Kategorischer Aperitiv

> Sendung: Perlentaucher Nachtfahrt vom Freitag, 8. April – Hallo, ihr Menschen! Wir sinds, eure Gefühle. Wir sind viele. Wir sind ambivalent, mehrdeutig, rätselhaft. Und wir sind widersprüchlich – wie die Weltlage und das Wetter im April. Die Angst vor dem Untergang klopft an unser Bewusstsein – und draußen wird es Frühling wie jedes Jahr. Der Gaspreis steigt, die Börsen wackeln, alles wird teurer – und zugleich schenkt sich die Natur Bärlauch und Blumen wie immer. Ökozid oder Atomkrieg – wie hätten sie es denn gern? Und Pandemie, Hungersnot, Gewaltherrschaft stehen auch weiterhin zur Auswahl. Auswahl? Dass wir nicht lachen! Lachen ist Selbstschutz angesichts des Schreckens. Frühling ist der Aperitiv des Jahres. Bienchen kichern, Blümchen nicken – und die Hasen lachen sich eins. Aperil, Aperol, Schpritzmajim!

Aperitiv AperilEinerseits liegt ein zunehmendes Gefühl von Ohnmacht wie ein alles zersetzender Frustfrost auf unserer Seelenlandschaft. “Da kann man ja eh nichts dagagen machen.” Allzu ausgeliefert an die Erfahrung des eigenen Fremdbestimmtseins von der Kindheit bis noch ins Sterbeheim funktionieren wir wie Automaten vor uns (und den anderen) hin (und her). Aller Triebe beraubt erschauern wir auch im machtkalten Winterwind. Andererseits fühlen wir schon so etwas wie Hoffnung in uns aufsteigen. Spüren wir warm umfangend so etwas wie Ganzheit – in uns und der Welt. Etwas, das alle mit dem anderen verbindet – und mit uns selbst. Etwas, das die Zeit aufhebt und uns den Eindruck einer Ewigkeit erweckt. Lebendig sein und auch sinnvoll verbunden mit allem, was da war, ist, sein wird. Nur nicht mit dem, was sinnlos fragmentiert als Trümmersturm, Steinhagel, Bröselbrei schmerzbrennend voll durch unsere Zweige bricht und unsere feinsten Sinne, unseren Saft, unser Myzel des Lebens verstopft.

Aperitiv AperolEs ist also nun so, dass es all den uns vorliegenden Nachrichten von einem baldigen Ende menschlichen Lebens zum Trotz wieder Frühling wird. Oder eben auch gleichzeitig, ungeachtet dessen, parallel dazu. Diesen in Wahrheit nur scheinbaren Widerspruch müssen wir aushalten, obwohlund gerade weil wir ihn fühlen. Wir könnten uns allerdings dem Frühling weitaus fruchtvoller hingeben, wenn die herrschenden Ursachen der Bedrohung schon “eingehegt” wären (unwirksam gemacht – und das wird bald notwendig sein, am besten vorgestern). Machtmissbrauch, Wachstum um jeden Preis, Profitgier, “das ökonomische Diktat”, Naturfraß, Umweltschändung, Menschenverachtung, Ressourcenraubbau, Flächendeckende Volksverblödung, you name itund überhaupt Krieg mitsamt einer offenbar völlig unbrauchbaren internationalen Gemeinschaftsordnung, die bestenfalls moralische Phrasen in die Luft hüstelt. Da brauchen wir die Hinwendung zum Frühling allein schon als Medizin.

Aperitiv SchpritzmajimUnd das Lachen als Therapie zur Selbstverteidigung: “Das wirkliche Rätsel ist nicht, wann erstmals Häuptlinge oder Chefs oder sogar Könige oder Königinnen auf der Bildfläche erschienen, sondern ab wann es nicht mehr möglich war, sie einfach durch Gelächter zu vertreiben.” In der Realität der Realitäter (und *innen) verhält es sich wirklich so, dass “um die 80% der Führungskräfte Soziopathen sind”. Derlei krachende Kollisionen der Wirklichkeit mit sich selbst kann man zur Zeit nur durch die Witzessenz an sich ertragen – indem sich nämlich zwei Ebenen, die nicht zu einander passen, überraschenderweise doch begegnen, was uns zumindest schmunzeln und die Gegensätze erträglich macht. Das widerum bewirkt in unseren Leibern (die die Welt bedeuten) einen Ausschank erlesener Hormoncocktails. Und den Menschen ein Wohlgefallen, Prost! – In den Abgrund schauen und trotzdem lachen: Das ist der Aperitiv – zur Gefechtspause im Dauerfeuer des Weltgedümmels.

Gute Nacht, Österreich

PS. Stanislaw Jewgrafowitsch Petrow – Der Mann, der die Welt rettete …

 

One another

> Sendung: Perlentaucher Nachtfahrt vom Freitag, 11. März – Zwischen “Love one another” und “Die Hölle, das sind die anderen” begeben wir uns auf die Suche nach dem ganz anderen. One? Another? Oder an other? “There is no big other”, meinte Jaques Lacan. “Is there überhaupt any other?”, fragen wir uns – und einander – und wenn ja, wo nicht? Das Eigene im Anderen entdecken (und das Andere im Eigenen) ist ja schon mal ein Beitrag zur Völkerverständigung (wie man früher zu sagen pflegte) und eine Friedensstiftung im Hier und Jetzt. Jetzt, wo der real existierende Irrsinn von Krieg und Zerstörung alles Schöne und Zarte umpflügt zu einer Trümmerwelt des Todes und der Angst, muss man erst recht mit der Macht der Poesie antworten. Und genau das tun wir hier in unserer Begegnungswelt des Einander – gemeinsam.

