) mit.
Wir befragen Hadwig in der Sendung zu den Gründen und Zielen für ihr Aufstehen gegen Ungleichheit und soziale Kälte. So engagiert sich Hadwig aktuell für das bundesweite Bündnis Anders handeln – Globalisierung gerecht gestalten und wendet sich mit klarer Kritik gegen die neoliberale und ungerechte Wirtschaftspolitik in Österreich. Und wir sprechen dazu auch über ihre Arbeit im jungen Netzwerk Solidarisches Salzburg, das zum Ziel hat, „in einem breiten Bündnis engagierter Organisationen und Personen in Salzburg Aktivitäten zu planen, um dem zu erwartenden Sozialabbau und der Verschärfung menschenrechtlicher Problemlagen gemeinsam entgegenzutreten und politische Alternativen auf der Grundlage der Menschenrechte einzufordern“.
Wir freuen uns sehr auf eine spannende, weil kraftvolle und in ihrem Engagement mitreißende Studiogästin!
Turn your radio on!
Fvonk dich frei – Der Radiotalk mit AlltagsheldInnen. Am MO, den 26.02.2018 im Studio: Hadwig Soyoye-Rothschädl – live von 17:00 – 18:00 Uhr – Radiofabrik Salzburg über 107,5 und 97,3 MHz und im Livestream unter: http://radiofabrik.at/rafab_stream_low.m3u