oneAtemlos hechelt das Abendland: “Die ich rief, die Geister, werd ich nun nicht los” und versinkt in seiner eigenen Behauptung. Das Unendliche ist was ganz anderes als die Quersumme zweckdienlicher Definitionen. Das Unendliche ist spürbar im Erleben von Liedern und Gedichten: “Das Luftholen  im richtigen Moment ist unwiederholbar und verdichtet einen Augenblick zur Ewigkeit” wie Konstantin Wecker bereits bemerkt. – So steht es geschrieben im Evangelium des Propheten Hund, im Kapitel “Unendliche Gedichte …” vom 3. Februar 2020.  Es ist jene poetische Kraft, die vom Beginn der menschlichen Entwicklung an immer wieder von irgendwo hervor leuchtet, und die von den jeweiligen Arschetypen (den Herrschfiguren) der “Weltgeschichte” ebenso immer wieder unterdrückt wird. Warum wohl? Weil der glückliche Moment des Musenkusses der Macht unverfügbar bleibt?

anotherWie lassen sich Erscheinungen wie Vorstellungskraft oder Erinnerung  wissenschaftlich erfassen? Oder hat nur die Poesie selbst diese Macht? Und das Recht und die Pflicht (ich kann nicht anders), sich selbst über sich selbst auszusagen? Dann sind hier also Mächte zugegen, die noch unberechenbarer sind als etwa ein wildgewordenes Atomkraftwerk. Und im Unterschied dazu nicht so zerstörerisch, wenn auch gewaltig. “Alle Macht der Poesie!” bezieht sich eben nicht auf die Dichtung, sondern auf ihre mangelnde Umsetzung in den Gestaltungen der Welt. “Die Waffen nieder!” war nie als “einfach nur irgendein Buchtitel” gemeint, sondern als ernst zu nehmender und gefälligst auch umzusetzender Beitrag zu unser aller Lebenswirklichkeit. Wieso ist Bertha von Suttner aber heute eine verblassende Erinnerung auf der 2-Euro-Münze und nicht allgemein anerkannt als die “Mutter des Friedens” auf der ganzen Welt?

an otherWirtschaft ist die Fortsetzung des Krieges mit anderen Mitteln – und umgekehrt. Und dafür, dass es “da draußen” so ist, wie es ist, sind die jeweiligen Urheber dieses Zustands verantwortlich. Keine Realität ohne ihre Realitäter. Warum werden die Verursacher des Unmenschlichen nicht zur Verantwortung gezogen – die sie ja angeblich haben – für die ganze Welt – und “über” uns? Und es ist mir persönlich scheißegal, ob die Zugrunderichtung meiner Lebensperspektiven im Namen der Wall Street oder des KGB oder des brunzdepperten Möchtegern von Irgendwo veranstaltet wird. Ob im Namen des Sowiesogottes, des Sowiesoismus oder der Sowiesoideologie, es ist doch immer dasselbe – und deswegen langweilig. Todlangweilig. Die Banalität des Blöden. Lassen wir one another Poesie walten – und geben wir so dem Leben seine Möglichkeit, immer wieder neu zu seinunglaublich, unverhofft, unverfügbar

“Wenn ich einen Krieg siach, kunnt ich speiben.” Lukas Resetarits

 

Das Kind in der Suppe

Sendung: Perlentaucher Nachtfahrt vom Freitag, 14. Januar – Jeder Betrachtung des Abgründigen wohnt ein Lebendigsein inne – immerhin spürt man, wie es einem da die Nackenhaare aufstellt. Und so ist die Beschäftigung mit dem Unheimlichen immer auch ein Fest des Lebens – sofern man nicht darin untergeht. Also nicht im Anstarren des Abgrunds verharren (der ja mit der Zeit zurück starrt, wie Nietzsche zu berichten weiß), sondern selbst wissen, dass man etwas empfindet, wenn man sich erschreckt. Dabei wie ein Kind einerseits in diesen Gefühlen versinken, zugleich andererseits im Vollbesitz der eigenen Phantasie das Unerträgliche inwendig umgestalten. Die lange Tradition künstlerischen Umgangs mit dem Morbiden zeugt von dieser Möglichkeit, das Unerträgliche in und um uns zu verbearbeiten – und lädt immer wieder dazu ein.

Mit Kind und KegelMit Kind und Kegel reist Familie Lemming nach St. Nimmerlein am See. Wir sitzen in der ersten Reihe und schauen zu. Von wem ist dieses Stück? Oder ist es gar ein Ganzes? Bald sind wir Menschen unter den Wiesen. Und werden Wiesen, und werden Wald. Liebe Abendlandler, das mit dem Landaufenthalt kann ja heiter werden. Almdudler akbar et cum spiritu tuo. Wo hängen jetzt die Jäger? Im Backheldensalat… Gerade die österreichische Dichtkunst ist reich an Bildern des Verfalls, wie sich an den Liedern und Gedichten von Ernst Jandl, H. C. Artmann, Helmut Qualtinger oder Georg Kreisler feststellen lässt. Dass uns diesen Umstand ausgerechnet ein Stiller Has aus der Schweiz wieder ins Gedächtnis befördert! Endo Anaconda hat allerdings (als Halbösterreicher und Wahlschweizer) die nötige Nähe und eben auch Distanz zum Objekt seiner Betrachtungsowie das Werk der Obgenannten verinnerlicht:

Das Kind in der Suppeösterreich, i steh auf di
es muss ja nicht unbedingt salzburg sein
dafür lieb ich den alten kaiser
den kreisky selig und den georg kreisler

österreich, hoch sollst du leben
du hast a rabenschwarze seel
und a feuerrotes herz
und an stinkerten pelz

So heißt es in seinem Lied “Österreich” aus dem Album “Stelzen”, dessen Texte insgesamt eine lebenslange Zweiseelenheimat erkennen lassen. Überhaupt scheint uns da ein Zusammenhang zu bestehen zwischen dem Schrecklichen und dem Schönen, ein Zusammenhang, dem speziell im Leiden fühlende Kunstschaffende Ausdruck verleihen. An dieser Stelle wollen wir wieder zwei verstorbene Salzburger Schriftstellerinnen “ins Leben denken”, deren Werk für die heimische Künstlerwelt wesentlich warund bleibt: Christine Haidegger und ihre Tochter Meta Merz, deren Text “Das Kind in der Suppe” schon zu zahlreichen Interpretationen inspirierte und der sich auch auf geradezu wundersame Weise als Titel dieser Sendung empfahl…

Das weiß doch jedes KindUnd was für eine dichte Metapher, die sprichwörtlich Welten über Welten hervorbringt! Hätte der alte Herr Adenauer nicht das Kind mit dem Bad ausschütten sollen, als sich herausstellte, dass nur noch nazibraunes Wasser in der Wanne war? Oder war da das Kind längst in den Brunnen gefallen? Wenn ja, in welchen? Und welches Kind? Da wird doch der Hund in der Pfanne verrückt! Hauptsache, das Prinzip Herrschaft bleibt erhalten. Dachte sich wohl der alte Herr. “Es ist schon in Ordnung, dass jemand regiert.” Dazu braucht es eben Beamte. Und Angst. Wir basteln uns eine Republik, die kann dann heißen, wie sie will. Der jeweilige Oberhops ist immer nackt, das weiß doch jedes Kind. Nur sagen traut sich das kaum je eins. Androhung des Ausschlusses aus der Volksgesundheit. Und Angst. Und kusch! Großjuchu ist das schönste Land auf der Welt und wir sind alle furchtbar stolz, irgendwas zu sein.

kumm schweinderl kumm
darfst noch a bisserl grunzen
weil morgen kommt der fleischhacker
und dann gibts kraut und blunzen

Stiller Has

 

Romantik Revolution

> Sendung: Perlentaucher Nachtfahrt vom Freitag, 12. November — Es gibt nur eine Wirklichkeit und die heißt Realität. Romantik ist eine kunstgeschichtliche Epoche zwischen Siebzehnhundertirgendwann und Achtzehnhundertjenachdem. Revolution ist ein gewaltsamer Umsturz, bei dem Chaos und Anarchie ausbrechen (also das “Recht des Stärkeren” herrscht). So ähnlich wird uns die Beschaffenheit der Welt von klein auf, erst recht in der Schule, eingeflößt. Es gibt nur eine Wirklichkeit und die heißt Realität. Das ist der “Ernst des Lebens” (den wir erst verstehen werden, wenn wir einmal “groß” sind). Auf jeden Fall müssen wir dazu erzogen werden, dass wir uns an die herrschenden Verhältnisse anpassen. Wer sich nicht fügt, fliegt raus! Wie war das gleich nochmal mit dem “Recht des Stärkeren”? Eine Spurensuche

RomantikUnlängst flackerte im Fernsehen kurz eine Dokumentation vorbei: “Romantik – Kunst wider das Chaos” vertrat dabei die These, dass “die Romantik” eine Gegenbewegung zur beginnenden industriellen Revolution war. Philosophen sowie Kunstschaffende jener Zeit reagierten auf die zunehmende Zerstörung der Lebensbedingungen wie der Natur mit einer Hinwendung zu im Zeitgeist unterrepräsentierten Inhalten. Unberührte, von den Profitinteressen der neuen Unternehmerelite unvergewaltigte, das heißt unzerstörte und so nach wie vor gesunde Natur etwa (was auch die Natur der menschlichen Seele mit einschließt). Innerlichkeit also und Befreiung der unterdrückten Gefühlsanteile einer bislang nur unzureichend zur Geltung kommenden Ganzheit, Vielfalt und Vielschichtigkeit. Und auch individuelle Freiheit vom Sachzwang der Herrschenden und ihrer schon früh als Bedrohung erkannten Verhältnisse. Das hat alles recht wenig mit Biedermeier, Idylle und Heile-Welt-Heimatfilm zu tun – womit wir jedoch, erst recht in der Schule, von den Definitionshoheiten der alternativlosen Realitätswirklichkeit immerfort zu Tode gelangweilt werden. Wir sollen nämlich eine “Hochleistungsgesellschaft” sein.

RevolutionEin Gegengewicht zur Unwucht der schleudernden Welt zu finden und es auch anzuwenden, das wäre der Versuch einer Reform an den bestehenden Verhältnissen, ohne deren Sinn und Zweck von Grund auf in Frage stellen zu müssen. Um eine wirkliche Umwälzung (“dass ein neues Prinzip an die Stelle des bestehenden Zustands gesetzt wird”) herzustellen, müsste jedoch viel mehr geschehen, als dass bloß das eine oder andere Gegengewicht eingesetzt wird. Womöglich müsste man die gesamte schwindelerregende Maschine anhalten (wie dies etwa 2020 zu Beginn der Corona-Pandemie angeregt wurde) und sodann als Menschheit gemeinsam “unter neuen Vorzeichen” weiter leben, ohne die Natur in und um uns zu zerstören. Wer stört uns? Wir sind verstört. Wir werden zerstört. Schluss damit! Das wäre die erste wirkliche weltweite Revolution. Und die Folgen? Was herrscht denn derzeit anderes als das rücksichtsloseste “Recht des Stärkeren”, wenn die eitlen Machthaberer sich unsere Welt untereinander als Besitz aufteilen?

Unsere WeltInmitten des ebenso ewiggestrigen wie strunzdummen Dauergequengels von Wirtschaftswachstum und Neuen Märkten halten wir in uns inne und stehen dann mit Thomas Bernhard auf, um endlich “in die entgegengesetzte Richtung zu gehen”. Wo immer noch ein Weg hinführt. Wir sind die Brüder der romantischen Verlierer und werden dadurch unsere Seelen gewinnen. Noch regieren uns die Untoten und die Gespenster einer nie je da gewesenen Herrlichkeit. Die war über Generationen hinweg getürkt, getürkist, gedüdeldüht. Von devoten Geschichtsschreiberlingen auftragsgemäß zurechtgeschwindelt und bei Bedarf -gefälscht. Hinter ihrem schönen Schein war noch nie irgendein Sein im Sinn gedeihlichen Lebens (außer für sie selbst). Stattdessen Ausplünderung aller zusammengeraubten Ressourcen (inklusive der Untertanen), Gewalt in jeder Form (Folter, Mord, Vertreibung, Krieg), Unterhaltung (besser Untenhaltung) durch Angst, Feindbilder, Religion und Staatstheater. Die Luftsackerln funktionieren doch nur, solange wir uns vor ihnen fürchten. “Du hergwahter Gottesgnodenschoaß – wos wüst du von mir?” Und es wird keine Antwort sein – nur gähnende Langeweile.

Wir waschen unsere Hände in Urschuld.

 

Konform Konsum Kulturkollaps

> Sendung: Perlentaucher Nachtfahrt vom Freitag, 10. SeptemberEs sind finstere Zeiten, in denen wir leben. Fragen die gestellt, Geschichten, die erzählt, und Erkenntnisse, die gewonnen werden, bleiben allesamt ohne Auswirkung auf den Lauf der Welt. Geschichte wird von irgendwelchen Siegern gemacht, die sich nicht mehr hinterfragen lassen, inwieweit ihre Machtausübung dem Gemeinwohl schadet oder nützt. Die Banalität des Bösen grinst uns schadenfroh ins Gesicht und jeder Versuch zu verstehen zerschellt an einer Wand aus sprachloser Bürokratie. Dahinter treiben die Sachzwänger und Zweckwidmer ihr grausames Spiel. Der totale Krieg gegen das Menschliche endet zwangsläufig im Untergang des Lebens an sich. Der Kulturkollaps, den wir da erfahren, der ist genauso weltumspannend wie die Zerstörung der Natur.

KonformDas trübt die Stimmung, Freunde und *innen – und verfinstert das Gemüt. Wollen wir denn nicht alle immer nur fröhlich, vergnügt, “gut drauf” – und vor allem von allem Unbill der Welt “in Ruhe gelassen” sein? Schön wärs! Die Diktatur der guten Laune ist immer und überall. Und der quietschbunt penetrante Konsumterror. Public Relations auf allen nur erdenklichen Kanälen – als “Propaganda” kennt man das diesbezügliche Grundlagenwerk von Edward Bernays, die darin erklärten Techniken wurden nur umbenannt, weil sich ein gewisser Joseph Goebbels so schamlos beim Neffen von Sigmund Freud bedient hatte. Wär ja sonst peinlich. Pfuigack, Zipferl sagt man nicht! Millionen Menschen verhungern lassen – das ist was ganz anderes. Lebt der Jean Ziegler eigentlich noch? Wir leben jedenfalls in einer geschlossenen Anstalt für Realitätsflüchtlinge, allerdings regiert und verwaltet von den eigentlichen Soziopathen. Während sie das Haus anzünden, singen wir ein fröhliches Lied. Juhu!

KonsumKonkret verstimmt sind wir auch über den allzu schnellen Tod von Elke Mader, die uns und unsere Projekte stets freundschaftlich begleitet hat. Scheißtod! Trauer mischt sich da mit Wut. Unser Blick in den Abgrund wird zunehmend deutlicher. Ob es der Abgrund ist, der zuletzt zurück blickt? Wir werden sehen… Und wir sind doch bedürftig nach einem Wort des Trostes. Was würde Leonard Cohen jetzt sagen?

You can add up the parts
But you won’t have the sum
You can strike up the march
There is no drum
Every heart, every heart
To love will come
But like a refugee

KulturkollapsIst es also längst nicht mehr kurz vor Zwölf auf der Doomsday-Clock des Atomzeitalters? Ist es vielleicht viertel nach Sieben – und zwar am nächsten Morgen? Sind wir jetzt alle tot? Haben wir es nicht mitgekriegt? Konsumismus, Kulturkollaps und Klimawandel – sind wir schon über den “Point of No Return” hinaus? Die Gegenwart stinkt gewaltig nach No Future. Die derzeitige Situation bietet kaum noch Perspektiven für eine friedliche und gerechte Welt. Eher für einen lang anhaltenden Abgang. Aberwas wäre gerade jetzt so richtig prophetisch? Was würde eine nächste Generation der verwirrten Menschheit zurufen – wenn die Möglichkeit einer Antwort besteht? “Hört endlich auf, euren Gewinn als höchsten Wert für alle anzusehen! Hört endlich auf, die ganze Welt zu eurem Glauben zwangsbekehren zu wollen! Hört endlich damit auf, im Recht zu sein, indem ihr alles Abweichende zerstört! Sonst gehen wir ALLE unter!

Die Lage ist hoffnungslos, aber nicht ernst

 

Liebe in Zeiten

>>> Sendung: Perlentaucher Nachtfahrt vom Freitag, 13. AugustIst es die Liebe in den Zeiten der Corona? Die Liebe in den Zeiten der Cholera? Die Liebe in den Zeiten der Choleriker? Oder eben einfach Liebe im Wandel der jeweiligen Zeit? Liebe ist ja sowieso eine mit Bedeutungen vollgestopfte Begrifflichkeit wie kaum eine andere, weil da doch Jedermann und Frau und sonstiges reinprojizieren kann, was auch immer. Und genau deshalb machen wir keine Sendung über “die Liebe” (denn was soll das auch sein). Ein bloßes Aufmarschierenlassen unterschiedlicher (angeblich allgemein anerkannter) Bedeutungen wäre ja ebenso elendslang wie zu schlechter Letzt einschläfernd. Stattdessen einige Aspekte aus unserer ureigenen Anschauung von Liebe, wie wir sie erleben – in jenen Zeiten, in denen wir leben.

Liebe in Zeiten 1Und für unser Publikum ein paar undefinierte Übergänge zwischen den einzelnen Elementen, auf dass sich in jeglichem Hörgehirn eine persönliche Nachtfahrt entfalten kann. Immersives Radio von den Festspielhasen eures Vertrauens! Da wird Dopamin produziert, dass es selig macht – und sämtliche Lautsprecher des Liebeslebens euer ureigenes Stück aufführen. Gewiss, wir hupfen euch immer noch “eine Sendung” vor, textmusikalisch, spontan-assoziativ, vom Ablauf und der Auswahl der Beiträge her – doch die sinnstiftende Interpretation des Ganzen (als eine Geschichte) findet letztendlich in euren Köpfen statt, je nach dem, was sie euch erzählt. Für eine solche Vorgehensweise eignet sich unsere Themenwahl aus “Liebe” und “Zeit” ganz vortrefflich, zumal jeder Mensch “Liebe” höchst individuell interpretiert (auffasst und ausdrückt) sowie “Zeit” ebenfalls höchst einzigartig erlebt, begreift, verbringt. Beides wird unendlich vielfältig gestaltetund das ist gut so!

Liebe in Zeiten 2Die Theorie zur Umsetzung dieser Art von Darbietung haben wir 2011 bei Thomas Oberender entdeckt – und stante pede einer praktischen Überprüfung unterzogen – als ein spontanes Tischtheater out of the Box sozusagen. Es hat wunderbar funktioniert und bleibt fürwahr ein fester Festspielflash. Während im Vordergrund das hintergründige Drama seinen Lauf nimmt, proben die Gestalter von “Druckfrisch” (Andreas Ammer & Denis Scheck) für ihr Gespräch mit dem dazumals frisch gekürten Nobelpreisträger Mario Vargas Llosa über den Dächern von Salzburg. Es herrscht also ständiges Kommen und Gehen. Do you know if you are coming or going? Wir wären nicht überrascht, wenn ja. Aber wie viele? || Abschweifungen wie diese und andere angewandte Entknüpfungen sind notwendig, um allzu eingeprägte Denkmuster zu lösen, damit überhaupt neue Bedeutungen entstehen und so die Belohnungsdrogen für das Selbstentdecken, Selbsterfinden und Selbstgestalten ausgeschüttet werden.

Liebe in Zeiten 3So irgendwie muss das mit der Katharsis gemeint gewesen sein. Die Auflösung der Vorstellung von sich selbst als Voraussetzung für die eigentliche und dann erst recht heilsame Selbsterfahrung. “Der Aggressor, das sind wir, ab da tuts weh, ja – dass wir uns selbst auch als Täter erleben ….. das ist die Urerfahrung des Drama, oder der Tragödie ….. Wir sind sterblich und Leben heißt schuldig werden, immer, für jeden einzelnen von uns. Und dafür ein Auge zu öffnen, sich mit dieser Erfahrung zu konfrontieren, das ist das Privileg, aber auch die Aufgabe von Kunst.” Täglich müssen wir erfahren, wie Kunst an sich in den gegebenen gesellschaftlichen Verhältnissen funktioniert und nicht durch ihr bloßes Stattfinden die Welt verändert. Andererseits führen wir uns eben nicht für ein exklusives (also beschränktes) Publikum auf, das in künstlicher Extase befriedigt mit sich selber verschmilzt. Fleischliche Gemüse! Wir nehmen lieber den Individuensalat. Thomas Oberender würde dann auch sagen:

“Hören sie genau … Hirn”

Oder? Alles hin.

 

Licht Kind Schatten

> Sendung: Perlentaucher Nachtfahrt vom Freitag, 12. März – Auf unserer heutigen Expedition ins Zwischenreich aus Licht und Schatten vertrauen wir uns dem einzigen “Führer” an, der in dieser Schwurbelwelt aus Entweder und Oder noch zuverlässige Perspektive verheißt, nämlich dem Kind. Die besondere Auffassungsgabe oder eben emotionale Perzeption von Neugeborenen wurde in zahlreichen Studien untersucht und von humanistischen Psychologen wie zum Beispiel Arno Gruen als Grundlage in ihre Arbeiten integriert. Das Kind blickt sozusagen durch, wo die verwachsenen Darsteller_innen sich im Gewirr von Gut und Böse verstricken und dann vor lauter erwünscht geglaubter Programmabspulung kaum noch in der Lage sind, dem Leben ohne Vorbehalt zu antworten. Kein Wunder also, dass “die Welt” so ausschaut …

Licht Kind SchattenDer große österreichische Sänger und Menschenfreund Georg Danzer hat die Situation so beschrieben:

es gibt so fü leiwaunde kinder
und mit jedn tag werns mehr
und es stöhd sich die peinliche frage
wo kumman de dumman erwachsenen hea

Hier die neue Version der Blau AG

Und das ist beileibe kein Zeitgeistrülpser aus den ach so freizügigen 70ern, das ist ein ebenso zeitloser wie ernst zu nehmender Befund, der uns (als Einzelne und auch als Gesellschaft) ein Wegweiser durch den Irrgarten der Zivilisation sein sollte. Und dann hör ich die aktuelle Wirtschaftsministerin sagen: “Die Gymnasien produzieren oft am Markt vorbei.” Bitte? Welcher Markt? Was ist das für ein Weltbild? Oder sind “die Gymnasien” doch nichts anderes als Produktionsstätten für das Humankapital “der Wirtschaft”, das gefälligst wunschgemäß zu funktionieren hat? Schwachsinn!

Kind Licht Schatten“Das versteht doch jedes Kind…” Oder wie es ein gewisser Jesus ausgedrückt haben soll: “Wenn ihr nicht umkehrt und werdet wie die Kinder, dann werdet ihr nicht an der Welt teilhaben, in der Liebe, Frieden und Gerechtigkeit herrschen.” (Frei übersetzt nach Matthäus, Kap. 18) Die heutige Generation der Kinder und Jugendlichen drückt das ganz ähnlich aus: “Hörts endlich auf, den Planeten zu ruinieren, und machts es einfach richtig, sonst haben wir nämlich alle keine Zukunft mehr.” Woraus folgt, dass Menschen, die so weitermachen wie bisher, zu Mördern ihrer eigenen Kinder werden. “Jetzt reichts aber. Das geht zu weit. Kreuzigt ihn!” Wir befinden uns zwischen der Phantasie und dem bodenlosen Abgrund. Zeit, der spielerischen Kraft des inneren Kindes zu obliegen, die es auch in Heranwachsenden und sogar noch in vollständig Ausgewachsenen zuwege bringt, sich die vorgefundene Welt im Einklang mit den eigenen Wünschen und Bedürfnissen vorzustellen. The Expert is the Freestyler!

Schatten Kind LichtBleibt allerdings immer noch die peinliche Frage, wo die dummen Erwachsenen her kommen. Oder besser gefragt, was denn eigentlich so dumm macht. “Massenblödien, Quasselödien, Kassenschmähdien!” Eh klar, die Umweltbedingungen. Oder der Calvinismus. Der Markt. Das Unterbewusstsein? Da wirds interessant, gelangen wir da doch zum Verdrängten, in den Schatten (wie C. G. Jung das bezeichnete). Unsere Gedankengänge gehen doch immer von den selben Anfangspunkten (oder Befestigungen, Verankerungen) aus – und führen auch wieder zu ihnen zurück. Wenn wir eigenständig denken und nicht “denken lassen”. In dem Fall sind die Denkpunkte nah an der Oberfläche befestigt, in fremdbestimmten und vorgefertigten Bereichen wie Mode, Meinung, Zeitgeist oder Parteizugehörigkeit. Ein tiefgründiges Denken erfordert hingegen tiefer im eigenen Selbst begründete Ausgangspunkte. Und das auch hinter der Grenze zum Unbewussten, an der Scham und Schuldgefühl lauern.

Also, mitten hinein! Aber wie? Keine Ahnung – doch wir sind die Perlentaucher …

 

Keine Realität ohne Realitäter

> Sendung: Perlentaucher Nachtfahrt vom Freitag, 13 November– In dieser Nacht werden wir das feine Thema des aktuellen Open Mind Festivals aufgreifen und dabei in Gestalt einer textmusikalische Stimmungscollage der Frage “Wem gehört die Welt?” nachspüren. Eine Versammlung von Anregungen und Assoziationen lädt zum Zwischenlanden, sich Wiederfindenund Weiterdenken ein – und befähigt uns, über die angeblich so alternativlose Zeitgeschichte der Realitäter_innen hinaus zu blicken. Alles lebt – es gibt keine toten Dichter! Die von der “Realität” stets listig abgespaltenen Anteile bleiben ausgesagt – und wirken. Wirklich? Willkommen in der Wirklichkeit! “Realität” ist eine gewollte Konstruktion aus dem Realitätenbüro. Wer’s glaubt, bleibt deppert. Das Reich der Reichen kann nur durch Gewalt bestehen …

Realität 1“Behutsam kämpfen”, heißt es bei Ilse Aichinger und in diesem Sinn:

Hör gut hin, Kleiner,
es gibt Weißblech, sagen sie,
es gibt die Welt,
prüfe, ob sie nicht lügen

Der neue Totalitarismus ist der des Marketings. Die Natur des Lebens wird zwischen Relevanzkriterien und Umsatzanalysen zerquetscht. Die Kultur des Miteinander erstickt in Klickzahlen und Statistiken. Politische Akteure sind aufgehübschte Klone nicht mehr nachvollziehbarer Interessen und Strategien. Oder wie ein Mitarbeiter von Young & Rubicam (den Vorreitern der Fernsehwerbung) schon in den 60ern verriet: “Marketing is selling useless products that nobody needs.” Der immer schneller rasende Blink- und Klingelzirkus der globalen Imageindustrie vernebelt uns nur allzu leicht den Blick aufs Eigentliche: Jeder noch so schwindlige Schwachsinn kann jederzeit als garantiert glücklichmachendes Seelenheil verkauft werden, wenn man bei der “breiten Masse” aufs richtige Gefühlsknöpfchen drückt.

Realität 2Die eigentliche Chance der Corona-Pandemie bestünde ja darin, der gelegentlichen unfreiwilligen Selbstentlarvung all der am weltweiten Schwindel von Besitz, Macht und Unterdrückung Beteiligten aufmerksam beizuwohnen – und daraus die Erkenntnis zu destillieren, dass es sich entweder um Soziopathen oder um Verbrecher oder eben um beides handelt. Kurz, um Kandidat_innen für die eine oder andere geschlossene Abteilung. Und zwar egal wie international oder provinziell ihre Auswirkungen auch sein mögen. Doch was dann? Wohin mit den Entlarvten? Und vor allem – wohin mit unserer Erkenntnis? Was tun mit dem gerechten Zorn, den dies Erkennen auslöst?

Realität 3Eine der schönsten Passagen aus der Einladung zum heurigen Open Mind Festival ist für mich folgende:

“Wem gehört die Natur? Ist sie Ressource oder Umwelt? Gehört sie gar sich selbst?”

Und in dem Zusammenhang fiel mir der Titel “Zeigs ihnen, Greta!” von Konstantin Wecker entgegen, der uns zum Ausgangspunkt für diese Sendung wurde. Denn, bei aller Erkenntnis des Unrechts auf der Welt, besteht das Recht allen Lebens auf sich selbst nicht genau darin, dass es ist? Ich lebe, doch ich besitze das Leben nicht. Und auch nichts von all dem anderen, das ich eben benutze. Ein Gedanke ist ein Beitrag für eine Welt. Die neue Welt, so wie Dorothee Sölle mit die neue Stadt (eine biblische Metapher) das unvermeidlich Kommende beschreibt:

Einer und ein Freund und ein Freund und ein Freund
sag nicht das gibt vier
es sind mehr
das Kleine Einmaleins ist die Freundschaft
das Große die Revolution

Zum Festivalradio

 

Im Weltkrankenhaus

>>> Sendung: Perlentaucher Nachtfahrt vom Freitag, 11. September – Woran krankt die Welt? Versuch aus einer Stadt, die von allerlei Symptomen des “Großen Welttheaters” gezeichnet ist – und in deren Schauspielgeschichte es von Allegorien nur so wimmelt: Mammon, Glaube, Tod – geschenkt. Frau Welt hat das Coronavirus, nebst Hitzewallungen, Mundtrockenheit und Wasser, wos nicht hingehört. Ist diese Klimakrise ein ernstes Anzeichen für das Klimakterium der Menschheit (Die letzten Tage Reloaded) oder für eine schleichende Vergiftung durch die Weltwirtschaft? In unserem Weltkrankenhaus versammeln sich die besten Diagnostiker (von Dr. House bis Dr. Manson), um nichts Geringeres zu vollbringen, als die Welt zu retten. Und um zu erörtern, inwieweit das überhaupt (noch) möglich ist. Sonst – schlägts Dreizehn!

Dr. Hund & Dr. Hase im Weltkrankenhaus “Grüß Gott, ich bin der Arzt. Und sssippe sssappe!” Lachen soll ja gesund sein, vor allem wenns ernst wird. Dr. Hund und Dr. Hase sind stellvertretend überfordert mit dem Ernst der Situation. Was? Die Welt geht unter? Da müssen wir schnell den Müll trennen, Biofleisch kaufen und mehr Elektroautos produzieren! Treffen sich zwei Planeten. Sagt der eine: “Du, ich hab Menschen.” Sagt der andere: “Mach dir keine Sorgen, das geht auch wieder vorbei.” Unlängst hab ich den Film “Das Kapital im 21. Jahrhundert” gesehen, in dem Dr. Paul Piff sein “Monopoly-Experiment” erläutert. Dabei stellt sich heraus, dass Menschen, die durch den Zufall eines Münzwurfs reich werden und gewinnen, diesen Umstand schon bald als eigenen Verdienst durch eigene Leistung ansehen und sich ihren (durch Zufall armen) Mitspielern gegenüber zunehmend rücksichtslos verhalten. Dr. Harald Lesch zeigt uns hier das Experiment in deutscher Sprache…

Dr. Helnwein & Dr. Manson im WeltkrankenhausWie krank muss eine Welt sein, dass sie solche Symptome hervorbringt, wie sie unter anderem von Dr. Helnwein und Dr. Manson dargestellt werden. Eine “bessere Gesellschaft”, die sich für (grundlos!) auserwählt hält, bringt alles um, was nicht in ihre Wahnvorstellung von Recht und Ordnung passt. Das Weltkrankenhaus in guter Absicht kommt jetzt unweigerlich an die Kapazitätsgrenze des Fassbaren: “The Punk-Rocker deserved to die – because he looked the way he did.” So kommentiert Marilyn Manson die Ermordung von Brian Deneke. Machen wir uns nichts vor, dieser “Einzelfall” (es sind deren unzählige) ist auch nur ein einzelnes Symptom einer bösartigen Krankheit. Aber welche kann das sein? Kapitalismus? Fernsehwerbung? Glaubensplemplem? Oder ist es gar das Zusammenwirken all dieser – und noch anderer, bislang unerkannter Seuchen? Wir hatten doch so schöne Hoffnungen und Träume (High Hopes) und dann kommt Dr. Ariadne von Schirach und diagnostiziert uns “Die psychothische Gesellschaft”, eine systemische Erkrankung, die das Überleben der Menschheit in Frage stellt

Dr. House im WeltkrankenhausAllerdings lautet der Untertitel ihrer als Buch erschienenen Diagnose auch “Wie wir Angst und Ohnmacht überwinden.” Das legt immerhin die Hoffnung nahe, dass es Hoffnung gibt. Und die hegen ja auch wir bis zuletzt, sonst würden wir hier nicht mehr hörbar in Erscheinung treten. Und im Weltkrankenhaus Doktor spielen mit der Frage: “Was ist los mit dieser Menschheit, dass ringsum zunehmend der Wahnsinn regiert?” Ich hätte da noch eine Diagnose, die alle bisherigen Symptome erklären könnte: Die Welt leidet nicht einfach nur an Menschheit, sondern an deren Erwachsenensyndrom. Nicht das Heranwachsen, die Geschlechtsreife oder die Fertigkeiten der Lebensgestaltungnein, das nachträgliche Abwerten der eigenen Kindheit im (falschen) Bewusstsein, etwas geleistet und “es geschafft” zu haben, wodurch man auch glaubt, ein Recht auf Macht über andere zu besitzen – just wie im erwähnten Monopoly-Experiment

Für diese Erkrankung suchen wir derzeit noch nach einer geeigneten Therapie.

 

Osterhasen Quarantäne

> Sendung: Perlentaucher Nachtfahrt vom Freitag, 10. April Willkommen zu unserem Quarantäne-Workshop aus den Außenstudios des Ausnahmezustands. Wir lernen dabei heute, wie sich ein aus spontan-assoziativer Live-Begegnung und atmosphärisch verdichtetem Zusammensein erwachsenes Sendungsformat “von zuhause aus” produzieren lässt, und zwar ob wir wollen oder nicht. Denn die auch in der Radiofabrik geltenden Corona-Richtlinien verunmöglichen uns den Gebrauch des gewohnten Sendestudios – und so stehen wir vor einer eigentlich unlösbaren Aufgabe, nämlich die Sendung schon “im voraus” herzustellen und dabei dennoch einiges an Überraschung und dialogischen Live-Elementen einzubeziehen. Was sagt der Hund? “Eine Live-Sendung vorproduzierendes geht überhaupt ned.

Osterhasen Quarantäne MusikDabei soll die “musikliterarische Gefühlsweltreise” ihren unteren Titeln getreu auch in der heutigen Form “mit tiefgründigen Themen” zugange sein. Eine bloße Reflexion zur aktuell herrschenden Pandemie wäre uns aber zu langweilig, zumal wir erst unlängst im Artarium “Die Büchse der Corona” aufgemacht haben. Weltweite Virenkrise – das könnte einigen Globalsoziopathen allerdings gerade recht kommen, weils doch so schön ablenkt von all den hässlichen Nebenwirkungen der internationaler Konzernokratie und ihrer grenzenlosen Gier, wie etwa Lohnsklaverei, Massenverelendung und Umweltzerstörung. Alles geht so weiter wie bisher – und jedweder Widerstand wird durch Ausgehverbote im Keim erstickt. Irgendwie legt sich die derzeitige Zwangslage auch wie eine schleichende Krankheit auf Geist und Seele. Wer verbreitet das Virus? Richtig, die Wirtschaft. Bitte merkts euch das amal!

Osterhase in Quarantäneman greift schnell zur resignation
man greift schnell zu schuld und verleumdung
man greift schnell zu panik und furcht
man greift schnell zur illusionierung

man geht schnell durch gassen und märkte
man geht schnell zurück in sein haus
man geht schnell vorbei an den alten
man geht schnell zur arbeit und dankt

man glaubt schnell all den idioten
man glaubt schnell den fakten und zahlen
man glaubt schnell den falschen versprechen
man glaubt dem geld schnell und seinen vasallen

Auszug aus “zyklus viral” von Christopher Schmall. Dem ist nicht viel hinzu zu … außer vielleicht die Musikauswahl betreffend. Denn kaum richten wir den Blick ins Innere der Gefahrenzone, also in die Gefühlswelt der Gefährdeten, schon scheint das Bedürfnis nach Krachbumm und Intensität zuzunehmen, in jeder Quarantäne ziemlich genau dem Unvermögen des Draußenauslebens entsprechend.

Osterhasen Quarantäne im KopfUnd so soll dieser Versuch, das Unmögliche zu ermöglichen, ein weiteres Fragment werden – in den Versuchen vieler, der Isolation, der Angst und dem Wahnsinn kreativen Lebensmut abzuringen. Auch wenn wir dafür unseren gesamten, längst eingespielten Produktionsprozess über den Haufen werfen und quasi neu entwickeln müssen, die bloße Vorstellung, in diesem Monat keine neue Schöpfung zu gestalten war noch viel mühsamer. Auch wenn all dieses digitale “Verbundensein” weit entfernt von “The Real Thing”, nämlich “Life is Live” ist, auch von Krisen und Katastrophen (und von der Regierung, wäh!) aufgezwängte Grenzen sind dazu da, überwunden zu werden. Aus unserer häuslichen Abgeschiedenheit in eure Einsiedelei, Quarantäne, Verunsicherung gesendet, allerbeste Hasengrüße des Überdauerns, Überstehens und Überwindens, die etwas andere Collage aus Liebe, Poesie und Widerstand: Bleibts am Leben!

Die Landschaftsfotos verdanken wir der Musikgruppe Hasenbar